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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §2 Abs2 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des CS in P, vertreten durch Dr. Julia Ecker, Mag. Wilfried Embacher und Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland vom 1. Juni 2011, Zl. K 019/15/2010.048/011, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des AuslBG (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe die näher bezeichneten ungarischen Staatsangehörigen T.B., A.F., AJ.F. und Z.V. (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) am 1. Februar 2010 beschäftigt, obwohl für diese Personen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen oder Bestätigungen ausgestellt gewesen sei. Die ungarischen Staatsangehörigen seien von Beamten der KIAB am 1. Februar 2010 um 11:20 Uhr auf der Baustelle in M., bei Umbauarbeiten am ehemaligen P. in M. arbeitend (Trockenbauarbeiten) angetroffen worden (als Tatort führte die belangte Behörde den Sitz des Unternehmens des Beschwerdeführers an).
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AuslBG verletzt. Über den Beschwerdeführer wurden vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen: zu jeweils 70 Stunden) verhängt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer einen Malerbetrieb in P führe. Er habe den Auftrag zur Herstellung des Trockenausbaus auf der Baustelle in M., ehemaliges P. (in weiterer Folge als "Baustelle" bezeichnet) erhalten. Bei einer Kontrolle nach dem AuslBG am 1. Februar 2010 seien die ungarischen Staatsbürger T.B., A.F., AJ. F. und Z.V. auf dieser Baustelle des Beschwerdeführers bei Trockenbauarbeiten angetroffen worden. Es seien keine für eine Beschäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorgelegen.
Die Ungarn hätten Trockenbauarbeiten im Innenbereich zu erledigen gehabt, zu welchen die Errichtung von Vorsatzschalen, Feuerschutzverkleidungen, Ständerwänden, der Türzargeneinbau sowie die Errichtung der Decke gehört hätten. Mit der Durchführung der ebenfalls zu den Trockenbauarbeiten gehörenden Verspachtelungsarbeiten seien sie nicht beauftragt gewesen.
Für die Baustelle seien bezüglich der Trockenbauarbeiten vom Beschwerdeführer mehrere schriftliche Verträge mit jeweils verschiedenen Auftragnehmern abgeschlossen worden, nämlich: Vier Rahmenvereinbarungen vom 24. Oktober 2009, die mit Z.V., A.F., AJ.F. und T.B. jeweils einzeln abgeschlossen worden seien und in welchen als Vertragsgegenstand jeweils "Trockenbauarbeiten" beim Bauvorhaben "Mattersburg, P." vereinbart gewesen sei und schließlich eine Rahmenvereinbarung ebenfalls vom 24. Oktober 2009, abgeschlossen mit 1. A.F., 2. AJ.F., 3. T.B. und
4. Z.V., in welcher als Vertragsgegenstand "Trockenbauarbeiten im 3. OG
Umfang:
GK-Decke mit Dämmung ca. 350 m2
GK. Decke ohne Dämmung
Vorsatzwand ca. 700 m2
GK-Trennwände ca. 300 m2
Arbeitsbeginn ab: KW 43/2009
Fertigstellungstermin: KW 12/2010"
beim Bauvorhaben "M., P." vereinbart gewesen sei. Für die Arbeiten seien in der Rahmenvereinbarung jeweils Quadratmeterpreise vereinbart worden und zwar für eine GK-Decke mit Dämmung EUR 17,70/m2, für eine GK-Decke ohne Dämmung EUR 17/m2, für eine Vorsatzwand EUR 15/m2 und für Trennwände EUR 35/m2. Gemäß § 2 der genannten Rahmenvereinbarungen würden Einzelverträge zu Stande kommen, sobald der Auftraggeber den Auftrag zur Herstellung eines bestimmten Werkes erteilt und die Auftragnehmer die Auftragsannahme nicht binnen 24 Stunden ab Auftragserteilung schriftlich ablehnen würden. Gemäß § 15 der genannten Rahmenvereinbarungen seien die Auftragnehmer nicht berechtigt gewesen, Arbeitskräfte zu beschäftigen.
Die Ausländer hätten die Übernahme des Arbeitsauftrages verweigern können. Sie seien mit dem eigenen Fahrzeug auf die Baustelle gefahren und hätten weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld erhalten. Es habe keine fixen Arbeitszeiten gegeben, sondern lediglich Fertigstellungstermine. Die Ausländer seien im Besitz von ungarischen Gewerbescheinen und von ungarischen Unternehmensausweisen. Das Material habe vom Beschwerdeführer gestammt. Das verwendete Handwerkzeug habe den Ausländern gehört.
Die beiden in der Verhandlung vernommenen Zeugen (A.F. und Z.V.) seien auch schon vor der genannten Baustelle für den Beschwerdeführer tätig gewesen. Einer der Ungarn, nämlich A.F. habe für die geleistete Arbeit Rechnungen und zwar Pauschalrechnungen vor Fertigstellung der Arbeiten und eine Schlussrechnung gelegt. Die Ungarn hätten dann die Geldbeträge untereinander aufgeteilt. Den Ungarn sei vor Arbeitsbeginn entweder vom Beschwerdeführer oder von einem seiner Techniker gezeigt worden, was auf der Baustelle zu machen gewesen sei. Die Ungarn hätten vom Beschwerdeführer keine Arbeitsanweisungen erhalten, da es sich um Fachkräfte gehandelt habe. Ein Krankheitsfall oder Urlaub hätte dem Beschwerdeführer nicht gemeldet werden müssen. Den Ungarn sei kein Arbeitsgewand zur Verfügung gestellt worden. Sie hätten auch kein Kilometergeld erhalten. Sie hätten für Mängel laut ÖNORM haften sollen. Es sei nicht im Vorhinein festgestanden, welchen konkreten Teil jeder Ausländer herzustellen habe. Die Ungarn hätten sich die Arbeit untereinander aufgeteilt. Sie hätten interne Aufzeichnungen darüber geführt, wer von ihnen, welche Arbeiten gemacht habe. Die Arbeiten seien teilweise getrennt und teilweise gemeinsam durchgeführt worden, je nachdem, ob einer der Arbeiter physisch in der Lage gewesen sei, die Arbeiten alleine auszuführen oder nur zusammen mit den anderen Arbeitern. Die Arbeiten seien vom Beschwerdeführer zumindest sporadisch kontrolliert worden. Das Material sei vom Beschwerdeführer beigestellt worden.
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass von einer Beschäftigung der Ungarn in einem Unterordnungsverhältnis, in Form zumindest der Arbeitnehmerähnlichkeit auszugehen gewesen sei. Vor allem der Abschluss von Rahmenvereinbarungen, die darauf hindeuten würden, dass der Beschwerdeführer die ungarischen Staatsbürger immer wieder heranzuziehen beabsichtigt habe, wobei die Nichtannahme des Auftrages nicht der formlosen mündlichen Vereinbarung unterlegen sei, sondern einer schriftlichen Absage binnen 24 Stunden bedurft habe, die Leistung von Pauschalentgelten vor Erstellung der Schlussrechnung, die schon zuvor erfolgte Heranziehung der in der Verhandlung vernommenen Zeugen auf anderen Baustellen durch den Beschwerdeführer, die Beistellung des Materials durch den Beschwerdeführer, die persönliche Arbeitspflicht der ungarischen Staatsangehörigen (sie hätten nach den Bestimmungen der Rahmenvereinbarung keine Arbeitskräfte beschäftigen dürfen) und der Umstand, dass die Ausländer Arbeitsschritte in dem vom Beschwerdeführer herzustellenden Werk erbracht hätten und ihnen die jeweils zu erbringenden Arbeitsleistungen an Ort und Stelle gezeigt worden seien, sprächen sehr stark für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis. Der Umstand, dass die Ausländer keinen Weisungen unterworfen gewesen seien und sie nur sporadisch kontrolliert worden seien, füge sich in dieses Bild, zumal sich vorliegend die Erteilung von Weisungen bezüglich des arbeitsbezogenen Verhaltens weitgehend erübrigt habe, weil die Arbeitnehmer von sich aus gewusst hätten, wie sie sich bei ihrer Tätigkeit zu bewegen und zu verhalten gehabt hätten ("stille Autorität"). Ebenso falle nicht ausschlaggebend ins Gewicht, dass die Ausländer eigenes Werkzeug verwendet hätten, da es sich dabei nur um Handwerkzeug von untergeordneter Bedeutung gehandelt habe; Krankheitsfall oder Urlaub nicht gemeldet hätten werden müssen, die Ausländer auch nicht an fixe Arbeitszeiten gebunden gewesen seien, den Ungarn keine Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt worden sei, sie kein Kilometergelt erhalten hätten und sie für Mängel laut ÖNORM gehaftet hätten.
Die belangte Behörde legte im Weiteren ihre Strafbemessungsgründe dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer moniert, dass im gegenständlichen Fall ein deutliches Überwiegen der Merkmale einer selbständigen Tätigkeit gegenüber den Merkmalen einer unselbständigen oder arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit vorliege. Die belangte Behörde gehe auch in irriger Weise davon aus, dass im vorliegenden Fall kein abgrenzbares, unterscheidbares, gewährleistungstaugliches Werk vorgelegen sei.
Gegenständlich lässt sich weder den vorgelegten Rahmenvereinbarungen entnehmen, dass es sich bei der behaupteten Vergabe an die Ungarn um ein oder mehrere im Vorhinein bestimmte(s), abgrenzbare(s), unterscheidbare(s) "gewährleistungstaugliche(s)" Werk(e) gehandelt hätte, noch sind derartige Werke im Verwaltungsverfahren hervorgekommen. Der Beschwerdeführer wendet sich auch nicht gegen die Feststellung der belangten Behörde, dass die von den Ausländern "zu erbringenden Arbeitsleistungen an Ort und Stelle gezeigt" worden seien. Die Behauptung des Bestehens von Werkverträgen zwischen dem Beschwerdeführer und den betreffenden Ausländern entspricht nicht dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der ausgeübten Tätigkeit (vgl. auch die leistungsbezogene Entlohnung, zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 1. Juli 2010, Zl. 2010/09/0072, vom 14. Oktober 2011, Zl. 2009/09/0205, vom 22. März 2012, Zl. 2011/09/0089, sowie vom 15. Februar 2013, Zl. 2011/09/0009).
Im Ergebnis kann die auf ausreichenden Tatsachenfeststellungen beruhende Beurteilung der belangten Behörde, zwischen dem Beschwerdeführer und den Ungarn sei ein "arbeitnehmerähnliches" Beschäftigungsverhältnis (iS des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG) vorgelegen - schon im Hinblick auf die Umstände, dass die Ausländer schon vor Legung der Schlussrechnung während ihrer Tätigkeit für den Beschwerdeführer in Teilbeträgen, vom Beschwerdeführer nach geleisteten Quadratmetern entlohnt wurden, die Beistellung des Materials durch den Beschwerdeführer erfolgte, die Ausländer die Arbeiten persönlich zu erbringen hatten, die Ausländer zum Teil auch schon auf anderen Baustellen des Beschwerdeführers herangezogen wurden, der Beschwerdeführer die Arbeiten der Ausländer kontrolliert hat, die Ausländer im Zeitraum der Leistungserbringung an den Beschwerdeführer jedenfalls in der Verfügung über ihre Arbeitskraft insofern gehindert waren, diese anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen, die Ausländer über keine eigene nennenswerte unternehmerische Organisation noch über wesentliche Betriebsmittel verfügten, die Ungarn bei ihrer gegenständlich ausgeübten Tätigkeit letztlich nur über ihre eigene Arbeitskraft disponierten und sich der Gegenstand ihrer Leistungen offensichtlich vom Gegenstand der vom Unternehmen des Beschwerdeführers erbrachten Leistungen nicht unterschied -, nicht als rechtswidrig erkannt werden (zu den Kriterien der Qualifikation einer Tätigkeit als arbeitnehmerähnlich vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 2006, Zl. 2002/09/0187, vom 9. Oktober 2006, Zl. 2005/09/0074, vom 28. Februar 2012, Zl. 2009/09/0128, das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2012, Zl. 2010/09/0187, sowie die den Beschwerdeführer betreffenden - zu ähnlichen Sachverhaltskonstellationen ergangenen - Erkenntnisse vom 15. Februar 2013, Zl. 2011/09/0009, sowie vom heutigen Tag, Zl. 2011/09/0056. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse verwiesen).
Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch gegen die - vom Beschwerdeführer nicht bestrittene - Strafbemessung der belangten Behörde keine Bedenken.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. ebenfalls das Erkenntnis vom 15. Februar 2013).
Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 21. März 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2011090128.X00Im RIS seit
19.04.2013Zuletzt aktualisiert am
30.04.2013