Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag. Obrist über die Berufungen des Herrn Ing. J.P., geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch die Rechtsanwälte *** in ***, vom 26.04.2012, gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 12.04.2012, Zlen. 300-7622-2011 (zu 1.), 300-7623-2011 (zu 2.), 300-7618-2011 (zu 3.), 300-7624-2011 (zu 4.), 300-7620-2011 (zu 6.), 300-7619-2011 (zu 7.), und 300 7621-2011 (zu 8.), und vom 11.04.2012, Zl. 300-7617-2011 (zu 5.), wegen Bestrafungen nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG), zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG wird den Berufungen Folge gegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden behoben und die Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
In den angefochtenen Straferkenntnissen wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***gesellschaft m.b.H. mit Sitz in ***, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeber näher umschriebene Aufzeichnungen nicht geführt habe, da keine Aufzeichnungen über Beginn und Ende eines Durchrechnungszeitraumes für jeweils näher angeführte Arbeitnehmer festgehalten worden seien. Als Tatzeit ist jeweils der 09.08.2011 angeführt. Wegen Übertretung des § 26 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Z. 7 und Abs. 8 AZG wurden Geldstrafen in der Höhe von 72 Euro pro Arbeitnehmer (Ersatzfreiheitsstrafen von je 13 Stunden) verhängt.
In den dagegen fristgerecht erhobenen Berufungen bringt der Beschuldigte zusammengefasst vor, dass gem. § 1 AZG vom Geltungsbereich dieses Gesetzes die Arbeitnehmer iSd Landarbeitsgesetzes ausgenommen seien. Das Landarbeitsgesetz sei das Grundsatzgesetz und durch die Bgld. Landarbeitsordnung ausgeführt. Land- und Forstarbeiter seien jene, die vertragsmäßig Dienstleistungen in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft gegen Entgelt verrichten. Nach dem Landarbeitsgesetz und der Bgld. Landarbeitsordnung seien als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft auch die Betriebe land- und forstwirtschaftlicher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften zu zählen, soweit der Geschäftsbetrieb im Wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dient und überwiegend näher genannte Tätigkeiten ausgeübt werden. Alleingesellschafterin der ***gesellschaft m.b.H. (im Folgenden kurz GmbH genannt), deren Geschäftsführer er sei, sei die ***genossenschaft des Bezirkes Neusiedl am See registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden kurz Genossenschaft genannt) mit einer auf das Stammkapital geleisteten Stammeinlage von ATS 1 Million. Die GmbH sei der Betrieb der Genossenschaft. Der Geschäftsbetrieb diene im Wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft seiner Mitglieder. Darüber hinaus sei die GmbH iSd § 5 Abs. 4 Bgld. Landarbeitsordnung der Betrieb der Genossenschaft, der nicht bloß überwiegend, vielmehr ausschließlich mit dem Verkauf unverarbeiteter land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse seiner Mitglieder befasst sei. Es mache keinen Unterschied, ob sich die Genossenschaft für ihren Betrieb einer eigenen Betreibergesellschaft bediene oder den Betrieb selber führe. Das AZG sei daher nicht anwendbar. Der Berufung angeschlossen sind ein Firmenbuchauszug der Genossenschaft und der GmbH.
Hierüber wurde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwogen:
?(1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten für die Beschäftigung von Arbeitnehmern (Lehrlingen), die das 18. Lebensjahr vollendet haben.
(2) Ausgenommen vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind:
1.
[?];
2.
Arbeitnehmer im Sinne des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287;
3.
[?].?
§ 5 Landarbeitsgesetz:
?(1) Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land- und Forstwirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei. Der land- und forstwirtschaftlichen Produktion gleichzuhalten ist die der Erhaltung der Kulturlandschaft dienende Landschaftspflege, sofern dafür Förderung aus öffentlichen Mitteln bezogen wird, deren zugrunde liegendes Förderungsziel die Erhaltung der Kulturlandschaft direkt oder indirekt mit einschließt.
(2) [...].
(3) Als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten, unbeschadet des § 2, auch die Betriebe land- und forstwirtschaftlicher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, soweit der Geschäftsbetrieb dieser Genossenschaften im wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dient und in denen überwiegend nachstehende Tätigkeiten ausgeübt werden:
1.
[...];
3.
der Verkauf unverarbeiteter pflanzlicher Erzeugnisse sowie von Ferkeln, Fischen, Geflügel, Eiern und Honig, auch im Wege der Versteigerung;
4.
der im Zusammenhang mit den Tätigkeiten gemäß Z 3 vorgenommene Einkauf von Verpackungen und Umhüllungen für die von der Z 3 erfaßten Erzeugnisse;
5.
[...].
(4) (Grundsatzbestimmung) Als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten ferner die Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsgenossenschaften, soweit diese überwiegend mit dem Einkauf land- und forstwirtschaftlicher Betriebserfordernisse und dem Lagern und dem Verkauf unverarbeiteter land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse befasst sind, sowie aus solchen Betrieben seit dem 1. Jänner 1990 hervorgegangene Nachfolgeunternehmen jeder Rechtsform, solange der bisherige Unternehmensgegenstand beibehalten wird. Ferner gelten die Betriebe der Agrargemeinschaften im Sinne der Flurverfassungsgesetze als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft.
(5) [...].?
§ 1 Bgld. Landarbeitsordnung:
?Die Landarbeitsordnung regelt:
a)
das Arbeitsvertragsrecht der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter (Landarbeiterrecht);
b)
den Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt.?
§ 2 Bgld. Landarbeitsordnung:
?(1) Land- und Forstarbeiter im Sinne dieses Gesetzes sind jene Personen, die vertragsmäßig Dienstleistungen in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft gegen Entgelt verrichten, gleichgültig, ob sie in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen sind oder nicht.
(2) [...].?
§ 5 Bgld. Landarbeitsordnung:
?(1) Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land- und Forstwirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, des Haltens von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei. Der land- und forstwirtschaftlichen Produktion gleichzuhalten ist die der Erhaltung der Kulturlandschaft dienende Landschaftspflege, sofern dafür Förderung aus öffentlichen Mitteln bezogen wird, deren zugrunde liegendes Förderungsziel die Erhaltung der Kulturlandschaft direkt oder indirekt mit einschließt.
(2) [...].
(3) Als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten unbeschadet der Bestimmung des § 4 Abs. 5 auch die Betriebe land- und forstwirtschaftlicher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, soweit der Geschäftsbetrieb dieser Genossenschaften im wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dient und in denen überwiegend nachstehende Tätigkeiten ausgeübt werden:
1.
[...];
3.
der Verkauf unverarbeiteter pflanzlicher Erzeugnisse sowie von Ferkeln, Fischen, Geflügel, Eiern und Honig, auch im Wege der Versteigerung;
4.
der im Zusammenhang mit den Tätigkeiten gemäß Z 3 vorgenommene Einkauf von Verpackungen und Umhüllungen für die von der Z 3 erfaßten Erzeugnisse;
5.
[...].
(4) Als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten ferner die Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsgenossenschaften, soweit diese überwiegend mit dem Einkauf land- und forstwirtschaftlicher Betriebserfordernisse und dem Verkauf unverarbeiteter land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse befasst sind, sowie aus solchen Betrieben seit dem 1. Jänner 1990 hervorgegangene Nachfolgeunternehmen jeder Rechtsform, solange der bisherige Unternehmensgegenstand beibehalten wird. Ferner gelten die Betriebe der Agrargemeinschaften im Sinne des Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 40/1970, in der jeweils geltenden Fassung, als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft.
(5) [...].?
Die Rechtfertigung des Berufungswerbers zielt in erster Linie darauf ab, dass das AZG auf die in Rede stehenden Arbeitnehmer nicht anzuwenden sei. Sie unterlägen vielmehr dem Landarbeitsgesetz bzw. der Bgld. Landarbeitsordnung. Das trifft aus folgenden Gründen nicht zu:
Ausgehend vom eigenen Vorbringen des Berufungswerbers und den von ihm vorgelegten Unterlagen ist die Genossenschaft alleinige Gesellschafterin der GmbH und ist er deren handelsrechtlicher Geschäftsführer. Als Geschäftszweig ist im Firmenbuch ?Gemüsehandel? eingetragen. Den Angaben des Berufungswerbers in der mündlichen Verhandlung zufolge sind 92 Bauern Mitglieder der Genossenschaft. Deren Gemüse wird von der GmbH vermarktet. Dies erfolgt in Kommission ? dh. die GmbH wird nicht Eigentümer. Neben der Übernahme wird von der GmbH auch die Sortierung, Verpackung und Lagerung gemacht. Die Genossenschaft selbst wird operativ nicht tätig, sie hat außer der GmbH ?keine weiteren Betriebe?.
Demnach hat die Genossenschaft die Vermarktung des Gemüses ihrer Mitglieder, welche Eigentümer der Produkte bleiben, an die GmbH und damit an eine juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit übertragen. Sie ist ein selbständiger, getrennt verwalteter Wirtschaftskörper. Eine GmbH ist nach den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften so organisiert, dass sie ein wirtschaftliches Eigenleben führt. Dies hängt nicht davon ab, wer die Gesellschafter der GmbH sind, ob sohin ?nur? eine Genossenschaft alleinige Gesellschafterin ist. Dass die GmbH ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft i.S. obiger Bestimmungen sei, behauptet der Berufungswerber selber nicht und bestehen dafür keine Anhaltspunkte.
Arbeitgeberin der in Rede stehenden Arbeitnehmer war unstrittigerweise die GmbH. Das Landarbeitsgesetz und im Wesentlichen gleichlautend die Bgld. Landarbeitsordnung definieren als Land- und Forstarbeiter jene Personen, die vertragsmäßig Dienstleistungen in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft gegen Entgelt verrichten. Nach dem Gesagten handelt es sich bei der GmbH nicht um einen solchen Betrieb. Deswegen erfolgte zu Recht eine Anzeige nach dem AZG.
Allerdings ist den Berufungen aus einem anderen Grund Erfolg beschieden:
Vom Arbeitsinspektorat Eisenstadt wurde unter Punkt 1. eine Mehrzahl von Überschreitungen der Tagesarbeitszeit (§ 9 Abs. 1 AZG) und unter Punkt 2. eine Mehrzahl mangelhafter Arbeitszeitaufzeichnungen (§ 26 Abs. 1 AZG) angezeigt. Zu 2. wurde ausgeführt, dass hinsichtlich namentlich genannter Arbeitnehmer die Ruhepausen in den Arbeitszeitaufzeichnungen nicht dokumentiert worden seien. Betreffend einen Durchrechnungszeitraum ergibt sich aus der Anzeige nichts. Die Arbeitsinspektorin, welche die Kontrolle durchführte, hat in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass Durchrechnungszeiträume nicht kontrolliert wurden.
Für diese Tatvorwürfe fehlt es daher ? abgesehen davon, dass Beginn und Ende eines Durchrechnungszeitraumes nicht konkretisiert wurden ? an Beweisergebnissen. Die Verfahren waren daher spruchgemäß einzustellen.