TE UVS Steiermark 2012/11/19 30.15-67/2012

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Veröffentlicht am 19.11.2012
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Herrn Mag. M Ma, geb. am, vertreten durch E-R & Sch Rechtsanwalts-Partnerschaft, S, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 18.09.2012, GZ: BHHB-15.1-22276/2011, wie folgt entschieden:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber in seiner Funktion als verantwortlicher Beauftragter der Sh GmbH mit dem Sitz in K eine Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung zur Last gelegt, da bei dem am 24.09.2010 von seiner Firma vom Firmenstandort in K an die Firma Z Warenhandel AG in W, Re St, gelieferten Produkt Suppentasse, welches verpackt in Verkehr gebracht wurde, die handelsübliche Sachbezeichnung gefehlt habe. Wegen dieser Übertretung des § 90 Abs 3 Z 2 iVm § 6 Abs 1 LMSVG wurde eine Geldstrafe von ? 100,00 verhängt.

 

Der Bestrafte berief und wandte ein, aus der Begründung der belangten Behörde sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschuldigte die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung übertreten habe und wie eine solche Übertretung hätte vermieden werden können. Es werde weder ausgeführt, inwiefern die Sachbezeichnung nicht hinreichend präzise gewesen sei, noch warum das Produkt für den Konsumenten nicht zu erkennen gewesen sei. Im vorliegenden Fall gäbe die Bezeichnung Suppentasse inklusive der genau bezeichneten Zutaten dem Konsumenten hinreichend Aufschluss über die Gattung und die Art des Lebensmittels, sodass jedenfalls eine täuschungsfreie Sachbezeichnung vorliege. Selbst wenn man die Tatbestandsmäßigkeit bejahe, hätte die belangte Behörde jedenfalls von einer Ermahnung im Sinne des § 21 VStG Gebrauch machen können.

 

Aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes ist von nachstehendem, entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

 

Bei dem unter der Bezeichnung Suppentasse vom Betrieb des Berufungswerbers in Verkehr gebrachten Produkt handelt es sich um frisches Rindfleisch, Rindsknochen sowie ein mit Spagat umwickeltes Bündel mit Karottenstücken, Lauch, Selleriestücken und Petersilie. Diese Waren sind in einer Kunststoff-Tasse verpackt, welche mit einer durchsichtigen Kunststoff-Folie verschweißt ist. Auf der Oberseite der Tasse befindet sich ein auf der Kunststoff-Folie aufgeklebtes Etikett mit der Bezeichnung Suppentasse sowie dem Gewicht, dem Packungspreis und der Verbrauchsfrist. Auf der Bodenseite der Tasse befindet sich ein weiteres Etikett, auf welchem zusätzlich zu den vorgenannten Angaben noch die Zutaten wie folgt beschrieben sind: Rindfleisch 28 Prozent, Rindsknochen, Karotten, Petersilie, Lauch, Sellerie.

 

Die verfahrensgegenständliche Probe wurde am 24.09.2010 von der Sh GmbH an die Firma Z Warenhandel AG in W, Re St, geliefert, dort am 30.09.2010 zusammen mit anderen Proben im Zuge einer lebensmittelrechtlichen Revision durch das Amt der W Landesregierung, abgenommen und am gleichen Tag untersucht. Der Prüfbericht ergab keine Beanstandung, jedoch wurde dessen ungeachtet zu Zahl: MA59-L6979/10/Leh die verfahrensgegenständliche Anzeige erstattet, da die Sachbezeichnung der Ware nicht den Bestimmungen des § 4 Abs 1 Z 1 LMKV entspreche. Weiters wurde die Vorschreibung der Gutachtenskosten im Betrag von ? 67,50 beantragt.

 

Beweiswürdigung:

 

Diese Feststellungen ergeben sich vollständig und zweifelsfrei aus dem erstinstanzlichen Akt, insbesondere aus den Beilagen zur dortigen Anzeige, welche auch Fotos des gegenständlichen Produktes sowie der auf der Ober- und Unterseite angebrachten Etiketten enthält.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Die einschlägigen Bestimmungen des LMSVG lauten (auszugsweise):

 

§ 3:

Für dieses Bundesgesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.) Lebensmittel: Lebensmittel gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

...

9.) Inverkehrbringen: Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt sinngemäß auch für Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel. Für Wasser für den menschlichen Gebrauch gilt auch die Abgabe zum Zweck der Gemeinschaftsversorgung als Inverkehrbringen, sofern diese nicht im Rahmen des familiären Verbandes erfolgt.

 

§ 5 Abs 2:

Es ist verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere

1.) zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

 

Nach dem Art 3 Z 8 der in § 3 Z 9 LMSVG zitierten Verordnung (EG) Nr. 178/2002 bezeichnet der Ausdruck Inverkehrbringen das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.

 

Gemäß § 2 Abs 1 LMSVG ist Ziel dieses Bundesgesetzes der Gesundheitsschutz des Verbrauchers sowie der Schutz des Verbrauchers vor Täuschung. Diese Ziele sind durch die in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Jänner 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: EG-BasisVO) dargelegten Grundsätze der Risikoanalyse, des Vorsorgeprinzips und der Transparenz zu gewährleisten.

 

Gemäß § 90 Abs 3 Z 2 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz 2006 macht sich, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu ? 20.000,00, im Wiederholungsfall bis zu ? 40.000,00, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem den Bestimmungen einer aufgrund des § 6 leg cit erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

 

Im Konkreten sind weiters folgende Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungs-verordnung 1993 (LMKV) - auszugsweise - von Interesse:

 

§ 1:

(1) Diese Verordnung ist auf alle verpackten Waren (Lebensmittel) - ausgenommen Waren, die dem Weingesetz 1999 in der jeweils geltenden Fassung unterliegen -, die - ohne weitere Verarbeitung - für den Letztverbraucher bestimmt sind, anzuwenden; dem Letztverbraucher sind Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung gleichzustellen.

(2) Verpackt (Abs 1) sind Waren, die in Behältnissen oder Umhüllungen beliebiger Art, deren Inhalt ohne Öffnen oder Veränderung der Verpackung nicht vermehrt oder vermindert werden kann, abgegeben werden sollen.

 

§ 4:

(1) Verpackte Waren sind wie folgt zu kennzeichnen, sofern die §§ 5 bis 7 nicht anders bestimmen:

1. die Sachbezeichnung einer Ware. Das ist jene Bezeichnung, die in den für diese Waren geltenden Rechtsvorschriften vorgesehen ist.

a) Beim Fehlen von Rechtsvorschriften ist die Sachbezeichnung die handelsübliche Bezeichnung oder eine Beschreibung der Ware und erforderlichenfalls ihrer Verwendung, die hinreichend genau ist, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art der Ware zu erkennen und sie von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen sie verwechselt werden könnte.

 

...

3.

a) die Nettofüllmenge der zur Verpackung gelangenden Ware nach metrischem System; bei flüssigen Waren nach Liter, Zentiliter oder Milliliter, bei sonstigen Waren nach Kilogramm oder Gramm;

...

 

Die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (BGBl. Nr. 72/1993) hat ihre Rechtsgrundlage unter anderem im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz 2006.

 

Der Normadressat, an den sich die Bestimmungen der LMKV richten, muss aus dem Gesamttitel der Verordnung und aus dem Kreis derjenigen abgeleitet werden, die eine im Sinne der LMKV verpackte Ware in Verkehr bringen. Demnach ist jeder verantwortlich, der Lebensmittel und Verzehrprodukte in Verkehr bringt. Für die Einhaltung der LMKV sind daher verantwortlich der verpackende Erzeuger, der Verpacker, derjenige, der die verpackte Ware kennzeichnet bzw. kennzeichnen lässt, der Importeur, der Vertreiber und schließlich der (Letzt-)Verkäufer. Diesbezüglich wird es in der Praxis wegen der zu beachtenden unterschiedlichen Verjährungsfristen besonders auf den konkreten Tatvorwurf ankommen (vgl. dazu Kommentar zu § 1 LMKV, Barfuß-Smolka-Onder, Manz-Verlag Wien, 2. Auflage, S. 51 f).

 

Der Schutzzweck der Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 1 LMKV besteht - wie sich ohnedies deutlich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt - darin, den Käufer davor zu schützen, dass er die Katze im Sack kauft, also ein Produkt ersteht, ohne zu wissen, was er genau kauft bzw. ihn vor einer Verwechslung mit ähnlichen Produkten zu bewahren. Bei der Frage, ob eine Kennzeichnung leicht verständlich im Sinne des § 3 Abs 1 LMKV bzw. hinreichend genau im Sinne des § 4 Abs 1 Z 1 leg cit ist, wird nach lebensmittelrechtlichen Grundsätzen die Verkehrsauffassung maßgeblich sein, somit die Auffassung des verständigen (mündigen) Durchschnittsverbrauchers. Hinsichtlich des Ortes der Anbringung kommt - zumindest bei Produkten, welche wie das Gegenständliche in Selbstbedienung verkauft werden und nur ein geringes Gewicht haben - auch der Boden der Verpackung in Betracht (Barfuß-Smolka-Onder, Kommentar zu § 3 LMKV, Seite 60 f).

 

Die Kennzeichnungsvorschriften des § 4 Abs 1 Z 1 LMKV sehen ein abgestuftes System vor. Demnach ist zunächst jene Sachbezeichnung zu verwenden, die in den für diese Ware geltenden Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Gegenständlich ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark für die unter dem Namen Suppentasse vertriebenen Produkte keine gesetzliche Sachbezeichnung bekannt und wurde vom Anzeigenleger auch nicht behauptet, dass es eine derartige in Rechtsvorschriften geregelte Sachzeichnung gäbe. Beim Fehlen von Rechtsvorschriften ist gemäß lit a leg cit als Sachbezeichnung die handelsübliche Bezeichnung zu wählen. Hiefür sind insbesondere die Klassifikationen des ÖLMB maßgeblich. Im vorliegenden Fall findet sich allerdings auch dort für das gegenständliche Produkt keine passende Sachbezeichnung, insbesondere nicht unter Rubrik A.3 (Bezeichnung der Teilstücke geschlachteter Rinder, Kälber, Schweine, Schafe und Lämmer nach dem österreichischen Handelsbrauch). Bei dem unter dem Fantasienamen Suppentasse vertriebenen Produkt handelt es sich nämlich offensichtlich um das Zubehör für eine Rindssuppe, bestehend aus Fleisch und Knochen sowie Gemüse. Dies ist insofern ungewöhnlich, als in der Mehrzahl der Fälle das fleischliche und das fleischlose Zubehör für derartige Suppen getrennt angeboten wird, das Gemüse meist unter der Bezeichnung Suppengrün. Für die hier vorliegende Kombination beider Bestandteile findet sich im ÖLMB keine passende Sachbezeichnung, weshalb subsidiär die dritte Variante des § 4 Abs 1 Z 1 lit a LMKV zur Anwendung kommt, nämlich eine Beschreibung der Ware und erforderlichenfalls ihrer Verwendung, die hinreichend genau ist, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art der Ware zu erkennen und sie von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen sie verwechselt werden könnte.

 

Hiebei ist dem Anzeigenleger zunächst dahingehend Recht zu geben, dass man aus der Bezeichnung Suppentasse alleine tatsächlich nicht schließen kann, um welches Produkt es sich dabei handelt, da man unter dieser Bezeichnung im allgemeinen Sprachgebrauch eher ein Geschirr (Suppenteller, Suppentopf) versteht. Im vorliegenden Fall ist jedoch zusätzlich zu berücksichtigen, dass das gegenständliche Produkt in durchsichtiger Verpackung angeboten wurde und somit für den Konsumenten mit einem Blick zweifelsfrei erkennbar war, was er hier kauft. Hinzu kommt, dass die - ohnedies auf den ersten Blick erkennbaren - Zutaten auf dem Etikett auf der Unterseite der Tasse noch zusätzlich angegeben waren. Nach Auffassung der Berufungsbehörde wird hiermit dem Schutzzweck der Bestimmung, nämlich den Konsumenten vor Irreführung und Täuschung zu schützen, Genüge getan, weshalb es einigermaßen überzogen, um nicht zu sagen schikanös erscheint, hier vom Vorliegen einer Verwaltungsübertretung auszugehen. In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf hingewiesen, dass das gegenständliche Produkt ja mit Klarsichtfolie verpackt war. Wenngleich auch derartige Verpackungen unter die Legaldefinition verpackt des § 1 Abs 2 LMKV fallen, gilt es doch zu berücksichtigen, dass die Bestimmungen der LMKV primär für blickdicht verpackte Lebensmittel gedacht sind, weil es bei diesen ungleich wichtiger ist, den - nicht sichtbaren - Inhalt durch entsprechend eindeutige Beschreibungen zu kennzeichnen. Daraus folgt freilich e contrario, dass bei einer - wie im vorliegenden Fall - durchsichtigen Verpackung weniger strenge Anforderungen an die Präzision der verbalen Beschreibung zu stellen sind.

 

Zusammenfassend folgt daraus, dass die Bezeichnung Suppentasse in Verbindung mit der Zutatenliste auf der Unterseite des Produktes und den von außen deutlich erkennbaren Bestandteilen den Erfordernissen des § 4 Abs 1 Z 1 lit a letzter Satzteil LMKV entsprochen hat, weshalb das Verfahren mangels Tatbestandsmäßigkeit einzustellen war.

 

Da im vorliegenden Fall bereits aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen werden.

Schlagworte
Lebensmittelkennzeichnungsverordnung; Kennzeichnung; Verständlichkeit; Genauigkeit
Zuletzt aktualisiert am
12.04.2013
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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