Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Mag. Eva Schermann über die Berufung der F M GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte R & P, Fr, G, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Graz-Umgebung vom 27.08.2012, GZ.: BHGU-15.1-28913/2012, wie folgt entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben und der Bescheid behoben.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 idgF (AVG)
§ 10 Bundesgesetz über den Verkehr mit Pflanzenschutzmittel und über Grundsätze für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Pflanzenschutzmittelgesetz 2011), BGBl. I 10/2011
Sachverhalt:
I. Der Bezirkshauptmann von Graz-Umgebung hat mit Bescheid vom 18.04.2012, GZ: BHGU-15.1-9904/2012 das am 19.03.2012 in der F M GmbH in W, We St, vom Kontrollorgan des Bundesamtes für Ernährungssicherheit vorläufig beschlagnahmte Pflanzenschutzmittel 13 x 0,5 Liter Arbin beschlagnahmt. Diese Entscheidung stützte sich auf die Rechtsgrundlagen der §§ 39 Abs 1 VStG und 10 Abs 3 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das angeführte Präparat zum Kontrollzeitpunkt im Pflanzenschutzmittellagerraum, gemeinsam mit verkehrsfähigen Produkten lagernd und für den Verkauf vorrätig gehalten, vorgefunden worden sei. Es liege somit der Tatbestand des Lagerns und Vorrätighaltens zum Zwecke des Verkaufs bzw. Inverkehrbringens vor, obwohl für dieses Präparat keine gültige Zulassung mehr bestanden habe.
Das am 19.03.2012 vorläufig beschlagnahmte Pflanzenschutzmittel wurde gemeinsam mit weiteren vorläufig beschlagnahmten Pflanzenschutzmitteln vom Kontrollorgan des Bundesamtes, zumindest je Gebinde mit Etiketten gekennzeichnet, in insgesamt drei Schachteln verpackt und mit einem Klebesiegelband verschlossen. Jede Schachtel wurde auch mit einer Klebeetikette (vom Bundesamt für Ernährungssicherheit als Siegel bezeichnet) mit der Aufschrift Bundesamt für Ernährungssicherheit, Datum und einer PMK-Nummer gekennzeichnet. Eine Bescheinigung gemäß § 10 Abs 5 Pflanzenschutzmittelgesetz wurde dem bisherigen Verfügungsberechtigten ausgehändigt.
H Me, Prokurist der F M GmbH und vor Ort im Geschäftsbetrieb tätig und mit diesem vertraut, verbrachte die vorläufig beschlagnahmte Ware in unveränderter Form in das im 1. Stock des Unternehmens gelegene Besprechungszimmer und deponierte die Schachteln hinter einem Werbetransparent. In diesem Raum fanden nur mit Mitarbeitern vereinbarte Besprechungen statt und war darin auch Büromaterial für den Eigenbedarf gelagert, keinesfalls jedoch wurden dort Pflanzenschutzmittel, ausgenommen die Schachteln mit den vorläufig beschlagnahmten Produkten, gelagert. Im 1. Stock befinden sich neben diesem Besprechungszimmer das Büro des Chefs und jenes der Sekretärin. H Me wurde bei der vorläufigen Beschlagnahme am 19.03.2012 vom Kontrollorgan eindringlich ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass die Kartons nicht geöffnet werden und nichts entnommen wird (Aussage H Me im Verfahren zu GZ: UVS 41.19-11-15/2012, Verhandlungsschrift 03.12.2012). Me wartete auf eine Mitteilung von der Behörde, dass er die vorläufig beschlagnahmten Produkte entsorgen dürfe. Die Entsorgung sollte entweder durch Rückgabe an den Lieferanten oder sonst fachgerecht erfolgen.
F Ge M und die F M GmbH haben gegen den Beschlagnahmebescheid das Rechtsmittel der Berufung erhoben und wurden diese Berufungen mit Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 09.07.2012, GZ: UVS 41.19-6/2012-6, als unzulässig zurückgewiesen, mit der Begründung, dass der Bescheid an eine rechtlich nicht existente juristische Person ergangen. Die Berufungen haben sich daher gegen einen nicht erlassenen Bescheid gerichtet und waren, ohne in die Sache einzugehen, als unzulässig zurückzuweisen. Dieser Bescheid wurde den Berufungswerbern und der mitbeteiligten Partei, dem Bundesamt für Ernährungssicherheit am 16.07.2012 zugestellt.
II. Ing. K S-Mah, Kontrollorgan des Bundesamtes für Ernährungssicherheit erhielt in der Folge vom Institut für Pflanzenschutzmittel den Auftrag, die bereits ein Mal beschlagnahmte Ware, zur Sicherstellung nochmals vorläufig zu beschlagnahmen. Ing. S-Mah kam am 14.08.2012 vor Ort, meldete bei Herrn H Me die Kontrolle an und sagte ihm, dass er gekommen sei, um die bereits beschlagnahmte Ware zur Sicherstellung nochmals zu beschlagnahmen. H Me begleitete das Kontrollorgan in den 1. Stock, in das Besprechungszimmer, wo nach wie vor die Kartons mit der beschlagnahmten Ware, unverändert mit Klebesiegelband und Etikette des Bundesamtes für Ernährungssicherheit hinter dem Werbetransparent abgestellt war. Herr H Me begab sich dann wieder in die im Erdgeschoss liegenden Räumlichkeiten und hat Ing. S-Mah alleine die Produkte neuerlich vorläufig beschlagnahmt, in dem er die Kartons hervorholte, diese öffnete, Siegel herunternahm, die einzelnen Produkte fotografierte, wieder zurück in die Kartons gab, diese verschloss und wiederum versiegelte. Während dieses Vorgehens hat das Kontrollorgan auch eine Konformitätsüberprüfung, EDV-gestützt durchgeführt und telefonisch Kontakt mit dem Institut für Ernährungssicherheit aufgenommen (Aussage Ing. S-Mah in der Verhandlung 03.12.2012 zu GZ: UVS 41.19-11-15/2012). Ing. S-Mah hat für die vorläufig beschlagnahmten Produkte, so auch für das verfahrensgegenständliche Pflanzenschutzmittel Arbin Bescheinigungen gemäß § 10 Abs 5 Pflanzenschutzmittelgesetz und Protokolle über die Betriebskontrolle und den Verlauf der Amtshandlung verfasst, diese ausgedruckt und Herrn H Me zur Unterschrift vorgelegt. Diese wurde von H Me, ohne dass er sich diese Unterlagen im Detail durchgesehen hätte, unterfertigt (Aussage H Me im Verfahren zu GZ: UVS 41.19-11-15/2012, der Verhandlungsschrift 03.12.2012). H Me wurde vom Kontrollorgan auch darauf hingewiesen, dass er die Kartons nicht öffnen dürfe, da dies einen Siegelbruch darstellen würde. S-Mah hat die Produkte, ohne sich mit dem Thema des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmittel auseinanderzusetzen, lediglich aufgrund des ihn erteilten Auftrages neuerlich vorläufig beschlagnahmt (Aussage Ing. K S-Mah im Verfahren UVS 41.19-11-15/2012, Verhandlungsschrift 03.12.2012).
III. In der Folge erließ der Bezirkshauptmann von Graz-Umgebung den nunmehr bekämpften Bescheid, mit dem der Bezirkshauptmann von Graz-Umgebung das am 14.08.2012 im Unternehmen der F M GmbH in W We St, von einem Kontrollorgan des Bundesamtes für Ernährungssicherheit vorläufig beschlagnahmte Pflanzenschutzmittel mit der Handelsbezeichnung Arbin, Registernummer 900129, Chargennummer 090510490, in der Menge 13 x 500 ml, gemäß § 10 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 beschlagnahmte. Begründend wurde ausgeführt, dass anlässlich einer am 14.08.2012 im Betrieb der F M GmbH durchgeführten Kontrolle, 13 x 500 ml des Pflanzenschutzmittels Arbin, Pflanzenschutzmittelregister Nr.900129 im Büro des gegenständlichen Betriebes in Verkehr gebracht vorgefunden worden sei. Mit Inkrafttreten des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 mit 14.06.2011 sei das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 außer Kraft getreten. Die Meldung des gegenständlichen Produktes gemäß § 3 Abs 4 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 in der vor dem 14.06.2011 geltenden Fassung sei mit 14.12.2010 aufgehoben worden. Damit sei die Voraussetzung für eine gewerbsmäßige Inverkehrbringung in Österreich beendet. Es handle sich somit um ein gemäß § 3 Abs 1 PMG 2011 idgF nicht zugelassenes Pflanzenschutzmittel und sei dieses daher vorläufig beschlagnahmt worden. Mit Schreiben vom 03.04.2012 habe die AGES Anzeige wegen Inverkehrbringung des nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels erstattet.
IV. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Graz-Umgebung vom 11.06.2012, GZ: BHGU-15.1-9904/2012, wurde Herr F Ge M, wegen Übertretungen des § 3 Abs 1 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 iVm Art. 3 Abs 9 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bestraft, da er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der F M GmbH dafür verantwortlich sei, dass am 19.03.2012, 13 x 0,5 Liter des Pflanzenschutzmittels Arbin durch Lagern und Vorrätighalten zum Verkauf in Verkehr gebracht worden sei. Dieses Pflanzenschutzmittel sei im Pflanzenschutzmittel-Präsentationsregal im Kundenbereich des gegenständlichen Betriebes gemeinsam mit verkehrsfähigen Produkten lagernd vorgefunden worden. Die Zulassung dieses Pflanzenschutzmittels sei in Österreich, unter Pflanzenschutzmittelregisternummer 900129 mit 31.12.2003 aufgehoben worden. Es habe sich daher beim angeführten Produkt um ein in Österreich nicht zugelassenes Pflanzenschutzmittel gehandelt.
Die dagegen erhobenen Berufungen der F M GmbH und des Herrn F Ge M wurden mit Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 11.10.2012, GZ: 30.19-81/2012-16, dem Grunde und der Höhe nach abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung:
§ 3 Abs 1 und Abs 2 PMG:
(1) Pflanzenschutzmittel und Zusatzstoffe dürfen nur dann zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere gelagert oder vorrätig gehalten oder auf sonstige Weise in Verkehr gebracht oder beworben werden, wenn den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der darauf beruhenden Verordnungen und den Rechtsvorschriften der Europäischen Union entsprochen wird.
(2) Pflanzenschutzmittel,
1.
auf die nachweislich die Voraussetzungen des Art. 28 Abs 2 Buchstaben c und d der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zutreffen oder
2.
die nachweislich zur Entsorgung oder Rückgabe an den Abgeber gelagert werden, sind unverzüglich so zu kennzeichnen, dass eindeutig der vorgesehene Bestimmungszweck daraus hervorgeht. Die Nachweise sind durch Dokumentation der maßgeblichen Unterlagen, insbesondere hinsichtlich der Herkunft und der Bestimmung der Pflanzenschutzmittel, zu erbringen.
§ 10 Abs 1 - Abs 6 PMG:
(1) Die Aufsichtsorgane haben Gegenstände vorläufig zu beschlagnahmen, wenn den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht entsprochen wird oder einer behördlichen Maßnahme zur Mängelbehebung gemäß § 9 nicht oder nicht innerhalb der gesetzten Frist Folge geleistet wurde.
(2) Die Aufsichtsorgane haben die vorläufige Beschlagnahme der Bezirksverwaltungsbehörde unverzüglich anzuzeigen.
(3) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat binnen fünf Wochen nach der Durchführung der vorläufigen Beschlagnahme und bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs 1 die Beschlagnahme mit Bescheid anzuordnen. Andernfalls tritt die vorläufige Beschlagnahme außer Kraft. Gegen den Beschlagnahmebescheid der Bezirksverwaltungsbehörde steht den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Bezirksverwaltungsbehörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.
(4) Das Verfügungsrecht über die vorläufig beschlagnahmten Gegenstände steht zunächst dem Bundesamt für Ernährungssicherheit zu, ab Erlassung eines Beschlagnahmebescheides der Bezirksverwaltungsbehörde, die den Beschlagnahmebescheid erlassen hat.
(5) Über die vorläufige Beschlagnahme hat das Aufsichtsorgan und über die Beschlagnahme die Bezirksverwaltungsbehörde dem bisher Verfügungsberechtigten eine Bescheinigung auszuhändigen, in welcher der Ort der Lagerung sowie die Art und die Menge der beschlagnahmten Gegenstände anzugeben sind.
(6) Die vorläufig beschlagnahmten oder die beschlagnahmten Gegenstände sind im Betrieb zu belassen. Dies gilt nicht, wenn die sachgerechte Aufbewahrung nicht gewährleistet ist oder bei Belassung der Gegenstände ein Missbrauch zu befürchten ist. Belassene Gegenstände sind tunlichst so zu verschließen oder zu kennzeichnen, dass ihre Veränderung ohne Verletzung der Verpackungen oder der Kennzeichnung nicht möglich ist. Der über die Gegenstände bisher Verfügungsberechtigte ist vom Aufsichtsorgan oder von der Bezirksverwaltungsbehörde schriftlich auf die strafgerichtlichen Folgen der Verbringung oder Veränderung der beschlagnahmten Gegenstände sowie der Verletzung des Dienstsiegels aufmerksam zu machen.
Art. 3 Z 9 der Verordnung (EG) 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates:
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
Inverkehrbringen, das Bereithalten zum Zwecke des Verkaufs, innerhalb der Gemeinschaft, einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, unabhängig davon, ob entgeltlich oder unentgeltlich sowie Verkauf, Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst, jedoch nicht die Rückgabe an den früheren Verkäufer. Die Überführung in den freien Verkehr des Gebietes der Gemeinschaft ist ein Inverkehrbringen im Sinne dieser Verordnung.
Die am 19.03.2012 ausgesprochene vorläufige Beschlagnahme ist gem. § 10 Abs 3 PMG am 23.04.2012 außer Kraft getreten. Mit diesem Zeitpunkt ist die Verfügungsgewalt der vorläufig beschlagnahmten Produkte wieder auf die F M GmbH übergegangen. Zu diesem Zeitpunkt war das Verwaltungsstrafverfahren wegen des Inverkehrbringens des Pflanzenschutzmittels Arbin entgegen § 3 Abs 1 PMG i.V.m. Art. 3 Abs 9 Verordnung (EG) 1107/2009, (noch) in erster Instanz anhängig. Zu Zwecken der Beweissicherung im Verwaltungsstrafverfahren, wie in der Berufungsschrift ausgeführt, und im Hinblick auf das Warten einer Anordnung durch die Behörde, wie mit den vorläufig beschlagnahmten Produkten vorzugehen ist, wurden diese Produkte seit dem Zeitpunkt der vorläufigen Beschlagnahme vom 19.03.2012 in versiegelter Form, d. h. in Art und Weise der vorläufigen Beschlagnahme unverändert, außerhalb des Verkaufsraumes und Lagerraumes für zum Verkauf vorgesehene Produkte, im 1. Stock des Unternehmens, in einem Besprechungszimmer abgestellt. Die Produkte wurden zum Zeitpunkt der neuerlichen vorläufigen Beschlagnahme am 14.08.2012 daher nach wie vor nach außen hin als beschlagnahmte Produkte erkennbar - durch Klebesiegelband und Etikette - gelagert und waren nicht zum Verkauf oder sonstigen Weitergabe im Sinne des zitierten Art. 3 Z 9 Verordnung (EG) 1107/2009 vorgesehen. Da das Pflanzenschutzmittel Arbin zum Zwecke der Beweissicherung in dem, zum Zeitpunkt der vorläufigen Beschlagnahme am 14.08.2012 gelagert wurde, mangelt es an dem für die Erfüllung des Tatbestandes des Inverkehrbringens erforderlichen Zweckes, weshalb das Pflanzenschutzmittel Arbin auch nicht (neuerlich) vorläufig beschlagnahmt werden durfte.
Aus diesem Grunde war der Bescheid zu beheben.