TE Vwgh Erkenntnis 2013/6/20 2011/06/0216

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.2013
beobachten
merken

Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BauG Stmk 1995 §39 Abs1;
BauG Stmk 1995 §39 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der H, vertreten durch Dr. Stefan Lausegger, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Mariahilferstraße 20/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. September 2011, Zl. FA13B-12.10-W31/2011- 170, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 11. Oktober 2010 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin Folgendes ausgesprochen (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof, Hervorhebung im Original):

"Spruch I

Gemäß § 39 Abs. 3 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 idgF wird für Frau H P, wohnhaft in … ein Instandsetzungsauftrag hinsichtlich der löchrigen Mauer zwischen dem Anwesen P und M, auf dem Grundstück Nr.: .61 der KG W

erlassen.

Als Frist für die Erneuerung der Dachrinne wird der Freitag,

12. November 2010 festgelegt."

In der Begründung führte der Bürgermeister aus, die Baubehörde sei durch den Betreiber des Gasthofes M aufmerksam gemacht worden, dass es durch das durch den teilweisen Abbruch der Mauer am 7. Juli 2007 entstandene Loch bereits mehrfach zu einem Wassereintritt gekommen sei, der nicht nur Schäden in der Bauernstube, sondern auch in der Küche verursacht habe. Bei einem Ortsaugenschein am 9. September 2010 seien im Bereich der Küche nasse Stellen festgestellt worden. Als Frist für die Durchführung der Instandsetzungsarbeiten werde der 12. November 2010 festgelegt.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 24. Februar 2011 "gemäß § 66 Abs 4, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl Nr. 51/1999 i.d.F. BGBl. Nr. 158/1998 als unbegründet zurückgewiesen." In der Begründung führte der Gemeinderat aus, mit dem erstinstanzlichen Bescheid sei die Beschwerdeführerin mit der Instandsetzung der löchrigen Mauer zwischen den Anwesen P und M beauftragt worden. Die Beschwerdeführerin sei zweifelsfrei die Eigentümerin der vom Instandsetzungsauftrag erfassten Mauer. Die angrenzende Mauer der Liegenschaft M sei als Feuermauer ausgebildet, nicht jedoch die Mauer der Beschwerdeführerin. Durch die löchrige Mauer und den daraus resultierenden Wassereintritt sei in der Küche des Gasthauses M augenscheinlich ein Wasserschaden entstanden.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung, die die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. September 2011 als unbegründet abwies. Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, die Beschwerdeführerin sei mit dem von ihr bekämpften baupolizeilichen Auftrag der mitbeteiligten Marktgemeinde nicht verpflichtet worden, die Mauer "des Nachbarn" zu sanieren, sondern vielmehr die in ihrem Eigentum stehende Mauer. Wie sich aus den im Gemeindeakt befindlichen Fotos zweifelsfrei ergebe, sei diese Mauer sehr sanierungsbedürftig, zumal sie Öffnungen größeren Ausmaßes aufweise. Da die Beschwerdeführerin der gesetzlichen Instandhaltungspflicht nicht nachgekommen sei, habe der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde zu Recht die Instandsetzung der Mauer aufgetragen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Marktgemeinde hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 1 Stmk BauG 1995 (Stammfassung) hat der Eigentümer dafür zu sorgen, dass die baulichen Anlagen in einem der Baubewilligung, der Baufreistellungserklärung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden.

Gemäß § 39 Abs. 3 Stmk BauG 1995 (Stammfassung) hat die Behörde dem Eigentümer, wenn er seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen und die Behebung des der Bewilligung und den baurechtlichen Vorschriften widersprechenden Zustandes unter Festsetzung einer angemessenen Frist aufzutragen.

In der Beschwerde wird - soweit wesentlich - ausgeführt, es sei ein Instandsetzungsauftrag hinsichtlich der löchrigen Mauer erlassen und als Frist für die Erneuerung der Dachrinne "Freitag der 12. November 2010" festgelegt worden. Die Frist beziehe sich auf eine Instandhaltungsmaßnahme, nämlich die Erneuerung der Dachrinne, welche durch den Instandsetzungsauftrag nicht gedeckt sei. "In der Begründung, welche aber nicht der Spruch ist, und daher nicht rechtskräftig werden kann", sei dann festgehalten, als Frist für die Durchführung der Instandsetzungsarbeiten werde der 12. November 2010 festgelegt. "Auch dies ohne jegliche Begründung der Möglichkeit hinsichtlich der Dachrinne." Im Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde sei die Dachrinne in der Begründung gleichfalls mit keinem Wort erwähnt.

Die belangte Behörde ist nicht darauf eingegangen, dass - von der Beschwerdeführerin auch nicht thematisiert - der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei die Berufung "als unbegründet zurückgewiesen" anstatt abgewiesen hat. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist aber darin nicht zu erblicken, weil der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde - wie aus dem Gesamtzusammenhang und der Begründung klar ersichtlich ist - in der Sache entschieden hat und es sich somit um ein bloßes Vergreifen im Ausdruck handelt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2012, Zl. 2010/07/0129).

Dass der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung der Beschwerdeführerin (im Ergebnis) abgewiesen hat, ist damit so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) E 311 ff zu § 66 AVG). Dabei hat sie allerdings verkannt, dass die bis 12. November 2010 gesetzte Frist bei Erlassung des Bescheides des Gemeinderates bereits abgelaufen war, weshalb eine neue angemessene Frist im Sinne des § 39 Abs. 3 Stmk BauG 1995 zu setzen gewesen wäre. Indem die belangte Behörde dies nicht aufgriff, hat sie schon deshalb den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. In sprachlicher Hinsicht wird bemerkt, dass eine "Frist" im hier gegebenen Zusammenhang auch nicht durch die Nennung eines bestimmten, einzigen Tages für die Leistungserbringung "gesetzt" wird.

Die belangte Behörde führt bei der Wiedergabe des Verfahrensganges zwar aus, "Als Frist für die Durchführung der Instandsetzungsarbeiten sowie die Erneuerung der Dachrinne wurde der 12. November 2010 festgelegt", thematisiert in ihren weiteren Ausführungen allerdings nur die Mauer, ohne konkrete Bezugnahme auf die Dachrinne. Die belangte Behörde geht auch nicht darauf ein, dass der vom Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde bestätigte Bescheid des Bürgermeisters in seinem Spruch zwar zunächst einen Instandsetzungsauftrag hinsichtlich der löchrigen Mauer erlässt, sodann aber eine Frist für die Erneuerung der Dachrinne festlegt (und nicht für den Instandsetzungsauftrag hinsichtlich der Mauer). Weshalb die Dachrinne zu erneuern sei, ist den Begründungen nicht zu entnehmen, zumal als Ursache des Wasserschadens im Gasthaus M ausschließlich die löchrige Mauer genannt wird. Auch dies hat die belangte Behörde verkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. Juni 2013

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und Maßnahmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2011060216.X00

Im RIS seit

12.07.2013

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten