Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung der Nachbarin S. H., XY-Straße 70, T., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 5.12.2012, 2.1-631/46 (BA-260-2012) betreffend die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung gemäß §§ 81 ff Gewerbeordnung 1994 für diverse Änderungen an der bestehenden Betriebsanlage ?Autohaus K.? im Anwesen XY-Straße 71, T., Gpn XY, XY und XY alle KG T. gemäß § 66 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wie folgt:
Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Landeck zurückverwiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antragstellerin die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung gemäß §§ 81 ff Gewerbeordnung 1994 für diverse Änderungen an der bestehenden Betriebsanlage ?Autohaus K.? im Anwesen XY-Straße 71, T., Gpn XY, XY und XY alle KG T. erteilt.
Für das gegenständliche Berufungsverfahren von Bedeutung ist hier der Zubau einer Waschhalle im südöstlichen Grundstücksbereich. Diese Waschhalle hat lt Betriebsbeschreibung (hier ist jene unter Punkt 1.1., Bescheid Seite 6f maßgeblich) ein Ausmaß von 11m x 5,80m und soll an das bestehende Betriebsgebäude in Massivbauweise angebaut werden (tatsächlich besteht diese Waschhalle offenkundig bereits). Entgegen der ursprünglichen Einreichung soll die ostseitige Ausfahrt in Massivbauweise ohne Fensteröffnungen verschlossen werden. Die Öffnungszeiten der Waschhalle betragen 07:00 bis 22:00 Uhr.
In der vorliegenden Berufung wendet sich die Nachbarin S. H. gegen die Öffnungszeiten der Waschhalle. Argumentativ bring sie vor, für das Autohaus K. bestünden bereits vorgegebene Betriebszeiten, die auch für die neue Waschhalle gelten müssten. Weiters bringt sie vor, die ostseitige Zufahrt sei nach wie vor (sohin jedenfalls konsenslos!) in Betrieb. Außerdem ergäbe sich durch den Betrieb der Waschhalle eine störende Lichtquelle auf der Terrassen- und Gartenseite ihrer Grundparzelle Gp XY KG T. Wegen der zusätzlichen Lärm- und Emissionsbelastung werden daher die Einhaltung der bestehenden Betriebszeiten Montag bis Freitag und somit Ruhezeiten besonders an Wochenenden, Sonn- und Feiertage, wie in einem Wohn(misch)gebiet üblich, gefordert.
Beweis wurde aufgenommenen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Das gegenständliche Verwaltungsverfahren wurde mit Antrag der Autohaus K. GmbH und Co KG vom 6.8.2012 (Eingangsstempel der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 10.8.2012) eingeleitet. In diesem Projekt findet sich ua bei der geplanten Waschhalle (noch) eine ostseitige, mithin zur Berufungswerberin auf Gp XY KG T. gerichtete Ausfahrt (diese Waschhalle wurde offenkundig auch entgegen der baubehördlichen Bewilligung mit dieser Ausfahrt errichtet).
Mit Kundmachung vom 13.9.2012 wurde für dieses Projekt, mithin auch inklusive der ostseitigen Ausfahrt bei der Waschhalle, die mündliche Verhandlung für den 27.9.2012 ausgeschrieben.
Einem Aktenvermerk vom 19.9.2012 ist zu entnehmen, dass der Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft der Berufungswerberin und deren Mutter erklärt, er werde hinsichtlich der Lärmemission auch den Amtsarzt zur Verhandlung beiziehen.
In einer mit 23.9.2012 datierten und bei der Behörde am 24.9.2012 eingelangten Stellungnahme erhebt die Berufungswerberin in Bezug auf die geplante Waschhalle umfangreiche Einwendungen, sowohl was die ostseitige Ausfahrt, als auch die Betriebszeiten betrifft.
Bei der mündlichen Verhandlung am 27.9.2012 bringt der gewerbetechnische Sachverständige vor wie folgt: ?Aufgrund der vorliegenden Einreichunterlagen als auch der während eines Waschvorganges vorgenommenen Hörprobe auf der Grundparzelle der Nachbarin S. H., und zwar sowohl im südlichen Grundstückseck als auch auf der Terrasse des Wohnhauses, kann aus lärmtechnischer Sicht ausgesagt werden, dass der planungstechnische Grundsatz gemäß ÖAL Richtlinie Nr 3 derzeit nicht eingehalten ist. Es ist daher eine Projektergänzung durchzuführen, in welcher darauf eingegangen wird, inwieweit technische Maßnahmen zur Herstellung des planungstechnischen Grundsatzes bezogen auf die Nahbargrundparzelle vorgenommen werden.?
Der gewerbetechnische Sachverständige hat sohin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass das ursprünglich eingereichte Projekt nicht genehmigungsfähig war. Der Genehmigungswerber hat sohin in der Folge neue Projektunterlagen per 9.10.2012 eingereicht. Darin wurde in Bezug auf die hier interessierende Waschhalle va die ostseitige Abfahrt gestrichen und die Betriebszeiten mit täglich 07:00 Uhr bis 22:00 Uhr festgelegt (siehe diesbezüglich die E-Mail vom 16.10.2012).
Die Behörde I. Instanz ersuchte daraufhin mit Schreiben vom 16.10.2012 den gewerbetechnischen Sachverständigen, die neuen Projektunterlagen einer Prüfung zu unterziehen. Konkret wurde er ersucht bekanntzugeben, ob die Projektunterlagen im Sinne der in der Verhandlung vom 27.9.2012 erläuterten Notwendigkeiten ergänzt wurden, ob das geänderte Projekt aus Sicht des Sachverständigen genehmigungsfähig ist und ob allenfalls Auflagen erforderlich sind (insbesondere zu Öffnungs- und Sperrzeiten am Wochenende).
Dazu führte der gewerbetechnische Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 19.11.2012 aus, dass das nachgereichte Projekt grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Die in der Verhandlung vom 27.9.2012 angesprochenen Belange seien in dieses Projekt eingearbeitet worden, die Betriebszeiten der Waschhalle seien so wie in OZ 39 beschrieben von 7 bis 22 Uhr geplant. Weitere Ausführungen finden sich in dieser Stellungnahme nicht.
Einem handschriftlichen Aktenvermerk vom 22.11.2012 ist zu entnehmen, dass der gewerbetechnische Sachverständige nochmals um ergänzende Stellungnahme ersucht wurde, ob aus seiner Sicht bzw aus Sicht des Nachbarschutzes nunmehr das gesamte Einreichprojekt in der derzeitigen Form trotz der Nachbareinwendungen genehmigungsfähig sei. Diese Anfrage beantwortete der gewerbetechnische Sachverständige mit Vermerk vom 4.12.2012 dahingehend, dass aus gewerbetechnischer Sicht die Genehmigungsfähigkeit selbstverständlich auch für das nun vorliegende Gesamtprojekt bestehe. Mit Datum 5.12.2012 erging der nunmehr angefochtene Bescheid.
Die Berufungswerberin hat konkrete Einwendungen wegen Lärmbelästigung (sowohl was die ostseitige Abfahrt als auch was die geplanten Betriebszeiten der Waschhalle betrifft) vorgebracht (erstmals in der Berufung werden hingegen störende Lichtquellen eingewendet, diesbezüglich ist nach der Aktenlage von einer Präklusion auszugehen). Der gewerbetechnische Sachverständige ist in der mündlichen Verhandlung vom 27.9.2012 davon ausgegangen, dass das Projekt nicht genehmigungsfähig sei, zumal der planungstechnische Grundsatz nach ÖAL Nr 3 nicht eingehalten sei.
In weiterer Folge ist seine einzige Äußerung jene, dass das nachgereichte Projekt genehmigungsfähig sei, zumal die in der Verhandlung vom 27.9.2012 angesprochenen Belange eingearbeitet worden seien. Nicht einmal ansatzweise wird dargelegt, welche Belange eingearbeitet wurden und warum das Projekt nunmehr als genehmigungsfähig anzusehen sei. Auch finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die für die Waschhalle projektierte Betriebszeit von täglich 07.00 Uhr bis 22.00 Uhr zu keinen (unzumutbaren) Belästigungen führt. Dazu fehlen auch ausdrückliche Feststellungen, von welcher genehmigten Betriebszeit die Behörde für den bestehenden Betrieb ausgeht.
Die zitierte Stellungnahme des gewerbetechnischen Sachverständigen vom 19.11.2012 samt rudimentärer Ergänzung vom 4.12.2012 genügt nun nicht ansatzweise den an ein gewerbetechnisches Gutachten zu stellenden Anforderungen. Der Sachverständige hat sich nämlich für den Rechtsunterworfenen (hier beschwerdeführenden Nachbarn) in nachvollziehbarer Art und Weise mit den an ihn gestellten Fragen auseinanderzusetzen und zunächst in den Befundangaben jene Umstände anzuführen, die für sein nachfolgendes Gutachten von Relevanz sind. Im Gutachten im engeren Sinne hat er dann die entsprechenden Schlüsse zu ziehen, hier va darzulegen, mit welchen Lärmemissionen durch die geplante Anlage zu rechnen ist. Aufbauend auf dieses Gutachten hat dann der medizinische Sachverständige (ein solcher wurde jedoch schlussendlich nicht beigezogen) sein Gutachten abzugeben und darin auszuführen, ob aufgrund der festgestellten Emissionen eine Gesundheitsgefährdung bzw welche Art von Belästigungen bei den Nachbarn zu erwarten sind (vgl im Einzelnen dazu Stolzlechner/Wendl/Bergthaler (Hrsg), Die gewerbliche Betriebsanlage3, 2008, RZ 107). Der VwGH hat exemplarisch im Erkenntnis vom 11.12.2009, 2007/04/0168 ausgeführt wie folgt: ?Während sich der gewerbetechnische Sachverständige über die Art und das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen zu äußern hat, ist es Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen, die Auswirkungen der Emissionen auf die Nachbarschaft zu beurteilen. Dabei gehört es grundsätzlich zu den Aufgaben des gewerbetechnischen Sachverständigen, sich in einer die Schlüssigkeitsprüfung ermöglichenden Weise nicht nur über das Ausmaß, sondern auch über die Art der zu erwartenden Immissionen zu äußern und in diesem Zusammenhang darzulegen, ob und gegebenenfalls welche Eigenart einem Geräusch (zB Impulscharakter, besondere Frequenzzusammensetzung, Informationshältigkeit) unabhängig von seiner Lautstärke anhaftet. Demgegenüber hat der ärztliche Sachverständige auch dann, wenn hinsichtlich der Klangcharakteristik subjektive Wahrnehmungen von Bedeutung sein können, vor allem von den objektiven durch den gewerbetechnischen Sachverständigen in seinem Gutachten aufgenommenen Beweisen auszugehen?.).
Sollte bereits der gewerbetechnische Sachverständige in seinem Gutachten zum Ergebnis kommen, die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse würden sich durch die projektierten Änderungen nicht verändern und sich (seiner Einschätzung nach) aus diesem Grund die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen erübrigen, wäre dies entsprechend gutachterlich zu belegen. In diesem Zusammenhang wäre insbesondere genau darzulegen, warum der planungstechnische Grundsatz nach der lärmtechnischen Norm ÖAL Nr 3 (hier wäre auch die konkrete Ausgabe zu zitieren) im konkreten Einzelfall eingehalten ist (die lapidare Aussage, dieser Grundsatz sei eingehalten, genügt keinesfalls) und wie eine entsprechende Aussage im Hinblick auf die Genehmigungskriterien des § 77 Abs 1 GewO 1994 und hier va auf das Beurteilungskriterium ?Änderung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse? umgelegt werden kann (vgl in diesem Sinne VwGH 12.07.1994 92/04/0067, 24.10.2001, 98/04/0181).
Zusammenfassend steht daher fest, dass ungeachtet der konkreten Einwendungen der Nachbarin H. zum Thema Lärmbelästigung eine nachvollziehbare Auseinandersetzung des gewerbetechnischen Sachverständigen mit diesem Thema nicht einmal im Ansatz erfolgte. Seine einzige Aussage dazu bestand darin, dass das Projekt genehmigungsfähig sei.
Nach § 66 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Es ist nun nach Ansicht der Berufungsbehörde erforderlich, unter Heranziehung eines gewerbetechnischen (und allenfalls eines medizinischen, siehe dazu die Ausführungen oben) Sachverständigen im Hinblick auf die konkreten Einwendungen der Nachbarin H. die Frage der Lärmbelästigung einer eingehenden gutachterlichen Überprüfung zu unterziehen. Hiebei ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unbedingt erforderlich, um vor Ort, allenfalls unter Durchführung einer nachvollziehbaren und dokumentierten Hörprobe durch den Amtsarzt, im Beisein jedenfalls der beschwerdeführenden Nachbarin H. und des Antragstellers im Zuge einer kontradiktatorischen Auseinandersetzung mit den widerstreitenden Interessen eine sachgerechte Lösung zu finden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Aus prozessökonomischen Gründen wird seitens des UVS-Tirol angeführt, dass in einem Genehmigungsbescheid unter ?Technischer Beschreibung? nur jene Teile des Projekts aufzunehmen sind, die schlussendlich tatsächlich einer Genehmigung zugeführt werden. Die hier gewählte Vorgangsweise, zunächst über einige Seiten praktisch überholte technische Parameter anzuführen, um dann schlussendlich in einer eigenen Rubrik daraufhin zu weisen, dass diese durch eine nunmehr angeführte Änderung überholt sind, führt zu einer völligen Unübersichtlichkeit und auch Verwirrung (va der Nachbarn). Wie bereits oben angeführt, wird sich die Behörde I. Instanz auch mit der Frage auseinander zu setzen haben, von welcher Betriebszeit beim Bestand auszugehen ist. Weiters finden sich bei den Projektunterlagen zahlreiche Pläne ohne jeden Eingangsvermerk und kann sohin nur vermutet werden, dass es sich dabei um die geänderten Pläne (eingelangt am 9.10.2012?) handelt. Weiters ist aufgefallen, dass nach der, wie oben dargelegt unzureichenden, ergänzenden Beurteilung durch den gewerbetechnischen Sachverständige keinerlei Parteiengehör mit der Nachbarin durchgeführt wurde, sondern unmittelbar darauf der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde. Dies stellt selbstredend einen schwerwiegenden verfahrensrechtlichen Fehler dar. Für das fortgesetzte Verfahren ist daher der Grundsatz des Parteiengehörs unbedingt zu beachten.