TE UVS Steiermark 2012/11/20 30.13-116/2012

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2012
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Barbara Lehofer-Pfiffner über die Berufung der Frau P Po, geb. am, M , Pr, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 07.08.2012, GZ.: BHDL-15.1-478/2012, wie folgt entschieden:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG zur Einstellung gebracht.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde der Beschuldigten vorgeworfen, sie habe am 13.01.2012 um 14.50 Uhr im Gemeindegebiet St. J (Weststeiermark) vom Kreuzungsbereich Mu/T bis zum Reitsportzentrum S, auf Höhe des Anwesens O, als Lenkerin des Pkw mit dem Kennzeichen während der Fahrt ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung telefoniert. Dies sei bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO festgestellt worden. Sie habe die Zahlung einer Organstrafverfügung verweigert, obwohl ihr eine solche angeboten worden sei.

 

Wegen Verletzung des § 102 Abs 3 fünfter Satz KFG wurde gemäß § 134 Abs 3c KFG eine Geldstrafe in Höhe von ? 60,00 (zwanzig Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat P Po rechtzeitig Berufung erhoben und in dieser im Wesentlichen ausgeführt, dass sie nicht auf einer öffentlichen Straße telefoniert habe. Wäre dies der Fall gewesen, hätten sie die Beamten sofort an Ort und Stelle stoppen und strafen müssen. Die Judikatur spreche davon, dass man mit dem Telefon am Steuer auf der öffentlichen Straße aufgehalten werden müsse und nicht sieben Minuten später auf Privatgrund. Eine Anhaltung auf der öffentlichen Straße sei jederzeit möglich gewesen. Die Beamten hätten eine Falschaussage getätigt, als sie behaupteten, dass sie mit weit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei und sie deshalb nicht stoppen hätten können. Eine weitere Falschaussage hätten die Beamten getätigt, indem sie aussagten, dass sie mit einem Zivilauto unterwegs gewesen seien. Sie könne sieben Zeugen nennen, die bestätigen könnten, dass es sich um ein Polizeifahrzeug gehandelt habe. Als sie auf einem Privatgrundstück von Herrn W gefahren sei, habe sie ihre Tochter angerufen, dann das Fahrzeug geparkt, sei ausgestiegen und in die Reithalle gegangen. Danach sei sie neuerlich in das geparkte Auto gestiegen und habe ihren Mann angerufen, als die Beamten gekommen seien. Der Abstellplatz sei ein geschotterter Platz zwischen einer Halle und einem Stall gewesen und eindeutig als Privatgrund zu erkennen. In einem Prozess sei das Gelände vor einem Jahr von der Polizei als Privatgrund bezeichnet worden. Sie werde die Angelegenheit ihrem Anwalt übergeben.

 

Auf Grund ihres Berufungsvorbringens wurde am 17.10.2012 eine Verhandlung durchgeführt, in der die Berufungswerberin als Partei und die Meldungsleger RI K-H Kr und GI Wa Ma als Zeugen vernommen wurden.

 

Nach Durchführung des Beweisverfahrens werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Am 13.01.2012 gegen 14.45 Uhr lenkte die Berufungswerberin den Pkw Volvo XC 90, schwarz, mit dem behördlichen Kennzeichen von U kommend in Richtung O, um ihre Tochter beim dortigen Reitsportzentrum abzuholen. Als sie den Kreuzungsbereich Mu/T passierte, telefonierte sie ohne eine Freisprecheinrichtung zu benützen, indem sie ein Mobiltelefon mit der linken Hand am Ohr hielt. Dabei wurde sie von RI K-H Kr und GI Wa Ma beobachtet, die mit einem Dienstfahrzeug vom Mu kommend im gegenständlichen Kreuzungsbereich wegen der von rechts herannahenden Berufungswerberin anhalten mussten. Aufgrund dieser Wahrnehmung beabsichtigten die Beamten daher, die Berufungswerberin anzuhalten und folgten ihr in Richtung O. Zwischen dem Pkw der Berufungswerberin und dem Polizeifahrzeug befand sich ein weiteres Fahrzeug. Auf Grund der Straßensituation und verkehrsbedingt war eine Anhaltung nicht möglich, sodass die Beamten der Berufungswerberin weder sichtbare noch hörbare Zeichen gaben, um sie zum Anhalten aufzufordern. Im Zuge des Nachfahrens hatten die Beamten insbesondere bei Kurven immer wieder Sicht auf die Lenkerin, wobei sie sahen, dass sie nach wie vor das Mobiltelefon ans Ohr hielt. Im Bereich des Reitsportzentrums in O bog die Berufungswerberin ab und telefonierte auch im dortigen Gelände, als sie den Zufahrtsweg zu den Reitställen entlang fuhr und in der Folge ihr Fahrzeug auf einem geschotterten Abstellplatz parkte. Kurz danach folgten die beiden Beamten mit dem Polizeifahrzeug und hielten ebenfalls an. RI Kr ging zum Fahrzeug der Berufungswerberin, die auf dem Lenkersitz saß und telefonierte, und meldete eine Fahrzeug- und Lenkerkontrolle an. Die Berufungswerberin hielt dem Beamten vor, dass es sich hier um Privatgrund handeln würde und sie deshalb nicht nachvollziehen könne, dass eine Lenker- und Fahrzeugkontrolle gemacht werden könne. RI Kr erläuterte der Berufungswerberin, dass es sich um eine öffentliche Straße im Sinne der StVO handelt. Im Zuge der Amtshandlung wurde der Berufungswerberin das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung vorgehalten und sie wurde zur Zahlung einer Organstrafverfügung aufgefordert. Die Berufungswerberin kam dieser Aufforderung nicht nach. Der Bereich des Reitsportzentrums ist weder durch ein entsprechendes Schild noch durch eine Abschrankung oder durch sonstige Hinweise als Privatgrund gekennzeichnet. Auch geht nirgends hervor, dass die Zufahrt nur für Vereinsmitglieder gestattet wäre.

 

Beweiswürdigung:

 

Die Feststellung, dass die Berufungswerberin im Kreuzungsbereich Mu/T ohne Freisprecheinrichtung telefoniert hat, beruht auf den Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten RI Kr und GI Ma. Beide gaben übereinstimmend und nachvollziehbar an, dass sie - als sie im gegenständlichen Kreuzungsbereich anhalten mussten - sahen, dass die von rechts kommende Berufungswerberin mit der linken Hand ein Handy am Ohr hielt und offenbar telefonierte, weshalb sie sich entschlossen, ihr zu folgen um eine Anhaltung vorzunehmen. Wenn die Berufungswerberin das Telefonieren an diesem Ort bestreitet und dazu ausführt, dass die Beamten ein allfälliges Telefonieren gar nicht bemerken hätten können, da sie lange Haare habe und ihr Handy nicht über den Haaren halten würde, ist auszuführen, dass von erfahrenen und geschulten Beamten durchaus erwartet werden kann, dass sie erkennen können, ob ein Lenker ein Mobiltelefon in der Hand hat oder bloß die Hand - ohne ein Mobiltelefon - am Ohr hält. Auch ist nachvollziehbar und glaubwürdig, dass - obwohl zwischen dem Fahrzeug der Berufungswerberin und dem Polizeifahrzeug ein weiterer Pkw fuhr - insbesondere bei Kurven und speziell im Bereich einer 90 Grad Kurve seitens der Beamten eindeutig erkannt werden konnte, dass die Berufungswerberin auch weiterhin ihr Handy ans Ohr hielt. Dass sie auf dem Gelände des Reitsportzentrums telefoniert hat, hat die Berufungswerberin selbst ausgesagt.

 

Die Feststellung, dass der Bereich des Reitsportzentrums nicht als Privatgrund gekennzeichnet ist, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen RI K-H Kr und wurde von der Berufungswerberin nicht in Abrede gestellt.

 

Dass seitens der Polizeibeamten eine Anhaltung zwar beabsichtigt war, in der Folge jedoch aufgrund der Straßen- und Verkehrssituation nicht durchgeführt werden konnte, sagten RI Kr und GI Ma aus. Die Feststellungen zur Amtshandlung beruhen auf den Aussagen der beiden Beamten in Verbindung mit den Aussagen der Berufungswerberin.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 134 Abs 3c KFG begeht, wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die in § 102 Abs 3 fünfter Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organ-strafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von ? 50,00 zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu ? 72,00, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen.

 

Gemäß § 102 Abs 3 fünfter Satz KFG darf der Lenker eines Fahrzeuges während des Fahrens ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung nicht telefonieren.

 

Die Berufungswerberin führt aus, dass der Bereich des Reitsportzentrums, in welchem sie unbestrittenermaßen telefoniert hat, keine öffentliche Verkehrsfläche darstellen würde, da es sich um ein Privatgrundstück handelt. Dazu ist auszuführen, dass gemäß § 1 Abs 1 StVO dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichem Verkehr gilt. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt auch eine im Eigentum eines Privaten stehende Straße bzw. ein Parkplatz eine Straße mit öffentlichem Verkehr dar, wenn nicht durch entsprechende Kennzeichnung oder Abschrankung erkennbar ist, dass das Gegenteil zutrifft. Wie das Beweisverfahren gezeigt hat, war das Gelände des Reitsportzentrums weder abgeschrankt noch als ausschließlicher Privatgrund gekennzeichnet. Der Zufahrtsbereich zum Reitsportzentrum ist daher als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs 1 StVO anzusehen, weshalb auch dort ein Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung während des Lenkens nicht erlaubt ist.

 

Die Berufungswerberin hat somit sowohl im Kreuzungsbereich des T mit dem Mu als auch am Gelände des Reitsportzentrums in O während des Lenkens telefoniert und somit eine unerlaubte Handlung gemäß § 102 Abs 3 fünfter Satz KFG gesetzt.

 

Dennoch ist der Berufung der Frau P Po Erfolg beschieden:

 

Voraussetzung, dass es sich dabei um eine Verwaltungsübertretung handelt und somit Voraussetzung für eine Bestrafung wegen Telefonierens beim Lenken ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung nach § 102 Abs 3 fünfter Satz KFG ist jedoch entsprechend § 134 Abs 3c KFG, dass dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO festgestellt wird.

 

Nach § 97 Abs 5 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlungen oder zwecks Durchführung von Verkehrserhebungen (wie Verkehrszählungen u. dgl.) zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten.

 

Eine solche Anhaltung hat im Anlassfall nicht stattgefunden, da sie aus verkehrstechnischer Sicht entsprechend den Aussagen der beiden Polizeibeamten nicht möglich war. Vielmehr wurde die Fahrzeug- und Lenkerkontrolle mit dem Vorhalt des Telefonierens ohne Freisprecheinrichtung erst durchgeführt, nachdem die Berufungswerberin von sich aus, ohne dass entsprechende Anhaltezeichen seitens der Beamten gegeben wurden, ihr Fahrzeug abgestellt hatte.

 

Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens unter anderem dann abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Da keine Anhaltung im Sinne des § 97 Abs 5 StVO stattgefunden hat, liegt keine Verwaltungsübertretung gemäß § 134 Abs 3c KFG vor, obwohl die Berufungswerberin das gemäß § 102 Abs 3 fünfter Satz KFG verpönte Verhalten des Telefonierens ohne Freisprecheinrichtung gesetzt hat. Es war daher der Berufung aus diesem Grund Folge zu geben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Schlagworte
Freisprecheinrichtung; telefonieren; Verwaltungsübertretung; Anhaltung
Zuletzt aktualisiert am
20.12.2012
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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