TE Vfgh Erkenntnis 2013/3/1 WI-5/12

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Veröffentlicht am 01.03.2013
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Index

50 GEWERBERECHT
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
VfGG §68 Abs1, §70 Abs1
WirtschaftskammerG 1998 §88 Abs5

Leitsatz

Stattgabe der Wahlanfechtung und Aufhebung der Urwahl in einen Fachgruppenausschuss der Wirtschaftskammer Wien infolge rechtswidriger Streichung einer Bewerberin vom Wahlvorschlag der Anfechtungswerberin wegen Doppelkandidatur ohne Durchführung des für den Fall von Mehrfachkandidaturen vorgesehenen Verfahrens

Spruch

              I. Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.

              II. Die Urwahl in den Ausschuss der Fachgruppe 308A - Landesgremium Wien des Einzelhandels mit Mode und Freizeitartikeln der Wirtschaftskammer Wien vom 27. Februar bis 2. März 2010 wird ab dem Zeitpunkt des Verstreichens der Frist für die Einbringung von Wahlvorschlägen aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

              I. Sachverhalt, Anfechtungsvorbringen und Vorverfahren

              1. Wahlverfahren

              1.1. Vom 27. Februar bis 2. März 2010 fanden die Urwahlen in die Ausschüsse der Fachgruppen der Wirtschaftskammer Wien, darunter die Fachgruppe 308A -Landesgremium Wien des Einzelhandels mit Mode und Freizeitartikeln der Wirtschaftskammer Wien, statt. Am 12. März 2010 wurden die Wahlergebnisse in der Zeitung "Wiener Wirtschaft" als Veröffentlichungsorgan der Wirtschaftskammer Wien verlautbart.

              1.2. Die Wählergruppe "FPÖ pro Mittelstand - Freiheitliche und Unabhängige" (in der Folge: FPÖ pro Mittelstand) erstattete am 15. Jänner 2010 einen Wahlvorschlag, auf dem die Bewerber Gabriele B., Karl S. und Lothar F. aufschienen. Dem Wahlvorschlag beigeschlossen war u. a. eine mit 20. Oktober 2009 datierte "Zustimmungs- und Unterstützungserklärung" der Gabriele B., die u.a. folgende Erklärung enthielt:

              "Gemäß §88 Abs3 WKG und §11 Abs4 WKWO gebe ich mit meiner eigenhändigen Unterschrift die Zustimmung zur Aufnahme in die Bewerberliste der oben bezeichneten Wählergruppe für die Wahl des Ausschusses der genannten Fachorganisation/Spartenvertretung/ Spartenkonferenz. Ich erkläre, die Bedingungen der §§73 Abs6-8 und 85 Abs3-5 WKG zu erfüllen und im Falle meiner Wahl das Mandat anzunehmen. Weiters lege ich das Gelöbnis gem. §22 Abs7 GO ab.

Gleichzeitig unterstütze ich diesen Wahlvorschlag, auf dem ich [...] kandi[d]iere. Gleichzeitig widerrufe ich alle bisher erteilten Zustimmungs- und Unterstützungserklärungen."

              (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen und Fußnoten)

              Am selben Tag erstattete auch die Wählergruppe "Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER WIRTSCHAFTSTREIBENDER" (in der Folge: RFW) einen Wahlvorschlag, auf dem neben weiteren Bewerbern auch Gabriele B. als Bewerberin aufschien. Dem Wahlvorschlag beigeschlossen war u.a. eine mit 18. März 2009 datierte "Zustimmungs- und Unterstützungserklärung" der Gabriele B., die u.a. folgende Erklärung enthielt:

              "Gemäß §88 Abs3 Z2 WKG gebe ich mit meiner

eigenhändigen Unterschrift die Zustimmung zur Aufnahme in die Bewerberliste der Wählergruppe für die Wahl des Ausschusses der genannten Fachgruppe/Fachvertretung. Ich erkläre, die Bedingungen der §§73 Abs3-8 und 85 Abs3 und 4 WKG zu erfüllen und im Falle meiner Wahl das Mandat anzunehmen. Gleichzeitig unterstütze ich gemäß §88 Abs3 Z1 WKG den Wahlvorschlag, auf dem ich kandidiere."

              (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen und Fußnoten)

              Am 12. Jänner 2010 - also noch vor Einbringung der Wahlvorschläge - langte bei der Hauptwahlkommission der Wirtschaftskammer Wien (in der Folge: Hauptwahlkommission) ein mit 8. Jänner 2010 datiertes Schreiben der Gabriele B. ein, in dem diese "nochmals" erklärte, dass sie sich entschlossen habe, bei der Wirtschaftskammerwahl 2010 für die Liste RFW zu kandidieren und allfällige andere Zustimmungserklärungen ungültig seien.

              1.3. In der Folge teilte die Hauptwahlkommission dem Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand mit Schreiben vom 16. Jänner 2010 mit, dass deren Wahlvorschlag Mängel aufweise: Gabriele B. sei wegen Doppelkandidatur zu streichen gewesen.

              1.4. Am 12. Februar 2010 wurden in der Zeitung

"Wiener Wirtschaft" die "eingereichten gültigen Wahlvorschläge" verlautbart, wobei für die vorliegende Fachgruppe folgende Listen genannt wurden: Liste 1: Der Wiener Mode- und Freizeiteinzelhandel - ÖSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND; Liste 2: Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (SWV) Liste 2 - Schinner; Liste 3:

Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER GEWERBLICHEN

WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER WIRTSCHAFTSTREIBENDER;

Liste 4: GRÜNE WIRTSCHAFT (GRÜNE); Liste 5: "FPÖ pro Mittelstand" - Freiheitliche und Unabhängige. Die Bewerberin Gabriele B. schien dabei auf dem Wahlvorschlag des RFW, nicht aber auf jenem der FPÖ pro Mittelstand auf.

              1.5. Nach Durchführung der Wahl vom 27. Februar bis 2. März 2010 wurde das Wahlergebnis von der Hauptwahlkommission am 12. März 2010 in der Zeitung "Wiener Wirtschaft" verlautbart, wobei auf die Liste 1: Der Wiener Mode- und Freizeiteinzelhandel - ÖSTERREICHISCHER

WIRTSCHAFTSBUND 17 Mandate, auf die Liste 2:

Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (SWV) Liste 2 -

Schinner elf Mandate, auf die Liste 3: Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER WIRTSCHAFTSTREIBENDER ein Mandat, auf die Liste 4: GRÜNE WIRTSCHAFT (GRÜNE) zwei Mandate und auf die Liste 5: "FPÖ pro Mittelstand" - Freiheitliche und Unabhängige ein Mandat entfielen.

              2. Verfahren vor den Wahlbehörden

              2.1. Das am 12. März 2010 verlautbarte Ergebnis der Wahl in den Ausschuss der vorliegenden Fachgruppe sowie dessen Ermittlung wurden vom Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand mit Einspruch gemäß §98 Wirtschaftskammergesetz (in der Folge: WKG) bekämpft. Mit Bescheid der Hauptwahlkommission der Wirtschaftskammer Wien vom 2. September 2010 wurde der Einspruch der Wählergruppe abgewiesen.

              2.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand durch ihren Zustellungsbevollmächtigten Beschwerde gemäß §98 Abs4 WKG. Das Verfahren über diese Beschwerde wurde mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 5. September 2011 auf Grund bei der Staatsanwaltschaft Wien laufender Ermittlungen wegen behaupteten Wahlkartenbetruges ausgesetzt. In der Folge wurden mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 17. Juli 2012 der Aussetzungsbescheid aufgehoben, die Anträge auf Einsicht in die Wahlkartenakte sowie die Abstimmungsverzeichnisse und Stimmzettel gemäß §19 Wirtschaftskammer-Wahlordnung (in der Folge: WKWO) zurückgewiesen und die Anträge auf Aufhebung des Bescheides der Hauptwahlkommission sowie auf Ungültigerklärung der Wirtschaftskammerwahl 2010 in Wien in der vorliegenden Fachgruppe und auf Neuausschreibung dieser Wahl gemäß §98 WKG abgewiesen.

              Begründend wurde im Hinblick auf die Streichung der Bewerberin Gabriele B. vom Wahlvorschlag der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand ausgeführt, dass eine Aufforderung gemäß §88 Abs5 WKG nicht notwendig gewesen sei, weil sich die Bewerberin schon zuvor eindeutig geäußert habe, auf welcher der beiden Listen sie kandidieren wollte, und zwar durch die am 12. Jänner 2010 bei der Hauptwahlkommission eingelangte Zustimmungs- und Unterstützungserklärung vom 8. Jänner 2010.

              3. Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof

              3.1. Mit ihrer Wahlanfechtung ficht die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand als Anfechtungswerberin im verfassungsgerichtlichen Verfahren durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter gemäß Art141 B-VG der Sache nach die Urwahl in den Ausschuss der Fachgruppe 308A - Landesgremium Wien des Einzelhandels mit Mode und Freizeitartikeln der Wirtschaftskammer Wien vom 27. Februar 2010 bis 2. März 2010 an und beantragt, die Wahl für nichtig zu erklären und als rechtswidrig aufzuheben.

              Begründend wird u.a. vorgebracht, dass die Wahlbehörde es rechtswidrig unterlassen habe, das im Falle von Doppelkandidaturen verpflichtende Verfahren des §88 Abs5 WKG einzuhalten. Die von der Hauptwahlkommission gewählte Vorgangsweise, ihre Entscheidung über die Streichung bzw. das Belassen eines Bewerbers auf einer Liste danach zu richten, zu welchem Datum dieser Bewerber Zustimmungserklärungen bzw. Widerrufserklärungen gegenüber einer der Wählergruppen abgegeben habe, finde keine gesetzliche Deckung. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Rechtswidrigkeit nach Lage des konkreten Falles auf das Wahlergebnis zumindest von Einfluss sein konnte.

              3.2. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er beantragt, "die Beschwerde als unbegründet abzuweisen". Begründend wird - in Bezug auch auf weitere beim Verfassungsgerichtshof anhängige Anfechtungen von Urwahlen in die Ausschüsse von Fachgruppen der Wirtschaftskammer Wien - u.a. ausgeführt, dass die Hauptwahlkommission davon ausgegangen sei, dass bei den in Rede stehenden Doppelkandidaturen keine Fälle des §88 Abs5 WKG vorgelegen seien, weil die Wahlwerber zwar auf mehreren Listen aufgeschienen seien, aber unmittelbar vor der Wahl schriftlich erklärt hätten, für die Liste RFW kandidieren zu wollen (und ihre Zustimmungs- und Unterstützungserklärungen für andere Listen zurückzuziehen). Diese Schreiben seien als ausdrückliche Willenserklärungen zu qualifizieren, die man gemäß §88 Abs5 WKG hätte einfordern müssen, sodass es eines solchen Verfahrens nicht mehr bedurft hätte. Das Mängelbehebungsverfahren des §88 Abs5 WKG sei nur bei unklaren Situationen durchzuführen, nicht aber dann, wenn der Wahlwerber in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang vor der Wahl bekanntgegeben habe, für welche Liste er zu kandidieren beabsichtige.

              II. Rechtslage

              1. §§85, 88, 89 und 98 WKG, BGBl. I 103/1998 in der zum Zeitpunkt der Kundmachung des Wahlergebnisses geltenden Fassung BGBl. I 78/2006, lauten:

"Aktives und passives Wahlrecht

              §85. (1) Das aktive Wahlrecht richtet sich nach den Bestimmungen des §73 Abs3 bis 5. Voraussetzung für die Zulassung zur Wahlhandlung ist die Eintragung in die Wählerliste der zuständigen Fachgruppe oder Fachvertretung.

              (2) Juristische Personen und sonstige Rechtsträger haben zur Ausübung des aktiven Wahlrechtes einen Gesellschafter, ein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied, einen Geschäftsführer oder Prokuristen zu bevollmächtigen. Eine entsprechende Vollmacht ist vorzulegen. Für öffentliche Unternehmungen ist der von dem zuständigen Organ mit der Ausübung des Wahlrechtes betraute und hierüber durch eine schriftliche Erklärung ausgewiesene Vertreter wahlberechtigt.

              (3) Wählbar in die Organe der Kammern und der Fachorganisationen sind die gemäß §73 Abs6 bis 8 passiv wahlberechtigten Personen.

              (4) Bei juristischen Personen und sonstigen Rechtsträgern ist das passive Wahlrecht nicht an die Person gebunden, durch die das aktive Wahlrecht ausgeübt wird. Wählbar ist auch jeder andere Gesellschafter, jedes andere Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied und jeder andere Geschäftsführer oder Prokurist der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers, sofern diese juristische Person oder der sonstige Rechtsträger für den Betreffenden eine firmenmäßig gezeichnete Einverständniserklärung ausstellt und auch dieser die Voraussetzungen für die Wählbarkeit erbringt. Die Einverständniserklärung ist unwiderruflich. Sie erlischt jedoch bei Ausscheiden des Mandatars (Bewerbers) aus der betreffenden juristischen Person oder dem sonstigen Rechtsträger.

              (5) Innerhalb einer Fachgruppe oder Fachvertretung hat jeder Wahlberechtigte nur eine Stimme und ist nur einmal wählbar.

              (6) Stichtag für die Wahlen und Besetzungen ist der Tag der Wahlausschreibung. Nach ihm bestimmen sich die Voraussetzungen des aktiven und passiven Wahlrechtes.

              [...]

Wahlvorschläge

              §88. (1) Wählergruppen, die sich an der Wahl

beteiligen wollen, haben ihre Wahlvorschläge auf Grund der Inhalte der Wahlkundmachung für die jeweiligen Fachgruppen und Fachvertretungen der Hauptwahlkommission schriftlich vorzulegen. Die Wahlvorschläge müssen bis spätestens sechs Wochen vor dem ersten möglichen Wahltag bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Die Hauptwahlkommission hat den Empfang des Wahlvorschlages unter Angabe des Tages und der Zeit seines Einlangens zu bestätigen.

              (2) Die Wahlvorschläge müssen mindestens einen Bewerber, dürfen aber höchstens doppelt so viele Bewerber, wie Mandate zu vergeben sind, aufweisen. Der jeweilige Bewerber muss für die betreffende Fachorganisation wählbar sein.

              (3) Dem Wahlvorschlag sind anzuschließen:

              1. Die Unterstützungserklärungen der Wahlberechtigten mit der Beifügung des Standortes der Berechtigung.

              2. Die Zustimmung des Bewerbers zu seiner Aufnahme in den Wahlvorschlag (Zustimmungserklärung).

              3. Die Erklärung der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers gemäß §85 Abs4 (Einverständniserklärung). Die Unterstützungserklärung und die Zustimmungserklärung sind vom Unterstützer (Bewerber) zu unterfertigen, die Einverständniserklärung ist firmenmäßig zu zeichnen.

              (4) Jeder Wahlvorschlag hat eine von bereits eingereichten oder gemäß §89 Abs5 von der Hauptwahlkommission der Bundeskammer zu reihenden Wahlvorschlägen eindeutig unterscheidbare Bezeichnung zu führen. Fehlt eine solche Bezeichnung, so ist der Wahlvorschlag nach dem Listenführer, das ist der an erster Stelle vorgeschlagene Bewerber, zu benennen.

              (5) Innerhalb einer Fachgruppe oder Fachvertretung kann jeder Wahlwerber nur im Wahlvorschlag einer Wählergruppe aufscheinen. Wenn er auch im Wahlvorschlag einer anderen Wählergruppe enthalten ist, ist er von der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission aufzufordern, binnen drei Tagen nach Zustellung der Aufforderung zu erklären, für welchen der Wahlvorschläge er sich entscheidet. Von allen anderen Wahlvorschlägen ist er zu streichen. Die Erklärung muss bis spätestens zum Ablauf des dritten Tages nach der Zustellung bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Wenn er sich nicht oder nicht rechtzeitig erklärt, ist er von allen Wahlvorschlägen zu streichen.

              (6) Bereits eingereichte gültige Wahlvorschläge

bleiben gültig, auch wenn nachträglich eine Verminderung der im Wahlvorschlag bezeichneten Bewerber oder Unterstützer eintritt.

Prüfung, Abänderung und Verlautbarung der Wahlvorschläge

              §89. (1) Die Hauptwahlkommission hat die innerhalb der Einreichungsfrist eingereichten Wahlvorschläge zu prüfen und vorhandene Mängel innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Einreichfrist dem Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe mitzuteilen. Zur Behebung der Mängel ist eine Frist von einer Woche zu setzen. Änderungen im Wahlvorschlag oder dessen Zurückziehung sind spätestens bis zum Ablauf des 36. Tages vor dem ersten möglichen Wahltag der Hauptwahlkommission schriftlich anzuzeigen. Änderungen im Wahlvorschlag durch Neuaufnahme von Wahlwerbern und die Zurückziehung des Wahlvorschlages müssen von mehr als der Hälfte der Unterstützer gefertigt sein.

              (2) Wahlvorschläge, die verspätet eingereicht wurden, sowie Wahlvorschläge, die nicht die erforderliche Mindestzahl von Unterschriften von Unterstützern und nicht mindestens einen wählbaren Wahlwerber aufweisen, sind nicht zuzulassen.

              (3) Wird kein Wahlvorschlag eingereicht oder können sämtliche eingereichte Wahlvorschläge wegen Mangelhaftigkeit nicht zugelassen werden, so hat die Hauptwahlkommission über eine neuerliche Wahlausschreibung zu entscheiden.

              (4) Wird nur ein gültiger Wahlvorschlag eingebracht, hat die Hauptwahlkommission von der Fortsetzung des Wahlverfahrens abzusehen, diese Tatsache zu verlautbaren und die Wahlwerber des Wahlvorschlages mit dem Wahltag als gewählt zu erklären.

              (5) Die eingereichten gültigen Wahlvorschläge sind von der Hauptwahlkommission in der von ihr festgestellten Reihenfolge mit fortlaufender Nummerierung der Wahlwerber zu verlautbaren. Die Reihenfolge, in der die Wahlvorschläge zu verlautbaren sind, richtet sich bei jenen Wählergruppen, die im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer vertreten sind, nach der Zahl der Mandate, die die Wählergruppe, in deren Nachfolge eine Wählergruppe nunmehr auftritt, bei den letzten Urwahlen im Bereich aller Landeskammern erreicht hat. Die Reihenfolge dieser Wahlvorschläge ist von der Hauptwahlkommission der Bundeskammer für alle Landeskammern verbindlich festzulegen. Die übrigen Wahlvorschläge sind danach entsprechend dem Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission anzuführen.

              (6) [Anm.: aufgehoben durch BGBl. I 78/2006]

              (7) Die Verlautbarung der Wahlvorschläge muss

spätestens eine Woche vor dem ersten möglichen Wahltag erfolgen, wobei der Tag der Verlautbarung in der Wahlkundmachung anzuführen ist. Die Wahlvorschläge müssen außerdem während dreier Tage vor dem ersten Wahltag an den in der Wahlkundmachung bezeichneten Stellen zur Einsichtnahme aufliegen.

              [...]

Einspruch gegen die Ermittlung und das Wahlergebnis

              §98. (1) Der Zustellungsbevollmächtigte einer betroffenen Wählergruppe kann nach Verlautbarung des endgültigen Wahlergebnisses gegen dessen Ermittlung schriftlich Einspruch bei der Hauptwahlkommission erheben. Der Einspruch muss für jede Fachgruppe oder Fachvertretung gesondert eingebracht werden und muss binnen einer Woche bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Der Einspruch hat eine Begründung zu enthalten. Der Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung.

              (2) Die Hauptwahlkommission hat auf Grund der Aktenlage das Wahlergebnis zu überprüfen und allfällige Unrichtigkeiten sofort richtig zu stellen. Gegebenenfalls ist die Verlautbarung für nichtig zu erklären und das richtige Ergebnis zu verlautbaren.

              (3) Wurden wesentliche Bestimmungen über das Wahlverfahren verletzt, bei deren Beachtung das Wahlergebnis voraussichtlich ein anderes gewesen wäre, hat die Hauptwahlkommission die Wahl für ungültig zu erklären und eine neue Wahl auszuschreiben. Die Entscheidung der Hauptwahlkommission ist allen betroffenen Wählergruppen mitzuteilen.

              (4) Gegen die Abweisung des Einspruchs steht binnen einer Woche nach Zustellung der Entscheidung der Hauptwahlkommission die Beschwerde an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit offen, die bei der Hauptwahlkommission einzubringen ist. Ebenso steht die Beschwerde gegen eine stattgebende Entscheidung der Hauptwahlkommission jenen Wählergruppen zu, die keinen Einspruch erhoben haben.

              (5) Wenn der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Wahlhandlung für ungültig erklärt, hat er gleichzeitig anzuordnen, welche Teile der Wahlhandlung bei der unverzüglich auszuschreibenden Neuwahl vorzunehmen sind.

              (6) Die Bestimmung des §76 Abs2 gilt sinngemäß."

              2. §§11 und 12 WKWO, Beschluss des Wirtschaftsparlamentes vom 26.6.2003, 27.11.2008, lauten:

"Zu §88

              §11. (1) Jeder Wahlvorschlag hat die im §88 WKG vorgesehenen Inhalte aufzuweisen und überdies für jeden Bewerber zu enthalten:

              1. Zu- und Vorname,

              2. das Geburtsdatum,

              3. den Namen (die Firma) und die Anschrift des Unternehmens und

              4. die Mitgliedsnummer des Bewerbers oder des Unternehmens, das der Bewerber vertritt.

              (2) Sofern ein eigener Zustellungsbevollmächtigter auf einem Wahlvorschlag namhaft gemacht wird, ist dessen Name und seine Zustelladresse anzugeben.

              (3) Die Unterstützungserklärung gemäß §88 Abs3 Z1 WKG hat überdies zu enthalten:

              1. den Namen des Unterstützers in Klarschrift und

              2. die Mitgliedsnummer.

              (4) Die Zustimmungserklärung gemäß §88 Abs3 Z2 hat überdies zu enthalten:

              1. den Namen des Bewerbers in Klarschrift und

              2. die Mitgliedsnummer.

              Die Zustimmungserklärung kann auch das Gelöbnis im Sinne des §22 Abs5 und 7 der Geschäftsordnung der Bundeskammer enthalten.

              (5) Die Einverständniserklärung gemäß §88 Abs3 Z3 hat überdies zu enthalten:

              1. den Namen des Bewerbers in Klarschrift,

              2. die Mitgliedsnummer,

              3. den Firmenwortlaut der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers und

              4. die Bezeichnung der Funktion des Bewerbers im Sinne des §85 Abs4 WKG in der betreffenden juristischen Person oder dem sonstigen Rechtsträger.

              (6) Unterstützungs-, Zustimmungs- und Einverständniserklärungen haben außerdem die Erklärung zu enthalten, für welchen Wahlvorschlag sie gelten.

              (7) Wahlvorschläge müssen innerhalb des von der Hauptwahlkommission in der Wahlkundmachung festgesetzten Zeitraumes bei dieser einlangen, widrigenfalls sie nicht zu berücksichtigen sind.

              (8) Die Unterstützungs- und Zustimmungserklärungen sowie die Einverständniserklärungen sind dem Wahlvorschlag beizuschließen.

              (9) Scheidet der auf dem Wahlvorschlag angeführte Listenführer aus, tritt an seine Stelle der nächstgereihte Bewerber. Ist durch das Ausscheiden aller Bewerber die Liste erschöpft, so gehen die Rechte des Listenführers auf neu nominierte Bewerber in der Reihenfolge der Nominierung über.

              (10) Nach dem Ablauf der Einreichfrist erfolgende Zurückziehungen von Zustimmungs- oder Unterstützungserklärungen berühren weder die Gültigkeit noch den Inhalt von Wahlvorschlägen; sie sind von der Hauptwahlkommission unbeachtet zu lassen, doch bleibt davon die Möglichkeit der Änderung oder Zurückziehung der Wahlvorschläge gemäß §89 Abs1 WKG unberührt.

Zu §89

              §12. (1) Die von den Wählergruppen gemäß §89 Abs1 WKG durchgeführten Mängelbehebungen müssen bis spätestens zu dem in der Wahlkundmachung festgesetzten Zeitpunkt bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein.

              (2) Wahlwerber, denen die Wählbarkeit fehlt, sind von der Hauptwahlkommission aus dem Wahlvorschlag zu streichen.

              (3) Anlässlich der Mängelbehebung gemäß §89 WKG ist sicherzustellen, dass der Wahlvorschlag jedenfalls einen wählbaren Bewerber und die erforderliche Anzahl von gültigen Unterstützungserklärungen aufweist.

              (4) Für die Berechnung der Anzahl an Mandaten, die einer Wählergruppe für die Reihung der Wahlvorschläge gemäß §89 Abs5 WKG zuzurechnen sind, hat die Hauptwahlkommission der Bundeskammer die Zustellungsbevollmächtigten der im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer vertretenen Wählergruppen aufzufordern, eine nach Landeskammern und Sparten gegliederte Aufstellung der ihrer Wählergruppe zuzurechnenden Delegierten zu den Wirtschaftsparlamenten der Landeskammern bekanntzugeben; dabei kann bei gemeinsamen Wahlvorschlägen von den Zustellungsbevollmächtigten eine Aufteilung der Mandate gemäß §6 vorgenommen werden.

              (5) Kommt der Zustellungsbevollmächtigte einer Wählergruppe der Aufforderung der Hauptwahlkommission der Bundeskammer gemäß Abs4 nicht nach oder werden von (einem) Zustellungsbevollmächtigten widersprechende oder unrichtige Angaben gemacht, kann die Hauptwahlkommission der Bundeskammer nach Befragung der betroffenen Landeskammer(n) die fraktionsweise Zuordnung der Delegierten zum Wirtschaftsparlament selbst vornehmen.

              (6) Bei der Berechnung der Anzahl an Mandaten für die Reihenfolge der Wahlvorschläge gemäß §89 Abs5 WKG sind nur Delegierte zum Wirtschaftsparlament aus Sparten zu berücksichtigen, in denen zumindest für ein Viertel der Fachgruppen (Fachvertretungen) mehr als ein gültiger Wahlvorschlag eingebracht wurde. Dabei sind Unterschiede in der Bezeichnung der Wählergruppen und die Zusammenfassung zu einem Wahlvorschlag unerheblich.

              (7) Der Beschluss der Hauptwahlkommission der Bundeskammer gemäß §89 Abs5 WKG bezüglich der Reihenfolge der Wahlvorschläge hat bis spätestens 31. Oktober des der Wahl vorangehenden Kalenderjahres zu erfolgen.

              (8) Die Bewerber jeder Wählergruppe eines Wahlvorschlages sind in der vorgeschlagenen Reihenfolge mit der Listennummer sowie mit durchlaufenden arabischen Ziffern zu nummerieren.

              (9) Nach der Mängelbehebung hat die Hauptwahlkommission die eingereichten gültigen Wahlvorschläge in der gemäß §89 Abs5 WKG festgelegten Reihenfolge in der Landeskammerzeitung und durch Anschlag in der Kammerdirektion zu verlautbaren.

              (10) Bei der Verlautbarung der Wahlvorschläge sind Bewerber, die Vertreter von juristischen Personen oder sonstigen Rechtsträgern sind, zumindest als solche zu kennzeichnen."

              III. Erwägungen

              1. Die Urwahl in den Ausschuss einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer Wien kann gemäß Art141 Abs1 lita B-VG angefochten werden (s. VfGH 1.3.2013, WI-4/12).

              1.1. Nach §68 Abs1 VfGG muss die Wahlanfechtung von der gemäß §67 Abs2 leg.cit. antragsberechtigten Wählergruppe binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

              §98 WKG sieht einen solchen Instanzenzug - nämlich den Einspruch gegen die Ermittlung und das Wahlergebnis - iSd §68 Abs1 VfGG vor. Dieser muss gemäß §98 Abs1 WKG für jede Fachgruppe oder Fachvertretung gesondert eingebracht werden und binnen einer Woche nach Verlautbarung des endgültigen Wahlergebnisses bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Wurden wesentliche Bestimmungen über das Wahlverfahren verletzt, bei deren Beachtung das Wahlergebnis voraussichtlich ein anderes gewesen wäre, hat die Hauptwahlkommission die Wahl für ungültig zu erklären und eine neue Wahl auszuschreiben (§98 Abs3 leg.cit.); gegen die Abweisung des Einspruches steht das Rechtsmittel der Beschwerde an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend offen (§98 Abs4 leg.cit.).

              Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Anfechtungsfrist im Sinne des §68 Abs1 zweiter Teilsatz VfGG ist demnach die Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides. Der Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 17. Juli 2012 wurde der Anfechtungswerberin am 25. Juli 2012 zugestellt; die am 22. August 2012 zur Post gegebene Anfechtung wurde daher rechtzeitig eingebracht.

              1.2. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die vorliegende Anfechtung zulässig.

              2. Gemäß Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann die Wahlanfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat er das Wahlverfahren nur in den Grenzen der - in der Anfechtungsschrift - behaupteten Rechtswidrigkeit zu prüfen; es ist ihm verwehrt, darüber hinaus die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (zB VfSlg. 15.033/1997, 15.645/1999 mwN, 17.610/2005).

              2.1. Die Anfechtungswerberin führt als

Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens u.a. ins Treffen, dass die Bewerberin Gabriele B. rechtswidriger Weise - nämlich ohne Durchführung eines Verfahrens gemäß §88 Abs5 WKG - wegen Doppelkandidatur vom Wahlvorschlag der Anfechtungswerberin gestrichen worden sei.

              2.2. Gemäß §88 Abs2 WKG müssen Wahlvorschläge für Fachgruppen und Fachvertretungen mindestens einen für die betreffende Fachorganisation wählbaren Bewerber aufweisen; dem Wahlvorschlag sind gemäß §88 Abs3 Z1 und 2 leg.cit. die Unterstützungserklärungen der Wahlberechtigten und die Zustimmung des Bewerbers zu seiner Aufnahme in den Wahlvorschlag (Zustimmungserklärung) anzuschließen. Die Unterstützungserklärung und die Zustimmungserklärung sind vom Unterstützer (Bewerber) zu unterzeichnen (§88 Abs3 Z3 leg.cit.). Gemäß §88 Abs5 WKG kann jeder Wahlwerber innerhalb einer Fachgruppe oder Fachvertretung nur im Wahlvorschlag einer Wählergruppe aufscheinen. Wenn er auch im Wahlvorschlag einer anderen Wählergruppe enthalten ist, ist er von der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission aufzufordern, binnen drei Tagen nach Zustellung der Aufforderung zu erklären, für welchen der Wahlvorschläge er sich entscheidet. Von allen anderen Wahlvorschlägen ist er zu streichen. Die Erklärung muss bis spätestens zum Ablauf des dritten Tages nach der Zustellung bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Wenn er sich nicht oder nicht rechtzeitig erklärt, ist er von allen Wahlvorschlägen zu streichen.

              2.3. Im vorliegenden Fall ist eine Aufforderung gemäß §88 Abs5 WKG an die auf zwei Wahlvorschlägen aufscheinende Bewerberin Gabriele B. nicht ergangen; die Hauptwahlkommission hat vielmehr die Anfechtungswerberin mit Schreiben vom 16. Jänner 2010 über die Doppelkandidatur und die Mangelhaftigkeit ihres Wahlvorschlages in Kenntnis gesetzt. Die Bewerberin Gabriele B. wurde in der Folge ohne weiteres Verfahren vom Wahlvorschlag der Anfechtungswerberin gestrichen.

              2.4. In Anbetracht der Rechtslage und der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der zufolge die Bestimmungen der Wahlordnung strikt nach dem Wortlaut auszulegen sind (vgl. zB VfSlg. 19.453/2011 mwH), stellt die Nichtdurchführung des Verfahrens gemäß §88 Abs5 WKG im vorliegenden Fall eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens dar:

              2.4.1. Bei §88 Abs5 WKG handelt es sich um eine wahlrechtliche Verfahrensvorschrift, die insbesondere auch Missbräuchen und Manipulationen im Wahlverfahren - hier bei der Prüfung der Gültigkeit von Wahlvorschlägen - entgegenwirken will, indem sie die Vorgangsweise bei Aufscheinen eines Bewerbers auf mehreren Wahlvorschlägen festlegt.

              2.4.2. Die Anfechtungswerberin hat - ebenso wie auch der RFW - die Bewerberin Gabriele B. auf ihrem Wahlvorschlag angeführt und diesem bei Einbringung eine Zustimmungserklärung der Bewerberin (§88 Abs3 Z2 iVm Z3 zweiter Satz WKG) beigeschlossen. Im vorliegenden Fall ist daher jedenfalls davon auszugehen, dass die Bewerberin iSd §88 Abs5 leg.cit. in zwei Wahlvorschlägen "enthalten" war und daher die Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission verpflichtet gewesen wäre, das in dieser Bestimmung geregelte Verfahren (Aufforderung zur Stellungnahme binnen drei Tagen) durchzuführen; erst nach Durchführung dieses Verfahrens wäre eine Streichung der Bewerberin von einem oder beiden Wahlvorschlägen nach Maßgabe des §88 Abs5 dritter bzw. fünfter Satz leg.cit. zulässig gewesen.

              Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Hauptwahlkommission mehrere unterschiedlich datierte Zustimmungserklärungen vorlagen, wobei insbesondere in der letzten Zustimmungserklärung (für den RFW) vom 8. Jänner 2010 der Widerruf "allfällige[r] andere[r]" Zustimmungserklärungen erklärt wurde: §88 Abs5 WKG setzt nämlich nicht voraus, dass für die Wahlbehörde Unklarheit dahingehend besteht, in welcher zeitlichen Reihenfolge der Bewerber seine Zustimmungserklärungen erteilt und allfällige frühere Zustimmungserklärungen widerrufen hat, sondern stellt ausschließlich darauf ab, dass er auch im Wahlvorschlag einer anderen Wählergruppe enthalten ist. Diese Anforderung ist unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles - den Wahlvorschlägen wurden jeweils von der Bewerberin unterschriebene Zustimmungserklärungen beigeschlossen - erfüllt; daran ändert in der vorliegenden Konstellation auch ein späterer Widerruf "allfällige[r] andere[r] Zustimmungserklärung[en]" nichts.

              2.4.3. Daraus folgt, dass die Streichung der Bewerberin Gabriele B. vom Wahlvorschlag der Anfechtungswerberin, ohne das in §88 Abs5 WKG für den Fall von Mehrfachkandidaturen vorgesehene Verfahren einzuhalten, rechtswidrig erfolgt ist.

              2.5. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist einer Wahlanfechtung nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muss darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein (Art141 Abs1 Satz 3 B-VG iVm §70 Abs1 Satz 1 VfGG): Dazu sprach der Verfassungsgerichtshof wiederholt aus, dass diese (zweite) Voraussetzung bereits erfüllt ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnte (vgl. VfSlg. 11.738/1988, 17.146/2004 und 19.345/2011).

              Dass diese Voraussetzung hier erfüllt ist, steht

außer Zweifel. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang nicht obliegt, - notwendigerweise: spekulative - Erwägungen darüber anzustellen, ob es bei Belassung der von der Hauptwahlkommission vom Wahlvorschlag der Anfechtungswerberin gestrichenen Wahlwerberin tatsächlich zu einem geänderten Wahlverhalten gekommen wäre (vgl. VfSlg. 17.075/2003). Der Umstand, dass die Urwahlen in die Ausschüsse der Fachgruppen der Wirtschaftskammer Wien als Listenwahl gestaltet sind, ändert daran nichts. Auch in diesem Fall kann die personelle Zusammensetzung der jeweiligen Liste für die Wahlentscheidung durchaus von Relevanz sein (vgl. VfSlg. 17.075/2003).

              IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

              1. Der Wahlanfechtung der Anfechtungswerberin ist

daher schon aus diesem Grund stattzugeben und die Urwahl in den Ausschuss der Fachgruppe 308A - Landesgremium Wien des Einzelhandels mit Mode und Freizeitartikeln der Wirtschaftskammer Wien vom 27. Februar bis 2. März 2010 ab dem Zeitpunkt des Verstreichens der Frist für die Einbringung von Wahlvorschlägen aufzuheben.

              2. Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt sich ein Eingehen auf das restliche Antragsvorbringen.

              3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, berufliche Vertretungen, Wirtschaftskammern, Wahlvorschlag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:WI5.2012

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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