Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Gerold Dünser über die Berufungen von Frau E. W., geb am XY, vertreten durch G. und H., Rechtsanwaltspartnerschaft, XY-Straße 6, G., gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 31.10.2012, Zahlen SG-52-2012 und SG-57-2012, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit den §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird den Berufungen Folge gegeben. Die angefochtenen Straferkenntnisse werden behoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis zur Zahl SG-52-2012 wurde der Berufungswerberin spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:
?Sie haben es als Inhaberin einer Gastgewerbeberechtigung in der Betriebsart Bar im Standort L., XY-Gasse 1, zu verantworten, dass in der Nacht vom 28.07.2012 auf 29.07.2012 bis gegen 06.49 Uhr (und sohin über die gesetzliche Sperrstunde 06.00 Uhr) Gästen der Aufenthalt in den Betriebsraumen der Bar ?XZ? in L., XY-Gasse 1, gestattet wurde, obwohl die Sperrstunde mit 06.00 Uhr festgesetzt ist.
Die Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 368 iVm § 113 Abs. 7 Gewerbeordnung 1994?
Der Strafvorwurf zum Verfahren SG-57-2012 lautet wie folgt:
?Sie haben es als Inhaberin einer Gastgewerbeberechtigung in der Betriebsart Bar im Standort L., XY-Gasse 1, zu verantworten, dass in der Nacht vom 01.09.2012 auf 02.09.2012 bis gegen 06.10 Uhr Gästen der Aufenthalt in den Betriebsraumen der Bar ?XY? in L., XY-Gasse 1, gestattet wurde, obwohl die Sperrstunde mit 06.00 Uhr festgesetzt ist.
Die Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 368 iVm § 113 Abs 7 Gewerbeordnung 1994?
Wegen dieser Übertretungen wurden über die Berufungswerberin jeweils auf Grundlage des § 368 GewO 1994 Geldstrafen in der Höhe von jeweils Euro 200,00, Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 61 Stunden, verhängt. Außerdem wurde die Berufungswerberin jeweils zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor der Erstbehörde verpflichtet.
Gegen diese Straferkenntnisse richten sich die fristgerecht erhobenen Rechtsmittel, in welchen einerseits der Feststellung des Sachverhaltes entgegengetreten und demnach die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Anwendung des § 21 VStG, beantragt wird.
Unabhängig vom Vorbringen in den Rechtsmitteln kommt diesen aus folgenden Gründen Berechtigung zu:
Gemäß § 1 Abs 2 lit c der Verordnung des Landeshauptmannes vom 11. Mai 1995 über die Regelung der Sperrzeiten in den Gastgewerbebetrieben (Sperrzeitenverordnung 1995) LGBl Nr 60/1996 idF LGBl Nr 39/2000 sind Gastgewerbebetriebe in der Betriebsart Bar oder Diskothek spätestens um 06.00 Uhr zu schließen.
Gemäß § 2 dieser Verordnung dürfen Gastgewerbebetriebe frühestens um 06.00 Uhr geöffnet werden.
Die Gastgewerbetreibenden haben gemäß § 113 Abs 7 GewO 1994 die Betriebsräume und die allfälligen sonstigen Betriebsflächen, ausgenommen die der Beherbergung dienenden, während der festgelegten Sperrzeiten geschlossen zu halten. Während dieser Zeit dürfen sie Gästen weder den Zutritt zu diesen Räumen und zu diesen Flächen noch dort ein weiteres Verweilen gestatten und die Gäste auch nicht in anderen Räumen oder auf anderen sonstigen Flächen gegen Entgelt bewirten. Die Gastgewerbetreibenden haben die Gäste rechtzeitig auf den Eintritt der Sperrstunde aufmerksam zu machen; sie haben den Betrieb spätestens zur Sperrstunde zu verlassen. In Beherbergungsbetrieben ist die Verabreichung von Speisen und Getränken an Beherbergungsgäste auch während der vorgeschriebenen Sperrzeiten gestattet.
Eine Übertretung dieser Norm wird der Berufungswerberin zu beiden Verfahren zur Last gelegt.
Festgehalten wird, dass sich aus dem Wortlaut des § 113 Abs 7 im hier interessierenden Zusammenhang zweifelsfrei ergibt, dass der Gastgewerbetreibende während der festgelegten Sperrzeit geschlossen halten muss, sowie dass er während dieser Zeit Gästen weder den Zutritt zu diesen Räumen, noch ein Verweilen in denselben gestatten darf.
Im vorliegenden Fall fällt die Sperrstunde um 06.00 Uhr mit der Aufsperrstunde zeitlich zusammen. Eine tatsächliche Sperrzeit, in welcher Gästen der Zutritt zu den Räumen des Gastgewerbes zu verwehren ist bzw diesen ein Verweilen in denselben nicht gestattet ist, besteht daher bei Betrieben der Betriebsart Bar oder Diskothek im Sinne des § 1 Abs 2 der zitierten Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol im Hinblick auf die in § 2 derselben Verordnung geregelte Aufsperrstunde nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Vorgängerbestimmungen der GewO 1973 in seiner Entscheidung vom 29.03.1994, XY, festgehalten, dass diese Norm dem Zweck dient, einerseits Wettbewerbsverzerrungen und andererseits Beeinträchtigungen der Nachbarn hintanzuhalten.
Eine Auslegung nach dem Zweck der Norm zeigt daher, dass es aus dem Blickwinkel des Nachbarschaftsschutzes nicht angezeigt scheint, dass unmittelbar vor 06.00 Uhr anwesende Gäste das Lokal zur Sperrstunde verlassen um dieses sofort wieder zu betreten, werden dadurch doch nur für die Nachbarn zusätzliche Belästigungen durch den Lärm, den die Gäste dabei verursachen, hervorgerufen.
Auch ist nicht mit Wettbewerbsverzerrungen zu rechnen, da dadurch dem Betreiber der Bar kein zusätzlicher Umsatz beschert wird: § 113 Abs 7 GewO 1994 bezieht sich ausdrücklich auf ?Sperrzeiten?, sohin Zeiten, zu welchen der Betrieb geschlossen zu halten ist. Da eine Sperrzeit im Fall, dass die Sperrstunde mit der Aufsperrstunde zusammenfällt, nicht besteht, kann es auch durch den nicht unterbrochenen Verkauf von Getränken nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen.
Mit der Novelle der Tiroler Sperrzeitenverordnung LGBl Nr 39/2000 wurde die besondere Sperrstunde für Gastgewerbebetriebe in der Betriebsart ?Bar? oder ?Diskothek? aufgehoben, welche zuvor noch mit 16.00 Uhr festgesetzt war. Begründend wurde dazu festgehalten, ?? dass aufgrund geänderter Rahmenbedingungen im Tourismus und geänderter Erwartungshaltungen der Gäste ein diesbezüglicher Bedarf für die Änderung der Sperrzeitenverordnung 1995 gegeben ist. Die Sperrzeiten können weiterhin im Rahmen von Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (für Gastgewerbebetriebe obligatorisch) individuell und speziell abgestimmt auf den Nachbarschaftsschutz vorgeschrieben werden. Dabei können auch die im § 152 Abs 1 Gewerbeordnung 1994 (Anm.: mittlerweile § 113 Abs 1 GewO 1994) angeführten ?Bedürfnisse der ortsansässigen Bevölkerung? Großteils geschützt werden. Weiters ist aus der Aufhebung der Aufsperrstunde für Diskotheken und Bars keine zusätzliche Lärmbelästigung der Nachbarn zu erwarten, da während der Tageszeit kaum Lärmprobleme auftreten dürften.?
Der Verordnungsgeber ist sohin ausdrücklich von einer ?Aufhebung der Aufsperrstunde? für Bars und Diskotheken ausgegangen. Festgehalten wird, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die mit LGBl Nr 77/1997 geänderte Sperrstunde für Bars und Diskotheken mit 06.00 Uhr gegolten hat.
§ 113 Abs 1 GewO 1994 verpflichtet den Landeshauptmann ausdrücklich dazu den Zeitpunkt, zu dem gastgewerbliche Betriebe geschlossen werden müssen (Sperrstunde), durch Verordnung festzulegen. Aus dem Umstand, dass auch für Bars und Diskotheken grundsätzlich eine Sperrstunde festgelegt wurde, lässt sich sohin nicht unmittelbar ableiten, dass diese jedenfalls täglich den Betrieb schließen müssen, ist der Landeshauptmann doch zur Festsetzung der Sperrstunde ausdrücklich verpflichtet. Erst das Verhältnis zwischen der Sperrstunde und der Aufsperrstunde lässt den Willen des Normgebers erkennen, ob er jedenfalls eine Sperrzeit auch für diese Betriebe normieren wollte.
Der Umstand, dass der Verordnungsgeber im Rahmen dieser Novelle für Bars und Diskotheken nicht etwa eine Aufsperrstunde festgelegt hat, die von der Sperrstunde abweicht, dass er in den Erläuterungen ausdrücklich von einer Aufhebung der Aufsperrstunde für Bars und Diskotheken spricht, eine Auslegung der Norm nach dem vom Verwaltungsgerichtshof definierten Zweck sowie letztlich auch Überlegungen aus dem Blickwinkel des allgemeinen Sachlichkeitsgebots lassen sohin nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol keinen anderen Schluss zu, als dass der Landeshauptmann als Verordnungsgeber eine durchgehenden Öffnung derartiger Anlagen unter dem Titel der Sperrzeiten ermöglichen wollte.
Davon unberührt bleibt die im Rahmen des Betriebsanlagenverfahrens bestehende Möglichkeit der abweichenden Festlegung der Betriebszeiten. Soweit die Betriebszeiten einen engeren Rahmen vorsehen als die Sperrzeiten darf die Anlage daher nur im Rahmen der bewilligten Betriebszeiten betrieben werden.
Dass dies vorliegend der Fall wäre ergibt sich allerdings nicht aus den vorgelegten Akten; auch würde es sich beim Vorwurf, dass die Betriebszeiten nicht eingehalten wurden, um eine andere Sache im Sinne des § 66 Abs 4 AVG handeln, weshalb dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol eine Abänderung des Bescheidspruchs in die Richtung, dass eine Überschreitung der Betriebszeit stattgefunden hat, nicht zustehen würde. Vor diesem Hintergrund war für die vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren nicht weiter zu überprüfen, ob die Betriebszeiten abweichend festgeschrieben wurden.
Es wird daher festgehalten, dass bei einem Gastgewerbebetrieb, der in der Betriebsart Bar geführt wird, in Tirol mangels abweichender Regelungen (vgl dazu etwa die in § 113 Abs 5 GewO 1994 vorgesehene Möglichkeit) die Sperrstunde auf 06.00 Uhr festgesetzt wurde. Die Aufsperrstunde wurde ebenfalls auf 06.00 Uhr festgesetzt. Vor diesem Hintergrund ist die Berufungswerberin nach den für die Sperrstunde geltenden Vorschriften dazu berechtigt, die Bar ?XY? ununterbrochen zu führen; das bedeutet, dass die Gäste nicht etwa zur Sperrstunde das Lokal verlassen müssen und dieses sodann etwa nach einer juristischen Sekunde wieder betreten können, sondern dass diese im Lokal verbleiben können.
Aus diesem Grund war der Umstand, dass den Gästen nach dem Vorwurf der Erstbehörde das Verweilen nach 06.00 Uhr gestattet wurde auch nicht strafbar. Somit war nicht weiter zu überprüfen ob, wie von der Berufungswerberin vorgebracht, die Gäste die Bar ?XY? zur Sperrstunde verlassen und im Anschluss wieder betreten haben bzw ob sich zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt überhaupt Gäste im Lokal befunden haben.
Zumal durch das weitere Verweilen von Gästen in der Betriebsanlage im vorliegenden Fall nicht gegen die Sperrzeitenverordnung verstoßen wurde, waren die angefochtenen Straferkenntnisse zu beheben und die wider die Berufungswerberin geführten Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.
Vor diesem Hintergrund erübrigen sich weitere Ausführungen zur Frage, in wie weit hier von einem fortgesetzten Delikt auszugehen ist (vgl dazu VwGH 15.09.2011, 2009/04/0112 unter Hinweis auf Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO3, § 368, Rz 12).
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.