TE AsylGH Beschluss 2013/05/06 D12 400057-7/2013

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Veröffentlicht am 06.05.2013
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Spruch

D12 400057-6/2011/11E

 

D12 400062-6/2011/10E

 

D12 400058-6/2011/12E

 

D12 400060-6/2011/9E

 

D12 400061-6/2011/9E

 

D12 400056-6/2011/11E

 

D12 400059-6/2011/10E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Auttrit als Vorsitzenden und den Richter Dr. Dajani als Beisitzer über die Anträge der

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

betreffend Wiederaufnahme der mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 01.06.2011 zu den Zlen. D12 400057-5/2011/10E, D12 400062-5/2011/9E, D12 400058-5/2011/9E, D12 400060-5/2011/9E, D12 400061-5/2010/8E, D12 400056-5/2011/8E, D12 400059-5/2011/8E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Anträge vom 09.11.2011 auf Wiederaufnahme der mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 01.06.2011 zu Zlen. D12 400057-5/2011/10E, D12 400062-5/2011/9E, D12 400058-5/2011/9E, D12 400060-5/2011/9E, D12 400061-5/2010/8E, D12 400056-5/2011/8E, D12 400059-5/2011/8E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren werden gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG abgewiesen.

 

II. Die Anträge auf Erteilung einer aufschiebenden Wirkung werden als unzulässig zurückgewiesen.

 

Zu den Anträgen auf Wiederaufnahme der Verfahrens vom 28.12.2012:

 

D12 400057-7/2013/4E

 

D12 400062-7/2013/5E

 

D12 400060-7/2013/4E

 

D12 400061-7/2013/4E

 

D12 400056-7/2013/4E

 

D12 400059-7/2013/4E

 

B E S C H L U S S

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Auttrit als Vorsitzenden und den Richter Dr. Dajani als Beisitzer über die Anträge der

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

betreffend Wiederaufnahme der mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 01.06.2011 zu den Zlen. D12 400057-5/2011/10E, D12 400062-5/2011/9E, D12 400060-5/2011/9E, D12 400061-5/2010/8E, D12 400056-5/2011/8E, D12 400059-5/2011/8E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

I. Die Anträge vom 28.12.2012 auf Wiederaufnahme der mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 01.06.2011 zu Zlen. D12 400057-5/2011/10E, D12 400062-5/2011/9E, D12 400060-5/2011/9E, D12 400061-5/2010/8E, D12 400056-5/2011/8E, D12 400059-5/2011/8E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren werden gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1991 BGBl. Nr 51/1991 idgF. als verspätet zurückgewiesen.

 

II. Die Anträge auf Erteilung einer aufschiebenden Wirkung werden als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Da sich die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahrens hinsichtlich alle sieben Antragsteller (in weiterer Folge AS) genannt, nur auf die gesundheitliche Situation des Vaters (AS 1) bzw. in den zweiten Wiederaufnahmeanträgen nur auf dessen Festnahme in Moskau bezieht, wird im Rahmen des Verfahrensganges bzw. des Sachverhaltes nur dessen Verfahren dargestellt.

 

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste am 29.12.2007 mit seiner Frau und seinen fünf Kindern unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab an, XXXX zu heißen, am XXXX in XXXX, Russische Föderation, geboren, Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und moslemischen Glaubens zu sein und bereits einen Asylantrag in Polen gestellt zu haben. Bezüglich seiner Fluchtgründe brachte er vor, er sei in seiner Heimat von Föderalen Kräften verfolgt worden, da er Videokassetten von Maschadov zu Hause versteckt und Leuten von Maschadov geholfen habe. Er sei im Sommer 2006 das erste Mal und im Februar 2007 das letzte Mal von Soldaten misshandelt worden und habe mehrere Narben davongetragen. Auch sein Sohn sei geschlagen und diesem die Nase gebrochen worden.

 

2. Am 05.01.2008 richtete das Bundesasylamt ein auf Art. 16 Abs. 1 lit c Dublin-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen. Mit Schreiben vom 08.01.2008, eingelangt am 09.01.2008, stimmte Polen der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß § 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ausdrücklich zu.

 

3. Am 16.01.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab an, einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt zu haben. Erneut zu seinen Fluchtgründen befragt brachte der Beschwerdeführer vor, er könne in seinem Herkunftsstaat nicht leben, da er von Maskierten "nicht nur einmal, sondern tausendmal" geschlagen und verhöhnt worden sei. Seit dem Jahr 1999 sei er von diesen Leuten, wahrscheinlich Mitarbeitern des FSB, nicht in Ruhe gelassen worden, da er Videokassetten versteckt habe. Er habe ansonsten keine Probleme mit der Polizei, dem Militär, den staatlichen Organen oder mit Privatpersonen und sei ausgereist, um seine Kinder zu retten. Nach Polen wolle er nicht zurück, da es auch dort Leute von Kadyrov gäbe und es daher nicht sicher sei.

 

4. Im psychiatrischen Gutachten von XXXX, Facharzt für Psychiatrie-Neurologie, vom 19.05.2008 stellt dieser fest, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung in Remission leide. Es bestehe aber bei einer Rückführung nach Polen keine Gefahr, dass sich der Zustand des Beschwerdeführers verschlechtert.

 

5. In der Einvernahme vom 21.05.2008 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, gab der Beschwerdeführer an, er sei zur Zeit in Österreich in keiner ärztlichen Behandlung, habe aber erhöhten Blutdruck und Herzbeschwerden. Die Schwester seiner Ehefrau lebe mit ihrer Familie als anerkannter Flüchtling in Österreich und es bestehe vor allem telefonischer Kontakt zu dieser.

 

6. Mit Schreiben vom 22.05.2008 legte der Beschwerdeführer einen psychotherapeutischen Kurzbericht von XXXX vor. Darin wird diagnostiziert, dass der Beschwerdeführer an einer chronifizerten höhergradigen posttraumatischen Belastungsstörung, alternativ an einer Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, leide.

 

7. Mit Bescheid vom 06.06.2008, FZ. 07 12.304-BAL, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass zur Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gem. Artikel 16 Abs.1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig sei (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen gemäß § 10 Absatz 4 AsylG zulässig sei.

 

8. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Beschwerdeführervertreter fristgerecht Beschwerde und beantragte Zuerkennung auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Der Beschwerdeführervertreter führte im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit dem Vorbringen bezüglich der schlechten Situation in Polen und der psychischen Situation des Beschwerdeführers und seiner Familie auseinandergesetzt. Bei einer Ausweisung nach Polen bestehe eine reale Gefahr einer Verletzung der in der EMRK, vor allem Art. 3 EMRK, verankerten Grundrechte.

 

9. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 11.07.2008, GZ. S3 400.057-1/2008/2E, wurde der Beschwerde gemäß § 37 Abs.1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

10. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29.07.2008, GZ. S3 400.057-1/2008/7E, wurde der Beschwerde gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben, da die Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen nicht innerhalb der gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin-Verordnung vorgeschriebenen Frist von 6 Monaten durchgeführt wurde und die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens daher auf Österreich übergegangen ist.

 

11. In der Einvernahme vom 29.10.2008 gab der Beschwerdeführer erneut zu seinen Fluchtgründen befragt kurz zusammengefasst an, er habe im Jahr 1999 Flüchtlinge in seinem Hof beherbergt. Einer dieser Flüchtlinge habe Beziehungen zu bewaffneten Gruppierungen gehabt und habe einen Koffer mit Fotos und Kassetten von Maschadov in seinem Haus zurückgelassen. Deshalb sei der Beschwerdeführer vor den Augen seiner Familie von Maskierten zusammengeschlagen worden, vier Mal von den Behörden von zu Hause mitgenommen und nach dem Inhalt des Koffers befragt worden. Die Anhaltungen haben einmal drei bis vier Tage, dann eine Woche gedauert. Seine Familie habe ihn jedes Mal freikaufen müssen.

 

12. Im psychiatrischen Gutachten von XXXX Facharzt für Psychiatrie-Neurologie, vom 11.02.2009 wurde diagnostiziert, dass der Beschwerdeführer nach wie vor an einer posttraumatischen Belastungsstörung in Remission und in inkompletter Verlaufsform leide. Gegenüber der letzten Begutachtung sei aber eine Besserung eingetreten und bestehe auch kein Bedarf an einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung.

 

13. Mit Bescheid vom 27.03.2009, FZ 07 12.304- BAL, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

14. Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe völlig unterschiedliche Ausführungen zu seiner Gefährdung vorgebracht. So habe er bei seiner Asylantragstellung in Polen nur angegeben, aufgrund der allgemeinen Lage in seinem Heimatstaat geflüchtet zu sein. Eine konkret ihn betreffende Verfolgung durch unbekannte Maskierte - wie er es im Zuge des Verfahrens in Österreich schilderte - habe er in Polen mit keinem Wort erwähnt.

 

Im Rahmen der Erstbefragung und der weiteren Einvernahmen in Österreich habe der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben gemacht, wann er das erste Mal von maskierten Männern mitgenommen worden sei und wie oft dies geschehen sei. Weiters gäbe es Diskrepanzen in den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau betreffend denselben Sachverhalt. So habe der Beschwerdeführer ausgeführt, die Anhaltungen haben jeweils drei bis vier Tage bzw. eine Woche gedauert, die Ehefrau des Beschwerdeführers habe die Dauer der Mitnahmen mit jeweils einem Monat angegeben. Außerdem sei das Vorbringen des Beschwerdeführers äußerst vage und unkonkret und habe der Beschwerdeführer selbst nach Aufforderung bei der Schilderung von Ereignissen Orte, Zeit und involvierte Personen zu nennen, diese nicht in der Art und Weise vorgebracht, dass annähernd ein Rückschluss auf die Chronologie der Ereignisse gewonnen werden habe können. Die Aussagen haben sich daher als derart widersprüchlich, unkonkret und nicht schlüssig erwiesen, dass der vorgebrachte Sachverhalt keinesfalls glaubwürdig und somit nicht asylrelevant sei. Hinsichtlich der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers wird angeführt, dass diese nicht dauernd behandlungsbedürftig sei und der Beschwerdeführer auch in Österreich vorhandene Behandlungsmöglichkeiten nicht in Anspruch nehme. Daher sei die Abschiebung in die Russische Förderation im Sinne des § 50 FPG 2005 zulässig. Auch die Ausweisung sei zulässig, da nach einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen ist, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dem privaten Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegen.

 

15. Gegen diesen am 30.03.2009 zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 09.04.2009 fristgerecht in vollem Umfang Beschwerde. Im Wesentlichen wiederholte der Beschwerdeführer seine bisher vorgebrachten Fluchtgründe und führte dazu aus, er habe sein Vorbringen detailliert und übereinstimmend im Bezug auf die Aussagen seiner Ehefrau vorgebracht. Die vom Bundesasylamt aufgezeigten geringen Widersprüche seien nicht geeignet, um die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Frage zu stellen. Außerdem seien die vom Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid angeführten Länderberichte veraltet und habe sich das Bundesasylamt nicht mit der derzeit aktuellen Situation in Tschetschenien auseinandergesetzt und keinen landeskundigen Sachverständigen beauftragt. Da die Schwägerin des Beschwerdeführers als anerkannter Flüchtling in Österreich lebe und die Familie des Beschwerdeführers unterstütze würde eine Zurückschiebung, Abschiebung oder Ausweisung Art. 8 EMRK widersprechen.

 

16. Mit Erkenntnis vom 05.11.2009, GZ. D12 400057-2/2009/3E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet ab.

 

Auszugsweise wird wegen des besseren Verständnisses die Beweiswürdigung hier angeführt:

 

"Die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde zitierten Erkenntnisse, D8 308752-1/2008/11E und D7 264702-4/2008/17E, des Asylgerichtshofes und vor allem die darin verwendeten Länderfeststellungen sind auf den gegenständlichen Fall nicht exakt anwendbar, da nur Feststellungen zu Tschetschenien getroffen werden. Im gegenständlichen Fall waren aber von der belangten Behörde richtigerweise Feststellungen sowohl zu Tschetschenien als auch zu Inguschetien zu treffen.

 

Wie das Bundesasylamt richtig ausführt, war den Angaben des Beschwerdeführers kein Glauben zu schenken. Der Beschwerdeführer konnte keineswegs ein schlüssiges und nachvollziehbares Bild der von ihm geltend gemachten Bedrohungssituation im Herkunftsstaat zeichnen. Die Ausführungen zur angeblichen Bedrohung wurden vom Beschwerdeführer völlig unterschiedlich geschildert. So gab er bei seiner Asylantragstellung in Polen als Fluchtgrund lediglich an, aufgrund der allgemeinen Lage und der schlechten Sicherheitslage in seinem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein. Eine konkret ihn betreffende Verfolgung durch unbekannte Maskierte - wie er es im Zuge des Verfahrens in Österreich schilderte - erwähnte er in Polen mit keinem Wort.

 

Völlig widersprüchlich und damit unglaubwürdig sind die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich der angeblichen Mitnahme durch maskierte Männer. Im Zuge der polizeilichen Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, das erste Mal im Sommer 2006 mitgenommen worden zu sein und das letzte Mal im Februar 2007. Dazwischen sei er viel Male mitgenommen und misshandelt worden. Dagegen brachte der Beschwerdeführer bei einer Einvernahme vor dem Bundesasylamt vor, das erste Mal im Jahr 1999 festgenommen worden zu sein und es dass es sich um insgesamt vier Mitnahmen gehandelt habe. Schließlich war in einer weiteren Einvernahme am 16.01.2009 plötzlich davon die Rede, dass er zwischen 1999 und 2007 "nicht einmal, sondern tausendmal" von den unbekannten Personen gefangen genommen worden sei. Eine Bedrohung und Mitnahme durch Unbekannte ist nach Ansicht des erkennenden Senates ein derart gravierendes Ereignis, dass vom Beschwerdeführer durchaus gefordert werden kann, die Anzahl der Vorfälle genau wiederzugeben und den Zeitpunkt der Vorfälle zumindest grob einordnen zu können. Dieses Erfordernis wird vom Beschwerdeführer nicht erfüllt und es entsteht der Eindruck, dass dieser sein Vorbringen von Befragung zu Befragung gesteigert hat, um seine Chancen im Asylverfahren zu erhöhen.

 

Es ist dem Bundesasylamt auch zuzustimmen, dass die Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau, XXXX hinsichtlich der oben geschilderten Mitnahmen durch maskierte Männer sehr widersprüchlich sind. So gibt die Ehefrau des Beschwerdeführers an, ihr Gatte sei in den Jahren 1999, 2000, 2003, 2006 mitgenommen worden und diese Mitnahmen haben jedes Mal ungefähr einen Monat lang gedauert. Der Beschwerdeführer spricht dagegen davon, dass die Festnahmen einmal drei Tage, dann vier Tage und einmal eine Woche gedauert haben. Eine derartige Diskrepanz in der Dauer der geschilderten Vorfälle lässt auch für den erkennenden Senat nur den Schluss zu, dass den Aussagen kein Glauben geschenkt werden kann.

 

Zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers trägt auch bei, dass sein Vorbringen - wie schon vom Bundesasylamt bemängelt - äußerst vage und allgemein gehalten ist. Er bringt weder Details über den Ablauf der Festnahmen vor noch schildert er konkret die Umstände seiner Anhaltungen. Beispielsweise gibt der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 29.10.2008, befragt nach dem Raum in dem er festgehalten wurde, lediglich an, es habe sich um "eine Zelle, wie beim FSB" gehandelt. Weiters spricht er immer wieder über die Mitnahme durch Maskierte, ohne diese aber nur einmal näher zu beschreiben. Auch Umstände, wie etwas die Art seiner Freilassung, werden vom Beschwerdeführer nicht konkretisiert.

 

Auch das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe im Oktober 2007 schnell aus seinem Heimatort verschwinden müssen, da es überall Verräter gäbe, ist keinesfalls nachvollziehbar. Sollten die angeblichen Mitnahmen durch Maskierte tatsächlich stattgefunden haben, so wussten diese Männer ja bereits sehr gut darüber Bescheid, wo der Beschwerdeführer wohnt. Es hätte also keiner Verräter bedurft um ihn ausfindig zu machen. Auch der Umstand, dass die letzte Mitnahme bereits im Februar 2007 stattgefunden haben soll und es danach keine Vorfälle mehr gab, zeigt deutlich, dass es im Oktober 2007 keinen Anlass für ein plötzliches Verschwinden gegeben haben kann.

 

Die behaupteten Misshandlungen bzw. Drohungen können schon mangels eines zeitlichen Konnexes zur fast 6 Monate später erfolgten Ausreise des Beschwerdeführers, ohne dass er in der Zwischenzeit irgendwelchen Verfolgungshandlungen ausgesetzt war, keine Berücksichtigung finden. (VwGH 10.03.1993, 92/01/0879 und 21.04.1993 92/01/0956).

 

Lt. gängiger Judikatur des VwGH muss die Asylrelevanz zum Zeitpunkt der Ausreise gegeben sein und sind Umstände die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückliegen nicht mehr beachtlich, die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung muss vielmehr bis zu Ausreise andauern. (VwGH 27.06.1995, 94/20/0689).

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Bundesasylamt zu Recht von einem unglaubwürdigen bzw. nicht asylrelevanten Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen ist."

 

17. Nach Beendigung seines Asylverfahrens am 21.12.2009 ist der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach Belgien ausgereist und stellte dort einen Asylantrag. Im Rahmen des Dublin-Verfahrens wurde die gesamte Familie am 15.02.2010 nach Österreich rücküberstellt.

 

18. Am 17.03.2010 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge auch als zweiter Asylantrag bezeichnet). Hiezu wurde er zunächst am 17.03.2010 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI Traiskirchen im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich erstbefragt und gab im Wesentlichen an, dass für ihn die gleichen Gründe wie in seinem ersten Asylverfahren gelten würden. Er sei immer wieder festgenommen und misshandelt worden, seine Verwandten hätten ihn immer freigekauft. Er habe jedoch einen zweiten Asylantrag gestellt, da ihn dies von einem Anwalt geraten worden sei. Er habe am 12.03.2010 einen Brief per Fax aus Inguschetien bekommen, in dem ihm bestätigt werde, dass er während der Zeit der Präsidenten Dudaev-Maschadow an gesetzwidrigen bewaffneten Formierungen teilgenommen habe, aus diesem Grunde werde er in der Russischen Föderation aus politischen Gründen verfolgt.

 

In Zuge dieser Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen vor:

 

Kopie einer Bestätigung der Verwaltung der Landbevölkerung in Nadteretschnoje in russischer Sprache, ausgestellt am 06.03.2010 (Unterschrift unleserlich) mit dem Inhalt:

 

Bestätigung

 

Einwohner des Dorfes Pidach, Bezirk Malgobek, derzeit Republik Inguschetien

 

Während der Regierungsperiode von DUDAEV - MASKHADOV, war XXXX Mitglied der NVF (Ungesetzliche Bewaffnete Gruppierungen). Deswegen wurde seine Familie auf dem Territorium der Russischen Föderation politischen Verfolgungen ausgesetzt. Um diesen Verfolgungen zu entgehen, verließ XXXX zusammen mit seiner Familie die Russische Föderation und kam nach Republik Österreich. Die Familie von XXXX befindet sich nach wie vor auf dem Gebiet dieses Landes und möchte politisches Asyl bekommen. Auf dem Territorium von Tschetschenien hat diese Familie keine Bleibe und ist fest entschlossen, in Österreich politisches Asyl zu bekommen und sich in diesem Land für immer niederzulassen.

 

(Rundstempel der Verwaltung der Landbevölkerung in Nadteretschnoje)

 

06.03.2010 (Unterschriften unleserlich)

 

Diese wurde im Rahmen der Einvernahme von der anwesenden Dolmetscherin übersetzt.

 

Am 31.03.2010 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab zusammengefasst im Wesentlichen an, dass er wegen seiner PTSD derzeit keine Möglichkeit einer Behandlung habe, da er keine Krankenversicherung mehr habe und deshalb auch keine Medikamente nehme. Er habe neuerlich einen Antrag gestellt, da er von 1994 - 1999 auf Seite der beiden Präsidenten Dudaev und Maschadow gearbeitet habe und deshalb jetzt von den russischen Behörden verfolgt werde. Er sei immer wieder festgenommen und misshandelt worden. Seine Verwandten hätten ihn immer wieder gegen Bezahlung freibekommen.

 

19. Mit Bescheid vom 20.04.2010, FZ. 10 02.417-EAST Ost, wies das Bundesasylamt den zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (= Spruchpunkt I.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (= Spruchpunkt II.).

 

Begründend führte das Bundesasylamt darin aus, dass der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers bereits ausreichend im erstinstanzlichen Bescheid Seite 59 bis 61 und auf den Seiten 24 bis 27 des zweitinstanzlichen Erkenntnisses gewürdigt wurde und klar ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer unter keiner derart lebensbedrohlichen Krankheit leide, welche einer Rückführung in die Russische Föderation entgegenstehe.

 

Zum als Faxkopie vorgelegten Beweismittel stellte das Bundesasylamt fest, dass die Echtheit nicht verifiziert werden könne, jedoch beziehe sich das Schreiben auf Angaben, die sich auf das bereits im Vorverfahren angegebene Fluchtvorbringen beziehen, weswegen kein neu entstandener Sachverhalt festgestellt werden kann.

 

Die vorgebrachten Gründe seien somit nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken und könne darin kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Deshalb stehe die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen.

 

Da die gesamte Kernfamilie des Beschwerdeführers, ebenso wie er selbst, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sei, stelle die Ausweisung keinen Eingriff in dessen Recht auf Schutz des Familienlebens dar. Aufgrund der geringen Aufenthaltsdauer könne zudem keine relevante Bindung zu Österreich erkannt werden und stelle die Ausweisung daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

20. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vertreten durch seinen Rechtsanwalt, gleichlautend für die gesamte Familie, am 27.04.2010 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher er den o.a. Bescheid in seinem vollen Umfang wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes anfocht und im Wesentlichen folgendes geltend machte:

 

Eine Zurückweisung seines gegenständlichen Asylantrages wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG sei im vorliegenden Fall nicht zulässig gewesen, da er seinen fluchtauslösenden Sachverhalt nunmehr mittels neuer Beweismittel belegen könne. Aufgrund des Auftretens neuer Beweismittel liege eine res iudicata nicht vor. Insbesondere sei sein erstes Asylverfahren negativ entschieden worden, da man sein Vorbringen für nicht glaubhaft gehalten habe. Nunmehr habe er durch Vorlage einer Bestätigung des Bürgermeisters seiner Heimatstadt dieses Vorbringen, in der gesamten Russischen Föderation politisch verfolgt zu werden und im Falle der Rückkehr mit gravierenden Problemen konfrontiert zu werden, untermauern können. Gleichzeitig wurde das Originalschreiben übermittelt.

 

Die Behörde I. Instanz wäre verpflichtet gewesen von dem vorgelegten Schreiben eine Übersetzung herzustellen zu lassen, um das diesbezügliche Asylvorbringen näher untersuchen zu können. Weiters fehlten neue Feststellungen über den Gesundheitszustand des BF 1 und der BF 2.

 

Sein Antrag sei daher zuzulassen. Zudem stelle er den Antrag, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuzuerkennen.

 

21. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.06.2010, zur Zl. D12 400057-3/2010/2E, gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl I 122/2009, als unbegründet abgewiesen.

 

Begründend wurde dabei im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesasylamt in seiner Beweiswürdigung völlig schlüssig dargelegt habe, dass die vom Betroffenen präsentierte Fluchtgeschichte bzw. Bedrohungssituation aufgrund der sehr vage gehaltenen, oberflächlichen und insbesondere massiv widersprüchlichen Angaben absolut unglaubwürdig sei.

 

Zur Beweiskraft des vorgelegten Schreibens wurde angeführt, dass es sich offensichtlich um ein Gefälligkeitsschreiben, welches über Auftrag des Beschwerdeführers erstellt wurde, handelt.

 

Denn kein russisches Staatsorgan würde wohl bestätigen, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation aus politischen Gründen verfolgt wird.

 

Auch die Angaben, dass der Beschwerdeführer sich mit seiner Familie in Österreich befindet, dort um politisches Asyl angesucht hat und fest entschlossen ist, sich in diesem Land für immer niederzulassen, spricht für ein vom Beschwerdeführer angefordertes Auftragsschreiben.

 

Es wurden daher diese Angaben in dem Sinne gewertet, dass sie keinen glaubhaften Kern innehaben.

 

Dem Betroffenen sei es auch mit seinen Angaben im Rahmen der Beschwerdeschrift nicht gelungen, die zahlreichen Widersprüche zu entkräften, weshalb das Bundesasylamt insgesamt zu Recht von einem unglaubwürdigen Vorbringen des Betroffenen ausgegangen sei.

 

22. Das Erkenntnis des Asylgerichtshof vom 10.06.2010, Zl. D12 400057-3/2010/2E, erwuchs am 16.06.2010 in Rechtskraft.

 

23. Der Betroffene brachte am 09.08.2010 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ("2. Folgeantrag") ein, wurde dazu am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 02.09.2010 und 06.09.2010 vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache von einem Organwalter niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei an, er stelle erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, da seine Nichte Ende Juni 2010 wegen dem Beschwerdeführer für drei Tage entführt worden sei. Außerdem hätte der Schwiegervater mit dem Militär Probleme bekommen. Ergänzend wurden mehrere Internetausdrucke in russischer Sprache beigebracht.

 

Dem Betroffenen wurde am 12.08.2010 eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 ausgehändigt, in welcher ihm mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege und dass weiters beabsichtigt sei, den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben. Abschließend wurde er schriftlich auf die bevorstehende Rechtsberatung hingewiesen.

 

24. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.09.2010, Zl. 10.07.025- EAST Ost, erfolgte die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes.

 

Begründet wurde dies wie folgt: Die nunmehr vorgebrachten Gründe, weshalb der BF nicht in sein Heimatland zurückkehren will, seien idente mit denen des vorangegangenen Verfahren.

 

Bei den als Beweismittel vorgelegten Internetausdrucken konnte keinerlei Zusammenhang zur Person des Betroffenen bzw. zu dessen Familienangehörigen festgestellt werden. Bezüglich der Angaben, der Schwiegervater sei vom Militär gequält worden, sei außerdem anzuführen, dass kein einziges anderes Familienmitglied dazu Angaben machen konnte und auch kein Zusammenhang zu dem im Vorverfahren übermittelten handschriftlichen Brief besteht, da dieser vom Bürgermeister geschrieben worden sein soll.

 

Die von Amts wegen übermittelten Verwaltungsakte langten am 09.09.2010 bei der zuständigen Gerichtsabteilung D12 ein. Mit Mitteilung vom selben Tag wurde das Bundesasylamt vom Einlangen verständigt.

 

25. Mit Aktenvermerk vom 09.09.2010 hielt der Asylgerichtshof nach Durchführung einer Grobprüfung fest, dass die Frist von 18 Monaten (§ 10 Abs. 6 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009) nicht abgelaufen sei. Da aufgrund offenkundig mangelnder Beweiskraft der vorgelegten Internetausdrucke, sowie mangels eines glaubhaften Kernes der neuen Angaben des Betroffenen, eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes nicht glaubhaft sei und auch von Amts wegen keine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhaltes ersichtlich sei, werde der Folgeantrag voraussichtlich gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention sei seitens des Betroffenen nicht vorgelegt worden und haben auch von Amts wegen nicht eruiert werden können.

 

26. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 02.11.2010 zur Zl. D12 400057-4/2010/2E wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 in Verbindung mit § 41a Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, rechtmäßig war.

 

27. Mit Bescheid vom 01.04.2011, FZ. 10 07.025-EAST Ost, wies das Bundesasylamt den dritten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (= Spruchpunkt I.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (= Spruchpunkt II.).

 

Begründet wurde dies wie folgt: Die nunmehr vorgebrachten Gründe, weshalb der BF nicht in sein Heimatland zurückkehren will, seien idente mit denen des vorangegangenen Verfahren.

 

Bei den als Beweismittel vorgelegten Internetausdrucken konnte keinerlei Zusammenhang zur Person des Betroffenen bzw. zu dessen Familienangehörigen festgestellt werden. Bezüglich der Verfolgungsbehauptungen der Schwester bzw. Nichte werde angemerkt, dass der BF diesbezüglich keinerlei Beweismittel vorlegen konnte und die Behauptungen ohne nähere Angaben in den Raum stellt, deshalb gehe das BAA davon aus, dass es sich bei dem Vorbringen des BF um ein gesteigertes und damit nicht glaubhaftes Vorbringen handle. Ebenso verhalte es sich mit dem Vorbringen bzgl. der angeblichen Verfolgungshandlungen gegenüber dem Schwiegervater.

 

Die vorgebrachten Gründe seien somit nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken und könne darin kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden, da das Vorbringen keinen glaubhaften Kern aufweise. Deshalb stehe die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen.

 

Da die gesamte Kernfamilie des Beschwerdeführers, ebenso wie er selbst, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sei, stelle die Ausweisung keinen Eingriff in dessen Recht auf Schutz des Familienlebens dar. Aufgrund der geringen Aufenthaltsdauer könne zudem keine relevante Bindung zu Österreich erkannt werden und stelle die Ausweisung daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

28. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx gleichlautend für die gesamte Familie am 04.04.2011 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher er den o.a. Bescheid in seinem vollen Umfang wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes anfocht und im Wesentlichen folgendes geltend machte:

 

Eine Zurückweisung seines gegenständlichen Asylantrages wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG sei im vorliegenden Fall nicht zulässig gewesen, da er seinen fluchtauslösenden Sachverhalt nunmehr mittels einer neuen Gefährdungssituation dargelegt habe, welche in keinerlei Spannungsverhältnis zum ursprünglichen Vorbringen stehe, sondern im Gegenteil zu einem harmonischen Gesamtbild verbunden werden könne. Das BAA habe sich nicht mit dem neuen Vorbringen beweiswürdigend auseinandergesetzt und auch auf die aktuelle Situation in Tschetschenien sei nicht eingegangen worden. Die Eltern hätten jedoch deutlich dargelegt, dass sie ohne professionelle Hilfe de facto nicht fähig seien, das Leben zu organisieren und insbesondere für die Kinder Sorge zu tragen. Bezüglich der Ausweisung wurde vorgebracht, dass eine faire Interessenabwägung zugunsten der BF ausgehen hätte können.

 

Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

 

Mit gesondertem Schreiben vom 04.04.2011 wurde weiters ein Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters gestellt.

 

29. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 12.04.2011 zur Zl. D12 400057-5/2011/8Z wurde Hr. Mag. Gülay Aydemir "Verein Menschenrechte Österreich" Geschäftsstelle Wien, Alser Straße 24, 1090 Wien zum Rechtsberater bestellt.

 

30. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 12.04.2011 zur Zl. D12 400057-5/2011/7Z wurde der Beschwerde gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

31. Bis zum Entscheidungszeitpunkt ist keinerlei Stellungnahme bzw. Beschwerdeergänzung des Rechtsberaters eingelangt.

 

32. Am 02.05.2011 langte beim Asylgerichtshof ein psychotherapeutischer Befundbericht bzgl. des Beschwerdeführers - erstellt vom Psychotherapeut XXXX - ein, in dem die im Jahre 2008 gestellte Diagnose einer chronifizierten höhergradigen PTBS (ICD-10: F43.1) bestätigt wird. Der zuvor erhaltene ablehnende Bescheid des Bundesasylamtes hätte eine Destabilisierung mit Verstärkung der gesamten Symptomatik mit sich gebracht.

 

33. Die Beschwerden aller sieben Beschwerdeführer wurden mit den Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 01.06.2011, zu den Zlen. D12 400057-5/2011/10E, D12 400062-5/2011/9E, D12 400058-5/2011/9E, D12 400060-5/2011/9E, D12 400061-5/2010/8E, D12 400056-5/2011/8E, D12 400059-5/2011/8E, gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl I 135/2009, als unbegründet abgewiesen.

 

Zum besseren Verständnis der verfahrensgegenständlichen Entscheidung werden an dieser Stelle die wesentlichen Teile der Begründung hinsichtlich des BF 1 bzgl. der Nichtgewährung von subsidiärem Schutz wiedergegeben:

 

Angemerkt wird, dass die Antragsteller im Wiederaufnahmeverfahren in den vorangegangenen Verfahren als Beschwerdeführer bezeichnet wurden.

 

"Soweit der Beschwerdeführer - neben seinen Fluchtgründen - im gegenständlichen Verfahren erneut geltend macht, an psychischen Problemen (Posttraumatische Belastungsstörung), zu leiden, ist dem Bundesasylamt ebenfalls zuzustimmen, dass auch hier kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorliegt. Der Beschwerdeführer hat bereits in seinem Erstverfahren Befunde vorgelegt, die dies dokumentieren. Das Bundesasylamt hat bereits im Vorverfahren umfangreiche Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgungslage in der Russischen Föderation im Allgemeinen und zur Behandelbarkeit von posttraumatischen Belastungsstörungen im Besonderen getroffen und die Erkrankungen einer umfassenden Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilungen zu Grunde gelegt.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass sich auch hinsichtlich der gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers kein neuer Sachverhalt ergeben hat, über welchen nicht bereits im Vorverfahren rechtskräftig abgesprochen wurde.

 

Der zuständige Einzelrichter des Asylgerichtshofes übersieht nicht, dass das russische Gesundheitssystem österreichischen Standards nicht entsprechen mag. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat jedoch - aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK - im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfGH 6.3.2008, B 2400/07).

 

Soweit Schwierigkeiten insbesondere bei der teilweisen Finanzierung der Medikamente und Behandlung bestehen sollten, so erreichen diese im vorliegenden Fall die unbestreitbar "hohe Schwelle" des Art. 3 EMRK, wie sie von der erwähnten Judikatur festgesetzt wird, nicht (vgl. etwa EGMR 2.5.1997, 30.240/96, Fall D. gegen Vereinigtes Königreich, wo die Abschiebung eines an AIDS im Endstadium erkrankten Staatsangehörigen von St. Kitts nicht bloß wegen dessen Krankheit, sondern aufgrund des Risikos eines Todes unter äußerst schlimmen Umständen als Verletzung von Art. 3 EMRK qualifiziert wurde; in anderen Fällen hatte der EGMR keine derart außergewöhnliche Situation angenommen: vgl. EGMR 29.6.2004, 7702/04, Fall Salkic ua gegen Schweden [psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen]; 31.5.2005, 1383/04, Fall Ovdienko gegen Finnland [Erkrankung an schwerer Depression mit Suizidgefahr]; 27.9.2005, 17416/05, Fall Hukic gegen Schweden [Erkrankung an Down-Syndrom];

22.6.2004, 17.868/03, Fall Ndangoya gegen Schweden [HIV-Infektion];

zuletzt auch zurückhaltend EGMR 27.5.2008, 26.565/05, Fall N. gegen Vereinigtes Königreich [AIDS-Erkrankung]).

 

Außergewöhnliche Umstände, angesichts derer die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation die Garantien des Art. 3 EMRK verletzen würde, können unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht erblickt werden.

 

Dem Beschwerdeführer ist es daher nicht gelungen, darzulegen, dass er im Falle seiner Abschiebung in die Russische Föderation in eine "unmenschliche Lage" versetzt würde. Daher verstößt eine allfällige Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nicht gegen Art. 2, Art. 3 EMRK oder gegen die Zusatzprotokolle zur EMRK Nr. 6 und Nr. 13 und auch nicht gegen Art. 15 lit. c Status-RL."

 

Rechtlich folgerte der Asylgerichtshof daraus, dass die Voraussetzungen für eine aktuelle Verfolgungsgefahr iSd. Genfer Flüchtlingskonvention nicht gegeben seien und auch kein Abschiebungshindernis iSd. Art. 3 EMRK vorliege. Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung wies der Asylgerichtshof darauf hin, dass der Antragsteller über keine iSd. Art. 8 EMRK relevanten Beziehungen zu einer dauernd aufenthaltsberechtigten Person verfüge, welche mit ihm in einem besonderen Verwandtschafts- bzw. Naheverhältnis stehe. Auch die Anträge seiner Familienangehörigen seien mit Erkenntnissen des Gerichtshofes vom selben Tage abgewiesen und die getroffenen Ausweisungsentscheidungen des Bundesasylamtes bestätigt worden. Zudem wies der Asylgerichtshof auf die nunmehr dreimalige Asylantragstellung und die relativ kurze Aufenthaltsdauer - überdies nach illegaler Einreise - hin, innerhalb welcher nicht von einer relevanten Bindung zum Bundesgebiet ausgegangen werden könne. Im Rahmen der Interessenabwägung gelangte der Asylgerichtshof zu einem Überwiegen öffentlicher Interessen zugunsten einer Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen des Antragstellers am Verbleib in Österreich.

 

34. Die Erkenntnisse des Asylgerichtshofes vom 01.06.2011 wurden hinsichtlich aller Antragsteller am 10.06.2011 zugestellt und erwuchsen damit in Rechtskraft.

 

35. Zu allen drei Verfahren wurden Anträge an den VfGH bzgl. Zuerkennung einer Verfahrenshilfe gestellt und dies dem AGH mitgeteilt (16.12.2009 zur Zl. U 3319/09), 22.12.2010 zur Zl. U 2834/10), 18.07.2011 zur Zl. U 1525/11). Alle drei Anträge wurden vom VfGH abgelehnt.

 

36. Am 28.11.2012 wurden die AS 1,2,6,7 mittels Charterflug in die Russische Föderation abgeschoben.

 

Zu den Anträgen auf Wiederaufnahme der Verfahrens vom 09.11.2011:

 

Mit Schriftsatz vom 09.11.2011 begehrten die Antragsteller 1-7 - vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx - die Wiederaufnahme der Verfahrens gemäß § 69 AVG. Der Wiederaufnahmeantrag ist gleichlautend für alle 7 Beschwerdeführer formuliert. Dem AS 1 seien seit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 01.06.2011 neue Beweismittel zur Kenntnis gelangt, welche für die Beurteilung des Sachverhaltes maßgeblich seien.

 

In den Asylanträgen der Familie sei es zentral um die psychischen Probleme, insbesondere des Familienvaters XXXX, gegangen.

 

Das BAA und offenbar auch der AsylGH schenkten einzig der gutachterlichen Stellungnahme von XXXX Glauben, die in die Richtung attestiert, der BF 1 hätte keine posttraumatische Belastungsstörung und auch sonst keine Erkrankung. Der BF 1 sei jedoch durch einen Polizeifacharzt untersucht worden, dieser komme aber in seinem Befund und Gutachten zum Schluss, dass der BF 1 an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und regelmäßig Medikamente und Gesprächstherapie benötige, andernfalls es zu einer Chronifizierung des Leidens im Sinne einer bleibenden Persönlichkeitsveränderung kommen würde.

 

Dieses mit 19.08.2011 datierte Gutachten sei dem BF 1 im Zuge eines Termins bei der BPD Wien am 27.10.2011 zur Kenntnis gelangt.

 

Anmerkung: Das angesprochene Gutachten wurde jedoch nicht übermittelt.

 

Hinsichtlich der AS 2 - 7 wurden keine eigenen Wiederaufnahmegründe angeführt und wird offensichtlich davon ausgegangen, dass - sofern ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vorliegt - eine anderslautende Entscheidung hinsichtlich des AS 1 auch auf die anderen Familienmitglieder durchschlägt.

 

Weiters wurde beantragt, allen Verfahren die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

Mit Schriftsatz vom 23.12.2011, eingelangt beim AGH am 27.12.2011, begehrten die Antragsteller 1-7 - vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx - abermals die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

 

Mit Schreiben vom 30.11.2012 teilte das Bundesasylamt mit, dass ein Abschiebetermin für die AS, "1,2,6 und 7" für den 28.12.2012 festgesetzt worden sei.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Mit 1. Juli 2008 entscheidet der Asylgerichtshof gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, idgF, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, in der geltenden Fassung in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 oder 3a leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Durch Einzelrichter/Einzelrichterin entscheidet der Asylgerichtshof gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 ausnahmslos über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4 leg. cit.;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 leg. cit. sowie

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

 

Der Asylgerichtshof entscheidet weiters durch Einzelrichter über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 41a AsylG 2005.

 

Eine mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung fällt gemäß § 61 Abs. 3 Z 2 leg. cit. ebenfalls in die Kompetenz des/der zuständigen Einzelrichters/ Einzelrichterin.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um ein taxativ angeführtes Verfahren, welches durch Einzelrichter zu entscheiden war. Der Gesetzgeber hat nur die mit einer § 68 AVG Entscheidung verbundenen Ausweisungen, jedoch nicht später gestellte Wiederaufnahmeverfahren nach § 69 AVG im § 61 AsylG 2005 angeführt. Auch der Verfassungsausschuss des Parlamentes geht davon aus, dass nur die taxativ aufgezählten Fälle durch Einzelrichter zu entscheiden sind und in allen anderen Fällen ein Zweiersenat zu entscheiden hat (Beilage Nr. 371 zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP). Daher ist das Verfahren des Beschwerdeführers von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshofes zu führen. Siehe dazu auch die Senatsentscheidung zu D14 310806-3/2011/2E im gleichgelagerten Fall. Der gestellte Antrag an den VfGH bzgl. Zuerkennung einer Verfahrenshilfe zur Zl. U 2239/11), wurde abgelehnt, sodass von der Richtigkeit einer Senatsentscheidung auszugehen ist.

 

Gem. § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 nichts anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

 

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

 

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

 

3. der Bescheid gem. § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

 

Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

 

Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von 3 Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

 

Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.

 

Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 Abs 1 Z 2 AVG darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist ("nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt ("nova causa superveniens") (vgl. z. B. VwGH 20.06.2001, Zl. 95/08/0036 und die bei Walter/Thienel,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 124 zu § 69 AVG zitierte Rechtsprechung). Im Neuerungstatbestand des § 69 Abs 1 Z 2 AVG wird ausdrücklich festgelegt, dass die Wiederaufnahme nur dann in Betracht kommt, wenn der Wiederaufnahmegrund allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Es obliegt daher der Behörde, bereits im Wiederaufnahmeverfahren zu prüfen, ob die neue Tatsache oder das neue Beweismittel voraussichtlich einen anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (vgl. VwGH 22.02.2001, Zl. 2000/04/0195).

 

II.2. Vorweg war daher zu prüfen, ob die formalen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags iSd. § 69 Abs. 1 und 2 AVG als erfüllt anzusehen sind:

 

In Anbetracht der abschließenden Entscheidung des AGH vom 01.06.2011 über den Antrag auf internationalen Schutz stand dem Antragsteller jedenfalls kein weiteres ordentliches Rechtsmittel mehr zur Geltendmachung seines Rechtsstandpunktes zur Verfügung.

 

Ausgehend von der Behauptung, dass dem Antragsteller mit 27.10.2011 das nicht vorgelegte Beweismittel zugegangen war und er erst mit diesem Zeitpunkt von ihm Kenntnis erlangte, sowie in Anbetracht dessen, dass der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit 08.11.2011 an das Bundesasylamt übermittelt wurde, war dieser Antrag auch als iSd. § 69 Abs. 2 AVG rechtzeitig eingebracht anzusehen.

 

II. 3. Zur Frage der inhaltlichen Berechtigung des Wiederaufnahmebegehrens:

 

Der Antragsteller stützte seinen Wiederaufnahmeantrag iSd. § 69 Abs. 1 Z 2 AVG auf neu hervorgekommene Tatsachen bzw. Beweismittel, die vom ihm ohne sein Verschulden im Vorverfahren nicht geltend gemacht werden konnten und seiner Ansicht nach in diesem Verfahren aller Voraussicht nach einen in der Hauptsache anderslautenden Spruch herbeigeführt hätten. Diesbezüglich verweist der Vertreter der BF 1-7 auf ein ärztliches Gutachten vom 19.08.2011, welches dem AS 1 im Zuge eines Termins bei der BPD Wien am 27.10.2011 zur Kenntnis gelangte.

 

Das Gutachten wurde nicht vorgelegt, eine Anforderung konnte jedoch unterbleiben, da eine Einsicht nicht entscheidungsrelevant war.

 

Wie bereits oben einleitend dargelegt, sieht der Neuerungstatbestand des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ausdrücklich vor, dass eine Wiederaufnahme des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nur dann in Betracht kommt, wenn die Beweismittel bereits bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist ("nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt ("nova causa superveniens") (vgl. z. B. VwGH 20.06.2001, Zl. 95/08/0036 und die bei Walter/Thienel,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 124 zu § 69 AVG zitierte Rechtsprechung).

 

Das angesprochene (nicht übermittelte) ärztliche Gutachten, welches offensichtlich durch einen Polizeiarzt der BPD Wien im Rahmen der geplanten Abschiebung des AS 1 erstellt wurde, ist aber wie der AS 1 selbst angibt erst am 19.08.2011 entstanden, also nach Eintritt der Rechtskraft (10.06.2011) des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes.

 

Nach Abschluss des Verfahrens entstandene Urkunden oder Aussagen im Verfahren vernommener Zeugen sind keine neu hervorgekommenen Beweismittel iSd § 69 Abs 1 Z 2 AVG (VwGH 25.1.1972, 1567/71; 23.3.1993, 93/11/0043; 28.3.1995, 94/19/0139.

 

Siehe dazu Hengstschläger -Leeb Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 4. Teilband Seite 1251, Rz 35.

 

Dem gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag mangelte es angesichts dessen an einem tauglichen Wiedereinsetzungsgrund iSd. § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG und war folgerichtig das Begehren des Antragstellers abzuweisen.

 

Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes war auch nicht gemäß § 38 AVG von Vorfragen (Gesundheitszustand des BF 1) abhängig, welche von der hierfür zuständigen Behörde in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde, sondern war die Frage, ob dem AS 1 aufgrund seines Gesundheitszustandes subsidiärer Schutz zuerkannt werden kann durch den Asylgerichtshof zu entscheiden und nicht durch die BPD Wien.

 

Es scheidet daher auch der Wiedereinsetzungsgrund iSd. § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG als tauglicher Wiedereinsetzungsgrund aus.

 

Doch auch wenn man davon ausgehen würde, dass es sich um einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund iSd. § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG handelt, würde dies am Ergebnis nichts ändern, da im Neuerungstatbestand des § 69 Abs 1 Z 2 AVG ausdrücklich festgelegt wird, dass die Wiederaufnahme nur dann in Betracht kommt, wenn der Wiederaufnahmegrund allein oder in Verbindu

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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