TE Vwgh Erkenntnis 2013/3/21 2012/06/0201

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Veröffentlicht am 21.03.2013
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Index

L10012 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Kärnten;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art119a Abs5;
GdO Allg Krnt 1998 §95 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Merl, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der Marktgemeinde O, vertreten durch Dr. Silvia Anderwald, Mag. Thomas Borowan und Dr. Erich Roppatsch, Rechtsanwälte in 9800 Spittal/Drau, Tirolerstraße 8/1, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 21. September 2012, Zl. 7-B-BRM- 1044/3-2012, betreffend Vorstellung in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Marktgemeinde hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde erteilte mit Bescheid vom 28. August 2006 die Baubewilligung für ein näher genanntes Bauvorhaben.

Die dagegen vom Anrainer E. (im Folgenden: E.) erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Marktgemeinde mit Bescheid vom 24. September 2007 als unbegründet ab und erteilte die baubehördliche Genehmigung für die seitens des Bauwerbers eingereichten Planänderungen.

Über Vorstellung des E. hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 8. April 2008 den Bescheid des Gemeindevorstandes auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde zurück (erster aufhebender Vorstellungsbescheid).

Mit Schreiben vom 7. November 2008 brachte E. einen Devolutionsantrag an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde ein.

Der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Marktgemeinde wies mit Bescheid vom 10. Februar 2010 die Berufung des E. als unbegründet ab und erteilte die baubehördliche Genehmigung für näher bezeichnete Planänderungen.

Über Vorstellung des E. hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 2. April 2010 den vorgenannten Bescheid des Gemeindevorstandes auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde zurück (zweiter aufhebender Vorstellungsbescheid).

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, auf Grund des Devolutionsantrages wäre der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde zuständig gewesen. Der Gemeindevorstand hätte in dieser Sache zuständigerweise eine Entscheidung nur dann treffen dürfen, wenn im Zeitpunkt der Bescheiderlassung ein rechtskräftiger Bescheid des Gemeinderates über die Abweisung des Devolutionsantrages vorgelegen wäre. Der Bescheid des Gemeindevorstandes sei daher wegen Unzuständigkeit aufzuheben.

In weiterer Folge wies der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde mit Bescheid vom 4. November 2010 die Berufung des E. als unbegründet ab und erteilte die baubehördliche Genehmigung für die Planänderungen sowie den Einmessplan.

Über Vorstellung des E. hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. März 2011 den vorgenannten Bescheid des Gemeinderates auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde zurück (dritter aufhebender Vorstellungsbescheid).

In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, auf Grund der schlüssigen und nachvollziehbaren Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Kärntner Landesregierung könne davon ausgegangen werden, dass die zum Teil widersprüchlichen und unvollständigen Planunterlagen nicht ausgereicht hätten, um dem Vorstellungswerber jene Informationen zu vermitteln, die er zur Verfolgung seiner Rechte gebraucht hätte, weshalb dieser in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden sei. Überdies wurde der Behörde aufgetragen, durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens anhand der Einreichpläne und der Baubeschreibung die Übereinstimmung des Vorhabens mit den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auch hinsichtlich des Verwendungszweckes und damit mit der Flächenwidmung festzustellen.

In weiterer Folge wies der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Marktgemeinde mit Bescheid vom 20. März 2012 die Berufung des E. als unbegründet ab und erteilte die baubehördliche Genehmigung für die näher bezeichnete Planänderung und Baubeschreibung.

Über Vorstellung des E. hob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 20. März 2012 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde zurück (vierter aufhebender Vorstellungsbescheid).

In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, auf Grund des Devolutionsantrages des E. hätte der Gemeinderat über dessen Berufung entscheiden müssen. Der Gemeindevorstand hätte in dieser Sache zuständigerweise eine Entscheidung nur dann treffen dürfen, wenn im Zeitpunkt seiner Bescheiderlassung ein rechtskräftiger Bescheid über die Abweisung des Devolutionsbegehrens vorgelegen wäre. Sei die Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Berufung gemäß § 73 AVG an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergegangen, sei ein dennoch von der Unterbehörde erlassener Bescheid im Falle seiner Anfechtung vor der (hier:) Vorstellungsbehörde wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die gegenständliche Beschwerde wendet sich gegen einen Vorstellungsbescheid, mit dem der Vorstellung des Nachbarn Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Gemeinde wegen Unzuständigkeit aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen wurde.

Gemäß § 95 Abs. 5 Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung - KAGO, LGBl. Nr. 66/1998, ist die Gemeinde verpflichtet, bei der neuerlichen Entscheidung der Rechtsansicht der Landesregierung Rechnung zu tragen.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob nach Aufhebung des Berufungsbescheides des im Devolutionsweg zuständig gewordenen Gemeinderates durch die Vorstellungsbehörde (mit dem - eingangs wiedergegebenen - dritten aufhebenden Vorstellungsbescheid) wiederum der Gemeinderat (so die Ansicht der belangten Behörde in dem nunmehr angefochtenen, vierten aufhebenden Vorstellungsbescheid) oder der Gemeindevorstand (so die Ansicht der beschwerdeführenden Marktgemeinde) zur Erlassung der neuerlichen Entscheidung berufen war.

Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf hin, dass der den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 10. Februar 2010 aufhebende Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 2. April 2010 (zweiter aufhebender Vorstellungsbescheid) in Rechtskraft erwachsen ist.

Die Gemeindebehörden, die Gemeindeaufsichtsbehörde, aber auch der Verwaltungsgerichtshof sind nach ständiger Rechtsprechung an die tragenden Begründungselemente eines solchen in Rechtskraft erwachsenen kassatorischen gemeindeaufsichtsbehördlichen Vorstellungsbescheides gebunden. Dem Eintritt der Bindung steht nicht entgegen, dass die überbundene Rechtsauffassung zur objektiven Rechtslage im Widerspruch steht oder auf einer unrichtigen Sachverhaltsannahme beruht (vgl. zum Ganzen bereits das hg. Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 89/06/0110, mwN).

Da die belangte Behörde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 2. April 2010 (zweiter aufhebender Vorstellungsbescheid) den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes aufgehoben und ausgesprochen hat, dass der Gemeinderat auf Grund des Devolutionsantrages zur Entscheidung über die Berufung zuständig gewesen wäre (eine die Zuständigkeit des Gemeindevorstandes begründende, rechtskräftige Entscheidung des Gemeinderates über die Abweisung des Devolutionsantrages liegt unstrittig nicht vor), ist damit die Zuständigkeit des Gemeinderates für die Erledigung der Berufung des E. gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde auch für den Verwaltungsgerichtshof bindend bejaht.

Schon deshalb liegt kein dem hg. Beschluss vom 22. Februar 2012, Zl. 2011/06/0057, gleichgelagerter Fall vor.

Die belangte Behörde ist demnach mit ihrer Ansicht im Recht, dass der säumig gewordene Gemeindevorstand nicht wieder zur Entscheidung über die Berufung zuständig war.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. März 2013

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012060201.X00

Im RIS seit

19.04.2013

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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