TE Vfgh Erkenntnis 2013/3/13 U709/12 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.2013
beobachten
merken

Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

AsylG 2005 §3
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art8

Leitsatz

Verletzung der Erstbeschwerdeführerin im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch eine willkürliche Entscheidung des Asylgerichtshofes hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten; keine mit den Denkgesetzen in Einklang stehende Beweiswürdigung; Ablehnung der Beschwerdebehandlung hinsichtlich der Anträge der übrigen Beschwerdeführer

Spruch

I.              1. Die Erstbeschwerdeführerin ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.              

Die Entscheidung wird – soweit sie die Erstbeschwerdeführerin betrifft – aufgehoben.

              2. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der Erstbeschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II.              1. Die Behandlung der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers, der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin sowie des Fünftbeschwerdeführers wird abgelehnt.

              2. Der Antrag des Zweitbeschwerdeführers, der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin sowie des Fünftbeschwerdeführers auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, stellte nach gemeinsamer Einreise mit ihrem Ehemann und ihrem Kind, dem Zweitbeschwerdeführer, am 6. September 2007 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie mehrmals überfallen und misshandelt worden und nach dem Aufenthaltsort ihres "verschwundenen" Vaters gefragt worden sei. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin stellte ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz; auch für den Zweitbeschwerdeführer und für die in Österreich geborene Drittbeschwerdeführerin wurden Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

2. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 25. Jänner 2008 wurden der Antrag der Erstbeschwerdeführerin sowie die Anträge der übrigen Familienmitglieder auf internationalen Schutz gemäß §5 Abs1 Asylgesetz 2005 zurückgewiesen und festgestellt, dass Polen für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Unter einem erfolgte die Ausweisung der gesamten Familie nach Polen gemäß §10 Abs1 Z1 (iVm Abs4) Asylgesetz 2005. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. März 2008 abgewiesen; die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2010 abgelehnt. Auch der für die zwischenzeitig geborene Viertbeschwerdeführerin gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Jänner 2010 zurückgewiesen und Polen für die Prüfung des Antrages für zuständig erklärt; unter einem erfolgte die Ausweisung nach Polen gemäß §10 Abs1 (iVm Abs4) Asylgesetz 2005. Die gesamte Familie wurde im März 2010 nach Polen überstellt.

3. Am 16. Juni 2010 stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich, den Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 6. September 2010 gemäß §§5 und 10 Asylgesetz 2005 zurückgewiesen wurde. Am 21. Juli 2010 wurde die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann, dem Zweitbeschwerdeführer, der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin abermals nach Polen überstellt.

4. Eine Anfrage des Bundesasylamtes an die polnischen Behörden ergab, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin während seines Aufenthaltes in Polen im April 2010 erklärt habe, freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Mit Bescheid des polnischen Amtes für Ausländerangelegenheiten vom 26. November 2010 wurden die in Polen gestellten Asylanträge abgewiesen und die Familie wurde aus Polen ausgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte für sich, den Zweitbeschwerdeführer und die Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin am 31. März 2011 – sowie für das in Österreich geborene (vierte) Kind, den Fünftbeschwerdeführer, am 19. April 2011 – in Österreich Anträge auf internationalen Schutz, die – infolge eines Aufenthaltes der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers, der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin in der Ukraine – inhaltlich geprüft wurden; ihr Ehemann sei in der Ukraine "verschollen". Vor dem Bundesasylamt gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie, ihre Eltern und ihre Geschwister wegen der von einem ihrer Brüder im "Tschetschenienkrieg" geleisteten Unterstützung bedroht worden seien; ihr Vater und einer ihrer Brüder seien "mitgenommen" und geschlagen worden. Nach ihrer Heirat sei sie zu ihrem Ehemann und seinen Eltern gezogen. Auch dort sei sie, ihr Ehemann und ihre Schwiegereltern von "maskierten Männern" nach dem Aufenthaltsort ihrer Familienangehörigen gefragt worden. Die Erstbeschwerdeführerin sei geschlagen und ihr Ehemann sei "furchtbar zugerichtet" worden. In Österreich würden die Mutter, drei Brüder, zwei Schwestern und eine Cousine der Erstbeschwerdeführerin als Asylberechtigte leben.

5. Mit im Familienverfahren ergangenen Bescheiden des Bundesasylamtes vom 20. Dezember 2011 wurden die Anträge sämtlicher Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 Asylgesetz 2005 abgewiesen. Mit denselben Bescheiden wurde ihnen gemäß §8 Abs1 Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine Aufenthaltsberechtigung bis 20. Dezember 2012 erteilt.

6. Die gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 Asylgesetz 2005 erhobenen Beschwerden wies der Asylgerichtshof mit der angefochtenen Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung ab.

Auf das Wesentliche zusammengefasst kam der Asylgerichtshof – nach Darstellung des Verfahrensganges, der Wiedergabe der Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes und Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation (Tschetschenien) – in seiner Entscheidung zum Ergebnis, dass das Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin nicht glaubwürdig sei und sie im Übrigen keine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete Verfolgungshandlungen darzulegen vermochte. Wörtlich führte er Folgendes aus:

"In Bekräftigung der beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes – welchen in der Beschwerde in keiner Weise entgegengetreten wird – ist auch seitens des Asylgerichtshofes festzuhalten, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin im gegenständlichen – nunmehr dritten, wenngleich ersten inhaltlichen – Asylverfahren, mit welchem die Erstbeschwerdeführerin im Übrigen keinerlei konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete Verfolgungshandlungen darzulegen vermochte, nicht glaubwürdig und daher auch nicht geeignet ist, eine aktuelle Verfolgungsgefahr für die Erstbeschwerdeführerin und daran anknüpfend für die übrigen Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien darzulegen.

Die Erstbeschwerdeführerin brachte im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26.09.2011 vor, dass sie im neunten Monat schwanger gewesen sei – folglich im September 2006, da der Sohn der Zweitbeschwerdeführerin am 30.09.2006 geboren wurde –, als sie von unbekannten maskierten Personen aufgesucht und nach ihren Familienangehörigen befragt worden sei, wobei es zu Übergriffen gekommen sei; bei dem Versuch, die Erstbeschwerdeführerin zu beschützen, sei ihr Ehemann furchtbar 'zugerichtet' worden und hätte die Erstbeschwerdeführerin mit ihrer Familie in Folge immer in anderen Städten gelebt. Es sei in weiterer Folge zu Übergriffen gegen den Vater und Bruder der Erstbeschwerdeführerin gekommen und habe der Bruder der Erstbeschwerdeführerin dieser vorgeschlagen zu flüchten. Die Erstbeschwerdeführerin habe dann im August (gemeint wohl 2007) ihren Bruder in Brest getroffen und sei gemeinsam mit ihm über Polen nach Österreich gekommen.

Aus dem von den polnischen Behörden übermittelten Bescheid des Amtes für Ausländerangelegenheiten vom 26.11.2010, mit welchem der Asylantrag des Ehemannes und daran anknüpfend auch die Anträge der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Kinder (die Erstbeschwerdeführerin stützte ihren Asylantrag in Polen offenbar auf keine eigenen Fluchtgründe), negativ erledigt wurden, ist zu entnehmen, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin angab, mit dieser und seinen Eltern in einem Haus in G[…], [Adresse], gelebt zu haben, ein mehrmals vorgenommener Wohnsitzwechsel vor der Ausreise der Familie der Erstbeschwerdeführerin ist – entgegen dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren – den Angaben des Ehemannes vor der polnischen Behörde jedoch nicht zu entnehmen. Dem Bescheid ist weiters zu entnehmen, dass auch das Vorbringen des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin von der zuständigen polnischen Behörde nicht für glaubwürdig erachtet wurde; diesbezüglich wird im Bescheid festgehalten, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin seine Aussagen im Laufe des Verfahrens ständig geändert und bei der Einreichung des Asylantrages ange[ge]ben habe, Tschetschenien aufgrund der instabilen Lage verlassen zu haben und niemals festgenommen inhaftiert oder durch ein Gerichtsurteil verurteilt worden zu sein, was er in weiterer Folge steigerte und angab, mehrmals aufgesucht, mitgenommen und durch tschetschenische Militärangehörige in einem militärischen Stützpunkt in […] verhört worden zu sein. Aus dem Bescheid ist zwar weiters zu entnehmen, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin erwähnt habe, dass seine Ehefrau von Militärangehörigen aufgesucht worden und dass nach ihren Brüdern gesucht worden sei, die angeblich Kämpfern geholfen hätten und sich in Österreich befänden; festgehalten wird im Bescheid der zuständigen polnischen Behörde zu diesem Vorbringen aber, dass aus der Beschreibung des Vorfalles nicht hervorgegangen sei, dass es zu einem ernsten Eingriff gegen die Sicherheit der Erstbeschwerdeführerin gekommen wäre.

Vergleicht man nun die Angaben der Erstbeschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren mit dem Vorbringen ihres Ehemannes im Rahmen der Asylantragstellung in Polen, so ist dem Bundesasylamt zu folgen, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin aufgrund der Divergenz zum Vorbringen ihres Ehemannes nicht für glaubwürdig erachtet werden kann; insbesondere ist festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin mit keinem Wort erwähnte, dass ihr Ehemann von tschetschenischen Militärangehörigen aufgesucht, mitgenommen und in einem militärischen Stützpunkt in […] verhört worden sei; auch der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin erwähnte nichts von dem von der Erstbeschwerdeführerin erwähnten Vorfall, bei welchem dieser selbst furchtbar 'zugerichtet' worden sein soll. Wie bereits erwähnt, wird in der Beschwerde den diesbezüglichen, im angefochtenen Bescheid getätigten beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes nicht entgegengetreten.

Letztlich ist dem Bundesasylamt insbesondere zuzustimmen, dass der Umstand, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin in Polen am 09.04.2010 eine Erklärung über die freiwillige Rückkehr nach Tschetschenien angab, gegen eine den Beschwerdeführern im Herkunftsland drohende Verfolgung spricht. Hinzuweisen ist auch nochmals darauf, dass aus der von der Erstbeschwerdeführerin vorgelegten Bestätigung des Exekutivkomitees des Dorfrates in […], Ukraine, entnommen werden kann, dass sich die Erstbeschwerdeführerin dort mit einem vom Innenministerium der Russischen Föderation ausgestellten Personalausweis vom 16.08.2007 auswies und daher auch der Umstand, dass der Erstbeschwerdeführerin offenbar kurz vor ihrer Ausreise ein Personaldokument ausgestellt wurde, gegen eine konkret und gezielt gegen die Person der Erstbeschwerdeführerin gerichtete Verfolgung spricht. Eine solche vermag im Übrigen auch nicht durch den Umstand, dass Geschwister der Erstbeschwerdeführerin in Österreich Asyl erhielten, dargetan zu werden; wie bereits oben ausgeführt wurde, hat die Beschwerdeführerin keinerlei gezielte und konkrete Verfolgungshandlungen maßgeblicher Intensität gegen ihre Person behauptet, die auf eine Wiederholungsgefahr bzw. auf eine Gefahr von künftigen Übergriffen maßgeblicher Intensität im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien schließen lassen würden."

Zu dem Zweitbeschwerdeführer, der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin sowie dem Fünftbeschwerdeführer führte der Asylgerichtshof aus, dass keine eigenen Verfolgungsbehauptungen vorgebracht worden seien. Die von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachten Fluchtgründe würden auch für ihre Kinder gelten.

7. In den gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes gemäß Art144a B-VG erhobenen Beschwerden wird die Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens geltend gemacht sowie u.a. die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass allein ein Widerspruch zu den Aussagen des Ehemannes die Angaben der Erstbeschwerdeführerin nicht unglaubwürdig machten. Der Asylgerichtshof habe es verabsäumt, die Aussagen der Erstbeschwerdeführerin mit jenen ihrer als Asylberechtigte in Österreich lebenden Familienangehörigen abzugleichen; insbesondere würden sich die Aussagen ihrer Mutter mit jenen der Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich "der Behandlung ihres Vaters und ihres Bruders" decken. Ebenso wenig spreche die Ausstellung eines Russischen Personalausweises durch eine offizielle Behörde gegen die Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin, da Repressalien oft durch paramilitärische Einheiten erfolgten.

8. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er im Wesentlichen ausführt, dass er die Asylgewährungen der in Österreich lebenden Familienangehörigen der Erstbeschwerdeführerin in seiner Entscheidung berücksichtigt habe; aus der individuellen Gefährdung von Verwandten könne aber keine individuelle, aktuelle Gefährdung der Erstbeschwerdeführerin abgeleitet werden. Eine allfällige Verletzung des Art8 EMRK habe der Asylgerichtshof nicht zu prüfen gehabt, da sich auf Grund der erteilten Aufenthaltsberechtigung die Frage der Ausweisung der Beschwerdeführer überhaupt nicht gestellt habe.

II. Erwägungen

A. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin erwogen:

Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Ein willkürliches Verhalten liegt insbesondere auch dann vor, wenn die Behörde die Entscheidung mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg 18.925/2009 mwN und VfGH 20.9.2012, U 423/12 ua.).

Der Asylgerichtshof begründet die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der Erstbeschwerdeführerin insbesondere mit der "Divergenz zum Vorbringen ihres Ehemannes" im polnischen Asylverfahren. Er hält dazu fest, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht erwähnt habe, dass "ihr Ehemann von tschetschenischen Militärangehörigen aufgesucht, mitgenommen und in einem militärischen Stützpunkt in […] verhört worden sei." Umgekehrt habe der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin nichts von dem von der Erstbeschwerdeführerin erwähnten Vorfall, bei dem er selbst "furchtbar zugerichtet" worden sei, erwähnt.

Indem der Asylgerichtshof zur Begründung der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der Erstbeschwerdeführerin das in Polen erstattete Fluchtvorbringen des Ehegatten, das sich überhaupt nicht auf das Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin bezogen hat, ins Treffen führt, nimmt er eine Beweiswürdigung vor, die mit den Denkgesetzen nicht in Einklang steht.

Soweit der Asylgerichtshof noch ausführt, dass die Erstbeschwerdeführerin "keinerlei gezielte und konkrete Verfolgungshandlungen maßgeblicher Intensität gegen ihre Person behauptet" habe, übergeht er, dass sie in ihren Einvernahmen vor dem Bundesasylamt angegeben hat, mehrmals von unbekannten Personen in ihrem Elternhaus aufgesucht worden und auch geschlagen worden zu sein.

Mit diesen Ausführungen hat der Asylgerichtshof die angefochtene Entscheidung – soweit sie die Erstbeschwerdeführerin betrifft – mit Willkür belastet.

B. Zu der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers, der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144a B-VG ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144a Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde behauptet die Verletzung in den unter Punkt I.7. bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.

Durch eine den Asylantrag abweisende, nicht aber auch die Ausweisung verfügende Entscheidung kommt eine Verletzung des Art8 EMRK von vornherein nicht in Betracht.

Die im Übrigen gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

Auf den Spruchpunkt I. dieses Erkenntnisses wird mit Blick auf §34 Asylgesetz 2005 und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen für den vorliegenden Fall hingewiesen.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist somit durch die angefochtene Entscheidung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die angefochtene Entscheidung ist daher – soweit sie die Erstbeschwerdeführerin betrifft – aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 iVm §88a VfGG. In den der Erstbeschwerdeführerin zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten. Die Entscheidung betreffend die Erstbeschwerdeführerin konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Behandlung der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers, der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin sowie des Fünftbeschwerdeführers war aus den oben genannten Gründen abzulehnen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war zurückzuweisen, da Art144a B-VG – anders als Art144 B-VG – die Abtretung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht vorsieht (§19 Abs3 Z2 lita VfGG).

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Bescheidbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U709.2012

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten