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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
StbG 1949 §3 Abs1Leitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 betreffend die Differenzierung zwischen ehelicher und unehelicher Geburt bei Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung angesichts der in den Staatsbürgerschaftsgesetz-Novellen 1983 und 1986 vorgesehenen Übergangsbestimmungen; zeitliche Begrenzung der Möglichkeit einer Gleichstellung von unter die alte Rechtslage fallenden Tatbeständen mit der neuen Rechtslage aus Gründen der Rechtssicherheit gerechtfertigtRechtssatz
Abweisung des Antrags des Verwaltungsgerichtshofes auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "uneheliche" im dritten Satz des §3 Abs1 StbG 1949.
Hinweis auf G 66/12 ua, E v 29.11.2012, bzgl Art8 und Art14 EMRK sowie Art7 Abs1 B-VG.
Die Regelung des §3 Abs1 Satz 1 StbG 1949, der zufolge eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft (nur) nach dem Vater erwerben, ist nur vor dem Hintergrund des damals geltenden Rechts verständlich, das Statusfragen des ehelichen Kindes grundsätzlich vom Vater ableitete (§146 ABGB idF vor dem BG über die Neuordnung des Kindschaftsrechts, BGBl 403/1977). Diese Rechtslage wurde auch durch die Nachfolgeregelung des §7 StbG 1965 aufrechterhalten. Mit der StbG-Novelle 1983 wurde §7 StbG 1965 insofern geändert, als nunmehr eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft mit Geburt erwarben, wenn in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger war. Uneheliche Kinder erwerben nach §3 Abs1 StbG 1949 - wie grundsätzlich heute auch - die Staatsbürgerschaft durch Abstammung nach der Mutter.
Die StbG-Novelle 1983 hat - im Gefolge familienrechtlicher Reformen - auch im Staatsbürgerschaftsrecht die als diskriminierend erkannte Ungleichbehandlung von Mann und Frau in Bezug auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft ehelicher Kinder durch Abstammung von ihren Eltern beseitigt. Das dabei auftretende Gleichbehandlungsproblem von vor und nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geborenen Kindern hat der Gesetzgeber erkannt und ihm durch eine Übergangsregelung Rechnung getragen. Dass der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Gleichstellung von unter die alte Rechtslage fallenden Tatbeständen mit der neuen Rechtslage aus Gründen der Rechtssicherheit zeitlich begrenzt, ist ebenso im Hinblick auf Art8 iVm 14 EMRK gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat auf diese Weise den Betroffenen eine angemessene Möglichkeit eröffnet, die in der Regelung des §3 StbG 1949 aus heutiger Sicht gelegene Diskriminierung abzuwenden. Bei der Geltendmachung des Erwerbs der Staatsbürgerschaft durch Abstammung nach der Mutter bestehen auch grundsätzlich keine Hindernisse, dies in einer bestimmten Frist geltend zu machen (einzelne nicht vorhersehbare Härtefälle sind in Abwägung mit dem Ziel der Rechtssicherheit hinzunehmen, vgl. VfSlg 14268/1995, 17816/2006).
Eine unzulässige Diskriminierung nach dem Geschlecht oder der Geburt liegt auch nicht darin, dass die Übergangsvorschriften den nachträglichen Erwerb der Staatsbürgerschaft neben der Abstammung von einer österreichischen Mutter noch von weiteren Voraussetzungen wie insbesondere davon abhängig machen, dass der Staatsbürgerschaftswerber ledig sein muss und am 01.09.1983 das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben darf (ArtII Abs1 Z1 StbG-Novelle 1983), und dass nach den Übergangsvorschriften die Erklärung nur zu einem ex nunc eintretenden Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft führt.
Es liegt im Wesen von Übergangsvorschriften, dass sie bestimmte Fälle aus der alten Rechtslage in die neue überführen, um Auswirkungen der neuen Rechtslage abzumildern oder, wie hier, Vorteile der neuen Rechtslage auch in bestimmter Weise auf Fallkonstellationen der alten Rechtslage zu übertragen. Die mit der StbG-Novelle 1983 herbeigeführte Gleichbehandlung der Geschlechter ist auch Folge gesellschaftlicher und rechtlicher Veränderungen, die im Hinblick auf Art14 EMRK wie Art7 Abs1 B-VG relevant sind. Trägt daher der Gesetzgeber solchen Veränderungen Rechnung, ist er unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes und des in Art14 EMRK enthaltenen Diskriminierungsverbotes nicht gehalten, über die Übergangskonstellationen hinaus diesen Veränderungen auch bei der Anknüpfung an in der Vergangenheit liegende Sachverhalte zum Durchbruch zu verhelfen. In den Übergangsvorschriften hat der Gesetzgeber den Kreis der erfassten Personen mit denjenigen, die die Eigenberechtigung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der StbG-Novelle 1983 noch nicht erlangt haben, ebenso sachlich abgegrenzt, wie es keinen Bedenken begegnet, dass der Gesetzgeber für die Zwecke einer solchen Übergangsbestimmung an die in §10 Abs1 Z2 bis Z8 StbG 1965 geregelten Voraussetzungen anknüpft und den Erwerb der Staatsbürgerschaft mit Abgabe der im Übergangsrecht vorgesehenen Erklärung eintreten lässt.
Angesichts der in ArtII StbG-Novelle 1983 vorgesehenen und durch ArtII StbG-Novelle 1986 bis zum 31.12.1988 verlängerten Übergangsbestimmungen, denen zufolge bis zu dem genannten Datum auch vor dem 01.09.1983 geborene eheliche Kinder unter bestimmten Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft durch Abstammung auch nach der Mutter erwerben konnten, sieht sich der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der vom Verwaltungsgerichtshof vorgetragenen Bedenken nicht veranlasst auszusprechen, dass die angefochtene Bestimmung in §3 Abs1 StbG 1949 verfassungswidrig war.
Schlagworte
Staatsbürgerschaftsrecht, Privat- und Familienleben, Übergangsbestimmung, Gleichheit Frau - Mann, Gleichbehandlung, KinderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:G63.2012Zuletzt aktualisiert am
08.08.2014