Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Klaus Dollenz über die Berufung des Herrn A. T. D., vertreten durch Rechtsanwälte K., K., T. und Partner, XY-Gasse 12/IV. Stock, I., gegen das Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck vom 21.05.2013, Zahl II-VA-S-13484/2012, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als weitere Kosten als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 10,00, zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber Nachstehendes zur Last gelegt:
?Sie, A. T. D., geb am XY, haben am 01.06.2012 um 00:35 Uhr in 6020 Innsbruck, XY-Gasse 2, mit dem Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen (D) XY, folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Sie haben einen Anhänger ohne Zugfahrzeug auf der Fahrbahn stehen gelassen, ohne währenddessen beladen oder entladen zu haben, ohne dass das Entfernen des Anhängers eine unbillige Wirtschaftserschwernis gewesen wäre, und lagen auch keine wichtigen Gründe für das Stehenlassen vor. Sie haben damit eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs 3 lit a iVm § 23 Abs 6 StVO begangen.
Aufgrund dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Euro 50,00, 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe, gem § 99 Abs 3 lit a StVO
Die Verfahrenskosten erster Instanz belaufen sich auf Euro 10,00
Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher Euro 60,00.
Das Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zu Handen seiner Vertreter am 24.05.2013 zugestellt.
Innerhalb offener Frist wurde nachangeführte Berufung erhoben:
?In der umseits bezeichneten Verwaltungsstrafsache erhebt der Berufungswerber gegen das Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck vom 21.5.2013, zugestellt am 24.5.2013 binnen offener Frist
BERUFUNG
an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol.
Das Straferkenntnis wird zur Gänze angefochten.
Als Berufungsgründe werden geltend gemacht Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige/unvollständige Tatsachenfeststellung, unrichtige rechtliche Beurteilung sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides.
1.
Dem Berufungswerber wird vorgeworfen, er habe am 01.06.2012 um 00:35 Uhr in Innsbruck, XY-Gasse 2, mit dem Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen (D) XY einen Anhänger ohne Zugfahrzeug auf der Fahrbahn stehen gelassen, ohne währenddessen beladen oder entladen zu haben und auch sonst keine wichtigen Gründe für das Stehenlassen vorlagen.
Gem § 23 Abs 6 StVO dürfen Anhänger ohne Zugfahrzeug nur während des Beladens oder Entladens auf der Fahrbahn stehengelassen werden, es sei denn, die genannten Fahrzeuge und Behälter können nach der Ladetätigkeit nicht sofort entfernt werden, oder das Entfernen wäre eine unbillige Wirtschaftserschwernis oder es liegen sonstige wichtige Gründe für das Stehenlassen vor.
2.
Wichtige Gründe, unbillige Wirtschaftserschwernis
Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem Berufungswerber um einen deutschen Staatsbürger. Da er hier keinen Wohnsitz und somit auch keine Abstellmöglichkeit hat, musste er seinen Anhänger einstweilen auf der Fahrbahn abstellen. Er hätte sonst die Gartentage in Igls, die für den Betrieb des Beschuldigten eine wichtige Veranstaltung sind, nicht besuchen können. Dabei ist zu beachten, dass sich der Berufungswerber ausreichend davon versichert hat, dadurch keine anderen Verkehrsteilnehmer zu behindern oder zu gefährden.
Aufgrund fehlender Abstellmöglichkeiten hätte der Berufungswerber seinen Anhänger wieder zurück nach Deutschland ziehen müssen, was angesichts der kurzen Verweildauer in Tirol sowie der hohen Spritpreise und einer unnötigen Umweltbelastung zweifelsfrei eine unbillige Wirtschaftserschwernis darstellt.
Somit ergibt sich auch aus den obigen Ausführungen, dass der Berufungswerber die ihm angelastete Tat nicht begangen hat.
3.
Subjektive Tatseite, Rechtsirrtum
Entgegen den Ausführungen in dem Straferkenntnis ist es dem Beschuldigten gelungen, den entschuldbaren Rechtsirrtum glaubhaft zu machen. Er hat dafür auch die Vernehmung der Ehegattin I. D. und seine Vernehmung als Beweis angeboten.
Der Berufungswerber befand sich anlässlich der Gartentage in Igls vom 01.06.2012 bis 03.06.2012 in Innsbruck. Da er jedoch hier keinen Wohnsitz hat, wo er seinen Anhänger unterbringen könnte, stellte er den, mit einem amtlichen Kennzeichen versehenen, Anhänger, um keine anderen Verkehrsteilnehmer zu beeinträchtigen, in einer Parkausbuchtung neben der Fahrbahn ab.
Der Berufungswerber ist davon ausgegangen, dass er seinen Anhänger auf den Randstreifen bzw der Parkausbuchtung abstellen darf. Er hat sich davor gemeinsam mit seiner Ehefrau ausreichend davon versichert, dass weder ein ?Halten und Parken verboten?-Schild an dieser Stelle aufgestellt ist, noch sonst ein Parkverbot herrscht.
Nun ist es so, dass ein solches Abstellen eines Anhängers ohne Zugfahrzeug auf der Fahrbahn gemäß § 23 Abs 6 StVO in Österreich (anders als in Deutschland) verboten ist. Darüber befand sich der Berufungswerber in unverschuldeter Unkenntnis bzw erlag er diesbezüglich einem entsprechenden Rechtsirrtum, weil die rechtliche Situation in Deutschland (der Berufungswerber ist Deutscher) gerade anders geregelt ist.
Gemäß § 12 Abs 3b der deutschen StVO darf mit Kraftfahrzeuganhängern ohne Zugfahrzeug nicht länger als zwei Wochen geparkt werden. Das gilt nicht auf entsprechend gekennzeichneten Parkplätzen.
Der Berufungswerber hatte betreffend ein allfälliges Abstellverbot falsche Vorstellungen über die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen.
Nach § 5 Abs 2 VStG schließt die (hier vorliegende) Unkenntnis der verletzten Verwaltungsvorschrift das Verschulden aus, wenn diese unverschuldet ist und der Täter ohne Kenntnis der Vorschrift das unerlaubte Verhalten nicht einsehen konnte. Beides ist vorliegend der Fall.
Seitens des Berufungswerbers liegt damit kein für eine Bestrafung im Verwaltungsstrafverfahren notwendiges Verschulden vor. Der Berufungswerber hat keine Handlung gesetzt, die ihm verwaltungsstrafrechtlich vorwerfbar wäre. Mangels Verschulden des Berufungswerbers ist das gegen ihn geführte Verfahren daher gemäß § 45 VStG einzustellen.
Beweis: Einvernahme des Berufungswerbers
I. D., pA des Berufungswerbers
weitere Beweise vorbehalten
4.
Geringfügigkeit
Entgegen den Ausführungen in dem Straferkenntnis besteht für die Anwendung des § 21 VStG Raum und Anspruch.
Ein (bestrittenes) Verschulden des Berufungswerbers wäre aber auch höchstens geringfügig. Das mit der Verwaltungsübertretung verbundene (bestrittene) Unrecht bleibt deutlich hinter dem üblicherweise mit derartigen Übertretungen verbundenen Unrecht zurück. Darüber hinaus hatte die dem Berufungswerber vorgeworfene Tat, wenn überhaupt, auch nur unbedeutende Folgen.
Damit sind die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 21 VStG kumulativ erfüllt; nach ständiger höchstgerichtliche Rechtsprechung hat ein Beschuldigter in solchen Fällen einen Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Norm (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, § 21 VStG, Anm 4 mwN). So das gegen den Berufungswerber geführte Ermittlungsverfahren nicht gemäß § 45 eingestellt wird, ist sohin gemäß § 21 VStG vorzugehen.
Beweis: Einvernahme des Berufungswerbers
I. D., pA des Berufungswerbers
weitere Beweise vorbehalten
5.
Strafhöhe
Des Weiteren erweist sich die ausgesprochene Strafe von Euro 50,00 als überhöht. Mit Blick auf den zu beurteilenden Sachverhalt und den Umstand, dass keine Erschwerungsgründe, jedoch unzählige Milderungsgründe vorliegen (Unbescholtenheit, höchstens geringes Verschulden, Rechtsirrtum, kein Schaden eingetreten, etc), erweist sich, dass die Strafe, so eine solche überhaupt zu verhängen ist, was bestritten bleibt, auf ein schuld- und tatangemessenes Ausmaß herabzusetzen ist.
Beweis: wie bisher
weitere Beweise vorbehalten
6.
Mangelhaftigkeit
Der Berufungswerber hat als Beweismittel, insbesondere auch zur Frage der Wirtschaftserschwernis, des Rechtsirrtumes und der sonstigen wichtigen Gründe die Vernehmung der I. D. und seine Vernehmung angeboten. Die Nichtdurchführung dieser Beweisaufnahmen stellt eine evidente Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar.
Aus den dargestellten Gründen stellt der Berufungswerber den
ANTRAG
dieser Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und das Verfahren einzustellen,
in eventu gem § 21 VStG vorzugehen, in eventu die verhängte Strafe herabzusetzen.?
Aus dem vorgelegten Akt lässt sich entnehmen, dass Beamte der Polizeiinspektion Neu-Arzl im Zuge der Streife N20 festgestellt haben, dass der Anhänger mit dem Kennzeichen XY am 01.06.2012 in der Zeit von 00.35 Uhr bis 00.50 Uhr in der XY-Gasse 2 ohne Zugfahrzeug abgestellt war.
Dieser Umstand wird von dem Berufungswerber nicht bestritten.
Dem Schreiben des Berufungswerbers vom 27.07.2012 ist zu entnehmen, dass der Berufungswerber die Situation vor Ort überprüft habe und man kein Verkehrszeichen oder einen sonstigen Hinweis gesehen habe, dass man ein Fahrzeug nicht abstellen habe dürfen. Der von der Erstbehörde erhobene Schuldvorwurf sei nicht berechtigt.
Wegen dieses Vorfalls wurde eine Strafverfügung am 09.08.2012 ausgestellt, gegen die fristgerecht Einspruch erhoben worden ist.
Nach § 23 Abs 6 StVO dürfen unbespannte Fuhrwerke, Anhänger ohne Zugfahrzeug sowie Transportbehälter zur Güterbeförderung (wie Container, Lademulden udgl) nur während des Beladens oder Entladens auf der Fahrbahn stehen gelassen werden, es sei denn, die genannten Fahrzeuge und Behälter können nach der Ladetätigkeit nicht sofort entfernt werden, das Entfernen wäre eine unbillige Wirtschaftserschwernis oder es liegen sonstige wichtige Gründe für das Stehenlassen vor. Für das Aufstellen der genannten Fahrzeuge und Behälter gelten die Bestimmungen über das Halten und Parken sinngemäß. Bei unbespannten Fuhrwerken ist die Deichsel abzunehmen oder gesichert in eine solche Stellung zu bringen, dass niemand gefährdet oder behindert wird.
In der Berufung wird ausgeführt, dass der Berufungswerber deutscher Staatsbürger sei, hier keinen Wohnsitz und somit auch keine Abstellmöglichkeit gehabt habe. Für seinen Betrieb seien die Gartentage in Igls eine wichtige Veranstaltung gewesen, die man sonst nicht hätte besuchen können. Zudem habe der Berufungswerber sich ausreichend versichert, ob andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet werden können. Auf Grund fehlender Abstellmöglichkeiten hätte der Berufungswerber seinen Anhänger wieder nach Deutschland zurückziehen müssen, was angesichts der kurzen Verweildauer in Tirol sowie der hohen Spritpreise unnötige Umweltbelastung zweifelsfrei eine unbillige Wirtschaftserschwernis dargestellt hätte.
Der Schuldvorwurf sei daher nicht berechtigt. Zudem habe sich der Berufungswerber in unverschuldeter Unkenntnis der Rechtslage befunden, weil die rechtliche Situation in Deutschland anderes geregelt sei. Gemäß § 12 Abs.3b der deutschen StVO dürfe mit Kraftfahrzeugen und Anhängern ohne Zugfahrzeug nicht länger als zwei Wochen geparkt werden. Das gelte nicht auf entsprechend gekennzeichneten Parkplätzen.
Betreffend eines allfälligen Abstellverbotes habe der Berufungswerber eine falsche Vorstellung gehabt.
Die ausgesprochene Strafe sei auch überhöht. Es wird beantragt der Berufung stattzugeben und das Verfahren einzustellen.
Die Ausführungen in der Berufung überzeugen nicht.
Vorerst ist festzuhalten, dass § 23 Abs 6 StVO für Straßen mit öffentlichen Verkehr gilt. Von Seiten des Berufungswerbers hätte die Möglichkeit bestanden, seinen Anhänger auf einen Privatparkplatz abzustellen. Des zweiten ist auszuführen, dass die Übertretung am 01.06.2012 im Zeitraum von 00.35 Uhr festgestellt wurde, wobei sich ergibt, dass die Besuchszeit der Gartentage untertags waren und zwar in der Regel von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, den Anhänger mit dem Zugfahrzeug in der XY-Gasse 2 abgestellt zu lassen und hätte man die Gartentage entweder mittels eines Taxis oder öffentlichen Verkehrsmittel aufsuchen können.
Ein Ausnahmegrund im Sinn des § 23 Abs 6 StVO lässt sich aus dem Vorbringen in der Berufung nicht entnehmen.
Was die Behauptung anlangt, dass der Berufungswerber einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen sei, so ist darauf zu verweisen, dass er sich in Österreich aufgehalten hat und daher österreichische Bestimmungen zur Anwendung kommen und er sich dementsprechend hätte erkundigen müssen.
Auch aus der von ihm zitierten Bestimmung des § 12 Abs 3b StVO lässt sich nicht entnehmen, dass man Kraftfahrzeuganhänger ohne Zugfahrzeuge so ohne weiteres abstellen kann. Die Bestimmung des § 12 Abs 3b StVO enthält eine zeitliche Beschränkung. Auch dies ist ein Hinweis, dass die Angelegenheit in Österreich anders geregelt ist als in Deutschland.
Ein entschuldbarer Rechtsirrtum liegt nicht vor.
Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol ist die Berufung nicht berechtigt.
Von der Erstbehörde wurde eine Geldstrafe von Euro 50,00 verhängt.
Diese Geldstrafe kann nicht als überhöht betrachtet werden, da Geldstrafen bis zu Euro 726,00 (Arrest bis zu zwei Wochen) möglich sind. Dieser Strafrahmen wurde von der Erstbehörde bei weitem nicht ausgeschöpft, sondern liegt die verhängte Geldstrafe im untersten Bereich.
Als Schuldform ist von Fahrlässigkeit auszugehen.
Im Gegenstandsfall handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG. Nach dieser Gesetzesstelle ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Dem Berufungswerber ist es nicht gelungen das Vorhandensein eines Nichtverschuldens zu bescheinigen.
Aus vorgenannten Gründen kann der Berufung nicht stattgegeben werden und war spruchgemäß zu entscheiden.