D11 426742-1/2012/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter DDr. Markus GERHOLD als Vorsitzenden und den Richter MMag. Elie ROSEN als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. April 2012, FZ 11 12.732-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19. September 2012 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005, 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt und Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der kumykischen Volksgruppe, reiste - seinen Angaben zufolge - am 24.10.2011 gemeinsam mit seiner Ehefrau (Beschwerdeführerin zu D11 426743-1/2012) und seinen minderjährigen Kindern (Beschwerdeführer zu D11 426744-1/2012, D11 426745-1/2012 und D11426746-1/2012) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag unter Vorlage seines nationalen Führerscheins gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Bei der niederschriftlichen Erstbefragung durch ein Organ der Polizeiinspektion Traiskirchen am 24.10.2011 gab der Beschwerdeführer zunächst an, am 06.07.2011 gemeinsam mit seiner Familie XXXX (Tschetschenien) mit einem Taxi verlassen zu haben, wobei sie zunächst zu seinen Eltern nach XXXX und am gleichen Tag nach XXXX gefahren seien. Von dort seien sie via Kiew in weiterer Folge illegal nach Österreich eingereist. Seinen russischen Inlandsreisepass, den er bei der Ausreise bei sich gehabt habe, habe er im LKW vergessen. Ein Auslandsreisepass sei ihm niemals ausgestellt worden. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass er in seiner Heimat von Spezialeinheiten des Kadyrow oder russischen Spezialeinheiten verfolgt worden sei bzw. werde, weil er in die Moschee gegangen sei und einen Bart getragen habe. Am 06.07.2011 hätten sie ihn von zuhause abgeholt und sie hätten ihn sehr stark geschlagen. Sie hätten ihm vorgehalten, dass er ein Widerstandskämpfer sei. Aber dies entspreche nicht der Wahrheit. Im Zuge der Anhaltung hätten sie ihn über 2 Brüder seiner Gattin befragt. Sie hätten deren Aufenthaltsort in Erfahrung bringen wollen. Sie hätten ihm ferner vorgehalten, dass die Brüder seiner Gattin Widerstandskämpfer seien und dass sie sich in den Bergen aufhalten würden. Die Kadyrow-Leute bzw. die russischen Spezialeinheiten hätten ihm eine Zusammenarbeit angeboten. Er habe sogar eine SIM-Karte bekommen, damit er sie über den Aufenthaltsort der Brüder informieren könne. Sie hätten ihn so stark verprügelt, sodass es ihm sehr schlecht gegangen sei. Nach einem Tag hätten sie ihn vor seinem Haus aus dem Wagen geschmissen. Lösegeld sei nicht bezahlt worden. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben und um das Leben seiner Familie.
Im gegenständlichen Verfahren legte der Beschwerdeführer seinen nationalen Führerschein XXXX, ausgestellt am XXXX sowie seine Heiratsurkunde XXXX ausgestellt am XXXX vom Standesamt XXXX, vor.
I.3. Nach Zulassung seines Verfahrens gab der Beschwerdeführer im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme durch ein Organ des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, am 01.02.2012 im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch zunächst an, dass er zwar psychisch keine Probleme habe, aber an pulsierenden Augen und an Kopfschmerzen leide. Deshalb befinde er sich in Österreich auch in medizinischer Behandlung und er nehme ein Medikament ein. Ferner gehe er zu einem Urologen.
Daraufhin bestätigte der Beschwerdeführer den Wahrheitsgehalt seiner bisherigen Angaben in der Erstbefragung und erklärte hinsichtlich der Anhaltung, dass es dabei zu einem Missverständnis gekommen sei, zumal er am 06.07.2011 in der Früh abgeholt und noch am selben Tag abends wieder zurückgebracht worden sei. Noch am 06.07.2011 habe er mit seiner Familie seine Wohnadresse in XXXX verlassen.
Befragt gab der Beschwerdeführer zu seiner Person an, dass er am 18.08.1978 im Dorf XXXX, in Nordossetien gelegen, geboren worden sei. Im Jahr 1999 seien sie ins Dorf XXXX, heute XXXX, gezogen, wo er bis 2005 mit seiner Familie in seinem Elternhaus gelebt habe. Danach seien sie nach Tschetschenien gezogen, weil es dort sehr viel Arbeit im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau gegeben habe. Im Dorf XXXX habe er ein Haus von einer Frau gemietet, wo er bis zur Ausreise gelebt habe.
Seine Ehefrau habe er im Frühling 2005 kennengelernt, im Jahr 2006 hätten sie sich zur Heirat entschlossen.
Er gehöre der Volksgruppe der Kumyken an, aber er habe auch tschetschenisches Blut. Er sei in einem kumykischen Dorf aufgewachsen und sehe sich auch als Kumyke.
Er habe den Beruf eines Schlossers gelernt. Ab 2005 habe er sein Geld in Tschetschenien verdient, wobei er selbstständig gearbeitet habe. Seine finanzielle Situation sei mittelmäßig gewesen.
Er habe 11 Klassen Mittelschule mit Abschluss gemacht, danach habe er ein Jahr Wirtschaft in XXXX studiert, wenngleich er dieses Studium nicht abgeschlossen habe.
Seine Eltern sowie sein Bruder XXXX leben noch immer im XXXX. Weitere Verwandte, wie bspw. Onkeln und Tanten leben ebenfalls in der Russischen Föderation, aufgeteilt auf die Kaukasusregionen. Seine Mutter sei eine Invalidin der 2. Gruppe, weil sie Herzprobleme habe. Sie beziehe eine Invalidenrente. Sein Vater beziehe eine Alterspension und sein Bruder lebe vom Haushalt der Eltern. In Nordossetien gebe es keine Arbeit. Derzeit stehe er nicht in Kontakt zu seiner Familie. Am Abend des 06.07.2011 habe er seine Angehörigen das letzte Mal gesehen, zumal er unmittelbar nach dem Vorfall am 06.07.2011, der sich in der Früh zugetragen habe, noch am selben Abend die Adresse in XXXX verlassen habe.
Vor dem Vorfall am 06.07.2011 habe er ein normales und ruhiges Leben geführt. Er habe seine Familie versorgt und versucht Geld zu sparen.
Aufgefordert, seine fluchtauslösenden Beweggründe zu schildern, führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass am 06.07.2011 in der Früh 6 Personen in sein Haus eingedrungen seien, die Masken und schwarze Uniformen getragen hätten. Sie hätten nach den Pässen gefragt, die er unverzüglich übergeben habe. Nach Überprüfung der Pässe habe er diese wieder zurückbekommen. Er habe immer wieder nachgefragt, was vom ihm gewollt werde. Die Männer hätten nur gemeint, sie hätten Fragen an ihn. Dann hätten sie seine Arme im Rücken fixiert und hätten ihm Handschellen angelegt. Seine Frau habe zu weinen begonnen und habe nach einer Erklärung gefragt. Daraufhin hätten sie ihn am Arm in den Hof geführt, wo sie ihm eine Art Sportkappe übergestülpt hätten, woraufhin er nichts mehr gesehen habe. Man habe ihn zu einem Auto gebracht und er habe einsteigen müssen. Er wisse nicht, wo sie ihn hingebracht haben. Die Fahrt habe in etwa 30 Minuten gedauert. Dann seien alle ausgestiegen und er sei in ein Gebäude gebracht worden, wo sie ihn auf einen Stuhl gesetzt hätten. Dort habe man ihm die Kappe abgenommen und ihm sei aufgefallen, dass nur noch vier von den sechs Männern anwesend gewesen seien. Die Männer hätten die ganze Zeit eine Maske getragen. In weiterer Folge hätten sie ihm Fragen gestellt, unter anderem hätten sie wissen wollen, mit wem er Kontakt habe, welche ehemaligen Kämpfer er kenne bzw. ob er überhaupt Kämpfer kenne. Er habe den Männern gegenüber angegeben, dass er keinen Kontakt zu irgendwelchen Kämpfern habe, sondern ein friedliches Leben führe. Dann hätten sie ihm einen Stapel Fotos gezeigt und sie hätten ihn nach den Personen auf den Fotos befragt. Nachdem er die Frage, ob er jemanden auf den Fotos kenne, verneint habe, hätten sie ihm einen Schlag auf den Kopf versetzt. Unmittelbar danach hätten sie ihn wüst beschimpft und auf ihn eingeschlagen. Er sei - so der Beschwerdeführer - am ganzen Körper mit einem Gummiknüppel geschlagen worden. Zudem hätten sie auch Elektroschocker aus einer Art Kunststoff verwendet, die sie sowohl an seinen Armen als auch am Oberkörper angewendet hätten. Nach dem Zufügen der Schmerzen hätten sie sich nach den Brüdern seiner Frau erkundigt, zudem sei die Rede von einer Sim-Karte gewesen, wodurch er mit den Brüdern seiner Gattin in Verbindung hätte treten sollen und in weiterer Folge deren Aufenthaltsort nennen sollen. Die Männer hätten über ihn den Aufenthaltsort der Bruder seiner Frau in Erfahrung bringen wollen, aber er habe wahrheitsgemäß zur Antwort gegeben, dass er die Brüder seiner Frau nicht kenne und darum nicht darüber berichten könne. Die Männer hätten diesbezüglich ihr Unverständnis ausgedrückt und hätten ihn neuerlich verprügelt. Nachdem er in Todesangst auf alle Bedingungen eingegangen sei, hätten sie ihm die Sim-Karte gegeben und ihn im gleichen Prozedere wie bei der Abholung wieder weggebracht. Beim Hinausbringen hätten sie ihn an den Armen stützen müssen, weil er kaum gehen habe können. Im Zuge dessen hätten sie ihn nochmals daran erinnert, sich an die Abmachungen zu halten. Er habe den Männern versprochen, dass er mit seinen Schwagern in Kontakt treten werde. Danach hätten sie ihn in einen anderen Ort gebracht, wo sie ihn aus dem Auto gestoßen hätten. Zuvor hätten sie ihm noch die Kappe vom Kopf gezogen und die Handschellen entfernt. Nachdem er wieder Kraft zum Aufstehen gesammelt habe, habe er bemerkt, dass sie ihn vor seinem Haus aus dem Auto geworfen hätten. Es sei stockdunkel gewesen. Der sei auch immer wieder bewusstlos gewesen, daher könne er sich nicht mehr an alles erinnern. Er habe kaum gehen können, sei dann aber doch ins Haus gelangt.
Auf die Frage, was er nach seiner Rückkehr getan habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er in einer fürchterlichen Verfassung gewesen sei, voller blauer Flecken. Seine Frau sei schockiert gewesen und habe hysterisch geweint. Er habe sie aufgefordert die wichtigen Sachen zu packen, unmittelbar danach seien sie weggefahren. Die Sim-Karte habe er gleich zerstört und weggeworfen. Ein Taxifahrer habe sie zunächst zu seinen Eltern gebracht, die über seinen Anblick entsetzt gewesen seien. Ein Verweilen im Herkunftsstaat wäre für ihn zu gefährlich gewesen, daher seien sie noch am selben Tag weitergereist. Bei seinen Eltern seien sie vielleicht eine Stunde geblieben, dann habe sie ein anderer Taxifahrer weggebracht.
Über Befragen, in welche Sprache während der Anhaltung am 06.07.2011 mit ihm gesprochen worden sei, gab er an, sie hätten Russisch mit ihm gesprochen, sonst in keiner Sprache. Auf Vorhalt, warum ein ethnischer Kumyke, der nicht einmal Tschetschenisch spreche und einfacher Arbeiter sei, für die Behörden als Bekannter von tschetschenischen Widerstandskämpfern gelte, worauf der Beschwerdeführer vermeinte, in Tschetschenien sei weit verbreitet, dass gläubige Leute, die dem Islam entsprechen und bärtig seien, verdächtigt würden, auch wenn sie nie in irgendetwas Derartiges verwickelt gewesen seien.
Auf Vorhalt, bei der Erstbefragung habe er angegeben, dass ihm durch die Behörden auch vorgehalten worden sei, selbst Widerstandskämpfer zu sein, erklärte der Beschwerdeführer, wenn man eine Verbindung zu Kämpfern habe, dann gelte man selbst als Kämpfer. Aber es habe niemals eine Verbindung zu Kämpfern gegeben.
Auf die Frage, welcher Behörde die Unbekannten angehört hätten, gab der Beschwerdeführer an, er vermute, dass es sich um tschetschenische oder russische Sonderorgane gehandelt habe. Diese könnten mitnehmen und verhaften, wen sie wollen. Dazu merkte der Organwalter an, es sei unverständlich, warum sich im Juli 2011 tschetschenische oder russische "Sonderorgane" für ihn interessieren und ihn auf seine Schwager ansetzen sollten, zumal diese seit Jahren nicht mehr in der Russischen Föderation aufhältig seien, worauf der Beschwerdeführer vermeinte, er nehme an, diese Leute hatten vermutet, dass die Brüder seiner Frau im Untergrund irgendwo in Tschetschenien als Kämpfer tätig seien. In diesem Zusammenhang hielt der Organwalter weiters fest, dass zudem nicht nachvollziehbar sei, weswegen seine SchwagerXXXXsowie seine Schwiegermutter bei deren Asylantragstellung angegeben hatte, Tschetschenen zu sein, wohingegen er (der Beschwerdeführer) und seine Gattin behauptet hatte, dass ihre beiden Elternpaare Kumyken seien. Dazu merkte der Beschwerdeführer an, vielleicht hätten sie sich eher als Tschetschenen gefühlt.
Auf weiteren Vorhalt, seine Ehefrau habe zwar von Personen in schwarzer Uniform gesprochen, aber mit keinem Wort erwähnt, dass die Personen Masken getragen hätten, worauf der Beschwerdeführer angab, vielleicht sei seine Frau aufgeregt gewesen oder sie habe es nicht erwähnt, weil sie nicht gefragt worden sei.
Auch seine Angaben in der Erstbefragung, in seiner Heimat deswegen verfolgt worden zu sein bzw. verfolgt zu werden, weil er in die Moschee gegangen sei und einen Bart getragen habe, beziehe sich lediglich auf eine Annahme, zumal jedem bekannt sei, dass Personen, die in die Moschee gehen und Bärte tragen unter Beobachtung stünden. Aber er denke, auch dieser Umstand sei ein Grund dafür, warum sie am 06.07.2011 in sein Haus gekommen seien.
Auf die Frage, warum er nicht innerhalb der Russischen Föderation den Wohnort gewechselt und sich mit seiner Familie eine Existenz aufgebaut habe, beispielsweise in Ossetien, wo seine Kernfamilie lebe, gab der Beschwerdeführer an, er habe Angst gehabt und habe sich nirgends sicher gefühlt. Es sei ein und dasselbe Land und es gebe keine Sicherheit.
I.4. Am 01.02.2012 legte der Beschwerdeführer medizinische Befunde vor.
I.5. Mit Verfahrensanordnung vom 02.02.2012 wurde mit speziellem Bezug auf die Volksgruppe der Kumyken in der Russischen Föderation und Nordossetien eine Anfrage an die Staatendokumentation der Grundsatz- und Dublinabteilung gerichtet.
I.6. Am 13.03.2012 langten beim Bundesasylamt Informationen betreffend die Anfrage mit speziellen Bezug auf die Volksgruppe der Kumyken ein, wonach es - kurz zusammengefasst - keine Informationen über Benachteiligungen von Kumyken in der Russischen Föderation gebe. Zudem gebe es - so die Anfragebeantwortung der Konsularabteilung der Österreichischen Botschaft vom 13.03.2012 - in Nordossetien medizinische Einrichtungen zur stationären und zur ambulanten Behandlung. Zahlreiche Apotheken seien vorhanden, Medikamente seien verfügbar. Ferner teilte die Botschaft in der Anfrage mit, dass russische Staatsbürger im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen könnten. Der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation werde damit - unabhängig vom Wohnort - garantiert. Für Medikamentenkosten würden russische Staatsbürger in der Regel selbst aufkommen.
I.7. Mit Verfahrensanordnung vom 19.03.2012 wurde der ausgewiesenen Vertreterin die umfassende Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesasylamtes zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und binnen einer Frist von 14 Tagen Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Eine entsprechende Stellungnahme langte nicht ein.
I.8. Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 23.04.2012, Zl. 11 12.732-BAT, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idgF, (Spruchpunkt I.) und in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).
In seiner Begründung traf das Bundesasylamt umfangreiche Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und stellte die Identität sowie die russische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers fest. Er leide an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Krankheit. Die vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtgründe seien - so das Bundesasylamt - nicht glaubhaft. Ebenso wenig könne festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat einer Gefährdung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre oder sei.
Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt im Wesentlichen fest, das bei einer Gesamtbetrachtung der Angaben des Beschwerdeführers und der Ausführungen seiner Gattin zu den Fluchtgründen einzig der Schluss zulässig sei, dass sich beide vollinhaltlich auf Unwahrheiten gestützt haben, zumal es zu Widersprüchlichkeiten und ganz offensichtlichen Sinnwidrigkeiten gekommen sei. Da auch sonst keine Gründe zu erkennen gewesen seien, die auf eine Verfolgungsgefahr hindeuten könnten, sei der Antrag auf internationalen Schutz aufgrund des Fehlens der Flüchtlingseigenschaft abzuweisen gewesen. Eine refoulement-relevante Gefährdung sei nicht gegeben, er verfüge im Herkunftsstaat über Familienangehörige. Die Ausweisung erfolge im überwiegenden öffentlichen Interesse.
I.9. Mit Verfahrensanordnung vom 23.04.2012 wurde der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof amtswegig zur Seite gestellt.
I.10. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertreterin fristgerecht Beschwerde ein und focht die Entscheidung des Bundesasylamtes in seinem gesamten Umfang an. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die belangte Behörde im bekämpften Bescheid aufgrund einer mangelhaften, teilweise aktenwidrigen und teilweise nicht nachvollziehbaren Beweiswürdigung zur Feststellung gelange, dass die vom Beschwerdeführer für das Verlassen des Heimatlandes angegebenen Gründe nicht glaubhaft seien. Fest stehe jedenfalls, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers die Schwester von XXXXsei, die wie die Eltern und ein weiterer Bruder, zu unterschiedlichen Zeiten in Österreich eingereist, allesamt Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention seien.
Zudem hätten der Beschwerdeführer und seine Ehefrau in der Einvernahme am 01.02.2012 lebensnah, detailgetreu und widerspruchsfrei die Gründe geschildert, die sie zum Verlassen des Heimatlandes gezwungen hätten. Dieses Vorbringen sei in Einklang zu bringen mit den von der Behörde selbst eingeführten Länderberichten über die Herkunftsregion der Beschwerdeführer. Die beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde - so in der Beschwerde festgehalten - seien zum einen aktenwidrig, zum anderen würden sich die Ausführungen lediglich auf Vermutungen der belangten Behörde stützen, die zudem auf das konkrete Vorbringen und das vom Beschwerdeführer Erlebte überhaupt keinen Bezug nehme. Weder würdige sie die Schilderungen der Folterungen noch der notorisch bekannten Vorgehensweise, Menschen durch Folter und darauffolgender Erpressung zu einer Zusammenarbeit mit den tschetschenischen Behörden zu zwingen. Nach Ansicht der Beschwerdeführer habe die belangte Behörde in Wahrheit keine einzige Widersprüchlichkeit aufgezeigt und wäre das Vorbringen der Beschwerdeführer der Entscheidung zugrunde zu legen gewesen. Vor dem Hintergrund der notorisch andauernden und folgenlosen Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitskräfte sei das vom Beschwerdeführer Erlebte von ausreichender Asylrelevanz und sei ihm und seiner Familie nicht zuzumuten, in den Herkunftsstaat zurückzukehren.
I.11. Mit Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation übermittelt und binnen einer Frist von 14 Tagen die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.
I.12. Mit Stellungnahme vom 06.09.2012 merkte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertreterin zu den Feststellungen an, dass es sich dabei lediglich um Feststellungen zur Russischen Föderation im Allgemeinen handle, worin weder speziell eingehend auf die Situation in Tschetschenien noch auf die in Dagestan noch auf die Situation von Angehörigen tschetschenischer Widerstandskämpfer (die Ehefrau des Beschwerdeführers sei die Schwester von anerkannten Flüchtlingen) Bezug genommen werde. Zur Situation von Familienangehörigen von des Widerstands verdächtigen Tschetschenen werde auf den Bericht des US Departement oft State zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation im Jahr 2001 vom 24.05.2012 verwiesen, in welchem ausgeführt werde, dass die Regierung Ramzan Kadyrow in Kollektivbestrafungen von Familien vermeintlicher Rebellen involviert sei. Zudem wurde ein Bericht des Central Asia-Caucasus Institute Analyst, in welchem die tschetschenische Strategie zur Niederschlagung des Widerstandes beschrieben wird, sowie ein Bericht von Chechnyatoday zum Verhältnis von Tschetschenen und Kamyken vorgelegt.
I.13. Am 19.09.2012 führte der zuständige Senat des Asylgerichtshofes im Beisein des Beschwerdeführers (in der Verhandlungsschrift BF1) eine - mit dem Beschwerdeverfahren seiner Ehegattin (BF2) gemäß § 39 Abs. 2 AVG verbundene - öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der die Familie vertreten erschien. Ein Vertreter des Bundesasylamtes blieb der Verhandlung entschuldigt fern.
Befragt zur Gesundheit gaben sowohl BF1 als auch BF2 an, dass sie gesund seien. Auch ihre Kinder XXXX seien gesund. Bei ihrer Tochter XXXX bestehe der Verdacht einer Zuckerkrankheit. Sie werde demnächst einer genaueren Untersuchung unterzogen.
Daraufhin bestätigte BF1 den Wahrheitsgehalt seiner bisherigen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren und verneinte die Frage, ob er eine Richtigstellung oder Ergänzung vornehmen wolle.
Er heiße XXXX und er sei am XXXX in Nordossetien XXXX geboren, im XXXX, im XXXX. Er sei mit BF2 verheiratet und er sei Vater von vier Kindern.
Seine Eltern und sein Bruder leben in der Russischen Föderation im XXXX, im Dorf XXXX, es werde auch XXXX genannt. Verwandte seiner Frau leben in Österreich.
Er sei russischer Staatsbürger und gehöre der kumykischen Volksgruppe an.
Er habe die Grundschule abgeschlossen, danach habe er ein Jahr Wirtschaft an der Hochschule studiert, dann aber abgebrochen bzw. er habe sich aufgrund der finanziellen Lage beurlauben lassen. Dies sei Ende 1999 oder so gewesen.
Im Herkunftsstaat habe er als Schweißer gearbeitet. Eine andere berufliche Tätigkeit habe er nicht ausgeübt.
Er sei in XXXX geboren, wo er bis zum Jahr 1999 gelebt habe. Bis 2005 habe er im Dorf XXXX gelebt, danach sei er in die Tschetschenische Republik ins Dorf XXXX übersiedelt. Dort habe er ein Haus gemietet und bis zur Ausreise im Jahr 2011 gelebt. Das Haus habe er von einer Frau namens XXXX gemietet. Das Haus befinde sich im Dorf XXXX an der XXXX. Auf die Frage nach der nächsten Eckstraße gab BF1 an, er wisse es nicht, dies habe ihn nicht interessiert. Er kenne lediglich dieXXXX. Auf Vorhalt, es sei nicht zu glauben, dass er tatsächlich dort 6 Jahre gewohnt habe, gab er an, dies sei ihm klar, aber er sei vorwiegend mit den Leuten in Kontakt gestanden, die zu ihm nach Hause gekommen seien. Er habe sich zu Hause in seiner Werkstatt "eingekapselt".
Auf die weitere Frage, wo der nächste Bazar gewesen sei, führte er aus, er wisse, dass es einen großen Bazar in XXXX gebe. Nachgefragt, wo er eingekauft habe, gab er an, dass er sowohl nach XXXX als auch nach Hause gefahren sei. Er sei nicht wirklich ein Bewohner des Dorfes gewesen. Erklärend führte er dazu aus, dass er nur gearbeitet habe. In jener Zeit sei er nicht herausgekommen und habe sich mit den anderen Leuten unterhalten. Die nächste Moschee liege an der XXXX, die er aufgesucht habe. Diese sei 8 oder 10 Häuser weiter gewesen. Der örtliche Geistliche habe XXXX geheißen. Die Moschee habe er alleine aufgesucht. Seine Frau habe zuhause gebetet. Mit ihm sei niemand mitgegangen. Er habe - so BF1 - keine Verwandten seiner Frau in der Moschee getroffen, zumal diese in Österreich leben. Nachgefragt, woher man eigentlich gewusst habe, dass er in dem Dorf lebe und dass man ihm Aufträge erteilen könne, erklärte der BF1, die Leute hätten gewusst, dass er Schweißer sei und sie seien zu ihm gekommen und hätten ihm Aufträge erteilt, die er erledigt habe. Die Aufträge habe er bei sich zuhause erledigt. Er habe auch Fenstergitter und Torgitter geschweißt. Die Befestigungen habe er wiederum nicht durchgeführt, dies sei von den Leuten selbst gemacht worden. Einer seiner Kunden habe XXXX geheißen, ein anderer XXXX. Nach den Familiennamen habe er nicht gefragt, sie hätten ja nicht eng zusammengearbeitet.
Er sei - so der BF1- nur wegen der Arbeit in Tschetschenien gewesen. Er habe überhaupt keine sozialen Kontakte gehabt, sondern sei lediglich Zuhause bei seiner Frau gewesen. Mit den Dorfbewohnern habe er Russisch gesprochen. Der vorsitzende Richter fasst dazu zusammen, er (der BF1) komme in ein tschetschenisches Dorf, spreche nicht die tschetschenische Sprache, bemühe sich in keiner Weise um irgendeine Integration, dennoch bekomme er viele Aufträge, von denen er leben könne, worauf der BF1 zustimmend antwortete.
Über Befragen, wer einkaufen gegangen sei, antwortete der BF1, er habe nicht gewollt, dass seine Frau einkaufen gehe, deshalb sei er nach Hause gefahren, um dort einzukaufen. Er habe in etwa 20 Minuten fahren müssen, zudem sei es auch billiger gewesen. Außerdem habe er auch seine Eltern treffen wollen. Ein bis zwei Mal in der Woche sei er nach Hause gefahren.
Nachgefragt, wo er das Material für seine Arbeit eingekauft habe, gab der BF1 an, dass er überhaupt nichts eingekauft habe. Er habe aufgeschrieben, was notwendig sei und seine Kunden hätten dies mitgebracht. Das Schweißgerät habe er selbst gehabt.
Über Befragen, wie er zu dieser Ortschaft gekommen sei bzw. woher er gewusst habe, dass er dort Arbeit und Kunden finden könne, erklärte er, dass es dort nach dem Krieg viel Arbeit gegeben habe. Dies habe er eben gewusst, zumal er herumgefragt habe. Von Leuten, die auf Baustellen gearbeitet hätten, sei er darüber informiert worden. Er selbst habe nur von Zuhause gearbeitet.
Auf die Frage, wie die unmittelbaren Nachbarn geheißen hätten, antwortete er: "Links...er hieß XXXX und rechts...XXXX." Auf die Frage nach den Familiennamen gab er an: "Mit K begann der Familienname, XXXX oder so. Das war XXXX. Von XXXX...der hieß XXXX."
Im Herkunftsstaat habe er nur das Elternhaus in XXXX, wo jetzt seine Eltern leben würden. Er habe kein eigenes Haus.
Er sei - so der BF1 - im Herkunftsstaat einen Tag in der Haft gewesen, und zwar von der Früh bis zum Abend. Andere Festnahmen habe es nicht gegeben. Er sei wegen seiner Eheschließung und der Probleme der Verwandten seiner Gattin verfolgt worden. Ebenso könne man sagen, dass er aus religiösen Gründen verfolgt worden sei. Nachgefragt, ob er dies präzisieren könne, gab er an, er vermute, dass auch sein Äußeres für seine Mitnahme verantwortlich gewesen sei. Auf Vorhalt, sein Aussehen sei äußerst landestypisch, erwiderte der BF1, die Leute, die in eigenen Häusern leben und dort arbeiten, würden nicht so aussehen. Die Leute hätten eine andere Kleidung und andere Gebräuche. Er vertrete - so der BF1 - die Islamausrichtung, die auf Koran und Sunna beruhe. Nochmals nachgefragt, welche Probleme er aufgrund dieser Ausrichtung bekommen habe, gab der BF1 nach einer Nachdenkpause an, die Leute seien gekommen und hätten ihn mitgenommen. Dazu merkte der vorsitzende Richter an, aber laut Aktenlage doch letztlich aus einem anderen Grund, worauf er meinte, dies könne sein. Es könne sein, dass es zu einer Ungenauigkeit bei der Übersetzung gekommen sei. Aber es sei nur eine Vermutung, dass man ihn aufgrund der Religion mitgenommen habe. Dazu merkte der vorsitzende Richter nochmals an, dass aber im Nachhinein völlig klar sei, warum man ihn mitgenommen habe, worauf der BF1 zur Antwort gab, dies seien nur Vermutungen von ihm. Man habe die Pässe überprüft und im Pass seiner Frau sei deren Geburtsname angegeben. Möglicherweise habe man den Familiennamen gesehen und die Leute hätten dann noch ein größeres Interesse hinsichtlich seiner Mitnahme gehabt.
Aufgefordert, in chronologischer Reihenfolg die Beweggründe für seine Flucht zu schildern, gab er an, es habe keine weiteren Probleme außer die einmalige Mitnahme gegeben. An diesem Tag sei es losgegangen. Die Leute seien zu ihm nach Hause gekommen, insgesamt 6 Personen. Sie hätten schwarze Kleidung und schwarze Masken getragen. Man habe ihm Handschellen angelegt. Dann hätten sie ihm eine schwarze Maske über den Kopf gestülpt, hätten ihn hinausgebracht und in ein Auto verfrachtet. In weiterer Folge hätten sie ihn in ein Gebäude gebracht, wo man ihn von der Früh bis zum Abend festgehalten habe. Man habe ihn geschlagen und gefoltert, wobei man ihm gesagt habe, dass er sich mit den Brüdern seiner Frau in Verbindung setzen solle. Dafür hätten sie ihm eine SIM-Karte gegeben. Er habe Angst gehabt, daher habe er sich einverstanden erklärt. Er sei sehr verwundert gewesen, aber die Leute hätten ihn nach Hause gebracht. Man habe ihm die Handschellen und den Sack abgenommen, dann hätten sie ihn ausgesetzt. Dort sei er eine Weile gelegen, dann sei er ins Haus gegangen. Unmittelbar danach seien sie geflohen.
Der Vorfall habe sich zeitig in der Früh am 06.07.2011 zugetragen. Es sei noch dunkel gewesen, vielleicht um 5 Uhr früh. Sie hätten noch geschlafen. Nachgefragt, wie die Leute in das Haus gekommen seien, gab er an, dass das Tor zwar nicht mit einem Schlüssel versperrt gewesen sei, aber sie hätten das Tor mit einem Holzbalken gesichert gehabt. Er habe ein Klopfen gehört und sei aufgewacht, woraufhin er sich angezogen und die innere Tür aufgesperrt habe. Von dort habe er die Leute gesehen, und zwar in schwarzen Uniformen und mit schwarzen Masken, die zudem seinen Vornamen gesagt hätten. Dann hätten sie nichts mehr gefragt, sondern sie seien einfach in das Haus eingedrungen. Dabei hätten sie ihm nur einen Stoß versetzt. Dann hätten sie ihn nach seinem Vor- und Familiennamen gefragt. Auch seine Frau sei durch das Klopfen wach geworden. Sie hätten sich beide angezogen, aber er sei alleine zur Tür gegangen. Er und die fremden Männer hätten sich im Vorzimmer befunden, seine Frau habe sich im Schlafzimmer aufgehalten. Die Tür sei offen gestanden und seien Frau sei angezogen dort gestanden.
Dann hätten sie nach den Pässen gefragt, die sie in einer Lade unter dem Fernseher aufbewahrt hätten. Die Pässe hätte - so der BF1 - seine Frau aus der Lade hervorgeholt, die sie ihm (dem BF1) übergeben hätte, welche er in weiterer Folge den Männern gegeben habe. Sie hätten die Pässe angesehen. Er selbst habe die Männer zu fragen begonnen, warum sie eingedrungen seien. Sie hätten gemeint, dass sie Fragen an ihn hätten. Die Leute hätten sich zwar untereinander unterhalten, aber er habe sich in einem Schockzustand befunden, deshalb habe er nicht wirklich zugehört. Dann habe seine Frau gefragt, was sie mit ihm vorhätten. Als sie ihm die Handschellen angelegt hätten, sei seine Frau hysterisch geworden. Dann hätten sie ihn in den Hof hinausgeführt. Bevor sie ihn durch das Tor geführt hätten, hätten sie ihm eine Maske über den Kopf gestülpt. Damit hätten sie ihm die Sicht verdeckt. In weiterer Folge hätten sie ihn in ein Auto verfrachtet, dann seien sie weggefahren. Er habe bemerkt, dass es sich um ein militärisches Fahrzeug gehandelt habe, weil es sehr gewackelt habe. Die Fahrt habe vielleicht eine halbe Stunde gedauert. Dann hätten sie ihn aus dem Fahrzeug hinaus und durch einige Türen hindurchgeführt. Ihm sei bewusst geworden, dass sie in ein Gebäude hineingegangen seien. Dort hätten sie ihn auf einen Sessel gesetzt, wobei seine Hände noch immer hinter dem Rücken gefesselt gewesen seien. Sie hätten ihm die Mütze abgenommen und dann habe er die Leute gesehen, allerdings seien es nur mehr vier von diesen Leuten gewesen.
Diese hätten ihn gefragt, womit er sich beschäftige und dabei hätten sie ihn beschimpft. Man habe ihn unter psychischen Druck gesetzt und ihn nach seinen Verbindungen gefragt. Die Leute hätten Personen gemeint, die gekämpft haben. Er habe sowohl Verbindungen vermeint, auch zu den Personen auf den vorgelegten Fotos habe er gesagt, dass er diese nicht kenne. Dann habe er einen kurzen Aufschrei gehört und einen sehr starken Faustschlag gespürt. Wäre er nicht auf dem Sessel gesessen, dann wäre er umgefallen. Danach hätten die Prügel begonnen und man habe auf ihn eingeschlagen. Zwischen den Schlägen habe man ihm Fragen gestellt. Man habe ihn nach den Brüdern seine Frau befragt, insbesondere nach deren Aufenthaltsort. Aber weder die Personen noch deren Aufenthaltsort seien ihm bekannt gewesen. Sie hätten ihm vorgehalten, dass er dies wissen müsste und dann hätten sie ihn auch mit Gummiknüppel geschlagen, vorwiegend auf die Schulter, den Rücken und die Oberarme. Einige Male sei er bewusstlos geworden. Zudem hätten sie ihn mit einem Elektroschocker misshandelt.
Letztlich sei er mit einen Zusammenarbeit einverstanden gewesen, damit er am Leben bleibe. Nach solchen starken Schlägen sei ihm klar gewesen, dass er nicht länger überleben würde. Man habe ihm die SIM-Karte mit dem Auftrag gegeben, dass er die Leute kontaktieren solle, sobald er Informationen habe. Sie hätten auch gemeint, sie könnten jederzeit feststellen, ob er sie belüge oder nicht. Es sei bereits dunkel gewesen, als sie ihn nach Hause gebracht hätten. In der Nähe seines Hauses hätten sie ihn aus dem Fahrzeug geworfen, wobei ihm zuvor die Handschellen und die Maske abgenommen worden seien. Dann sei er in das Haus gegangen, dort habe er seine Frau mit den Kindern entdeckt. Er sei in einem schrecklichen Zustand gewesen und habe seiner Frau nur kurz erklärt, dass er wieder freigelassen worden sei. Sie habe Fragen gestellt, aber er habe erwidert, dass dafür jetzt keine Zeit sei. Er habe sie aufgefordert, dass sie rasch einige Sachen packen solle. Eine halbe Stunde später seien sie weggefahren.
Als er zurückgekommen sei, sei es dunkel gewesen. Vielleicht um 23.00 Uhr. Eine halbe Stunde später seien sie mit einem Taxifahrer weggefahren. Er habe - so der BF1 - viele, viele Nummern von Taxifahrern gehabt. Dazu merkte der vorsitzende Richter an, dass das Leben, das er vor etwa einer Stunde geschildert habe, nicht mit seiner nunmehrigen Angabe, "viele, viele Nummern von Taxifahrern" zu haben, in Einklang zu bringen sei, worauf der BF1 meinte, dass er immer wieder mit Taxis herumgefahren sei, etwa wenn sein Auto kaputt gewesen sei. Er habe XXXX angerufen, der etwas weiter vom Tor entfernt gestanden sei. XXXX sei aufgrund seines Aussehens (des BF1) sehr erschrocken gewesen. Dann seien sie ins Dorf seiner Eltern gefahren, wo sie in etwa eine Stunde gewesen seien. Nachgefragt, was sich dort abgespielt habe, erklärte er, dass er Angst vor der Reaktion seiner Mutter gehabt habe, insbesondere aufgrund seines Aussehens. Sie sei natürlich sehr erschrocken gewesen und sie hätten Angst um ihr Leben gehabt. Aber er habe gewusst, dass sie weiterfahren müssten. Sie hätten vorgehabt, nach Österreich zu kommen. Dazu nachgefragt, wann dieser Entschluss gefallen sei, gab er an, dass sie bei den Eltern darüber gesprochen hätten, dort sei auch die Entscheidung gefallen. Die Ausreise habe er mit seinem Geld finanziert, er habe - so der BF1 - in etwa 7.000,-- Dollar gespart gehabt. Das Geld habe er an verschiedenen Stellen aufbewahrt, unter anderem unter der Matratze, also vorwiegend unter dem Bett, aber auch unter dem Sofa.
Dann konfrontierte der vorsitzende Richter mit einem Vorhalt durch das Bundesasylamt (AS 97 unten), warum ein ethnischer Kumyke, der nicht einmal Tschetschenisch spreche und einfacher Arbeiter sei, für die Behörden als Bekannten von tschetschenischen Widerstandskämpfern gelten solle, worauf er erwiderte, dass die Tatsache, dass er nicht Tschetschenisch spreche, nichts bedeute. Er habe in seinem ganzen Leben keinen Tschetschenen gesehen, der nicht Russisch spreche.
Auf die Frage, wie er seine Verletzungen behandelt habe, erklärte der BF1, dass seine Knochen nicht gebrochen gewesen seien. Er habe blaue Flecken und Beulen gehabt, aber dies sei wieder verheilt. Er habe - so der BF1 - sowohl am linken Oberarm, auf der Schulter hinten auf beiden Seiten und auch auf dem rechten Oberarm Beulen gehabt, die stark ausgeprägt gewesen seien. Während der Folterungen sei er angezogen gewesen, sein T-Shirt habe er nicht ausgezogen. Der vorsitzende Richter hielt dazu fest, er habe auch angegeben, dass man ihn mit dem Foltergerät auch am Rücken berührt habe, worauf der BF1 erwiderte, dass dies kein Problem für das Gerät sei. Dieses könne man auch aus der Entfernung verwenden. Man müsse es nicht an die Haut anlegen.
Über Befragen, ob seine nach wie vor eine Rente erhalten würden, antwortete der BF1 bejahend und erklärte, dass seine Mutter eine Invaliditätsrente und sein Vater eine Altersrente erhalten würde. Seine Eltern hätten keine Probleme. Nachgefragt, ob seit seiner Ausreise nach ihm gefragt worden sei, gab der BF1 nach einer langen Nachdenkpause an, vielleicht haben ihm seine Eltern nicht davon berichtet, um ihn nicht zu beunruhigen.
Auf die Frage durch den ausgewiesenen Vertreter, ob dem BF1 während der Anhaltung und Befragung auch sein Moscheebesuch vorgehalten worden sei, antwortete dieser bejahend und erklärte, dass man ihm sein Äußeres vorgehalten habe, aber dann sei man gleich zu den Brüdern seiner Frau übergegangen. Es sei vorwiegend darum gegangen. Aber das er auch aus religiösen Gründen mitgenommen worden sei, stütze sich lediglich auf eine Vermutung. Die Gläubigen hätten - so der BF1 - eine spezielle Kleidung angehabt, er habe nur eine normale Kleidung getragen, nämlich eine kürzere Hose und eine eben einen Bart.
Seine Frau - so der BF1 weiters - habe gewusst, so die Dollars versteckt gewesen seien. Der Taxifahrer sei aus der Tschetschenischen Republik gewesen. Dieser sei vielleicht aus einem Nachbardorf oder vom gleichen Dorf gekommen, er habe einfach seine Nummer gehabt.
Auf die Frage des vorsitzenden Richters, wie er seine Frau kennengelernt habe, wenn er - seinen Angaben zufolge - so als Einsiedler gelebt habe, gab der BF1 an, dass seine Frau an der gleichen Straße Verwandte gehabt habe, irgendwelche Frauen. Nachgefragt, wo genau seine Frau in dieser Straße gelebt habe, gab er an, er könne nicht sagen, dass dort seine Frau gelebt habe, worauf der vorsitzende Richter festhielt, er könne nicht einmal sagen, wo seine Frau gelebt habe, bspw. sei er nicht mit seiner Frau spazieren gegangen, woraufhin der BF1 zur Antwort gab, vor der Ehe nicht. Er habe bei der Mutter seiner Frau um deren Hand angehalten, wobei er dies am Telefon getan habe. Dazu merkten vorsitzender und beisitzender Richter an, dass dies extrem unglaubwürdig sei.
Die Hochzeitsfeier habe bei seinen Eltern zuhause stattgefunden. Die standesamtliche Ehe sei in XXXX geschlossen worden. Die Frage, ob sie während des 5-jährigen Aufenthaltes in XXXX jemals irgendwelche Verwandten seiner Frau besucht hätten, beantwortete der BF1 verneinend. In dem Dorf habe eine Tante zweiten Grades seiner Frau gewohnt, diese habe seine Frau besucht. Deren Name sei ihm unbekannt.
Er wisse nicht, ob seine Schwiegermutter vor ihrer Flucht in XXXX gelebt habe. Damals habe er über die Probleme der Verwandten seiner Frau nichts gewusst, erst jetzt wisse er darüber Bescheid. Ebenso wenig wisse er, wann die Mutter seiner Frau nach Österreich gezogen sei. Als er um die Hand seiner Frau angehalten habe, sei seine Schwiegermutter noch in der Russischen Föderation gewesen. Er wisse nur, dass sie damals ständig hin und hergefahren seien, in XXXX und XXXX. Er habe seine Schwiegermutter am Handy angerufen, wobei er sich nicht nach ihrem Aufenthaltsort erkundigt habe.
Über Befragen, ob er versucht habe, in seinem Herkunftsstaat Schutz vor den von ihm genannten Verfolgungshandlungen zu suchen, antwortete der BF1 verneinend und erklärte, dies hätte keinen Sinn gehabt. Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat habe er Angst davor, dass es ihm das nächste Mal noch schlechter ergehen könnte. Er habe nichts getan, trotzdem sei er mitgenommen worden. Zudem habe er die SIM-Karte zerbrochen und weggeworfen.
Zur Familie seiner Frau hätten sie Kontakt, es gebe Besuche. Er habe in Österreich bislang keine Berufstätigkeit oder ehrenamtliche Tätigkeit ausgeübt. Derzeit bestreite er seinen Lebensunterhalt von der Sozialhilfe. Er lerne Deutsch, mittlerweile auf dem Niveau A1. Aufgefordert, ohne Unterstützung durch die Dolmetscherin Fragen zum Namen, der Herkunft, etwaigen Hobbys oder der Familie zu beantworten, hielten der vorsitzende und der beisitzende Richter nach einigen Sätzen des BF1 fest, dass dieser geringfügige Grundkenntnisse der deutschen Sprache aufweise.
Die zwei älteren Kinder würden in den Kindergarten gehen. Er sei weder Mitglied in Organisationen oder Vereinen. Mit den Familienangehörigen seiner Frau, die in Österreich zum dauerhaften Aufenthalt berechtigt sind, stehe er in Kontakt bzw. sei er befreundet.
In weiterer Folge wurde mit der Befragung der BF2 fortgesetzt. Auch diese bestätigte den Wahrheitsgehalt ihrer erstinstanzlichen Angaben und verneinte die Frage nach etwaigen Richtigstellungen oder Ergänzungen.
Zu ihrer Person gab sie an, den Namen XXXX zu führen und am XXXX in XXXX geboren zu sein. Sie sei mit BF1 verheiratet, auch standesamtlich. Die standesamtliche Eheschließung habe in XXXX in Nordossetien stattgefunden. Die traditionelle im Dorf XXXX im Dorf ihres Mannes. Ihren Mann habe sie in XXXX kennengelernt, nachdem sie eine Tante bzw. eine Cousine dritten Grades besucht habe. Aufgefordert, die Frage, wo sie selbst damals gewohnt habe im Detail zu beantworten, gab die BF2 an, sie habe bei verschiedenen Verwandten gewohnt. Nochmals aufgefordert, im Detail zu antworten, erklärte sie, im Dorf XXXXgewohnt zu haben. Ihr Mann habe damals im Dorf XXXX gewohnt. Auf Vorhalt, ihr Mann habe eine andere Angabe getätigt, behauptete die BF2, jetzt falle ihr wieder ein, sie habe damals in XXXX gelebt. Ihr Mann habe schon im Dorf XXXX gelebt.
Sie habe keine nahen Verwandten mehr im Herkunftsstaat. Ihre nächsten Verwandten mütterlicherseits seien zwei Tanten und väterlicherseits eine Tante und zwei Onkeln. In Österreich leben ihre Eltern und zwei Brüder mit den Familien.
Sie sei russische Staatsangehörige und erachte sich der kumykischen Volksgruppe als zugehörig. Auf Vorhalt, beide Eltern hätten in Österreich etwas anderes gesagt, nämlich Tschetschenen zu sein, erklärte die BF2, die Mutter ihrer Mutter sei eine Tschetschenin gewesen. Nachgefragt, ob alle anderen Kumyken gewesen seien, gab die BF2 an, eine Großmutter sei Tschetschenin gewesen, ein Großvater sei zur Hälfte Tschetschene gewesen. Der Großvater mütterlicherseits sei Kumyke gewesen, daher fühle sie sich als Kumykin. Dazu nochmals nachgefragt, warum ihre Eltern in Österreich sagen, dass sie Tschetschenen seien, führte sie aus, vielleicht gefalle es ihnen, tschetschenisch zu sein.
Sie habe die Grundschule abgeschlossen. Die weitere Schulbildung habe sie abgebrochen, weil sie sich mit der Mutter bei Verwandten befunden habe. Sie habe im Herkunftsstaat keine berufliche Tätigkeit ausgeübt.
Sie sei in XXXX geboren. Bis zum Jahr 2004 habe sie an der XXXX gewohnt. Dann sei sie bei Verwandten gewesen, und zwar zwei oder drei Monate bei der Tante XXXX im XXXX, wiederum zwei oder drei Monate bei Tante XXXX in XXXX. Dann weitere vier Monate bei Tante XXXX im XXXX und danach hätten sie im XXXX eine Wohnung gemietet. Dies sei im Herbst 2005 gewesen. Dort habe sie bis zur Heirat am 09. August 2006 gelebt. Danach habe sie in XXXX gelebt. Die nächste Querstraße könne sie nicht nennen, weil sie - so die BF2 - überhaupt nirgends gewesen sei. Sie sei natürlich schon hinausgegangen und habe sich umgesehen. Die Tante bzw. Cousine dritten Grades habe sie nur ein einziges Mal besucht. Nachgefragt, wie sie dann ihren Mann kennengelernt habe, gab sie an, dieser habe sie gesehen, sei auf sie zugekommen und habe ihre Telefonnummer in Erfahrung gebracht. Das nächste Wiedersehen habe es erst bei der Hochzeit gegeben. In der Zwischenzeit hätten sie telefoniert. Ihr Mann habe bei der Großmutter und beim Großvater um ihre Hand angehalten. Es sei nicht üblich, selbst dort hinzugehen. Bei ihnen gebe es die Ältesten und er habe sie ins Dorf XXXX gebracht. Auf Vorhalt, davon habe ihr Mann überhaupt nichts erzählt, gab sie an, er wisse dies schon.
Auf die Frage, was die über das Dorf XXXX wisse, gab die BF2 extrem gelangweilt an, dass es sich dabei um ein normales Dorf handle. Die Moschee sei - so die BF2 - 8 oder 9 Häuser weiter. Der Bazar sei zwei Straßen weiter gewesen, man habe zu Fuß gehen können. Dabei habe es sich um einen kleinen Markt gehandelt. Sie habe - so die BF2 weiters - immer für den Alltag eingekauft. Ihr Mann nicht. Auf Vorhalt, ihr Mann habe angegeben, dass er einkaufen gegangen sei, erklärte sie, jetzt falle es ihr wieder ein, auch er sei einkaufen gegangen.
Auf die weitere Frage, was ihr Mann überhaupt in den 5 Jahren gemacht habe, antwortete sie, er habe Schweißarbeiten im Hof verrichtet, immer nur im Hof.
Sie sei - so die BF2 - wegen ihren Verwandten verfolgt worden. Sie seien auch aus religiösen Gründen verfolgt worden, weil ihr Mann einen Bart gehabt habe und in die Moschee gegangen sei. Deswegen sei nur ihr Mann verfolgt worden. Sie vermute nur, dass er auch deswegen mitgenommen worden sei.
Aufgefordert, in chronologischer Reihenfolge die Beweggründe für ihre Flucht zu schildern, führte sie aus, dass es vor dem 6. Juli keine Probleme gegeben habe (Ende der freien Erzählung). Auf die Frage, ob es vor dem 6. Juli in ihrer Familie sonst irgendwelche Probleme gegeben habe, antwortete sie verneinend. Nachgefragt, ob sie sich dessen sicher sei, erklärte sie, die Probleme hätten 2001 begonnen, zumal in diesem Jahr ihr Vater von einem BTR-Schützenpanzer angefahren worden sei. Er habe zu diesem Zeitpunkt als Taxifahrer gearbeitet. Danach sei er ein Jahr im Krankenhaus gewesen.
In weiterer Folge sei er im Jahr 2003 mitgenommen worden, wobei er am selben Tag zurückgebracht worden sei. Er sei verletzt gewesen, weil man ihm den Kiefer ausgeschlagen habe. Im Februar 2004 seien ihre beiden Brüder mitgenommen worden, und zwar von der XXXX. Sie sei damals nicht Zuhause gewesen, sondern habe sich bei der Großmutter aufgehalten. Sie habe nur davon gehört, weil ihre Eltern darüber gesprochen hätten. Sie sei - so die BF2 - eine Woche bei der Großmutter gewesen, dann sei sie wieder zurückgekommen. Man habe ihr gesagt, dass ihre Brüder drei Monate im Gefängnis festgehalten worden seien. Dann seien sie auf der Flucht gewesen und sie habe ihre Brüder erst wieder in Österreich gesehen.
Über Befragen, welche weiteren Probleme es gegeben habe, erklärte sie, danach habe sie mit ihrem Mann gelebt und es hätten wieder Probleme begonnen. Dazu nachgefragt, warum es wieder zu Problemen gekommen sei, führte sie aus, sie könne dies auch nicht beantworten. Nach ihrem Vater sei ja gesucht worden, und zwar 2008, bei ihrer Mutter. Aber man habe nie bei ihren Verwandten Zuhause, bspw. Tanten oder Onkeln, um die Jahre 2008-2011 nach ihren Brüdern gefragt. Nicht einmal sie selbst sei befragt worden, aber ihrem Mann habe man offenkundig unterstellt, dass er Kontakt zu ihren Brüdern habe.
Aufgefordert, die Festnahme ihres Mannes zu beschreiben, gab die BF2 an, dass man zeitig in der Früh an ihre Türe geklopft habe, wobei sie den Vornamen ihres Mannes gerufen hätten. Sie seien gleich aufgestanden und hätten sich angezogen. Ihr Mann habe die Tür aufgemacht. Es müsse so um 05.00 oder 06.00 Uhr gewesen sein. Sie hätten nicht darüber gesprochen, wer dies sein könne, zumal dies nicht außergewöhnlich sei. Die Leute würden ja zu Morgengebet aufstehen. Bei ihnen Zuhause sei das erste Mal zwischen 05.00 und 06.00 Uhr geklopft worden. Nach dem Öffnen der Tür seien die Leute hereingekommen und hätten ihren Mann zu fragen begonnen. Zudem hätten sie um die Pässe ersucht. Diese hätten sich in einer Schublade unter dem Fernseher befunden.
Weiters aufgefordert, die "Gestalten" zu beschreiben, gab sie an, dass sie ihre Gesichter nicht gesehen habe, weil sie maskiert gewesen seien. Auf Vorhalt, dies habe sie vor dem Bundesasylamt nicht zu Protokoll gegeben, meinte die BF2, wahrscheinlich nicht danach gefragt worden zu sein. Auf die Frage, was die Leute bei ihnen Zuhause alles gesagt und gemacht hätten, führte sie aus, sie hätten ihrem Mann Handschellen angelegt und hätten ihn mitgenommen. Ihr Mann habe sich bereits angezogen, als die Leute geklopft hätten. Danach habe er sich nichts mehr anziehen müssen. Auf Vorhalt, vor dem Bundesasylamt habe sie angegeben, dass man nach den Pässen verlangt habe und dass sich ihr Mann noch etwas anziehen habe müssen, vermeinte sie, so sei es nicht gewesen.
Die Handschellen seien ihm - so die BF2 - hinter seinem Rücken angelegt worden. Dann hätten sie ihn aus dem Haus hinausgebracht, wobei sie ihm "irgendetwas" über den Kopf gestülpt hätten. Sie hätten ihren Mann mit einem Auto weggebracht, soweit sie sich erinnern könne, habe es sich um ein UAZ gehandelt. Ihr Mann sei zum Auto geführt worden, weil er ja nichts gesehen habe. Am Abend sei er wieder zurückgebracht worden, es müsse so um 21.00 oder 22.00 Uhr gewesen sei. Als er beim Haus gewesen sei, habe er nach ihr gerufen und sie sei hinaus ins Freie gegangen. Sie habe gesehen, dass er zusammengeschlagen worden sei und dass er verwundet gewesen sei. Ihr Mann sei auf der Stirn und auf den Unterarmen verwundet gewesen. Auch auf den Händen habe sie Verletzungen wahrgenommen, ebenso im Gesicht. Er habe überall blaue Flecken gehabt, überall im Gesicht. Die Haut sei violett gewesen und sie habe Blut gesehen. Am Kopf habe sie eine offene Wunde gesehen, auch auf der rechten Seite auf der Stirn. Zudem habe sie Beulen wahrgenommen. Auf die Frage, wie ihr Mann seine Verletzungen behandelt habe, gab sie an, sie seien ja gleich weggefahren, daher hätten sie sich an niemanden gewandt. Sie seien unmittelbar zu den Eltern ihres Mannes nach XXXX geflüchtet. Auch dort sei sie nicht auf die Idee gekommen, ihren Mann zu verarzten, zumal sie keine Zeit gehabt hätten. Sie seien in etwa eine Stunde bei den Eltern ihres Mannes geblieben. Nachgefragt, ob nicht die Mutter ihres Mannes dessen Wunden versorgt habe, gab die BF2 an, dass diese in schlechter Verfassung gewesen sei. Sie hätten ihnen nur Ratschläge gegeben. Auf die Frage, was sie überhaupt bei den Eltern gewollt hätten, gab sie an, nichts. Sie seien nur dort hingefahren, damit sie von dort weiterfahren können. Ihr Mann habe gearbeitet, davon hätten sie das Geld für die Flucht gehabt. Insgesamt habe ihr Mann 7.000,-- Dollar gespart gehabt. Das Geld habe er unter dem Bett versteckt gehabt, nur dort. Auf Vorhalt, ihr Mann habe angegeben, auch unter dem Sofa Geld versteckt zu haben, gab die BF2 an, das Sofa könne man auch zum Bett aufmachen, nur dort sei das Geld versteckt gewesen. Darauf hätten sie auch geschlafen. Auf nochmaligen Vorhalt, dass ihr Mann angegeben habe, dass Geld unter der Matratze des Bettes und unter dem Sofa versteckt zu haben, erwiderte die BF2, dass das Geld nur unter dem Sofa gewesen sei.
Auf die Frage, wann beschlossen worden sei, nach Österreich zu fahren, gab die BF2 an, als sie noch bei den Eltern gewesen seien.
Über Befragen, ob es sonst noch etwas gebe, was an Verfolgungshandlungen in den letzten fünf Jahren geschehen sei, antwortete die BF2 verneinend. Sie sei nicht - so die BF2 weiters - regelmäßig in die Moschee gegangen, weil dies den Männern vorbehalten sei. Ihr Mann gehöre der Glaubensrichtung der Sunniten an.
Auf die Frage, ob es sonst noch etwas gebe, was ihr zur Verfolgung ihrer ursprünglichen Familie einfalle, gab sie an, ihre zwei Brüder seien verfolgt worden. Nach dem Gefängnisaufenthalt seien sie die ganze Zeit auf der Flucht gewesen. Zudem seien sie gesucht worden. Aufgefordert, dies im Detail zu beschreiben, gab sie an, sie wisse nicht, wie man nicht ihren Brüdern gesucht habe. Sie könne diese Angabe nur deswegen tätigen, weil man ihr dies erzählt habe. Auch nach ihrem Vater sei gesucht worden, davon habe ihre Mutter berichtet. Nachgefragt, ob es irgendwelche Ladungen gegeben habe, antwortete die BF2 bejahend und meinte, ihre Brüder seien geladen worden. Auf Vorhalt, dies falle ihr jetzt erst auf ausdrückliche Nachfrage ein, worauf sie erwiderte, beide Brüder seien zwei Mal geladen worden, vermute sie. Die letzte Ladung sei im Jahr 2007 gewesen. Sie habe keine Vermutung, warum man sich vier Jahre lang nicht für ihre Brüder interessiert habe. Seitens des vorsitzenden Richters nachgefragt, warum nicht eine Hausdurchsuchung stattgefunden habe, wenn die Ladungen immer ignoriert worden seien, meinte die BF2, ihre Brüder seien ja auf der Flucht gewesen. Dazu merkte der vorsitzende Richter wiederum an, genau aus diesem Grund würden die Behörden ja nachsehen kommen, wenn Ladungen einfach ignoriert werden, worauf die BF2 keine Antwort gab bzw. nach nochmaliger Frage meinte, sie wisse es nicht. Ihre Brüder hätten über die Ladungen berichtet. Sie selbst sei nicht dabei gewesen, als so eine Ladung gekommen sei. Sie selbst habe hinsichtlich ihrer Brüder keine Verfolgungshandlungen wahrgenommen, zumal sie zu diesem Zeitpunkt bei ihrer Mutter gewesen sei.
Auf die Frage, ob sich ihr Mann unterwegs auf der Flucht den Bart abrasiert habe, antwortete die BF2 bejahend und gab an, weil er Angst gehabt habe. Er habe sich den Bart noch Zuhause in XXXX abrasiert. Noch bevor sie weggefahren seien.
In weiterer Folge wurde nochmals der BF1 befragt.
Auf die Frage, ob er sich unterwegs bei der Flucht irgendwann den Bart rasiert habe, gab der BF1 an, dass er dies bei den Eltern Zuhause gemacht habe. Auf Vorhalt, seine Frau sage etwas anderes, meinte er, vielleicht habe sie etwas verwechselt. Erklärend führte er hinsichtlich des Rasierens aus, dass er dies deswegen gemacht habe, weil er sonst Probleme bekommen hätte. Über Befragen, ob seine Wunden im Gesicht nicht gestört hätten, führte der BF1 aus, es sei wichtiger gewesen, seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu verschleiern. Die Kadyrow-Leute hätten einen eigenen Bart. Angemerkt, warum er nicht genau diesen Bart habe stehen lassen, meinte er, weil er vorher keine Probleme wegen des Bartes gehabt habe.
Nochmals befragt, wo er das Geld versteckt gehabt habe, wiederholte der BF1, dieses unter der Matratze versteckt zu haben. Dies sei unter dem Bett im Zimmer drinnen gewesen. Einige Zeit lang habe er das Geld auch noch unter dem Sofa versteckt gehabt. Auf Vorhalt, ihre Frau habe nur vom Sofa gesprochen, erwiderte der BF1, sie hätten auf dem Sofa geschlafen.
Nochmals zu seiner Rückkehr nach seiner Anhaltung befragt, nämlich wo und wie er seine Frau wieder gesehen habe, gab der BF1 an, er sei hereingekommen und habe sie gesehen. Auf Vorhalt, seine Frau sage etwas völlig anderes, meinte er, vielleicht habe er etwas verwechselt. Aufgefordert, sich daran zu erinnern, erklärte der BF1, er habe sie gesehen, entweder am Korridor oder im Zimmer drinnen. Nochmals merkte der vorsitzende Richter an, seine Frau habe etwas völlig anderes gesagt, behauptete der BF1, vielleicht habe seine Frau Probleme mit dem Gedächtnis. Auf Vorhalt, seine Frau habe angegeben, dass er (der BF1) draußen den Namen seiner Frau gerufen habe und dass sie dann ins Freie hinausgekommen sei, worauf der BF1 erwiderte, er versuche sich zu erinnern. Nochmals nachgefragt, wer jetzt Recht habe, meinte er, er habe jetzt Zweifel.
Auf die Frage, bei wem er jetzt um die Hand seiner Frau angehalten habe, gab er nochmals an, dass er bei der Mutter per Telefon um die Hand angehalten habe. Auf Vorhalt, seine Frau behaupte etwas anderes, erwiderte er, er habe auch Leute mit dem Auto in ihr Dorf geschickt, aber es habe auch einen Anruf gegeben. Er habe - so der BF1 - die Verwandten ins Dorf geschickt.
Über Befragen, welche Verwandten seiner Frau bei der Hochzeit anwesend gewesen seien, gab der BF1 an, nur ihre Cousine, daran könne er sich erinnern. Aber die Cousine sei nicht jene aus dem Dorf XXXX gewesen.
Auf die weitere Frage, wer die Pässe aus der Lade geholt habe, als die fremden Männer ins Haus gestürmt seien, antwortete der BF1, dies habe seine Frau getan. Dazu merkte der vorsitzende Richter an, daran könne sich seine Frau aber nicht erinnern.
Über Befragen, ob er offene Wunden gehabt habe, erklärte er, dass er Beulen gehabt habe und dass das Gesicht zerschlagen gewesen sei. Er habe aus der Nase geblutet. Nochmals nachgefragt, ob er äußere offene Wunden gehabt habe, behauptete der BF1, er könne sich nicht erinnern, es sei alles zerschlagen gewesen. Nach Wiederholung der Frage gab er an, er könne sich nur erinnern, dass er aus der Nase geblutet habe. Sonst würden ihm keine Wunden einfallen. Auf die Frage des vorsitzenden Richters, ob er sich an eine offene Wunde an der rechten Stirn erinnern könne, meinte er, dies könne schon sein. Angemerkt, es sei keine Narbe auf seiner rechten Stirn zu erkennen, meinte der BF1, er könne sich nicht erinnern. Auf die Frage, wie oft er in seinem Leben offene Wunden in seinem Gesicht gehabt habe, erwiderte der BF1, dass es in den letzten drei Jahren keine gegeben habe.
Auf die Frage des vorsitzenden Richters, ob er sich an eine offene Wunde, die durch eine gezielte Verfolgungshandlungen zugefügt worden sei und die letzte Verwundung darstelle, die er wochen- und monatelang im Spiegel habe sehen könne, nicht erinnern könnte, erwiderte der BF1, er könne sich nicht erinnern.
In weiterer Folge wurde nochmals die BF2 befragt. Diese gab auf die Frage, wie lange sie sich nach der Rückkehr ihres Mannes nach dessen Anhaltung noch zuhause befunden hätten, an, dass sie noch in etwa eine Stunde zuhause gewesen seien. Sie hätten nur die notwendigen Sachen mitgenommen und ein Taxi gerufen. Sie hätten - so die BF2 - kein eigenes Auto gehabt, daher hätten sie ein Taxi gerufen.
Auf die Frage, ob sie versucht habe, in ihrem Herkunftsstaat Schutz vor den von ihr genannten Verfolgungshandlungen zu suchen, gab die BF2 an, dies hätte nichts gebracht. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst vor dem To