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10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, AsylgerichtshofNorm
VfGG §34, §35Leitsatz
Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme eines mit Ablehnung abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens betreffend Versagung einer Baubewilligung; vorgelegte Dokumente zur Herbeiführung einer günstigeren Entscheidung des VfGH nicht geeignet; geltend gemachte Straftatbestände teils nicht verwirklicht, teils im Gesetz nicht vorgesehen; kein Hinweis auf einen Kundmachungsmangel des Wiener Kleingartengesetzes 1996Spruch
Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, abgeschlossenen Verfahrens wird abgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Sachverhalt, Vorbringen
1. Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 5. Mai 2011, ZBOB-76/11, wurde die Berufung der antragstellenden Gesellschaft gegen einen Bescheid der Magistratsabteilung 37/18, mit dem die Errichtung eines Wohnhauses auf einem Grundstück mit der Widmung "Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" untersagt wurde, abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die antragstellende Gesellschaft eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 15. Dezember 2011, B732/11-18, gemäß Art144 Abs2 B-VG abgelehnt wurde. Begründend führte der Gerichtshof unter anderem aus, dass das Beschwerdevorbringen eine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen lässt, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die antragstellende Gesellschaft hatte gestützt auf ein Rechtsgutachten behauptet, dass das präjudizielle Wiener Kleingartengesetz 1996 wegen Abweichungen des kundgemachten Gesetzestextes vom tatsächlich im Landtag beschlossenen Gesetzestext mit Verfassungswidrigkeit behaftet sei. Ein im Gemeinderatsausschuss für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Außenbeziehungen der Stadt Wien beschlossener Abänderungsantrag sei der Beschlussfassung im Wiener Landtag nicht zugrunde gelegt worden. Trotzdem sei das Gesetz mit den im Ausschuss beschlossenen Änderungen kundgemacht worden.
Auf diese Bedenken ist der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss, der nach Durchführung eines Vorverfahrens und Einsicht in den Gesetzgebungsakt getroffen wurde, explizit eingegangen:
"Der Entwurf zum Wiener Kleingartengesetz 1996, der dem Wiener Landtag als Beilage Nr 31/1996, 1268/96-MDPLTG, zur Beschlussfassung vorgelegen ist, wurde in der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und des Wiener Gemeinderates insofern unvollständig erfasst, als der am 1. August 1996 im Gemeinderatsausschuss für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Außenbeziehungen der Stadt Wien beschlossene Abänderungsantrag der Abgeordneten Franz-Karl Effenberg, Susanne Kovacic und Dipl.-Ing Dr. Herlinde Rothauer, der die Gesetzesvorlage abänderte und der als Bestandteil der Beilage Nr 31/1996 dem Wiener Landtag zur Beschlussfassung vorgelegen ist, nicht eingearbeitet worden ist. Der Ersteller des von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegten Gutachtens hat offensichtlich diese Unvollständigkeit der Datenhaltung nicht erkannt und daher den im Ergebnis falschen Schluss gezogen, dass der kundgemachte Gesetzestext vom beschlossenen Gesetzestext abweicht."
3. Mit am 2. Oktober 2012 beim Verfassungsgerichtshof eingelangtem Schriftsatz begehrt die antragstellende Gesellschaft die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Als Wiederaufnahmegründe macht die antragstellende Gesellschaft Umstände nach §530 Abs1 Z3 und Z7 ZPO geltend. Die Magistratsdirektion der Stadt Wien habe dem Verfassungsgerichtshof zu B732/11 eine Stellungnahme abgegeben, in der auch falsche Behauptungen aufgestellt worden seien, und den Akt über die Gesetzgebung nur unvollständig vorgelegt.
Dem Verfassungsgerichtshof seien bestimmte Dokumente nicht vorgelegt worden und es habe sich
"Angesichts
? der tatsächlichen Rechtslage […],
? der Vorgangsweise der Organe/Behörden der Stadt Wien […] (unvollständige Aktenvorlage und falsche Behauptungen an die Höchstgerichte, Verweigerung der Akteneinsicht) sowie
? des Umstands, dass qualifizierteste Organe/Beamte mit der Frage der Geltung des letzten Satzes des §15 (1) WKlG [Wiener Kleingartengesetz 1996] befasst waren und davon ausgegangen werden muss, dass diesen Personen die wahre Rechtslage bekannt war und ist,
[…] der Verdacht einer Täuschung (§108 StGB) und eines Amtsmissbrauchs (§302 StGB) aufgedrängt."
II. Rechtslage
§530 ZPO lautet (auszugsweise):
"§530. (1) Ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, kann auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden,
1.-2. […]
3. wenn die Entscheidung durch eine als Täuschung (§108 StGB), als Unterschlagung (§134 StGB), als Betrug (§146 StGB), als Urkundenfälschung (§223 StGB), als Fälschung besonders geschützter Urkunden (§224 StGB) oder öffentlicher Beglaubigungszeichen (§225 StGB), als mittelbare unrichtige Beurkundung oder Beglaubigung (§228 StGB), als Urkundenunterdrückung (§229 StGB) oder als Versetzung von Grenzzeichen (§230 StGB) gerichtlich strafbare Handlung des Vertreters der Partei, ihres Gegners oder dessen Vertreters erwirkt wurde;
rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist;
4.-6. […]
7. wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
(2) Wegen der in Z6 und 7 angegebenen Umstände ist die Wiederaufnahme nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die Rechtskraft der Entscheidung oder die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen."
III. Zulässigkeit
1. Gemäß §34 VfGG kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens u.a. in den Fällen des Art144 B-VG stattfinden. Da §34 VfGG 1953 eine nähere Regelung nicht enthält, gelten für die Wiederaufnahme gemäß §35 leg.cit. sinngemäß die Bestimmungen der ZPO (VfSlg 8972/1980, 9126/1981).
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmsantrages ist nach §530 Abs1 ZPO der Abschluß des Verfahrens durch "eine die Sache erledigende Entscheidung". Eine solche liegt nicht nur dann vor, wenn in ihr der dem jeweiligen Verfahren zugrunde liegende Rechtsschutzantrag meritorisch erledigt wird, sondern – ungeachtet ihrer Bezeichnung – immer schon dann, wenn durch sie das Verfahren beendet wird. Um eine solche verfahrensbeendende Entscheidung handelt es sich bei einem Beschluss, mit dem die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144 Abs2 B-VG abgelehnt wird. Durch einen solchen Beschluss wird nämlich ebenso wie durch einen Zurückweisungsbeschluss aus rein prozessualen Gründen oder ein Erkenntnis ein Beschwerdeverfahren beendet (VfSlg 15.340/1998, 16.356/2001).
Der Wiederaufnahmsantrag, der sich auf die gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe §530 Abs1 Z3 und Z7 ZPO stützt und innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt wurde, ist daher zulässig.
IV. Inhaltliche Erwägungen
1. Gemäß §530 Abs1 Z7 ZPO kann ein Verfahren auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, "wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung in früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde". Neue Tatsachen oder Beweismittel können aber nur dann einen Wiederaufnahmsgrund bilden, wenn sie solcher Art sind, dass ihre Berücksichtigung im Rahmen der dem Verfassungsgerichtshof zukommenden Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung möglich erscheinen lässt (VfSlg 3532/1959, 6469/1971, 9126/1981).
Die antragstellende Gesellschaft behauptet, es seien dem Verfassungsgerichtshof folgende Dokumente nicht vorgelegt worden:
1) Amtsblatt der Stadt Wien Nr 34/1996
2) Amtsblatt der Stadt Wien Nr 42/1996
3) Protokoll der Sitzung des Landtages am 9. August 1996
4) "Abänderungsantrag der Landtagsabgeordneten Franz-Karl Effenberg (SPÖ), Ing. Karl Svoboda (SPÖ), Walter Prinz (FPÖ), Dipl.Ing.Dr. Herlinde Rothauer (ÖVP) und GenossInnen zu Post 1 der heutigen Tagesordnung betreffend Gesetz über Kleingärten (Wiener Kleingartengesetz 1996), in der Fassung des Ausschußbeschlusses vom 1.8.1996, eingebracht in der Sitzung des Wiener Landtags am 9. August 1996."
5) "Abänderungsantrag der Landtagsabgeordneten Franz-Karl Effenberg (SPÖ), Ing. Karl Svoboda (SPÖ), Walter Prinz (FPÖ), Dipl.Ing.Dr. Herlinde Rothauer (ÖVP) und GenossInnen zu Post 2 der heutigen Tagesordnung betreffend Gesetz, mit dem die Bauordnung für Wien, das Wiener Kleingartengesetz 1996 und das Wiener Gasgesetz geändert werden, eingebracht in der Sitzung des Wiener Landtags am 9. August 1996."
6) Entwurf für ein "Gesetz, mit dem die Bauordnung für Wien, das Wiener Kleingartengesetz und das Wiener Gasgesetz geändert werden", Beilage Nr 14/1996
7) "Beschluß(Resolutions)antrag der Landtagsabgeordneten Franz-Karl Effenberg (SPÖ), Walter Prinz (FPÖ), Dipl.Ing.Dr. Herlinde Rothauer (ÖVP) und GenossInnen zum Wiener Kleingartengesetz 1996 betreffend Wärmeschutz, eingebracht in der Sitzung des Wiener Landtags am 9. August 1996."
8) Wiener Landtag, 37. Sitzung vom 9. August 1996, Wörtliches Protokoll
Diese von der antragstellenden Gesellschaft als Beilagen zu ihrem Antrag auf Wiederaufnahme dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Dokumente sind nicht geeignet, eine günstigere Entscheidung herbeizuführen. Sie sind teils notorisch (1, 2, 3, 8), teils Kopien von Abänderungsanträgen, die erst am Tag der Landtagssitzung eingebracht wurden und nicht den geringsten Beleg für die Behauptung, ein im Ausschuss beschlossener Abänderungsantrag sei der Beschlussfassung im Wiener Landtag nicht zugrunde gelegt worden, darstellen (4, 5), und teils Dokumente, die andere Gesetzesvorhaben betreffen (5, 6, 7). Im Gegenteil: Einer der genannten Abänderungsanträge (4) bezieht sich ausdrücklich auf das "Gesetz über Kleingärten (Wiener Kleingartengesetz 1996), in der Fassung des Ausschußbeschlusses vom 1.8.1996".
2. Gemäß §530 Abs1 Z3 ZPO kann ein Verfahren auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn die Entscheidung durch eine gerichtlich strafbare Handlung erwirkt wurde, wobei die Straftatbestände des StGB, die zu einer Wiederaufnahme führen können, in §530 Abs1 Z3 ZPO taxativ aufgezählt werden.
Die antragstellende Gesellschaft macht die Straftatbestände der Täuschung (§108 StGB) und des Amtsmissbrauchs (§302 StGB) geltend.
Die in diesem Verfahren vorgelegten Dokumente sind nicht geeignet, eine günstigere Entscheidung herbeizuführen (s. Punkt IV.1.). Durch die (behauptete) Nichtvorlage dieser Dokumente war daher auch eine Täuschung nicht möglich. Ebenso wenig kann es der belangten Behörde des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, vorgeworfen werden, wenn sie in der Gegenschrift Mängel der elektronischen Erfassung in der Informationsdatenbank des Wiener Landtags zugesteht. Eine Verwirklichung des Straftatbestands der Täuschung (§108 StGB) ist daher offenkundig nicht gegeben.
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil die Entscheidung durch einen Missbrauch der Amtsgewalt (§302 StGB) erwirkt wurde, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Tatbestand ist nicht in der Liste der Tatbestände des §530 Abs1 Z3 ZPO enthalten.
V. Ergebnis
1. Die antragstellende Gesellschaft geht offensichtlich von der unzutreffenden Rechtsauffassung aus, dass ein im Ausschuss beschlossener Abänderungsantrag der Beschlussfassung im Plenum nicht automatisch zugrunde gelegt wird. Der Verfassungsgerichtshof hat schon im Verfahren zu B732/11 nach Einsicht in den Gesetzgebungsakt festgestellt, dass kein Hinweis darauf besteht, dass bei der Beschlussfassung am 9. August 1996 über das Wiener Kleingartengesetz 1996 im Wiener Landtag von der üblichen Vorgangsweise, dass dem Landtag Gesetzesvorlagen in der Fassung des jeweils zuständigen Ausschusses vorgelegt werden, abgewichen wurde. Auch in dem vorliegenden Antrag findet sich diesbezüglich kein Hinweis.
2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiederaufnahme war daher abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §34 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Wiederaufnahme, Baurecht, Gesetz KundmachungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B1222.2012Zuletzt aktualisiert am
11.11.2013