TE Vfgh Erkenntnis 2013/3/1 WI-4/12

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Veröffentlicht am 01.03.2013
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Index

50 GEWERBERECHT
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
EGVG ArtI Abs4 Z4
VfGG §67 Abs2, §68 Abs1
WirtschaftskammerG 1998 §88 Abs5, §89 Abs2, §98
Wirtschaftskammer-WahlO §19

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung der Urwahl in einen Fachgruppenausschuss der Wirtschaftskammer Wien im Hinblick auf die Nichtveröffentlichung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin wegen fehlender Unterstützungserklärungen; im Übrigen Zurückweisung der Wahlanfechtung

Spruch

              I. Der Wahlanfechtung wird, soweit sie sich gegen die Nichtveröffentlichung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin wendet, nicht stattgegeben.

              II. Im Übrigen wird die Wahlanfechtung zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

              I. Sachverhalt, Anfechtungsvorbringen und Vorverfahren

              1. Wahlverfahren

              1.1. Vom 27. Februar bis 2. März 2010 fanden die Urwahlen in die Ausschüsse der Fachgruppen der Wirtschaftskammer Wien, darunter die Fachgruppe 508 - Fachgruppe Wien der Garagen-, Tankstellen- und Servicestationsunternehmungen der Wirtschaftskammer Wien, statt. Am 12. März 2010 wurden die Wahlergebnisse in der Zeitung "Wiener Wirtschaft" als Veröffentlichungsorgan der Wirtschaftskammer Wien verlautbart.

              1.2. Die Wählergruppe "FPÖ pro Mittelstand - Freiheitliche und Unabhängige" (in der Folge: FPÖ pro Mittelstand) erstattete am 15. Jänner 2010 einen Wahlvorschlag, auf dem die Bewerber Alfred L. und Werner B. aufschienen. Dem Wahlvorschlag beigeschlossen war u.a. eine mit 18. September 2009 datierte "Zustimmungs- und Unterstützungserklärung" des Alfred L., mit der dieser seine Zustimmung zur Aufnahme in die Bewerberliste der FPÖ pro Mittelstand sowie seine Unterstützung dieses Wahlvorschlages, auf dem er kandidierte, bekanntgab und alle bisher erteilten Zustimmungs- und Unterstützungserklärungen widerrief.

              Am selben Tag erstattete auch die Wählergruppe "Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER WIRTSCHAFTSTREIBENDER" (in der Folge: RFW) einen Wahlvorschlag, auf dem neben weiteren Bewerbern auch Alfred L. als Bewerber aufschien. Dem Wahlvorschlag beigeschlossen war u.a. eine mit 21. Mai 2009 datierte "Zustimmungs- und Unterstützungserklärung" des Alfred L., mit der dieser seine Zustimmung zur Aufnahme in die Bewerberliste des RFW sowie seine Unterstützung des Wahlvorschlages, auf dem er kandidierte, bekanntgab.

              Am 12. Jänner 2010 - also noch vor Einbringung der beiden Wahlvorschläge - langte bei der Hauptwahlkommission der Wirtschaftskammer Wien (in der Folge: Hauptwahlkommission) ein Schreiben des Alfred L. ein, in dem dieser "nochmals" erklärte, dass er sich entschlossen habe, bei der Wirtschaftskammerwahl 2010 für die Liste RFW zu kandidieren und allfällige andere Zustimmungserklärungen ungültig seien. Dieses Schreiben war ursprünglich mit "07.01.2009" datiert, wobei die letzten beiden Stellen der Jahreszahl handschriftlich auf "10" ausgebessert wurden.

              1.3. In der Folge teilte die Hauptwahlkommission dem Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand schriftlich mit, dass deren Wahlvorschlag Mängel dahingehend aufweise, dass dieser - nach Berücksichtigung allfälliger unten angeführter Streichungen - weder einen wählbaren Bewerber noch die erforderliche Mindestanzahl von gültigen Unterstützungserklärungen aufweise und daher nicht zuzulassen sei. Der Bewerber Alfred L. sei wegen Doppelkandidatur gestrichen worden; der Bewerber Werner B. verfüge nicht über das passive Wahlrecht und sei daher zu streichen, weshalb der Wahlvorschlag nicht zuzulassen gewesen sei.

              1.4. Am 12. Februar 2010 wurden in der Zeitung

"Wiener Wirtschaft" die "eingereichten gültigen Wahlvorschläge" verlautbart, wobei für die vorliegende Fachgruppe folgende Listen genannt wurden: Liste 1: Klaus Brunnbauer - ÖSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND; Liste 2:

Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (SWV) Liste 2 - Strobl; Liste 3: Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER

GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER

WIRTSCHAFTSTREIBENDER; Liste 4: GRÜNE WIRTSCHAFT (GRÜNE). Der Bewerber Alfred L. schien dabei am Wahlvorschlag des RFW auf.

              1.5. Nach Durchführung der Wahl vom 27. Februar bis 2. März 2010 wurde das Wahlergebnis von der Hauptwahlkommission am 12. März 2010 in der Zeitung "Wiener Wirtschaft" verlautbart, wobei auf die Liste 1: Klaus Brunnbauer - ÖSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND zehn Mandate, auf die Liste 2: Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (SWV) Liste 2 - Strobl drei Mandate und auf die Liste 3: Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER WIRTSCHAFTSTREIBENDER ein Mandat entfielen.

              2. Verfahren vor den Wahlbehörden

              2.1. Das am 12. März 2010 verlautbarte Ergebnis der Wahl in den Ausschuss der vorliegende Fachgruppe sowie dessen Ermittlung wurden vom Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand mit Einspruch gemäß §98 Wirtschaftskammergesetz (in der Folge: WKG) bekämpft. Mit Bescheid der Hauptwahlkommission der Wirtschaftskammer Wien vom 2. September 2010 wurde der Einspruch der Wählergruppe abgewiesen.

              2.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand durch ihren Zustellungsbevollmächtigten Beschwerde gemäß §98 Abs4 WKG. Das Verfahren über diese Beschwerde wurde mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 5. September 2011 auf Grund bei der Staatsanwaltschaft Wien laufender Ermittlungen wegen behaupteten Wahlkartenbetruges ausgesetzt. In der Folge wurden mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 22. Juli 2012 der Aussetzungsbescheid aufgehoben, die Anträge auf Einsicht in die Wahlkartenakte sowie die Abstimmungsverzeichnisse und Stimmzettel gemäß §19 Wirtschaftskammer-Wahlordnung (in der Folge: WKWO) zurückgewiesen und die Anträge auf Aufhebung des Bescheides der Hauptwahlkommission sowie auf Ungültigerklärung der Wirtschaftskammerwahl 2010 in Wien in der vorliegenden Fachgruppe und auf Neuausschreibung dieser Wahl gemäß §98 WKG abgewiesen.

              Begründend wurde im Hinblick auf die Streichung des Bewerbers Alfred L. vom Wahlvorschlag der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand ausgeführt, dass dieser auch für die Liste RFW kandidiert habe und überdies mit - am 12. Jänner 2010 bei der Hauptwahlkommission eingelangtem - Schreiben vom 7. Jänner 2010 ausdrücklich erklärt habe, nur für diese Liste kandidieren zu wollen und alle anderen Kandidaturen zurückzuziehen. Die Durchführung eines Verfahrens gemäß §88 Abs5 WKG (Aufforderung des Bewerbers, sich zu erklären, für welche Liste er kandidieren wolle) sei nicht erforderlich gewesen, weil eine solche Erklärung bereits mit der Zustimmungs- und Unterstützungserklärung vom 7. Jänner 2010 - zugunsten des RFW - vorgelegen sei. Da der zweite im Wahlvorschlag angeführte Bewerber nicht über das passive Wahlrecht verfügt habe, hätte der Wahlvorschlag keinen einzigen wählbaren Bewerber aufgewiesen; überdies seien nicht genügend Unterstützungserklärungen vorgelegen. Die in Bezug auf die Doppelkandidatur behauptete Rechtswidrigkeit habe somit keinen Einfluss auf das Wahlergebnis haben können, weil die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand (auch) mangels ausreichender Unterstützungserklärungen nicht zur Wahl zugelassen worden sei.

              3. Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof

              3.1. Mit ihrer Wahlanfechtung ficht die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand als Anfechtungswerberin im verfassungsgerichtlichen Verfahren durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter gemäß Art141 B-VG der Sache nach die Urwahl in den Ausschuss der Fachgruppe 508 - Fachgruppe Wien der Garagen-, Tankstellen- und Servicestationsunternehmungen der Wirtschaftskammer Wien vom 27. Februar 2010 bis 2. März 2010 an und beantragt, die Wahl für nichtig zu erklären und als rechtswidrig aufzuheben.

              Begründend wird u.a. vorgebracht, dass die Wahlbehörde es rechtswidrig unterlassen habe, das im Falle von Doppelkandidaturen verpflichtende Verfahren des §88 Abs5 WKG einzuhalten. Die von der Hauptwahlkommission gewählte Vorgangsweise, ihre Entscheidung über die Streichung bzw. das Belassen eines Bewerbers auf einer Liste danach zu richten, zu welchem Datum dieser Bewerber Zustimmungserklärungen bzw. Widerrufserklärungen gegenüber einer der Wählergruppen abgegeben habe, finde keine gesetzliche Deckung. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Rechtswidrigkeit nach Lage des konkreten Falles auf das Wahlergebnis zumindest von Einfluss sein konnte.

              3.2. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er beantragt, "die Beschwerde als unbegründet abzuweisen". Begründend wird - in Bezug auch auf weitere beim Verfassungsgerichtshof anhängige Anfechtungen von Urwahlen in die Ausschüsse von Fachgruppen der Wirtschaftskammer Wien - u.a. ausgeführt, dass die Hauptwahlkommission davon ausgegangen sei, dass bei den in Rede stehenden Doppelkandidaturen keine Fälle des §88 Abs5 WKG vorgelegen seien, weil die Wahlwerber zwar auf mehreren Listen aufgeschienen seien, aber unmittelbar vor der Wahl schriftlich erklärt hätten, für die Liste RFW kandidieren zu wollen (und ihre Zustimmungs- und Unterstützungserklärungen für andere Listen zurückzuziehen). Diese Schreiben seien als ausdrückliche Willenserklärungen zu qualifizieren, die man gemäß §88 Abs5 WKG hätte einfordern müssen, sodass es eines solchen Verfahrens nicht mehr bedurft hätte. Das Mängelbehebungsverfahren des §88 Abs5 WKG sei nur bei unklaren Situationen durchzuführen, nicht aber dann, wenn der Wahlwerber in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang vor der Wahl bekanntgegeben habe, für welche Liste er zu kandidieren beabsichtige.

              II. Rechtslage

              1. §§85, 88, 89 und 98 WKG, BGBl. I 103/1998 in der zum Zeitpunkt der Kundmachung des Wahlergebnisses geltenden Fassung BGBl. I 78/2006 lauten:

"Aktives und passives Wahlrecht

              §85. (1) Das aktive Wahlrecht richtet sich nach den Bestimmungen des §73 Abs3 bis 5. Voraussetzung für die Zulassung zur Wahlhandlung ist die Eintragung in die Wählerliste der zuständigen Fachgruppe oder Fachvertretung.

              (2) Juristische Personen und sonstige Rechtsträger haben zur Ausübung des aktiven Wahlrechtes einen Gesellschafter, ein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied, einen Geschäftsführer oder Prokuristen zu bevollmächtigen. Eine entsprechende Vollmacht ist vorzulegen. Für öffentliche Unternehmungen ist der von dem zuständigen Organ mit der Ausübung des Wahlrechtes betraute und hierüber durch eine schriftliche Erklärung ausgewiesene Vertreter wahlberechtigt.

              (3) Wählbar in die Organe der Kammern und der Fachorganisationen sind die gemäß §73 Abs6 bis 8 passiv wahlberechtigten Personen.

              (4) Bei juristischen Personen und sonstigen Rechtsträgern ist das passive Wahlrecht nicht an die Person gebunden, durch die das aktive Wahlrecht ausgeübt wird. Wählbar ist auch jeder andere Gesellschafter, jedes andere Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied und jeder andere Geschäftsführer oder Prokurist der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers, sofern diese juristische Person oder der sonstige Rechtsträger für den Betreffenden eine firmenmäßig gezeichnete Einverständniserklärung ausstellt und auch dieser die Voraussetzungen für die Wählbarkeit erbringt. Die Einverständniserklärung ist unwiderruflich. Sie erlischt jedoch bei Ausscheiden des Mandatars (Bewerbers) aus der betreffenden juristischen Person oder dem sonstigen Rechtsträger.

              (5) Innerhalb einer Fachgruppe oder Fachvertretung hat jeder Wahlberechtigte nur eine Stimme und ist nur einmal wählbar.

              (6) Stichtag für die Wahlen und Besetzungen ist der Tag der Wahlausschreibung. Nach ihm bestimmen sich die Voraussetzungen des aktiven und passiven Wahlrechtes.

              [...]

Wahlvorschläge

              §88. (1) Wählergruppen, die sich an der Wahl

beteiligen wollen, haben ihre Wahlvorschläge auf Grund der Inhalte der Wahlkundmachung für die jeweiligen Fachgruppen und Fachvertretungen der Hauptwahlkommission schriftlich vorzulegen. Die Wahlvorschläge müssen bis spätestens sechs Wochen vor dem ersten möglichen Wahltag bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Die Hauptwahlkommission hat den Empfang des Wahlvorschlages unter Angabe des Tages und der Zeit seines Einlangens zu bestätigen.

              (2) Die Wahlvorschläge müssen mindestens einen Bewerber, dürfen aber höchstens doppelt so viele Bewerber, wie Mandate zu vergeben sind, aufweisen. Der jeweilige Bewerber muss für die betreffende Fachorganisation wählbar sein.

              (3) Dem Wahlvorschlag sind anzuschließen:

              1. Die Unterstützungserklärungen der Wahlberechtigten mit der Beifügung des Standortes der Berechtigung.

              2. Die Zustimmung des Bewerbers zu seiner Aufnahme in den Wahlvorschlag (Zustimmungserklärung).

              3. Die Erklärung der juristischen Person oder des sonstigen Rechtsträgers gemäß §85 Abs4 (Einverständniserklärung). Die Unterstützungserklärung und die Zustimmungserklärung sind vom Unterstützer (Bewerber) zu unterfertigen, die Einverständniserklärung ist firmenmäßig zu zeichnen.

              (4) Jeder Wahlvorschlag hat eine von bereits eingereichten oder gemäß §89 Abs5 von der Hauptwahlkommission der Bundeskammer zu reihenden Wahlvorschlägen eindeutig unterscheidbare Bezeichnung zu führen. Fehlt eine solche Bezeichnung, so ist der Wahlvorschlag nach dem Listenführer, das ist der an erster Stelle vorgeschlagene Bewerber, zu benennen.

              (5) Innerhalb einer Fachgruppe oder Fachvertretung kann jeder Wahlwerber nur im Wahlvorschlag einer Wählergruppe aufscheinen. Wenn er auch im Wahlvorschlag einer anderen Wählergruppe enthalten ist, ist er von der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission aufzufordern, binnen drei Tagen nach Zustellung der Aufforderung zu erklären, für welchen der Wahlvorschläge er sich entscheidet. Von allen anderen Wahlvorschlägen ist er zu streichen. Die Erklärung muss bis spätestens zum Ablauf des dritten Tages nach der Zustellung bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Wenn er sich nicht oder nicht rechtzeitig erklärt, ist er von allen Wahlvorschlägen zu streichen.

              (6) Bereits eingereichte gültige Wahlvorschläge

bleiben gültig, auch wenn nachträglich eine Verminderung der im Wahlvorschlag bezeichneten Bewerber oder Unterstützer eintritt.

Prüfung, Abänderung und Verlautbarung der Wahlvorschläge

              §89. (1) Die Hauptwahlkommission hat die innerhalb der Einreichungsfrist eingereichten Wahlvorschläge zu prüfen und vorhandene Mängel innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Einreichfrist dem Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe mitzuteilen. Zur Behebung der Mängel ist eine Frist von einer Woche zu setzen. Änderungen im Wahlvorschlag oder dessen Zurückziehung sind spätestens bis zum Ablauf des 36. Tages vor dem ersten möglichen Wahltag der Hauptwahlkommission schriftlich anzuzeigen. Änderungen im Wahlvorschlag durch Neuaufnahme von Wahlwerbern und die Zurückziehung des Wahlvorschlages müssen von mehr als der Hälfte der Unterstützer gefertigt sein.

              (2) Wahlvorschläge, die verspätet eingereicht wurden, sowie Wahlvorschläge, die nicht die erforderliche Mindestzahl von Unterschriften von Unterstützern und nicht mindestens einen wählbaren Wahlwerber aufweisen, sind nicht zuzulassen.

              (3) Wird kein Wahlvorschlag eingereicht oder können sämtliche eingereichte Wahlvorschläge wegen Mangelhaftigkeit nicht zugelassen werden, so hat die Hauptwahlkommission über eine neuerliche Wahlausschreibung zu entscheiden.

              (4) Wird nur ein gültiger Wahlvorschlag eingebracht, hat die Hauptwahlkommission von der Fortsetzung des Wahlverfahrens abzusehen, diese Tatsache zu verlautbaren und die Wahlwerber des Wahlvorschlages mit dem Wahltag als gewählt zu erklären.

              (5) Die eingereichten gültigen Wahlvorschläge sind von der Hauptwahlkommission in der von ihr festgestellten Reihenfolge mit fortlaufender Nummerierung der Wahlwerber zu verlautbaren. Die Reihenfolge, in der die Wahlvorschläge zu verlautbaren sind, richtet sich bei jenen Wählergruppen, die im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer vertreten sind, nach der Zahl der Mandate, die die Wählergruppe, in deren Nachfolge eine Wählergruppe nunmehr auftritt, bei den letzten Urwahlen im Bereich aller Landeskammern erreicht hat. Die Reihenfolge dieser Wahlvorschläge ist von der Hauptwahlkommission der Bundeskammer für alle Landeskammern verbindlich festzulegen. Die übrigen Wahlvorschläge sind danach entsprechend dem Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission anzuführen.

              (6) [Anm.: aufgehoben durch BGBl. I 78/2006]

              (7) Die Verlautbarung der Wahlvorschläge muss

spätestens eine Woche vor dem ersten möglichen Wahltag erfolgen, wobei der Tag der Verlautbarung in der Wahlkundmachung anzuführen ist. Die Wahlvorschläge müssen außerdem während dreier Tage vor dem ersten Wahltag an den in der Wahlkundmachung bezeichneten Stellen zur Einsichtnahme aufliegen.

              [...]

Einspruch gegen die Ermittlung und das Wahlergebnis

              §98. (1) Der Zustellungsbevollmächtigte einer betroffenen Wählergruppe kann nach Verlautbarung des endgültigen Wahlergebnisses gegen dessen Ermittlung schriftlich Einspruch bei der Hauptwahlkommission erheben. Der Einspruch muss für jede Fachgruppe oder Fachvertretung gesondert eingebracht werden und muss binnen einer Woche bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Der Einspruch hat eine Begründung zu enthalten. Der Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung.

              (2) Die Hauptwahlkommission hat auf Grund der Aktenlage das Wahlergebnis zu überprüfen und allfällige Unrichtigkeiten sofort richtig zu stellen. Gegebenenfalls ist die Verlautbarung für nichtig zu erklären und das richtige Ergebnis zu verlautbaren.

              (3) Wurden wesentliche Bestimmungen über das Wahlverfahren verletzt, bei deren Beachtung das Wahlergebnis voraussichtlich ein anderes gewesen wäre, hat die Hauptwahlkommission die Wahl für ungültig zu erklären und eine neue Wahl auszuschreiben. Die Entscheidung der Hauptwahlkommission ist allen betroffenen Wählergruppen mitzuteilen.

              (4) Gegen die Abweisung des Einspruchs steht binnen einer Woche nach Zustellung der Entscheidung der Hauptwahlkommission die Beschwerde an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit offen, die bei der Hauptwahlkommission einzubringen ist. Ebenso steht die Beschwerde gegen eine stattgebende Entscheidung der Hauptwahlkommission jenen Wählergruppen zu, die keinen Einspruch erhoben haben.

              (5) Wenn der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Wahlhandlung für ungültig erklärt, hat er gleichzeitig anzuordnen, welche Teile der Wahlhandlung bei der unverzüglich auszuschreibenden Neuwahl vorzunehmen sind.

              (6) Die Bestimmung des §76 Abs2 gilt sinngemäß."

              2. §19 WKWO, Beschluss des Wirtschaftsparlamentes vom 26.6.2003, 27.11.2008, lautet:

"Zu §98

              §19. (1) Der Zustellungsbevollmächtigte einer Wählergruppe kann vor der Einbringung eines Einspruches im Beisein eines Vertreters der Hauptwahlkommission oder des Leiters der Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission in die Niederschrift der Wahl- und Hauptwahlkommission Einsicht nehmen.

              (2) Die Hauptwahlkommission hat bei einem Einspruch gemäß §98 Abs1 WKG die anderen betroffenen Wählergruppen zu verständigen.

              (3) Bei einer Beschwerde an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat die Hauptwahlkommission die Beschwerde unter Anschluss des Wahlaktes mit einer Stellungnahme zur Beschwerde dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit vorzulegen."

              III. Erwägungen

              1. Prozessvoraussetzungen

              1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof u.a. über Anfechtungen von Wahlen zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen beruflichen Vertretungen.

              Unter dem Begriff "gesetzliche berufliche

Vertretungen" sind organisatorische Einrichtungen zur Wahrung der Interessen der durch eine gleichgerichtete und gleichgeartete Berufsausübung zusammengeschlossenen Personengruppen zu verstehen, die durch ein Gesetz im materiellen Sinn eingerichtet sind (VfSlg. 4584/1963). Unter Hinweis auf die die beruflichen Vertretungen betreffenden Kompetenzbestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 6751/1972 ausgesprochen, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber unter diesem Begriff Vertretungen von Personen versteht, die selbständig oder unselbständig eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben; die Wirtschaftskammer ist eine solche gesetzliche berufliche Vertretung (vgl. VfSlg. 16.164/2001).

              Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis

VfSlg. 19.573/2011 ausgesprochen hat, hängt die Besetzung satzungsgebender Organe der Wirtschaftskammer indirekt vom Ergebnis der Urwahlen in die Fachgruppenausschüsse ab; nur die Wahl zum Fachgruppenausschuss ist demnach nach Art141 B-VG anfechtbar. Die Anfechtung von Wahlen in die Fachgruppenausschüsse gemäß Art141 Abs1 lita letzter Fall B-VG ist daher zulässig (vgl. auch VfSlg. 19.474/2011).

              1.2. Nach §67 Abs2 VfGG sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge vorgelegt haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hängt die Anfechtungslegitimation, soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlages das Ergebnis der Wahlanfechtung mitbestimmen kann, nicht zusätzlich davon ab, ob dieser Vorschlag rechtswirksam eingebracht wurde. Wählergruppen, deren Wahlvorschläge als nicht eingebracht erklärt oder als unzulässig zurückgewiesen wurden, steht es folglich frei, diesen Teilakt des Wahlverfahrens im Weg einer Wahlanfechtung gemäß Art141 B-VG mit der Behauptung zu bekämpfen, dass die (ihre Vorschläge behandelnde) Entscheidung der Wahlbehörde rechtswidrig ergangen sei. Halten diese Vorwürfe im verfassungsgerichtlichen Wahlanfechtungsverfahren nicht stand, sind die - von der Teilnahme an der Wahl rechtmäßig ausgeschlossenen - Wählergruppen darüber hinaus zur Anfechtung der Wahl nicht befugt (vgl. VfSlg. 11.995/1989 mwH).

              1.3. Nach §68 Abs1 VfGG muss die Wahlanfechtung von der gemäß §67 Abs2 leg.cit. antragsberechtigten Wählergruppe binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

              §98 WKG sieht einen solchen Instanzenzug - nämlich den Einspruch gegen die Ermittlung und das Wahlergebnis - iSd §68 Abs1 VfGG vor. Dieser muss gemäß §98 Abs1 WKG für jede Fachgruppe oder Fachvertretung gesondert eingebracht werden und binnen einer Woche nach Verlautbarung des endgültigen Wahlergebnisses bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Wurden wesentliche Bestimmungen über das Wahlverfahren verletzt, bei deren Beachtung das Wahlergebnis voraussichtlich ein anderes gewesen wäre, hat die Hauptwahlkommission die Wahl für ungültig zu erklären und eine neue Wahl auszuschreiben (§98 Abs3 leg.cit.); gegen die Abweisung des Einspruches steht das Rechtsmittel der Beschwerde an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend offen (§98 Abs4 leg.cit.).

              Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Anfechtungsfrist im Sinne des §68 Abs1 zweiter Teilsatz VfGG ist demnach die Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides. Der Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 22. Juli 2012 wurde der Anfechtungswerberin am 26. Juli 2012 zugestellt; die am 22. August 2012 zur Post gegebene Anfechtung wurde daher rechtzeitig eingebracht.

              1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die vorliegende Anfechtung - soweit sie sich gegen die Nichtveröffentlichung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin wendet - zulässig.

              2. In der Sache

              Gemäß Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann die Wahlanfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat er das Wahlverfahren nur in den Grenzen der - in der Anfechtungsschrift - behaupteten Rechtswidrigkeit zu prüfen; es ist ihm verwehrt, darüber hinaus die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl. zB VfSlg. 15.033/1997, 15.645/1999 mwN, 17.610/2005).

              2.1. Die Anfechtungswerberin führt als

Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens u.a. ins Treffen, dass ihr Wahlvorschlag in rechtswidrigerweise nicht zur Wahl zugelassen worden sei, weil der Bewerber Alfred L. - ohne Durchführung eines Verfahrens gemäß §88 Abs5 WKG - wegen Doppelkandidatur vom Wahlvorschlag gestrichen worden sei.

              Die behauptete Rechtswidrigkeit in Bezug auf die Streichung eines Bewerbers wegen Doppelkandidatur durch Nichtdurchführung eines Verfahrens gemäß §88 Abs5 WKG könnte im vorliegenden Fall jedoch - läge sie auch tatsächlich vor - nichts an der Unzulässigkeit des Wahlvorschlages ändern (vgl. auch VfSlg. 19.345/2011), weil die Nichtzulassung von der Wahlbehörde nicht nur auf das Fehlen eines wählbaren Bewerbers auf dem Wahlvorschlag, sondern darüber hinaus auch auf das Fehlen der erforderlichen Zahl von Unterstützungserklärungen gestützt wurde. Das Fehlen ausreichender Unterstützungserklärungen führt für sich schon zur Nichtzulassung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin (§89 Abs2 WKG). Diese hat in der vorliegenden Anfechtungsschrift nicht behauptet, dass auch die Nichtzulassung des Wahlvorschlages wegen des Fehlens ausreichender Unterstützungserklärungen rechtswidrig erfolgt wäre; dem Verfassungsgerichtshof ist es aber verwehrt, über das Anfechtungsvorbringen hinaus die Gesetzmäßigkeit des Wahlverfahrens von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl. zB VfSlg. 15.033/1997, 15.645/1999 mwN), sodass die Unterlassung der Kundmachung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin durch die Hauptwahlkommission im Ergebnis nicht rechtswidrig erfolgte.

              2.2. Auch das Vorbringen der Anfechtungswerberin - soweit es sich überhaupt auf das Verfahren betreffend die Nichtzulassung des Wahlvorschlages bezieht -, dass ihr die Akteneinsicht rechtswidrig verweigert worden wäre, geht ins Leere: Aus den Wahlakten ergibt sich, dass der Anfechtungswerberin (im Verfahren vor dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) mehrmals Akteneinsicht gewährt und lediglich die Einsicht in bestimmte Aktenteile verweigert wurde. Ein (über die Einsicht in die Niederschrift der Wahl- und Hauptwahlkommission gemäß §19 Abs1 WKWO hinausgehendes) Recht auf Akteneinsicht ist aber im Hinblick auf die Urwahlen in die Ausschüsse der Fachgruppen der Wirtschaftskammern nicht vorgesehen (vgl. auch VfSlg. 15.033/1997); auch aus anderen Verfahrensbestimmungen kann ein solches für den vorliegenden Fall nicht abgeleitet werden: Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 13.420/1993 ausgesprochen hat, findet das AVG in Wahlangelegenheiten nach ArtII Abs6 Z2 (jetzt: Art1 Abs4 Z4) EGVG keine Anwendung. Zwar sind in einem solchen Verfahren die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsätze heranzuziehen, jedoch ist zu bemerken, dass auch das AVG kein unbeschränktes Recht auf Akteneinsicht vorsieht. Im vorliegenden Fall kann daher schon im Hinblick auf die tatsächlich gewährte Akteneinsicht (vgl. auch VfSlg. 17.643/2005) - von der im hier relevanten Zusammenhang nur die Zustimmungs- und Unterstützungserklärungen der Kandidaten der anderen Wählergruppen ausgenommen waren - in Bezug auf die Prüfung des eigenen Wahlvorschlages eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens nicht erblickt werden.

              2.3. Im Hinblick auf die unter Punkt III.1.2.

zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach eine Wählergruppe, deren Wahlvorschlag zu Recht nicht zugelassen wurde, nicht zur Anfechtung des weiteren Wahlverfahrens befugt ist, ist auf die weiteren Behauptungen der Anfechtungswerberin nicht einzugehen.

              IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

              1. Der Wahlanfechtung ist daher, soweit sie sich

gegen die Nichtveröffentlichung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin wendet, nicht stattzugeben.

              2. Im Übrigen ist die Wahlanfechtung als unzulässig zurückzuweisen.

              3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, berufliche Vertretungen, Wirtschaftskammern, Wahlvorschlag, Wahlanfechtung administrative, Verwaltungsverfahren, Anwendbarkeit AVG, Akteneinsicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:WI4.2012

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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