TE Vwgh Erkenntnis 2013/3/21 2012/09/0090

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Veröffentlicht am 21.03.2013
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Index

19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

ABGB §879;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs7;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
MRK Art6;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde der M G in S, vertreten durch Dr. Martin Hembach, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Herzog Leopold Straße 26/1/7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 21. Mai 2012, Zl. K 019/15/2011.044/018, betreffend Bestrafungen nach dem AuslBG (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Begründung

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - (mit Spruchpunkt I) schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der X-GmbH mit Sitz in S zu verantworten, dass diese Gesellschaft die ungarischen Staatsangehörigen C, H, J und T sowie den rumänischen Staatsangehörigen G am 15. Februar 2010 auf einer näher bezeichneten Baustelle in Z (im Weiteren "Baustelle 2" genannt) beim Abkleben des Bodens und Verspachtelungen beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe dadurch fünf Übertretungen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurden (in Herabsetzung gegenüber dem erstinstanzlichen Straferkenntnisses) über sie fünf Geldstrafen in der Höhe von je EUR 2.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je 30 Stunden) verhängt. (Hingegen wurde mit Spruchpunkt II der Berufung hinsichtlich des Vorwurfes der unberechtigten Beschäftigung von drei anderen Ausländern (auf der- wie im Weiteren bezeichnet als - "Baustelle 1") und der Unterlassung deren Anmeldung bei der zuständigen Gebietskrankenkasse vor Arbeitsantritt Folge gegeben und die diesbezüglichen Verfahren nach Behebung der jeweiligen erstinstanzlichen Straferkenntnisse gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt).

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - Folgendes aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Zu den vorgeworfenen Tatzeiten war die (Beschwerdeführerin) handelsrechtliche Geschäftsführerin der (X-GmbH) mit Sitz in (S) …, welche Fertigteilhäuser errichtet. Die (X-GmbH) stellte diese Häuser üblicherweise nicht mit eigenen Arbeitern her, sondern zog Subunternehmer zur Vertragserfüllung heran. Sie hatte lediglich zwei eigene Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet. Der Zeuge (M) war bei der (X-GmbH) für die 'technische Aufbereitung' der Bauvorhaben verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehörte auch die Baustellenüberwachung und die Vorauswahl der Subunternehmer. Die Bauaufsicht auf den einzelnen Baustellen oblag Herrn (P). Eine der Subfirmen, die von der (X-GmbH) immer wieder herangezogen wurden, war die Firma (Y-Kft) (früherer Name (H-Kft)) mit Sitz in (S) …, dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer der Zeuge (B) zur Tatzeit war.

Die (X-GmbH) hatte von der Familie (L) den Auftrag zur Errichtung eines Einfamilienhauses 'Bungalow MINI' in (Z) (im Folgenden kurz Baustelle 2 genannt), wobei das Ausbaupaket 'schlüsselfertig' vereinbart war. Inhalt des Vertrages waren auch Spachtel- und Malerarbeiten aller Wände und Decken.

Bei einer Kontrolle auf der Baustelle 2 am 15.02.2010 durch eine Streife der PI (Z) wurden fünf ausländische Staatsbürger bei der Verrichtung von Spachtelarbeiten im Inneren des Hauses angetroffen und zwar die ungarischen Staatsbürger (C, H, J und T) sowie der rumänische Staatsbürger (G). Diese ausländischen Staatsangehörigen waren nicht im Besitz der erforderlichen arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen und waren nicht zur Sozialversicherung angemeldet. Die (Y-Kft) war auf der Baustelle 2 lediglich mit der Durchführung der Fassadenarbeiten beauftragt. Sie zog für diese Arbeiten drei ungarischen Staatsangehörige heran, bei denen es sich nicht um die Ausländer (C, G, H, T und J) handelte. Letztere Arbeiter haben nicht für die (Y-Kft) gearbeitet.

Diese Feststellungen beruhen auf den im Akt liegenden Urkunden und den Angaben der in der Verhandlung vernommenen Zeugen (E, M und B) im Zusammenhalt mit den Angaben der (Beschwerdeführerin). Der Zeuge (B) machte einen besonders glaubwürdigen Eindruck und wird daher von den Angaben dieses Zeugen ausgegangen. Er legte ausführlich und freimütig dar, dass er auf der Baustelle 1 die im Straferkenntnis angeführten Ausländer 'als Subunternehmer' herangezogen hat, bestritt dies aber ausdrücklich für die im gegenständlichen Straferkenntnis angeführten Ausländer betreffend Baustelle 2. Seine Aussage wurde überdies durch die Vorlage von Bauwerksverträgen, die mit anderen Personen als den im Straferkenntnis angeführten Personen abgeschlossen waren, für die erwähnte Baustelle des Herrn (L) in (Z) untermauert. Der UVS hegte für diese Baustelle keine Zweifel, dass hier die (X-GmbH) die (Y-Kft) nicht mit den Spachtelarbeiten beauftragt hat und diese auch nicht von der (Y-Kft) durchgeführt wurden. Dass es einen von der (Y-Kft) nicht unterschriebenen Ausführungsleistungstext für Spachtelarbeiten auf der Baustelle 2 gab, ändert daran nichts, zumal die (X-GmbH) die (Y-Kft) öfters für Spachtel- und Fassadenarbeiten als Subunternehmer herangezogen hatte und der Zeuge (B) in der Verhandlung überzeugend darlegte, dass es öfters vorgekommen sei, dass Verträge auf die (H-Kft) ausgestellt wurden, die von diesem Unternehmen aber mangels ausreichender Kapazität dann nicht ausgeführt wurden. Auch der Zeuge (M) behauptete, dass auf der Baustelle in (Z) noch kein die Spachtelarbeiten betreffender Auftrag ausgelöst worden sei. Seine Vermutung, dass die (Y-Kft) schon vor Auftragserteilung Arbeiter auf die Baustelle geschickt habe, wurde vom Zeugen (B) nicht bestätigt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die genannten Ausländer einer Subfirma oder dem Hausbesitzer zuzuordnen waren. Wenn auch die einvernommenen Ausländer angaben, für den Bauherrn gearbeitet zu haben, so wird diesen Angaben nicht gefolgt, zumal dies Herr (L) bestritt und die Arbeiter dessen Namen bei der Einvernahme nicht angeben konnten. Diese Angaben waren auch deswegen nicht plausibel und daher nicht glaubwürdig, weil der Bauherr (L) das Haus bei der (X-GmbH) schlüsselfertig, sohin inklusive Spachtelarbeiten bestellt hatte. Ein Grund für die Heranziehung der Arbeiter durch Herrn (L) selbst ist daher nicht gegeben. Auch der Zeuge (M) sah es als ausgeschlossen an, dass Herr (L) die Arbeiter beschäftigte."

Davon ausgehend kam die belangte Behörde unter Heranziehung von § 28 Abs. 7 AuslBG zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegten Tatbestände in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt habe, und legte im Weiteren ihre Strafbemessungsgründe dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen Spruchpunkt I dieses Bescheides gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist der Begriff der Beschäftigung - soweit dies im Beschwerdefall in Betracht kommt - durch § 2 Abs. 2 AuslBG unter anderem in der Weise bestimmt, dass die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis als Beschäftigung gilt. Maßgebend für diese Einordnung in den genannten Beschäftigungsbegriff ist, dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher bzw. wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird. Als (der Bewilligungspflicht unterworfenes) Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. ist unter anderem auch eine kurzfristige oder aushilfsweise Beschäftigung anzusehen. Das Tatbestandselement der Beschäftigung ist ausschließlich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu beurteilen. Liegt eine Verwendung (vgl. § 2 Abs. 2 AuslBG) in einem Abhängigkeitsverhältnis vor, das typischerweise den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bildet, ist von einer der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterworfenen Beschäftigung auszugehen. Auf eine zivilrechtliche Betrachtung, ob überhaupt ein Arbeitsvertrag zu Stande kam, ob diesem (etwa im Hinblick auf § 879 ABGB oder mangels einer rechtsgeschäftlichen Willensübereinstimmung) Mängel anhaften, oder welche vertragliche Bezeichnung die Vertragsparteien der Tätigkeit gegeben haben, kommt es hingegen nicht an (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2000/09/0190, mwN).

Bei der Beurteilung des konkret erhobenen Sachverhaltes geht es nicht darum, dass lückenlos alle rechtlichen und faktischen Merkmale festgestellt sind, sondern darum, die vorhandenen Merkmale zu gewichten und sodann das Gesamtbild daraufhin zu bewerten, ob wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt oder nicht. Das totale Fehlen des einen oder anderen Merkmales muss dabei nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Die vorhandenen Merkmale werden in aller Regel unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Ihre Bewertung erfolgt nach einer Art "beweglichem System", in dem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander derart in eine Beziehung zu setzen ist, dass man berücksichtigt, dass eine Art von wechselseitiger Kompensation der einzelnen Gewichte vorgenommen wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass das Fehlen wie auch eine schwache Ausprägung des einen oder anderen Merkmales durch ein besonders stark ausgeprägtes Vorhandensein eines anderen oder mehrerer anderer Merkmale ausgeglichen bzw. überkompensiert werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2006, Zl. 2002/09/0187).

2. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die gegenständlichen Ausländer bei der Kontrolle am 15. Februar 2010 die festgestellten Tätigkeiten auf einer Baustelle der X-GmbH ausgeübt haben.

Wenn die Beschwerdeführerin im Wesentlichen einwendet, dass die Feststellungen im angefochtenen Bescheid für eine Verurteilung nicht ausreichen würden und es der belangten Behörde zukäme zu beweisen, dass die Arbeiter für die X-GmbH tätig gewesen seien, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 28 Abs. 7 AuslBG ist das Vorliegen einer nach diesem Bundesgesetz unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne Weiteres anzunehmen, wenn ein Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen eines Unternehmens angetroffen wird, die im Allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, und der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, dass eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt.

Die Gesetzesstelle des § 28 Abs. 7 AuslBG entbindet die Behörde zwar nicht von ihrer - angesichts der im Grunde des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG gegebenen - Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, die dafür notwendigen Beweise aufzunehmen, Parteiengehör einzuräumen und ein dem Art. 6 EMRK entsprechendes Verfahren durchzuführen. Diese Grundsätze hat die belangte Behörde jedoch im gegenständlichen Verfahren nicht verletzt.

Mit der bloßen Behauptung, es sei lebensfremd, dass der Bauherr die Angaben der einvernommenen Ausländer (für ihn gearbeitet zu haben) bestätigen würde, vermag die Beschwerdeführerin auch keine Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde dazu vorgenommenen beweiswürdigenden Argumentation und den daraus abgeleiteten Negativfeststellungen zum Vorliegen einer Beschäftigung der Ausländer bei der Y-Kft oder beim Bauherrn L aufkommen zu lassen (vgl. zum diesbezüglichen Umfang der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Darüber hinaus handelt es sich bei den genannten Tätigkeiten nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt (§ 2 Abs. 4 AuslBG) um Hilfsarbeiten bzw. einfache manipulative Tätigkeiten. Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei den gegenständlichen Verspachtelungsarbeiten der Fall ist), dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die aus einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen. Die Behörde ist in einem solchen Fall nicht gehalten, Ermittlungen und weitwendige Überlegungen zu der Frage anzustellen, ob der Hilfsarbeiter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht, da dies - wenn anders lautende konkrete Behauptungen samt Beweisanboten nicht vorliegen - unter den gegebenen Umständen ohne Weiteres vorausgesetzt werden konnte (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 3. November 2004, Zl. 2001/18/0129, mwN).

Insgesamt begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde ausgehend von den Negativfeststellungen zum Vorliegen einer Beschäftigung der Ausländer bei der Y-Kft oder beim Bauherrn L unter Anwendung § 28 Abs. 7 AuslBG zum Ergebnis kommt, dass die Ausländer der X-GmbH zuzurechnen seien und die Verletzung der inkriminierten Bestimmungen des AuslBG der Beschwerdeführerin anzulasten sei.

3. Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. März 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012090090.X00

Im RIS seit

11.04.2013

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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