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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §2 Abs2 lite;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde der CE in S, vertreten durch Dr. Peter Perner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Karolingerstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 29. Oktober 2012, Zl. UVS-11/11.411/15-2012, betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Verantwortliche der H GmbH in O zu verantworten, dass diese Gesellschaft sechs näher bezeichnete ungarische Staatsangehörige am 27. Jänner 2011 als Tänzerinnen im Lokal W in S beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.
Die Beschwerdeführerin habe dadurch sechs Übertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurden sechs Geldstrafen in der Höhe von je EUR 2.500,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je drei Tagen) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, nach Durchführung einer (erstreckten) mündlichen Verhandlung stehe fest, dass Grundlage der Tätigkeit der Ungarinnen jeweils zwischen der Lokalbetreiberin H GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin sei, und den Tänzerinnen abgeschlossene "Künstlerverträge" seien. Arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen lägen nicht vor.
Die belangte Behörde geht weiters von folgendem Sachverhalt aus:
"Im vorliegenden Fall wurden die in Rede stehenden Personen aufgrund eines jeweils mit ihnen abgeschlossenen 'Künstlervertrages', der gemäß Vertragsinhalt über Vermittlung einer ungarischen 'Künstleragentur' zustande gekommen ist, tätig.
Zur Einstufung der Tanzdarbietungen ist auf diesen Vertrag zu verweisen, in dem von 'Bühnen- und Table-Dance-Vorführungen' die Rede ist; außerdem hat der Zeuge EN angegeben, dass von Betreiberseite selbst das Lokal als 'Tabledance Bar' bezeichnet wird (Lokalbezeichnung am Gebäude). …
Die Tätigkeit der Tänzerinnen ist ihrer Natur nach eine höchstpersönliche, zumal ja dem Vertrag auch eine Vermittlung der Einzelperson durch die Agentur zugrunde liegt; auch wenn ein Passus im Vertrag über eine mögliche Namhaftmachung einer Vertreterin enthalten ist, so hat die als Einzelperson tätige Tänzerin (im Gegensatz zu einem Unternehmen) nicht die Möglichkeit, für einen Ersatz zu sorgen. Dies kann auch nicht in ihrem eigenen Interesse liegen, da sie ja nicht vom Lokalbetreiber ihr Entgelt erhält, sondern von den Gästen für die Tanzdarbietungen. Dieses Entgelt ist aber vom Lokalbetreiber mit EUR 45,- vorgegeben (laut Aussage der Zeugen EN und SC auf der Getränkekarte), wobei auch der an die Lokalbetreiberin abzuliefernde Anteil feststeht.
Entgegen den Ausführungen im Vertrag dient dieser Anteil der Lokalbetreiberin auch dazu, um die Einkommenssteuerschuld der Tänzerinnen beim Finanzamt zu begleichen; die Tänzerinnen erledigen diese Angelegenheit also nicht selbstverantwortlich, sondern haben vielmehr einen von der Lokalbetreiberin vorgegebenen Fixsatz an diese zu leisten. Die Tanzdarbietungen dienen eindeutig der Attraktivitätssteigerung des Lokals ('Tabledance Bar'), sind an die Öffnungszeiten des Lokals gebunden und laut Vertrag an 6 Wochentagen (mit einem Ruhetag) zu leisten.
Unter diesen Umständen ist von einer zumindest arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit der Tänzerinnen im Lokal 'W' auszugehen. Dass sich die Tänzerinnen bei ihren Darbietungen abgewechselt haben und es hiezu keiner Anweisungen bedurfte, steht dem nicht entgegen, da für eine solche Tätigkeit keine besondere Ausbildung oder besondere Kenntnisse erforderlich sind und die Tänzerinnen daher selbst wissen, was zu tun ist und keiner Arbeitseinteilung oder dergleichen bedürfen."
Auf das das Verschulden bestreitende Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe Erkundigungen zu den gegenständlichen Verträgen eingeholt, antwortete die belangte Behörde:
"Auch die Vorlage der nunmehr gegenständlichen Verträge bei AMS und Finanzamt hat daran nichts geändert, haben die dortigen Amtsorgane doch keine Auskunft in der Richtung erteilt, dass bei Verwendung solcher Verträge von einer selbstständigen Tätigkeit der Tänzerinnen auszugehen wäre (siehe hiezu die Aussage des Zeugen GR).
Es ist daher jedenfalls von grob fahrlässigem Vorgehen der (Beschwerdeführerin) auszugehen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass kein nach dem AuslBG bewilligungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen sei. Sie legt jedoch ihrer rechtlichen Beurteilung einen Sachverhalt zugrunde, der von der belangten Behörde nicht festgestellt wurde. Die Tätigkeit als "Table-Tänzerin" in einem Barbetrieb oder Nachtclub wurde vom Verwaltungsgerichtshof schon verschiedentlich als eine in ähnlicher wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit wie in einem Arbeitsverhältnis erbrachte Tätigkeit qualifiziert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2012, Zl. 2010/09/0077).
Die Tätigkeit der Ausländerinnen in ihrer Gesamtheit stellte im vorliegenden Fall angesichts der wirtschaftlichen und organisatorischen Verknüpfung aller ihrer Aspekte mit dem Betrieb der Beschwerdeführerin - von der grundsätzlichen Anwesenheitspflicht der Ausländerinnen an sechs Tagen der Woche während der täglichen Lokalöffnungszeit zwischen 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr des Folgetages, der Beistellung einer Wohnmöglichkeit, der von der H GmbH für "privaten" Table-Dance zur Verfügung gestellten Räumlichkeit, der Anordnung persönlicher Verhaltenspflichten (etwa das Verbot des "intimen Körperkontakts mit Gästen", das Verbot des Verlassens des Lokals "während der Darbietungen oder in den Pausen derselben, sowie nach Ende der Darbietungen … gemeinsam mit Gästen", die Veranlassung zum Abschluss einer "Reisekrankenversicherung" bei der U Versicherung, ohne die die Ausländerinnen nicht tätig werden durften (siehe die Aussage des Zeugen EN), die Durchführung der Werbung "auf Kosten des Veranstalters" H GmbH, die Festsetzung des Preises für "privaten" Table-Dance auf der Getränkekarte durch die H GmbH, die Führung von Aufzeichnungen über die Anwesenheit und die Tätigkeit der Ausländerinnen u.a. zwecks Abführung der Steuerleistung durch die H GmbH für die Ausländerinnen (dies erfolgte entgegen dem Wortlaut der "Künstlerverträge") - eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG dar.
Im Übrigen entsprachen die vorgelegten "Künstlerverträge" auch deshalb nicht der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit, weil die vereinbarte Vertragsdauer mit der Zeitdauer der Tätigkeit der Ausländerinnen im Lokal "nie" (siehe Zeuge EN) übereinstimmte und der nach dem festgestellten wahren wirtschaftlichen Gehalt hervorgekommene Hauptzweck zur angestrebten Steigerung der Attraktivität des von der Beschwerdeführerin betriebenen Lokals, nämlich die sogenannten "privaten" Table-Dances, im Vertrag nicht enthalten sind.
Auch vermag es nichts am Charakter der Tätigkeiten der Ausländerinnen als (unselbständige) Beschäftigung zu ändern, wenn das Entgelt - oder wesentliche Teile desselben - faktisch unmittelbar durch Dritte (hier: unmittelbar durch die den "privaten" Table-Dance konsumierenden Gäste bzw. durch die vermittelnde Agentur, die wiederum vom Beschwerdeführer bezahlt wurde) geleistet wurde (zur Dienstgebereigenschaft trotz Verweisung auf eine Entgeltleistung Dritter vgl. § 35 Abs. 1 ASVG und etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/09/0157; zur Abgrenzung einer künstlerischen Tätigkeit in Ausübung des Tanzes - derartige Elemente sind aber im gegenständlichen Verwaltungsverfahren weder hervorgekommen, noch vom Beschwerdeführer, der die Ausländerinnen lediglich als "Künstlerinnen" bezeichnet, behauptet worden - von einer rein tänzerischen Tätigkeit vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 1998, Zl. 98/09/0127, sowie vom 24. März 2011, Zl. 2008/09/0062).
Die Beschwerdeführerin bringt auch vor, die "Künstlerinnen" seien von einer Agentur vermittelt worden. An der Beschäftigung der Ausländerinnen im Sinne des AuslBG vermag auch die Ein- bzw. Zwischenschaltung einer Agentur im Hinblick auf § 2 Abs. 2 lit. e AuslBG nichts zu ändern, weil zufolge § 2 Abs. 2 und 3 AuslBG Beschäftiger iSd AuslBG auch derjenige ist, der im Rahmen des Dienstverhältnisses über die Arbeitskraft eines anderen verfügen kann. Um die Verwendung von ausländischen Arbeitskräften als Beschäftigung im Sinn des § 3 Abs. 1 AuslBG zu qualifizieren, macht es keinen Unterschied, ob derjenige, der die Arbeitskräfte verwendet, selbst Arbeitgeber der Ausländer ist, oder ob im Sinn des § 2 Abs. 2 lit. e AuslBG in Verbindung mit dem AÜG die Verwendung überlassener Arbeitskräfte erfolgt. In beiden Fällen ist derjenige, der die Arbeitskräfte verwendet, ohne im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung zu sein, und ohne dass der Ausländer eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt, oder eine anderweitige Zulassung der Arbeitskraft zum Arbeitsmarkt besteht, wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 AuslBG gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a leg. cit. verantwortlich (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2012, Zl. 2010/09/0077, mwN).
Die Beschwerdeführerin bringt noch unter Hinweis auf eine Aussage des Zeugen GR vor, es würden nach einem Erlass Beschäftigungsbewilligungen für Table-Tänzerinnen nicht ausgestellt; es sei im Hinblick auf das "Grundrecht der Erwerbsfreiheit bedenklich, diese Tätigkeit nicht als selbständige Tätigkeit zuzulassen. Damit verkennt die Beschwerdeführerin grundlegend, dass nach dem gegenständlichen feststehenden Sachverhalt eben keine selb-, sondern unselbständige Tätigkeiten ausgeübt wurden. Ihr Vorbringen und damit verbunden ihre "Anregung eines Normprüfungsverfahrens" geht damit ins Leere; es kann keine Rede davon sein, dass ihr "kein rechtmäßiges Alternativverhalten vom Gesetzgeber ermöglicht" werde.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen die Höhe der Strafe handelt es sich geradezu um einen "klassischen" Versuch der Umgehung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes im Zusammenhang mit Anfragen bei Behörden, ohne dabei den wahren wirtschaftlichen Gehalt der beabsichtigten Tätigkeit offenzulegen, weshalb nicht davon gesprochen werden kann, "dass die Beschwerdeführerin bemüht war, rechtmäßig vorzugehen, und sie unbedingt die Gesetze einhalten wollte".
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2011, Zl. 2011/09/0024).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 21. März 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2012090175.X00Im RIS seit
19.04.2013Zuletzt aktualisiert am
30.04.2013