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27 RECHTSPFLEGENorm
EMRK Art6 Abs1 / VerfahrensgarantienLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Zustellung eines Bescheides und Ausfolgung von Fremdgeld nicht an seinen Mandanten sondern an eine nicht vertrauenswürdige PersonSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Linz-Urfahr. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer (im Folgenden: OÖ RAK) vom 9. Mai 2011 wurde der Beschwerdeführer der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er einen ihm mittels RSa-Rückschein zugestellten Bescheid des Bundesasylamtes nicht seinem Mandanten unter Abgabe einer Rechtsbelehrung über die Möglichkeit der Einbringung eines Rechtsmittels selbst zugestellt, sondern diesen Dr. A., "einer nicht berechtigten und nicht vertrauenswürdigen Person", zur Weiterleitung übergeben habe und sich nicht vergewissert habe, ob dem Mandanten der Bescheid vor Ablauf der Rechtsmittelfrist tatsächlich zukomme, sodass schließlich die Beschwerdefrist ungenützt verstrich, weiters weil er ohne von seinem Mandanten Petrus J. dazu bevollmächtigt oder beauftragt worden zu sein, vereinnahmtes Fremdgeld nicht direkt seinem Mandanten, sondern Dr. A., "einer nicht berechtigten und nicht vertrauenswürdigen Person", ausgefolgt habe und schließlich weil er Fremdgeld nicht Benno B., sondern dem nicht berechtigten Dr. A. ausgefolgt habe. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldbuße in der Höhe von € 4.000,- verhängt.
Von weiteren Vorwürfen, unter anderem dass er Vollmachtsformulare an Dritte, nämlich an Dr. A., zwecks Weitergabe an einen unbestimmten Personenkreis übergeben habe und hiedurch Berufspflichten verletzt und gegen Ehre und Ansehen des Standes verstoßen habe, wurde der Beschwerdeführer freigesprochen.
2. Der gegen den Bescheid des Disziplinarrates der OÖ RAK erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wurde mit als Bescheid zu wertendem Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (im Folgenden: OBDK) vom 3. September 2012 keine Folge gegeben. Der Berufung wegen Strafe gab die OBDK hingegen teilweise Folge, indem sie die über den Beschwerdeführer verhängte Geldbuße auf € 2.000,-
herabsetzte. Die belangte Behörde führte aus, dass der Beschwerdeführer von der OÖ RAK zum mittlerweiligen Stellvertreter des emeritierten Rechtsanwalts Dr. A. bestellt worden sei. Zwischen dem Beschwerdeführer und Dr. A. habe sich eine Zusammenarbeit entwickelt, wonach dem Beschwerdeführer durch Dr. A. Mandanten vermittelt worden seien, deren Vertretung der Beschwerdeführer dann auch übernommen habe; die Fälle seien allerdings von Dr. A. weiterhin selbst "begleitet" worden. Dem Beschwerdeführer seien Verstöße gegen §9 RAO und §16 der Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und des Rechtsanwaltsanwärters anzulasten, weil er einerseits einen seinen Mandanten betreffenden Bescheid des Bundesasylamtes nicht direkt seinem Mandanten zugestellt, sondern ihn Dr. A., einer am Verfahren unbeteiligten Person, zur Weiterleitung übergeben habe und anderseits zweimal an ihn ausbezahltes Fremdgeld Dr. A. und nicht direkt seinen Mandanten ausgefolgt habe. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bereits Ende 2008 festgestellt habe, dass Dr. A. unbefugterweise und heimlich auf dem Kanzleipapier des Beschwerdeführers verschiedene Eingaben gemacht und dabei sein Vertrauen ausgenutzt habe, weshalb der Beschwerdeführer auch Anzeige gegen Dr. A. erstattet habe. Es habe dem Beschwerdeführer somit seit Ende 2008 bewusst sein müssen, dass Dr. A. nicht mehr vertrauenswürdig und zuverlässig gewesen sei.
3. Gegen diesen Bescheid der OBDK vom 3. September 2012 richtet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art6 Abs3 EMRK geltend gemacht wird. Begründend wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Ladung und Einvernahme des Dr. A. sowie des Petrus J. beantragt habe. Seinem Antrag sei jedoch nicht stattgegeben worden. Dadurch habe er von seinem Fragerecht nicht Gebrauch machen können, was einen Verstoß gegen die EMRK darstelle. Es liege kein faires Verfahren im Sinne des Art6 EMRK vor.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete aber keine Gegenschrift.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Bedenken gegen die dem Bescheid zugrunde
liegenden Rechtsvorschriften wurden weder in der Beschwerde behauptet noch sind solche beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass dieses Beschwerdefalles entstanden.
Der Beschwerdeführer ist daher durch den
angefochtenen Bescheid nicht in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt.
1.2. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art6 EMRK, weil seinen Anträgen auf Einvernahme der Zeugen Dr. A. und Petrus J. nicht stattgegeben bzw. die Nichteinvernahme nicht begründet worden sei.
Hinsichtlich des Petrus J. ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Einvernahme gestellt hat.
In Bezug auf Dr. A. beantragte der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Disziplinarrat "die ergänzende Einvernahme des Zeugen Dr. A. zum Beweis dafür, dass die im Akt erliegende Vollmacht des Petrus J. in der Kanzlei des DB [gemeint: Disziplinarbeschuldigten] unterfertigt wurde". Wie die OBDK im angefochtenen Bescheid darlegte, sei erkennbar gewesen, dass sich dieser Beweisantrag gegen den Vorwurf, der Beschwerdeführer habe Vollmachtsformulare an Dritte zur Weitergabe an einen unbestimmten Personenkreis übergeben, gerichtet habe. Von diesem Vorwurf sei der Beschwerdeführer aber ohnehin freigesprochen worden. Es ist der OBDK daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausging, dass dem Beweisantrag die rechtliche Relevanz fehlte.
Der Beschwerdeführer ist daher nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK verletzt worden.
1.3. Es ist nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer in einem anderen, von ihm nicht geltend gemachten, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.
Der Beschwerdeführer ist daher durch den
angefochtenen Bescheid nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden.
2. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
3. Ob der angefochtene Bescheid auch in jeder
Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, fair trial, BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B1291.2012Zuletzt aktualisiert am
08.03.2013