Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Kundegraber über die Beschwerde des J M, geb. am, vertreten durch Dr. H E, Rechtsanwalt in W, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:
Die Beschwerde über die Amtshandlung am 11. September 2012 wird als unzulässig zurückgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
§§ 67a Abs 1 Z 2, 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), §§ 106, 153 Strafprozessordnung (StPO)
I. In der Beschwerde vom 01. Oktober 2012 wurde Nachfolgendes vorgebracht:
Am 07.09.2012 ordnet die Staatsanwaltschaft Wien im Verfahren 608 St 1/08w die Vorführung zur sofortigen Vernehmung des Beschwerdeführers aus R, Neubau, nach Wien zum Sitz der Staatsanwaltschaft Wien im Gebäude des Landesgerichtes für Strafsachen Wien an. Es handelte sich bei der vorgenannten Adresse um den Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers.
Beweis beiliegende Anordnung der STA Wien vom 07.09.2012.
Gegen die vorgenannte Anordnung der Vorführung zur sofortigen Vernehmung gem. § 153 Abs. 3 StPO hat der Beschwerdeführer bei der Staatsanwaltschaft Wien bzw. beim Landesgericht für Strafsachen Wien Einspruch wegen Rechtsverletzung am 21.09.2012 erhoben.
Beweis beiliegende Eingaben an die StA Wien bzw. das Landesgericht für Strafsachen, Wien jeweils vom 21.09.2012
Mit gegenständlicher, innerhalb offener Frist erhobenen
Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat wird inkriminiert die überzogene, kostenaufwendige und letztlich gesetzwidrige Durchführung dieser Maßnahme und wird kritisiert die Art und Weise der Amtshandlung.
Das L N ordnete nämlich an, daß die einfache ihr durch die Staatsanwaltschaft Wien aufgetragene Amtshandlung, also das einfache, schlichte Abholen des Beschwerdeführers von seinem Hauptwohnsitz in der Steiermark, zu einer Vernehmung nach W durch vier Dienstfahrzeuge (!) mit insgesamt acht (!) Kriminalbeamten durchzuführen sei, was in der Folge auch geschehen ist.
Diese Anordnung war nicht bloß unverständlich, in ihrer tatsächlichen Ausübung auch rechtswidrig.
Auch wenn das L N der Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien Folge zu leisten hat, so ist dies nicht dadurch gedeckt, diese Anordnung in Form einer Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzuführen.
Für das Abholen eines Beschuldigten, aus einem steirischen Dorf, wäre ein Fahrzeug mehr als ausreichend gewesen. Dies umso mehr, als es sich beim Beschwerdeführer um eine bekannte Persönlichkeit handelt, bei deren Abholung mit überhaupt keinen Problemen zu rechnen war. Man gewinnt daher den Eindruck, dass der überdimensionierte Geleitschutz, der der Vorführung zu Teil wurde, ausschließlich mit der Person des Beschuldigten in Zusammenhang stand.
Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien zur selben Zeit auch weitere Personen zu Vernehmungen vorgeführt wurden, von denen keine einzige von einer derart großen Zahl von Kraftfahrzeugen und Kriminalbeamten geleitet wurde. Dies ist auch zweifellos damit zu erklären, dass neben der nun kritisierten (Durchführung in Art und Weise) sofortigen Vorführung parallel angeordnet wurden Observation und optische Überwachung der betroffenen Personen, sohin auch des Beschwerdeführers im Zeitraum 03.09.2012, 8.00 Uhr bis 11.09.2012, 12.00 Uhr.
Die Behörde war daher jederzeit über den Aufenthalt des Beschwerdeführers informiert, sodass noch einmal vorgebracht, das Entsenden eines Kriminalbeamten zur Aushändigung der Ladung vollauf genügt hätte.
Beweis beiliegende Anordnung der Observation vom 29.08.2012 beiliegende Anordnung einer optischen Überwachung vom 29.08.2012; beiliegender Artikel F vom 28.9.2012
Wegen der ungewöhnlichen und auffälligen Überdimensionierung der Vorführung erfolgte am 13.9.2012 eine Anfrage des Beschwerdeführers beim Landespolizeidirektor von Niederösterreich. Für ihn antwortete am 18.9.2012 ChefInsp. Ro B, der ausführte, dass die vom L N gewählte Form der Vorführung zur Sicherheit der Amtshandlung bzw. zur Abschirmung gegen Einwirkungen von außen für notwendig erachtet worden sei
Beweis beiliegendes Schreiben des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 13.09.2012, beiliegendes Schreiben vom 18.09.2012 der belangten Behörde.
Diese Antwort lässt objektiv betrachtet, wenn man sie zwischen den Zeilen zu lesen versteht, unschwer erkennen, dass man bei der Polizei um eine verständliche Rechtfertigung für das polizeiliche Vorgehen verlegen ist. Denn die Behauptung, man habe Einwirkungen von außen befürchtet, ist gelinde gesagt absurd und nicht ernst zu nehmen. Dass man damit gerechnet habe, dass empörte Dorfbewohner die Abholung des Beschwerdeführers gewaltsam verhindern hätten wollen (ironisch gemeint), entbehrt jedoch jeder sachlichen Grundlage. Für die Erwartung eines Eingriffes von außen in die Amtshandlung hätte es in Wahrheit eines sachlichen Substrates bedurft, das eine so weitreichende Entscheidung legitimieren hätte können.
So handelt es sich in Wahrheit um eine durch Verschwendung von Ressourcen, staatlichen Mitteln und der Arbeitszeit von ohnedies überlasteten Kriminalbeamten (Einsatz St. P nach R, Fahrt zur Vernehmung nach W und Rückkehr zur Dienststelle nach St. P) geprägte unverhältnismäßige Durchführung dieser Anordnung zum Nachteil des Beschwerdeführers. Denn die von ChefInsp. Ro B kalmierend verwendete Phrase, dass durch Verzicht auf Uniformen ohnedies schonend gegen den Beschwerdeführer vorgegangen worden sei, wird durch den auffälligen Konvoi von vier Dienstfahrzeugen mehr als in ihr Gegenteil verwandelt. Diese unnötige Auffälligkeit wurde noch verstärkt in einer für den Beschwerdeführer belastenden Art, als die einschreitenden Kriminalbeamten nicht einmal den Versuch unternahmen, diskret vorzugehen. Stundenlanges auffälliges Observieren (Einkaufen von Wurstsemmeln beim Sp) muss bei den Bewohnern von Pö den negativen Eindruck hinterlassen haben Aha, den J M holen sie. Es muss der belangten Behörde bewusst gewesen sein, dass sämtliche Bewohner von Pö den seit Jahrzehnten dort wohnhaften Beschwerdeführer kennen und natürlich auch über das anhängige Strafverfahren im Rahmen seiner Publizität informiert sind. Die Vorführung erfolgte in einer Art und Weise (unabhängig davon, dass die Ladung im Wohnhaus übergeben wurde) als handle es sich beim Beschwerdeführer um einen Schwerverbrecher oder Terroristen oder sonst einer dunklen Person.
Es wurde beantragt der Beschwerde Folge zu geben und festzustellen, dass der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Schutz des Privatlebens, seiner Ehre und seines Ansehens und persönlichen Rufs verletzt wurde (Art 8 Abs 1 EMRK) und ein Antrag auf Kostenersatz gestellt.
Beigegeben wurde die Anordnung der Vorführung zur sofortigen Vernehmung der Staatsanwaltschaft Wien vom 07. September 2012, GZ: 608 St 1/08w, die Anordnung der Observation der Staatsanwaltschaft Wien vom 29. August 2012, GZ: 608 St 1/08w für den Zeitraum 03.09.2012, 08.00 Uhr bis 11.09.2012, 12.00 Uhr sowie die Anordnung einer optischen Überwachung von Personen der Staatsanwaltschaft Wien vom 29. August 2012 (Bewilligungsbeschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. August 2012) GZ: 608 St 1/08w, sämtliche Anordnungen gerichtet an das Landeskriminalamt N EB 4 - Soko M. Zudem der Einspruch gegen die Anordnung der Maßnahme zur Vorführung vom 07.09.2012, GZ: E1/3152/11, zwecks sofortiger Einvernahme an die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 17. September 2012 mit dem Antrag die Vorführung zur sofortigen Einvernahme am 11. September 2012 von R nach W als nicht gesetzmäßig und Verletzung des § 153 Abs 3 StPO festzustellen. Des Weiteren ein Schreiben des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers an das L N vom 13. September 2012 über die Vorgangsweise bei der Vorführung zur Vernehmung am 11. September 2012 von Seiten der Polizei, das Antwortschreiben des Landespolizeidirektors der Landespolizeidirektion N vom 18. September 2012 an den Rechtsvertreter, der den Polizeieinsatz zur Sicherung der Amtshandlung, d.h. auch zur Abschirmung gegen Einwirkungen von außen, für notwendig erachtet und ein Artikel aus der Zeitschrift F vom 28. September 2012.
II. Auf die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung konnte im Sinne des § 67d Abs 2 Z 3 AVG verzichtet werden, da der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark von dem in der Beschwerde geschilderten Sachverhalt bei der Beurteilung ausgeht.
III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes:
1.)
Die Beschwerde, dass durch die überzogene, kostenaufwendige und letztlich gesetzwidrige Durchführung der Vorführung am 11. September 2012 von R nach W zur Staatsanwaltschaft der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Schutz des Privatlebens, der Ehre und seines Ansehens und des persönlichen Rufes verletzt wurde, langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 08. Oktober 2012 (Poststempel 04. Oktober 2012) ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Amtshandlung am 11. September 2012 gegeben, da die Amtshandlung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ihren Ausgang nahm, da der Beschwerdeführer zwecks Vorführung zur sofortigen Vernehmung in R festgenommen wurde, auch wenn letztendlich die Amtshandlung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien endete.
2.)
Gemäß § 67a Z 2 AVG iVm § 129a Abs 2 B-VG entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Aus dem Akteninhalt geht hervor, dass die Amtshandlung gegen den Beschwerdeführer ausschließlich wegen des Verdachtes einer gerichtlich strafbaren Handlung nach den §§ 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall; 15, 156 Abs 1 und 2 StGB (Untreue und betrügerische Krida) erfolgte. Durchgeführt wurde die Anordnung zur sofortigen Vernehmung von Beamten der Landespolizeidirektion N aufgrund der Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien vom 07. September 2012.
§ 153 Abs 3 StPO normiert, dass die Staatsanwaltschaft, in den Fällen der §§ 104, 105 und 107 das Gericht, die Vorführung des Beschuldigten zur sofortigen Vernehmung anordnen kann, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der Beschuldigte sich andernfalls dem Verfahren entziehen oder Beweismittel beeinträchtigen werde. Wenn ein solche Anordnung wegen Gefahr in Verzug nicht eingeholt werden kann oder wenn der Beschuldigte auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt wird oder mit Gegenständen betreten wird, die auf seine Beteiligung an der Tat hinweisen, kann die Kriminalpolizei ihn von sich aus vorführen.
Im konkreten Fall stützt sich die Anordnung der Vorführung unzweifelhaft auf den ersten Satz des § 153 Abs 3 StPO.
§ 106 Abs 1 Z 2 StPO normiert das Recht, Einspruch an das Gericht zu erheben, wer behauptet, im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde. Eine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt nicht vor, soweit das Gesetz von einer bindenden Regelung des Verhaltens von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei absieht und von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde.
Wie bereits - oben ausgeführt - gründet sich die Vorführung des Beschwerdeführers auf § 153 Abs 3 erster Satz StPO und wurde auch dagegen im Sinne des § 106 Abs 3 StPO Einspruch bei der Staatsanwaltschaft Wien bzw. beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 21. September 2012 erhoben. Sofern der Beschwerdeführer eine Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme darin sieht, dass er durch vier Dienstfahrzeuge (!) mit insgesamt acht (!) Kriminalbeamten zu seiner Vernehmung nach W gebracht wurde (überzogene kostenaufwendige und letztlich gesetzwidrige Durchführung) wäre dies im Rahmen des Verfahrens nach § 106 StPO zu prüfen (§ 5 Abs 2 StPO Gesetz- und Verhältnismäßigkeit). Der Beschwerdeführer macht die Verletzung von subjektiven Rechten, nämlich dem Recht auf Schutz des Privatlebens, der Ehre und des Ansehens und des persönlichen Rufes durch die unverhältnismäßige Durchführung der Maßnahme geltend und wäre daher die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 5 StPO) im Verfahren nach § 106 StPO zu überprüfen. Eine eigenmächtige Durchführung der Maßnahme von Seiten der Sicherheitsbehörde bzw. im Exzess der Maßnahme wird selbst in der Beschwerde nicht behauptet, wobei angemerkt wird, dass die Art und Weise der Durchführung der Maßnahme aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat darstellt. Es liegt nicht im Kompetenzbereich des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark festzustellen, ob die Vorführung des Beschwerdeführers durch 8 Kriminalbeamte, unter Verwendung von 4 Dienstkraftfahrzeugen überzogen und zu kostenaufwändig war.
Der Verfassungsgerichtshof hat in der Entscheidung vom 01. März 2003 erkannt, dass die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates dann nicht gegeben ist, wenn eine alternative Instanz dazu vorgesehen ist (VfSlg 16.815/2003). Der Verwaltungsgerichtshof erkannte in seiner Entscheidung vom 29. Juni 1992, dass die Regelungen über Maßnahmenbeschwerden nur zur Schließung einer Lücke im Rechtschutzsystem dienen, keinesfalls aber dadurch die Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und derselben Rechte eröffnet wird (VwGH 29.06.1992, 91/15/147). Die Maßnahmenbeschwerde stellt nämlich einen bloß subsidiären Rechtsbehelf dar, der nur insoweit zum Tragen kommt, soweit ein Rechtschutz nicht durch sonstige Rechtsmittel erreicht werden kann (Juristische Blätter, 7. Heft, Juli 2008, S415, Universitätsassistent Dr. Daniel Ennöckl).
Die Beschwerde war daher a limine als unzulässig zurückzuweisen, da beim Unabhängigen Verwaltungssenat keine Entscheidungskompetenz zukommt, die Art und Weise einer Anordnung der Vorführung zur sofortigen Vernehmung gemäß § 153 Abs 3 erster Satz StPO durch Polizeiorgane zu überprüfen.