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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §26 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und Senatspräsident Dr. Bernard und Hofrat Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Rechtsanwälte Hopmeier, Sauerzopf & Partner, 1010 Wien, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Februar 2000, Zl. MA 65 - 8/299/99, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 26 Abs. 3 FSG für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab der (am 8. Dezember 1998 erfolgten) vorläufigen Abnahme des Führerscheines, entzogen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde u.a. aus, der Beschwerdeführer habe am 8. Dezember 1998 als Lenker eines Kraftfahrzeuges auf einer näher bezeichneten Straßenstelle in Wien die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschritten. Diese Überschreitung sei mit einem technischen Hilfsmittel, nämlich durch Nachfahren mit einem Pkw und Ablesen der Geschwindigkeit von einem geeichten Tachometer, festgestellt worden. Der Beschwerdeführer sei wegen dieser Verwaltungsübertretung mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 1. April 1999 rechtskräftig u.a. wegen der Übertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 20 Abs. 2 StVO 1960 bestraft worden. Dieses Straferkenntnis sei in Rechtskraft erwachsen.
Soweit der Beschwerdeführer die Zustellung des Straferkenntnisses und damit die Beendigung des Strafverfahrens in erster Instanz bestreite, sei zu bemerken, dass mit Schriftsatz vom 29. Dezember 1998 die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses mit den Rechtsanwälten Dr. L. und Partner bekannt gegeben worden sei, sodass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses am 8. April 1999 nicht mehr rechtsfreundlich vertreten gewesen sei, weshalb das Straferkenntnis rechtens ihm zugestellt worden sei. Dieser Umstand sei dem nunmehrigen Vertreter des Beschwerdeführers im Entziehungsverfahren zur Kenntnis gebracht worden. Umstände, die für einen Zustellmangel sprächen, seien in der Folge nicht vorgebracht worden und auch nicht hervorgekommen, weshalb von der rechtswirksamen Zustellung des Straferkenntnisses habe ausgegangen werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde.
Gemäß § 26 Abs. 3 FSG hat im Falle der erstmaligen Begehung einer im § 7 Abs. 3 Z. 4 genannten Übertretung die Entziehungsdauer zwei Wochen zu betragen.
Gemäß § 26 Abs. 7 FSG darf eine Entziehung gemäß Abs. 3 und 4 erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist.
Der Beschwerdeführer bestreitet u.a. das Vorliegen dieser Voraussetzung und bringt vor, das Verwaltungsstrafverfahren sei in erster Instanz noch nicht abgeschlossen worden, weil ihm das Straferkenntnis nicht wirksam zugestellt worden sei. Der Beschwerdeführer sei bereits im Verwaltungsstrafverfahren durch die nunmehrigen Beschwerdevertreter vertreten gewesen, was der Behörde mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1998 angezeigt worden sei. Die Behörde habe dies auch zur Kenntnis genommen und den Beschwerdeführer zu Handen der Beschwerdevertreter zur Rechtfertigung aufgefordert. Dieser Aufforderung sei mit Schriftsatz vom 12. Jänner 1999 entsprochen worden. Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz hätte die Zustellung an die Vertreter des Beschwerdeführers erfolgen müssen. Das Straferkenntnis sei den Vertretern des Beschwerdeführers auch nicht tatsächlich zugekommen, sodass das Verwaltungsstrafverfahren in erster Instanz noch nicht abgeschlossen sei.
Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid darauf, dass die Rechtsanwälte Dr. L. und Partner mit Schriftsatz vom 29. Dezember 1998 die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses angezeigt hätten und der Beschwerdeführer daher zur Zeit der Zustellung des Straferkenntnisses nicht mehr durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei. In der Gegenschrift stützt sie sich darauf, dass ihr im Berufungsverfahren von der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, mehrmals die Auskunft erteilt worden sei, dass das Straferkenntnis ordnungsgemäß zugestellt worden sei.
Die belangte Behörde hätte sich mit dieser Auskunft nicht begnügen dürfen, nachdem ihr mit Schriftsatz vom 30. Juli 1999 Kopien der Vollmachtsbekanntgabe der Beschwerdevertreter im Verwaltungsstrafverfahren vom 23. Dezember 1998, der an den Beschwerdeführer zu Handen der Beschwerdevertreter gerichteten Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. Dezember 1998 und der Stellungnahme der Beschwerdevertreter vom 12. Jänner 1999 samt Aufgabeschein vorgelegt worden waren. Unter Zugrundelegung des Inhaltes dieser Schriftstücke und des Umstandes, dass die (mit Schriftsatz vom 29. Dezember 1998 erklärte) Bekanntgabe der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses nicht von den Beschwerdevertretern sondern von einem anderen Rechtsanwalt stammt und sich nur auf das Vollmachtsverhältnis zwischen diesem Rechtsanwalt und dem Beschwerdeführer bezieht - worauf der Beschwerdeführer in seinem an die belangte Behörde gerichteten Schriftsatz vom 29. November 1999 ausdrücklich hingewiesen hat -, hätte die belangte Behörde, wenn sie immer noch Zweifel am Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und den Beschwerdevertretern hatte, die Akten betreffend das Verwaltungsstrafverfahren beischaffen oder von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz konkrete Auskünfte zu diesen Vorgängen einholen müssen. Da die belangte Behörde dies unterlassen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG Anspruch auf Ersatz von Schriftsatzaufwand nur für die Einbringung der Beschwerde, nicht aber für den
weiteren vom Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG erstatteten Schriftsatz vom 14. Juli 2000 besteht.
Wien, am 21. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000110095.X00Im RIS seit
14.02.2001