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90/02 Kraftfahrgesetz 1967, FührerscheingesetzNorm
FührerscheinG §7 Abs1, §7 Abs3 Z4, §26 Abs3, §32 Abs1Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch (befristete) Entziehung der Lenkberechtigung aufgrund einer rechtskräftigen Strafverfügung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung; kein Strafcharakter der EntziehungsmaßnahmeRechtssatz
Für den VfGH besteht - auch im Hinblick auf die Urteile des EGMR im Fall Wagner (EGMR 06.10.2011, Fall Wagner, Appl 43490/08) und im Fall Toma (EGMR 24.01.2012, Fall Toma, Appl 1051/06) - keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung, wonach es sich bei der Entziehung der Lenkberechtigung nicht um eine Strafe iSd Art6 EMRK, sondern um eine "administrative Sicherungsmaßnahme" handelt (vgl VfSlg 16855/2003, 15431/1999), abzugehen, da die den genannten Fällen zugrundeliegende Rechtslage mit der österreichischen Rechtslage nicht vergleichbar ist.
Gemäß §7 Abs3 FührerscheinG (im Folgenden: FSG) stellt unter anderem die Übertretung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine "bestimmte Tatsache" iSd §7 Abs1 FSG dar. Die Entscheidung, ob eine solche "bestimmte Tatsache" vorliegt, ist daher für die Behörden im Verfahren über die Entziehung der Lenkberechtigung eine Vorfrage iSd §38 AVG. Sofern die Verwaltungsstrafbehörde darüber rechtskräftig entschieden hat, entfaltet diese Entscheidung über die Vorfrage Bindungswirkung gegenüber der Führerscheinbehörde. Diese Bindungswirkung ist allerdings mit jener, welche sich aus dem mit Erkenntnis VfSlg 12504/1990 aufgehobenen §268 ZPO ergab, nicht vergleichbar.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich im vorliegenden Fall die Entziehung auf eine rechtskräftige Strafverfügung stützt. Es wäre dem Beschwerdeführer nämlich freigestanden, diese zu bekämpfen und im Verwaltungsstrafverfahren alles ihm dienlich Scheinende vorzubringen.
Ebenso wenig lässt sich die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte damit begründen, dass der Beschwerdeführer nicht auf die Entziehung der Lenkberechtigung in der Strafverfügung hingewiesen wurde.
Die Bindungswirkung der rechtskräftigen Strafverfügung verletzt demnach nicht den Beschwerdeführer in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.
Es liegt auch keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf eine mündliche Verhandlung gemäß Art6 EMRK vor, da die Entziehung der Lenkberechtigung keine Strafe iSd Art6 EMRK darstellt.
Weiters keine Verletzung im Gleichheitsrecht; keine Willkür.
Gemäß §32 Abs1 FSG hat die Behörde Personen, die nicht verkehrszuverlässig iSd §7 FSG sind, "entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit" das Lenken eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges ausdrücklich zu verbieten (§32 Abs1 Z1 FSG). Der Beschwerdeführer ist auf Grund einer erwiesenen bestimmten Tatsache gemäß §7 Abs3 Z4 FSG nicht verkehrszuverlässig. Dass der UVS Oberösterreich das Verbot gemäß §32 Abs1 Z1 FSG für den Erfordernissen der Verkehrssicherheit entsprechend hält, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Schlagworte
Straßenpolizei, Geschwindigkeitsüberschreitung, Kraftfahrrecht, Lenkberechtigung, Strafe (Verwaltungsstrafrecht), Verwaltungsverfahren, Vorfrage, Bindung (der Verwaltungsbehörden an Tatbestandsmerkmale)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B1103.2012Zuletzt aktualisiert am
08.08.2014