TE Vwgh Erkenntnis 2013/6/25 2010/09/0121

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Veröffentlicht am 25.06.2013
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §29a;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des MP in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 9. April 2010, Zlen. UVS 333.15-1/2010-38, UVS 30.15-1/2010-38, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb als Einzelunternehmer eine Nachtbar in X, im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Weiz. Den Betrieb an diesem Standort leitete er von einem vor Ort befindlichen Büro aus, wo auch sämtliche Unterlagen betreffend die Nachtbar aufbewahrt wurden.

Der Beschwerdeführer ist überdies handelsrechtlicher Geschäftsführer der MP GmbH mit Sitz in Y, das im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Hartberg liegt, wo der Beschwerdeführer auch wohnt. Die MP GmbH betreibt (u.a.) an ihrem Sitz ebenfalls einen Nachtclub.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 23. Februar 2009 wurde der Beschwerdeführer der Übertretung des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) in sechs Fällen für schuldig erkannt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der MP GmbH mit Sitz in Y zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin sechs ungarische Staatsangehörige zu näher angegebenen Zeiträumen jeweils bis 4. Mai 2007 in der Nachtbar in X beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

Über die Berufung des Beschwerdeführers hob die belangte Behörde dieses Straferkenntnis mit Bescheid vom 7. Juli 2009 wegen Unzuständigkeit "des Bezirkshauptmannes" von Hartberg auf. Begründend führte sie - soweit hier relevant - aus, dass der Beschwerdeführer die Nachtbar in X als Einzelunternehmen betreibe. Von dort aus habe der Beschwerdeführer den Betrieb auch tatsächlich geführt und von dort habe er daher arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen zu beantragen gehabt. Die Verwaltungsübertretung sei somit in X begangen worden; der Tatort liege demnach im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Weiz. Die Bezirkshauptmannschaft Hartberg sei im Sinne des § 27 Abs. 1 VStG für die Durchführung des Verfahrens daher örtlich nicht zuständig gewesen.

Im fortgesetzten Verfahren trat die Bezirkshauptmannschaft Hartberg das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 27 VStG an die Bezirkshauptmannschaft Weiz ab, die in der Folge dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einräumte, eine weitere Stellungnahme abzugeben bzw. weitere Beweise vorzulegen.

Am Tag des Einlangens einer Stellungnahme des Beschwerdeführers übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Weiz den Verwaltungsakt mit nachstehender Verfügung vom 20. November 2009 an die Bezirkshauptmannschaft Hartberg:

"Vorliegendes Verfahren wird gemäß § 29a VStG im Hinblick auf den Wohnsitz des (Beschwerdeführers) zur Durchführung des ordentlichen Strafverfahrens im Sinne des § 40 (1) VStG abgetreten."

Mit Strafverfügung vom 22. Dezember 2009 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Hartberg den Beschwerdeführer als Betriebsinhaber der Übertretung des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG in sechs Fällen für schuldig, weil er als Arbeitgeber sechs ungarische Staatsangehörige zu näher angegebenen Zeiträumen jeweils bis 4. Mai 2007 in der Nachtbar in X beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer (u.a.) die Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG ab und sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass sie die Tatzeiträume modifizierte und die verhängten Strafen neu festsetzte.

Begründend führte die belangte Behörde - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - zum Einwand der örtlichen Unzuständigkeit aus, dass das Verfahren mit 20. November 2009 von der Bezirkshauptmannschaft Weiz an die Bezirkshauptmannschaft Hartberg gemäß § 29a VStG rückabgetreten worden sei. Diese habe das Verfahren - "wie im erstinstanzlichen Strafverfahren üblich" - aufgrund einer Abtretung gemäß § 29a VStG fortgeführt. Die behauptete Unzuständigkeit liege demnach nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 29a VStG kann die zuständige Behörde das Strafverfahren an die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Übertragung nach § 29a VStG kein Bescheid, sondern eine verfahrensrechtliche Anordnung. Als solche unterliegt sie keiner abgesonderten Anfechtung und, mangels Bescheidcharakters, auch keiner Bekämpfung vor dem Verwaltungsgerichtshof. Ist die verfahrensrechtliche Anordnung mit Rechtswidrigkeit behaftet, so kann diese bei Anfechtung des ihr folgenden Bescheides geltend gemacht werden (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 96/03/0368, mwN). Ob die Voraussetzungen des § 29a VStG zutreffen, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Delegierung. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine erfolgte Delegierung dem Gesetz entsprach, ist somit nicht der der Delegierung nachfolgende tatsächliche Verfahrensverlauf, sondern ausschließlich die auf die Aktengrundlagen im Zeitpunkt der Delegierung gestützte Erwartung des Eintrittes einer wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens (siehe das Erkenntnis vom 24. Februar 2012, Zl. 2008/02/0360).

Für diese Annahme bot die Aktenlage - wie die Beschwerde zutreffend geltend macht - im Zeitpunkt der Übertragung im vorliegenden Fall keine ausreichende Grundlage. Auch die belangte Behörde stellte Gründe, die eine solche Annahme gerechtfertigt hätten, nicht dar. Da die übertragende Behörde die Verwaltungsstrafsache bei der Delegierung offenbar für spruchreif hielt, war durch die Delegierung eine wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens nicht mehr zu erwarten. Aber auch weitere Erhebungen wären im gegenständlichen Fall zweckmäßiger Weise am Ort der Arbeitsleistungen und Tatort, das ist im Fall von Übertretungen gegen § 28 AuslBG nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. Juli 2012, Zl. 2010/09/0062), vorzunehmen gewesen. So berief sich nicht nur der Beschwerdeführer zur Untermauerung seines Standpunktes auf Aushänge in seinem Lokal, sondern es ging auch die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer die Nachtbar in X von einem im Betrieb gelegenen Büro aus tatsächlich geführt habe. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit eines - grundsätzlich nur der Wohnsitzbehörde möglichen - Vorgehens nach § 43 Abs. 1 VStG lagen im Fall des durchgehend rechtsanwaltlich vertretenen Beschwerdeführers nicht vor. Der Übertragung nach § 29a VStG mangelte es somit an der gesetzlichen Grundlage.

Dies verkannte die belangte Behörde, die die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz durch die Aufhebung des mit Berufung bekämpften Bescheides - entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift - von Amts wegen (siehe dazu etwa die Erkenntnisse vom 12. Dezember 2012, Zl. 2012/18/0096, und vom 19. September 2012, Zl. 2009/08/0054, je mwN) wahrzunehmen gehabt hätte. Durch die Bestätigung dieses Straferkenntnisses belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Februar 2013, Zl. 2011/09/0009).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. Juni 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2010090121.X00

Im RIS seit

15.07.2013

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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