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50 GEWERBERECHTNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtung der Urwahl in einen Fachgruppenausschuss der Wirtschaftskammer Wien; Streichung eines Bewerbers vom Wahlvorschlag der Anfechtungswerberin nach Durchführung des für den Fall von Mehrfachkandidaturen vorgesehenen Verfahrens zu Recht erfolgtSpruch
Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Anfechtungsvorbringen und Vorverfahren
1. Wahlverfahren
1.1. Vom 27. Februar bis 2. März 2010 fanden die Urwahlen in die Ausschüsse der Fachgruppen der Wirtschaftskammer Wien, darunter die Fachgruppe 603 - Fachgruppe Wien der Gesundheitsbetriebe der Wirtschaftskammer Wien, statt. Am 12. März 2010 wurden die Wahlergebnisse in der Zeitung "Wiener Wirtschaft" als Veröffentlichungsorgan der Wirtschaftskammer Wien verlautbart.
1.2. Die Wählergruppe "FPÖ pro Mittelstand - Freiheitliche und Unabhängige" (in der Folge: FPÖ pro Mittelstand) erstattete am 15. Jänner 2010 einen Wahlvorschlag, auf dem die Bewerber Reinhart W., Günther A., Viktor H. und Anca-Anina M. aufschienen. Dem Wahlvorschlag beigeschlossen war u.a. eine mit 11. November 2009 datierte "Zustimmungs- und Unterstützungserklärung" des Günther A., die u. a. folgende Erklärung enthielt:
"Gemäß §88 Abs3 WKG und §11 Abs4 WKWO gebe ich mit meiner eigenhändigen Unterschrift die Zustimmung zur Aufnahme in die Bewerberliste der oben bezeichneten Wählergruppe für die Wahl des Ausschusses der genannten Fachorganisation/Spartenvertretung/ Spartenkonferenz. Ich erkläre, die Bedingungen der §§73 Abs6-8 und 85 Abs3-5 WKG zu erfüllen und im Falle meiner Wahl das Mandat anzunehmen. Weiters lege ich das Gelöbnis gem. §22 Abs7 GO ab.
Gleichzeitig unterstütze ich diesen Wahlvorschlag, auf dem ich [...] kandi[d]iere. Gleichzeitig widerrufe ich alle bisher erteilten Zustimmungs- und Unterstützungserklärungen."
(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen und Fußnoten)
Am selben Tag erstattete auch die Wählergruppe "Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER WIRTSCHAFTSTREIBENDER" (in der Folge: RFW) einen Wahlvorschlag, auf dem neben weiteren Bewerbern auch Günther A. als Bewerber aufschien. Dem Wahlvorschlag beigeschlossen war u.a. eine undatierte "Zustimmungs- und Unterstützungserklärung" des Günther A., die u. a. folgende Erklärung enthielt:
"Gemäß §88 Abs3 WKG und §11 Abs4 WKWO gebe ich mit meiner eigenhändigen Unterschrift die Zustimmung zur Aufnahme in die Bewerberliste der oben bezeichneten Wählergruppe für die Wahl des Ausschusses der genannten Fachorganisation/Spartenvertretung/ Spartenkonferenz. Ich erkläre, die Bedingungen der §§73 Abs6-8 und 85 Abs3-5 WKG zu erfüllen und im Falle meiner Wahl das Mandat anzunehmen. Gleichzeitig unterstütze ich diesen Wahlvorschlag, auf dem ich kandidiere."
(Zitat ohne die im Original enthaltene Fußnote)
1.3. In der Folge teilte die Hauptwahlkommission den Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand mit Schreiben vom 16. Jänner 2010 und der Wählergruppe RFW mit Schreiben vom 18. Jänner 2010 mit, dass deren Wahlvorschläge Mängel u.a. dahingehend aufwiesen, dass Günther A. als Bewerber auch auf anderen Wahlvorschlägen aufscheine und ersucht worden sei, binnen drei Tagen bekanntzugeben, für welchen Wahlvorschlag er kandidiere. Mit Schreiben vom 18. Jänner 2010 wurde der Bewerber Günther A. gemäß §88 Abs5 Wirtschaftskammergesetz (WKG) aufgefordert, binnen drei Tagen nach Zustellung dieses Schreibens schriftlich zu erklären, für welchen Wahlvorschlag er sich entscheide; andernfalls würde er von allen Wahlvorschlägen gestrichen werden. Im Wahlakt befindet sich in der Folge ein mit 20. Jänner 2010 datiertes Schreiben des Günther A. in Kopie, in dem dieser "nochmals" erklärt, dass er sich entschlossen habe, bei der Wirtschaftskammerwahl 2010 für die Liste RFW zu kandidieren und allfällige andere Zustimmungserklärungen ungültig seien.
1.4. Am 12. Februar 2010 wurden in der Zeitung
"Wiener Wirtschaft" die "eingereichten gültigen Wahlvorschläge" verlautbart, wobei für die vorliegende Fachgruppe folgende Listen genannt wurden: Liste 1: Mag. Julian Hadschieff - ÖSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND; Liste 2:
Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (SWV) Liste 2 - Gelbmann; Liste 3: Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER
GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER
WIRTSCHAFTSTREIBENDER; Liste 4: GRÜNE WIRTSCHAFT (GRÜNE); Liste 5: "FPÖ pro Mittelstand" - Freiheitliche und Unabhängige; Liste 6: DIE ALTERNATIVE WIRTSCHAFT; Liste 7: IGA (Interessensgemeinschaft Ambulatorien). Der Bewerber Günther A. schien dabei auf dem Wahlvorschlag des RFW, nicht aber auf jenem der FPÖ pro Mittelstand auf.
1.5. Nach Durchführung der Wahl vom 27. Februar bis 2. März 2010 wurde das Wahlergebnis von der Hauptwahlkommission am 12. März 2010 in der Zeitung "Wiener Wirtschaft" verlautbart, wobei auf die Liste 1: Mag. Julian Hadschieff - ÖSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND sechs Mandate, auf die Liste 2: Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (SWV) Liste 2 - Gelbmann drei Mandate und auf die Liste 7: IGA (Interessensgemeinschaft Ambulatorien) vier Mandate entfielen.
2. Verfahren vor den Wahlbehörden
2.1. Das am 12. März 2010 verlautbarte Ergebnis der Wahl in den Ausschuss der vorliegenden Fachgruppe sowie dessen Ermittlung wurden vom Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand mit Einspruch gemäß §98 WKG bekämpft. Mit Bescheid der Hauptwahlkommission der Wirtschaftskammer Wien vom 2. September 2010 wurde der Einspruch der Wählergruppe abgewiesen.
2.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand durch ihren Zustellungsbevollmächtigten Beschwerde gemäß §98 Abs4 WKG. Das Verfahren über diese Beschwerde wurde mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 5. September 2011 auf Grund bei der Staatsanwaltschaft Wien laufender Ermittlungen wegen behaupteten Wahlkartenbetruges ausgesetzt. In der Folge wurden mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 22. Juli 2012 der Aussetzungsbescheid aufgehoben, die Anträge auf Einsicht in die Wahlkartenakte sowie die Abstimmungsverzeichnisse und Stimmzettel gemäß §19 Wirtschaftskammer-Wahlordnung (in der Folge: WKWO) zurückgewiesen und die Anträge auf Aufhebung des Bescheides der Hauptwahlkommission sowie auf Ungültigerklärung der Wirtschaftskammerwahl 2010 in Wien in der vorliegenden Fachgruppe und auf Neuausschreibung dieser Wahl gemäß §98 WKG abgewiesen.
Begründend wurde im Hinblick auf die Streichung des Bewerbers Günther A. vom Wahlvorschlag der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand ausgeführt, dass - entgegen deren Behauptung - Günther A. mit Schreiben der Hauptwahlkommission aufgefordert worden sei, bekanntzugeben, für welchen Wahlvorschlag er sich entscheide; am 20. Jänner 2010 sei bei der Hauptwahlkommission ein mit demselben Tag datiertes Schreiben eingelangt, in dem er sich für eine Kandidatur bei der anderen Wählergruppe entschieden habe.
3. Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
3.1. Mit ihrer Wahlanfechtung ficht die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand als Anfechtungswerberin im verfassungsgerichtlichen Verfahren durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter gemäß Art141 B-VG der Sache nach die Urwahl in den Ausschuss der Fachgruppe 603 - Fachgruppe Wien der Gesundheitsbetriebe der Wirtschaftskammer Wien vom 27. Februar 2010 bis 2. März 2010 an und beantragt, die Wahl für nichtig zu erklären und als rechtswidrig aufzuheben.
3.2. Begründend wird vorgebracht, dass die Wahlbehörde es rechtswidrig unterlassen habe, das im Falle von Doppelkandidaturen verpflichtende Verfahren des §88 Abs5 WKG einzuhalten. Eine Aufforderung gemäß §88 Abs5 WKG sei an den Doppelkandidaten nicht ergangen. Die von der Hauptwahlkommission gewählte Vorgangsweise, ihre Entscheidung über die Streichung bzw. das Belassen eines Bewerbers auf einer Liste danach zu richten, zu welchem Datum dieser Bewerber Zustimmungserklärungen bzw. Widerrufserklärungen gegenüber einer der Wählergruppen abgegeben habe, finde keine gesetzliche Deckung. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Rechtswidrigkeit nach Lage des konkreten Falles auf das Wahlergebnis zumindest von Einfluss sein konnte.
3.3. Darüber hinaus macht die Anfechtungswerberin Rechtswidrigkeiten hinsichtlich der Durchführung des Wahlverfahrens im Zusammenhang mit Wahlkarten geltend. Vorgebracht wird, dass es bereits im Februar 2010 zu medialer Berichterstattung über Manipulationen bei der Abwicklung der Wahlkartenwahl gekommen sei; sowohl bei der Anforderung von Wahlkarten als auch bei der Stimmabgabe und Retournierung von Wahlkarten sei es zu Rechtswidrigkeiten gekommen. Die Anfechtungswerberin sei auch persönlich über derartige Rechtswidrigkeiten informiert worden. Zur Bescheinigung dieses Vorbringens legte die Anfechtungswerberin Medienberichte und Presseaussendungen betreffend Unregelmäßigkeiten bei der Beantragung und beim Einsammeln von Wahlkarten bei der Wirtschaftskammerwahl 2010 sowie zwei E-Mails vor, in denen jeweils berichtet wird, dass Personen (angeblich von der Wirtschaftskammer) in Lokalen nicht ausgefüllte Wahlkarten für die Wirtschaftskammerwahl abgeholt hätten. Diesbezüglich sei auch ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachtes auf vorsätzliche Wahlmanipulation und Wahlbetrug anhängig. Die Wahlbehörde hätte die von der Anfechtungswerberin behaupteten und glaubhaft gemachten Rechtswidrigkeiten von Amts wegen überprüfen müssen, dies jedoch mit der Begründung unterlassen, dass die diesbezüglich behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht hinreichend substantiiert worden seien. Eine Konkretisierung dieser Rechtswidrigkeiten sei der Anfechtungswerberin aber auf Grund der Verweigerung der Akteneinsicht gar nicht möglich gewesen. Wenngleich die genaue Zahl der auf die vorliegende Fachgruppe entfallenden Wahlkarten nicht bekannt sei, sei ein Einfluss auf das Wahlergebnis durch diese Rechtswidrigkeiten nicht von vornherein auszuschließen.
3.4. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er beantragt, "die Beschwerde als unbegründet abzuweisen". Darin wird u.a. ausgeführt, dass ein Recht auf (vollständige) Akteneinsicht im Wahlverfahren nicht bestehe. Da sich die vorgelegten Medienberichte nicht auf die konkret angefochtenen Wahlverfahren bezögen, würden sie für die Wahlverfahren kein taugliches Beweismittel darstellen; die Anfechtungswerberin habe auch jegliche Angabe zur Relevanz der behaupteten Wahlkartenmalversationen unterlassen und nicht einmal behauptet, dass bei den konkret angefochtenen Wahlverfahren zahlenmäßig konkret genannte Wahlkarten gefälscht gewesen wären und diese Zahlen von Relevanz für das Wahlergebnis hätten sein können.
II. Rechtslage
1. §§85, 88 und 89 WKG, BGBl. I 103/1998 in der zum Zeitpunkt der Kundmachung des Wahlergebnisses geltenden Fassung BGBl. I 78/2006, lauten:
"Aktives und passives Wahlrecht
§85. (1) Das aktive Wahlrecht richtet sich nach den Bestimmungen des §73 Abs3 bis 5. Voraussetzung für die Zulassung zur Wahlhandlung ist die Eintragung in die Wählerliste der zuständigen Fachgruppe oder Fachvertretung.
(2) Juristische Personen und sonstige Rechtsträger haben zur Ausübung des aktiven Wahlrechtes einen Gesellschafter, ein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied, einen Geschäftsführer oder Prokuristen zu bevollmächtigen. Eine entsprechende Vollmacht ist vorzulegen. Für öffentliche Unternehmungen ist der von dem zuständigen Organ mit der Ausübung des Wahlrechtes betraute und hierüber durch eine schriftliche Erklärung ausgewiesene Vertreter wahlberechtigt.
(3) Wählbar in die Organe der Kammern und der Fachorganisationen sind die gemäß §73 Abs6 bis 8 passiv wahlberechtigten Personen.
(4) Bei juristischen Personen und sonstigen Rechtsträgern ist das passive Wahlrecht nicht an die Person gebunden, durch die das aktive Wahlrecht ausgeübt wird. Wählbar ist auch jeder andere Gesellschafter, jedes andere Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied und jeder andere Geschäftsführer oder Prokurist der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers, sofern diese juristische Person oder der sonstige Rechtsträger für den Betreffenden eine firmenmäßig gezeichnete Einverständniserklärung ausstellt und auch dieser die Voraussetzungen für die Wählbarkeit erbringt. Die Einverständniserklärung ist unwiderruflich. Sie erlischt jedoch bei Ausscheiden des Mandatars (Bewerbers) aus der betreffenden juristischen Person oder dem sonstigen Rechtsträger.
(5) Innerhalb einer Fachgruppe oder Fachvertretung hat jeder Wahlberechtigte nur eine Stimme und ist nur einmal wählbar.
(6) Stichtag für die Wahlen und Besetzungen ist der Tag der Wahlausschreibung. Nach ihm bestimmen sich die Voraussetzungen des aktiven und passiven Wahlrechtes.
[...]
Wahlvorschläge
§88. (1) Wählergruppen, die sich an der Wahl
beteiligen wollen, haben ihre Wahlvorschläge auf Grund der Inhalte der Wahlkundmachung für die jeweiligen Fachgruppen und Fachvertretungen der Hauptwahlkommission schriftlich vorzulegen. Die Wahlvorschläge müssen bis spätestens sechs Wochen vor dem ersten möglichen Wahltag bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Die Hauptwahlkommission hat den Empfang des Wahlvorschlages unter Angabe des Tages und der Zeit seines Einlangens zu bestätigen.
(2) Die Wahlvorschläge müssen mindestens einen Bewerber, dürfen aber höchstens doppelt so viele Bewerber, wie Mandate zu vergeben sind, aufweisen. Der jeweilige Bewerber muss für die betreffende Fachorganisation wählbar sein.
(3) Dem Wahlvorschlag sind anzuschließen:
1. Die Unterstützungserklärungen der Wahlberechtigten mit der Beifügung des Standortes der Berechtigung.
2. Die Zustimmung des Bewerbers zu seiner Aufnahme in den Wahlvorschlag (Zustimmungserklärung).
3. Die Erklärung der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers gemäß §85 Abs4 (Einverständniserklärung). Die Unterstützungserklärung und die Zustimmungserklärung sind vom Unterstützer (Bewerber) zu unterfertigen, die Einverständniserklärung ist firmenmäßig zu zeichnen.
(4) Jeder Wahlvorschlag hat eine von bereits eingereichten oder gemäß §89 Abs5 von der Hauptwahlkommission der Bundeskammer zu reihenden Wahlvorschlägen eindeutig unterscheidbare Bezeichnung zu führen. Fehlt eine solche Bezeichnung, so ist der Wahlvorschlag nach dem Listenführer, das ist der an erster Stelle vorgeschlagene Bewerber, zu benennen.
(5) Innerhalb einer Fachgruppe oder Fachvertretung kann jeder Wahlwerber nur im Wahlvorschlag einer Wählergruppe aufscheinen. Wenn er auch im Wahlvorschlag einer anderen Wählergruppe enthalten ist, ist er von der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission aufzufordern, binnen drei Tagen nach Zustellung der Aufforderung zu erklären, für welchen der Wahlvorschläge er sich entscheidet. Von allen anderen Wahlvorschlägen ist er zu streichen. Die Erklärung muss bis spätestens zum Ablauf des dritten Tages nach der Zustellung bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Wenn er sich nicht oder nicht rechtzeitig erklärt, ist er von allen Wahlvorschlägen zu streichen.
(6) Bereits eingereichte gültige Wahlvorschläge
bleiben gültig, auch wenn nachträglich eine Verminderung der im Wahlvorschlag bezeichneten Bewerber oder Unterstützer eintritt.
Prüfung, Abänderung und Verlautbarung der Wahlvorschläge
§89. (1) Die Hauptwahlkommission hat die innerhalb der Einreichungsfrist eingereichten Wahlvorschläge zu prüfen und vorhandene Mängel innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Einreichfrist dem Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe mitzuteilen. Zur Behebung der Mängel ist eine Frist von einer Woche zu setzen. Änderungen im Wahlvorschlag oder dessen Zurückziehung sind spätestens bis zum Ablauf des 36. Tages vor dem ersten möglichen Wahltag der Hauptwahlkommission schriftlich anzuzeigen. Änderungen im Wahlvorschlag durch Neuaufnahme von Wahlwerbern und die Zurückziehung des Wahlvorschlages müssen von mehr als der Hälfte der Unterstützer gefertigt sein.
(2) Wahlvorschläge, die verspätet eingereicht wurden, sowie Wahlvorschläge, die nicht die erforderliche Mindestzahl von Unterschriften von Unterstützern und nicht mindestens einen wählbaren Wahlwerber aufweisen, sind nicht zuzulassen.
(3) Wird kein Wahlvorschlag eingereicht oder können sämtliche eingereichte Wahlvorschläge wegen Mangelhaftigkeit nicht zugelassen werden, so hat die Hauptwahlkommission über eine neuerliche Wahlausschreibung zu entscheiden.
(4) Wird nur ein gültiger Wahlvorschlag eingebracht, hat die Hauptwahlkommission von der Fortsetzung des Wahlverfahrens abzusehen, diese Tatsache zu verlautbaren und die Wahlwerber des Wahlvorschlages mit dem Wahltag als gewählt zu erklären.
(5) Die eingereichten gültigen Wahlvorschläge sind von der Hauptwahlkommission in der von ihr festgestellten Reihenfolge mit fortlaufender Nummerierung der Wahlwerber zu verlautbaren. Die Reihenfolge, in der die Wahlvorschläge zu verlautbaren sind, richtet sich bei jenen Wählergruppen, die im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer vertreten sind, nach der Zahl der Mandate, die die Wählergruppe, in deren Nachfolge eine Wählergruppe nunmehr auftritt, bei den letzten Urwahlen im Bereich aller Landeskammern erreicht hat. Die Reihenfolge dieser Wahlvorschläge ist von der Hauptwahlkommission der Bundeskammer für alle Landeskammern verbindlich festzulegen. Die übrigen Wahlvorschläge sind danach entsprechend dem Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission anzuführen.
(6) [Anm.: aufgehoben durch BGBl. I 78/2006]
(7) Die Verlautbarung der Wahlvorschläge muss
spätestens eine Woche vor dem ersten möglichen Wahltag erfolgen, wobei der Tag der Verlautbarung in der Wahlkundmachung anzuführen ist. Die Wahlvorschläge müssen außerdem während dreier Tage vor dem ersten Wahltag an den in der Wahlkundmachung bezeichneten Stellen zur Einsichtnahme aufliegen."
2. §§11 und 12 WKWO, Beschluss des Wirtschaftsparlamentes vom 26.6.2003, 27.11.2008, lauten:
"Zu §88
§11. (1) Jeder Wahlvorschlag hat die im §88 WKG vorgesehenen Inhalte aufzuweisen und überdies für jeden Bewerber zu enthalten:
1. Zu- und Vorname,
2. das Geburtsdatum,
3. den Namen (die Firma) und die Anschrift des Unternehmens und
4. die Mitgliedsnummer des Bewerbers oder des Unternehmens, das der Bewerber vertritt.
(2) Sofern ein eigener Zustellungsbevollmächtigter auf einem Wahlvorschlag namhaft gemacht wird, ist dessen Name und seine Zustelladresse anzugeben.
(3) Die Unterstützungserklärung gemäß §88 Abs3 Z1 WKG hat überdies zu enthalten:
1. den Namen des Unterstützers in Klarschrift und
2. die Mitgliedsnummer.
(4) Die Zustimmungserklärung gemäß §88 Abs3 Z2 hat überdies zu enthalten:
1. den Namen des Bewerbers in Klarschrift und
2. die Mitgliedsnummer.
Die Zustimmungserklärung kann auch das Gelöbnis im Sinne des §22 Abs5 und 7 der Geschäftsordnung der Bundeskammer enthalten.
(5) Die Einverständniserklärung gemäß §88 Abs3 Z3 hat überdies zu enthalten:
1. den Namen des Bewerbers in Klarschrift,
2. die Mitgliedsnummer,
3. den Firmenwortlaut der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers und
4. die Bezeichnung der Funktion des Bewerbers im Sinne des §85 Abs4 WKG in der betreffenden juristischen Person oder dem sonstigen Rechtsträger.
(6) Unterstützungs-, Zustimmungs- und Einverständniserklärungen haben außerdem die Erklärung zu enthalten, für welchen Wahlvorschlag sie gelten.
(7) Wahlvorschläge müssen innerhalb des von der Hauptwahlkommission in der Wahlkundmachung festgesetzten Zeitraumes bei dieser einlangen, widrigenfalls sie nicht zu berücksichtigen sind.
(8) Die Unterstützungs- und Zustimmungserklärungen sowie die Einverständniserklärungen sind dem Wahlvorschlag beizuschließen.
(9) Scheidet der auf dem Wahlvorschlag angeführte Listenführer aus, tritt an seine Stelle der nächstgereihte Bewerber. Ist durch das Ausscheiden aller Bewerber die Liste erschöpft, so gehen die Rechte des Listenführers auf neu nominierte Bewerber in der Reihenfolge der Nominierung über.
(10) Nach dem Ablauf der Einreichfrist erfolgende Zurückziehungen von Zustimmungs- oder Unterstützungserklärungen berühren weder die Gültigkeit noch den Inhalt von Wahlvorschlägen; sie sind von der Hauptwahlkommission unbeachtet zu lassen, doch bleibt davon die Möglichkeit der Änderung oder Zurückziehung der Wahlvorschläge gemäß §89 Abs1 WKG unberührt.
Zu §89
§12. (1) Die von den Wählergruppen gemäß §89 Abs1 WKG durchgeführten Mängelbehebungen müssen bis spätestens zu dem in der Wahlkundmachung festgesetzten Zeitpunkt bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein.
(2) Wahlwerber, denen die Wählbarkeit fehlt, sind von der Hauptwahlkommission aus dem Wahlvorschlag zu streichen.
(3) Anlässlich der Mängelbehebung gemäß §89 WKG ist sicherzustellen, dass der Wahlvorschlag jedenfalls einen wählbaren Bewerber und die erforderliche Anzahl von gültigen Unterstützungserklärungen aufweist.
(4) Für die Berechnung der Anzahl an Mandaten, die einer Wählergruppe für die Reihung der Wahlvorschläge gemäß §89 Abs5 WKG zuzurechnen sind, hat die Hauptwahlkommission der Bundeskammer die Zustellungsbevollmächtigten der im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer vertretenen Wählergruppen aufzufordern, eine nach Landeskammern und Sparten gegliederte Aufstellung der ihrer Wählergruppe zuzurechnenden Delegierten zu den Wirtschaftsparlamenten der Landeskammern bekanntzugeben; dabei kann bei gemeinsamen Wahlvorschlägen von den Zustellungsbevollmächtigten eine Aufteilung der Mandate gemäß §6 vorgenommen werden.
(5) Kommt der Zustellungsbevollmächtigte einer Wählergruppe der Aufforderung der Hauptwahlkommission der Bundeskammer gemäß Abs4 nicht nach oder werden von (einem) Zustellungsbevollmächtigten widersprechende oder unrichtige Angaben gemacht, kann die Hauptwahlkommission der Bundeskammer nach Befragung der betroffenen Landeskammer(n) die fraktionsweise Zuordnung der Delegierten zum Wirtschaftsparlament selbst vornehmen.
(6) Bei der Berechnung der Anzahl an Mandaten für die Reihenfolge der Wahlvorschläge gemäß §89 Abs5 WKG sind nur Delegierte zum Wirtschaftsparlament aus Sparten zu berücksichtigen, in denen zumindest für ein Viertel der Fachgruppen (Fachvertretungen) mehr als ein gültiger Wahlvorschlag eingebracht wurde. Dabei sind Unterschiede in der Bezeichnung der Wählergruppen und die Zusammenfassung zu einem Wahlvorschlag unerheblich.
(7) Der Beschluss der Hauptwahlkommission der Bundeskammer gemäß §89 Abs5 WKG bezüglich der Reihenfolge der Wahlvorschläge hat bis spätestens 31. Oktober des der Wahl vorangehenden Kalenderjahres zu erfolgen.
(8) Die Bewerber jeder Wählergruppe eines Wahlvorschlages sind in der vorgeschlagenen Reihenfolge mit der Listennummer sowie mit durchlaufenden arabischen Ziffern zu nummerieren.
(9) Nach der Mängelbehebung hat die Hauptwahlkommission die eingereichten gültigen Wahlvorschläge in der gemäß §89 Abs5 WKG festgelegten Reihenfolge in der Landeskammerzeitung und durch Anschlag in der Kammerdirektion zu verlautbaren.
(10) Bei der Verlautbarung der Wahlvorschläge sind Bewerber, die Vertreter von juristischen Personen oder sonstigen Rechtsträgern sind, zumindest als solche zu kennzeichnen."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (s. VfGH 1.3.2013, WI-5/12) - Anfechtung erwogen:
1. Gemäß Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann die Wahlanfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat er das Wahlverfahren nur in den Grenzen der - in der Anfechtungsschrift - behaupteten Rechtswidrigkeit zu prüfen; es ist ihm verwehrt, darüber hinaus die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (zB VfSlg. 15.033/1997, 15.645/1999 mwN, 17.610/2005).
2. Die in der Wahlanfechtung behauptete
Rechtswidrigkeit in Bezug auf die Streichung des Bewerbers Günther A. vom Wahlvorschlag der Anfechtungswerberin wegen Doppelkandidatur liegt nicht vor:
2.1. Die Anfechtungswerberin führt diesbezüglich ins Treffen, dass der Bewerber Günther A. rechtswidrigerweise - nämlich ohne Durchführung eines Verfahrens gemäß §88 Abs5 WKG - wegen Doppelkandidatur vom Wahlvorschlag der Anfechtungswerberin gestrichen worden sei. Eine Aufforderung gemäß §88 Abs5 WKG sei an den Doppelkandidaten nicht ergangen.
2.2. Gemäß §88 Abs5 WKG ist ein Wahlwerber, der innerhalb einer Fachgruppe oder Fachvertretung in den Wahlvorschlägen mehrerer Wählergruppen aufscheint, von der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission aufzufordern, binnen drei Tagen nach Zustellung der Aufforderung zu erklären, für welchen der Wahlvorschläge er sich entscheidet. Die Erklärung muss bis spätestens zum Ablauf des dritten Tages nach der Zustellung bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen vom 1.3.2013, WI-5/12 und WI-14/12, ausgesprochen, dass eine Rechtswidrigkeit des Verfahrens zur Urwahl in den Ausschuss einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer u. a. dann vorliegt, wenn im Falle des Aufscheinens eines Bewerbers auf mehreren Wahlvorschlägen das in §88 Abs5 WKG festgelegte und verpflichtend durchzuführende Verfahren nicht bzw. nicht in nachvollziehbarer Weise durchgeführt worden ist. Insbesondere ist es erforderlich, dass auf Grund der vorgelegten Wahlakten überprüft werden kann, ob eine Aufforderung an den auf zwei Wahlvorschlägen aufscheinenden Bewerber gemäß §88 Abs5 WKG diesem tatsächlich zugekommen ist.
2.4. Dem vorgelegten Wahlakt ist zu entnehmen, dass der Bewerber Günther A. sowohl auf dem von der FPÖ pro Mittelstand eingebrachten Wahlvorschlag als auch auf dem vom RFW eingebrachten Wahlvorschlag aufschien; Zustimmungs- und Unterstützungserklärungen des Bewerbers lagen für beide Wählergruppen vor. In der Folge befinden sich im Wahlakt ein mit 18. Jänner 2010 datiertes Schreiben der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission, mit dem der Bewerber Günther A. auf die Tatsache der Doppelkandidatur hingewiesen und aufgefordert wird, schriftlich zu erklären, für welche der Wählergruppen er sich entscheidet, sowie weiters ein mit 20. Jänner 2010 datiertes Schreiben des Bewerbers Günther A., in dem dieser erklärt, sich für die Kandidatur auf der Liste RFW entschieden zu haben und dass allfällige andere Zustimmungserklärungen ungültig seien. Wenngleich sich kein Zustellnachweis hinsichtlich des mit 18. Jänner 2010 datierten Aufforderungsschreibens im vorgelegten Wahlakt befindet, geht der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall davon aus, dass dieses Schreiben dem Bewerber tatsächlich zugekommen ist, weil dieser offenbar mit seinem Schreiben vom 20. Jänner 2010 auf die Aufforderung reagiert und seine Entscheidung für die Kandidatur bei der Wählergruppe RFW mitgeteilt hat. Aus dem Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend geht auch hervor, dass das Schreiben des Bewerbers am 20. Jänner 2010 - also jedenfalls innerhalb der dreitägigen Frist nach dem mit 18. Jänner 2010 datierten Aufforderungsschreiben - bei der Hauptwahlkommission eingelangt ist; die Anfechtungswerberin ist dieser Feststellung nicht entgegengetreten. Entgegen der Behauptung der Anfechtungswerberin geht der Verfassungsgerichtshof daher davon aus, dass im Hinblick auf den Bewerber Günther A. ein Verfahren gemäß §88 Abs5 WKG durchgeführt wurde; weitere Rechtswidrigkeiten wurden von der Anfechtungswerberin in diesem Zusammenhang nicht behauptet. Die Streichung des Bewerbers Günther A. vom Wahlvorschlag der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand erfolgte daher zu Recht.
3. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat, müssen die von der anfechtungswerbenden Wählergruppe behaupteten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens in der Wahlanfechtungsschrift hinreichend substantiiert sein (zB VfSlg. 14.556/1996 mwH). Dies trifft auf die behaupteten Rechtswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung des Wahlverfahrens "betreffend Wahlkarten" nicht zu:
Der Wahlanfechtung selbst ist nicht zu entnehmen,
welche konkreten Rechtswidrigkeiten im Zusammenhang mit Wahlkarten - etwa bei der Antragstellung, der Ausstellung, der Abgabe oder der Wertung der mit Wahlkarten abgegebenen Stimmen - überhaupt behauptet werden.
Soweit die Anfechtungswerberin vorbringt, dass ihr eine Konkretisierung ihres diesbezüglichen Vorbringens auf Grund der rechtswidrigen Verweigerung der Akteneinsicht nicht möglich gewesen sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie nicht einmal dargelegt hat, welche Rechtswidrigkeiten, die ihrer Ansicht nach einer Konkretisierung durch Akteneinsicht zugänglich gewesen wären, sie überhaupt vermutet. Auch der Hinweis auf Medienberichte und die Vorlage von (offensichtlich nicht die Urwahl in die vorliegende Fachgruppe betreffenden) E-Mails erfüllen nicht die Voraussetzung der hinreichenden Substantiierung der behaupteten Rechtswidrigkeiten (vgl. zB VfSlg. 9441/1982, 15.033/1997, 17.305/2004, 18.729/2009, 19.245/2010, 19.247/2010).
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Der Wahlanfechtung ist daher nicht stattzugeben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, berufliche Vertretungen, Wirtschaftskammern, WahlvorschlagEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:WI25.2012Zuletzt aktualisiert am
28.03.2013