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50 GEWERBERECHTNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtung der Urwahl in einen Fachgruppenausschuss der Wirtschaftskammer Wien im Hinblick auf die Nichtveröffentlichung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin wegen fehlender Unterstützungserklärungen; im Übrigen Zurückweisung der WahlanfechtungSpruch
I. Der Wahlanfechtung wird, soweit sie sich gegen die Nichtveröffentlichung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin wendet, nicht stattgegeben.
II. Im Übrigen wird die Wahlanfechtung zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Anfechtungsvorbringen und Vorverfahren
1. Wahlverfahren
1.1. Vom 27. Februar bis 2. März 2010 fanden die Urwahlen in die Ausschüsse der Fachgruppen der Wirtschaftskammer Wien, darunter die Fachgruppe 602 - Fachgruppe Hotellerie Wien der Wirtschaftskammer Wien, statt. Am 12. März 2010 wurden die Wahlergebnisse in der Zeitung "Wiener Wirtschaft" als Veröffentlichungsorgan der Wirtschaftskammer Wien verlautbart.
1.2. Die Wählergruppe "FPÖ pro Mittelstand - Freiheitliche und Unabhängige" (in der Folge: FPÖ pro Mittelstand) erstattete am 14. Jänner 2010 einen Wahlvorschlag, auf dem der Bewerber Alfred L. aufschien. Dem Wahlvorschlag beigeschlossen war u.a. eine mit 18. September 2009 datierte "Zustimmungs- und Unterstützungserklärung" des Alfred L., mit der dieser seine Zustimmung zur Aufnahme in die Bewerberliste der FPÖ pro Mittelstand sowie seine Unterstützung dieses Wahlvorschlages, auf dem er kandidierte, bekanntgab und alle bisher erteilten Zustimmungs- und Unterstützungserklärungen widerrief.
Am 15. Jänner 2010 erstattete die Wählergruppe "Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER WIRTSCHAFTSTREIBENDER" (in der Folge: RFW) einen Wahlvorschlag, auf dem neben weiteren Bewerbern auch Alfred L. als Bewerber aufschien. Dem Wahlvorschlag beigeschlossen war u.a. eine mit 21. Mai 2009 datierte "Zustimmungs- und Unterstützungserklärung" des Alfred L., mit der dieser seine Zustimmung zur Aufnahme in die Bewerberliste des RFW sowie seine Unterstützung des Wahlvorschlages, auf dem er kandidierte, bekanntgab.
Am 12. Jänner 2010 - also noch vor Einbringung der beiden Wahlvorschläge - langte bei der Hauptwahlkommission der Wirtschaftskammer Wien (in der Folge: Hauptwahlkommission) ein Schreiben des Alfred L. ein, in dem dieser "nochmals" erklärte, dass er sich entschlossen habe, bei der Wirtschaftskammerwahl 2010 für die Liste RFW zu kandidieren und allfällige andere Zustimmungserklärungen ungültig seien. Dieses Schreiben war ursprünglich mit "07.01.2009" datiert, wobei die letzten beiden Stellen der Jahreszahl handschriftlich auf "10" ausgebessert wurden.
1.3. In der Folge teilte die Hauptwahlkommission dem Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand schriftlich mit, dass deren Wahlvorschlag Mängel dahingehend aufweise, dass dieser - nach Berücksichtigung allfälliger unten angeführter Streichungen - weder einen wählbaren Bewerber noch die erforderliche Mindestanzahl von gültigen Unterstützungserklärungen aufweise und daher nicht zuzulassen sei. Der Bewerber Alfred L. sei wegen Doppelkandidatur zu streichen und der Wahlvorschlag daher nicht zuzulassen gewesen.
1.4. Am 12. Februar 2010 wurden in der Zeitung
"Wiener Wirtschaft" die "eingereichten gültigen Wahlvorschläge" verlautbart, wobei für die vorliegende Fachgruppe folgende Listen genannt wurden: Liste 1: Dr. Martin Schick - ÖSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND; Liste 2:
Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (SWV) Liste 2 - Meschik; Liste 3: Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER
GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER
WIRTSCHAFTSTREIBENDER; Liste 4: GRÜNE WIRTSCHAFT (GRÜNE). Der Bewerber Alfred L. schien dabei am Wahlvorschlag des RFW auf.
1.5. Nach Durchführung der Wahl vom 27. Februar bis 2. März 2010 wurde das Wahlergebnis von der Hauptwahlkommission am 12. März 2010 in der Zeitung "Wiener Wirtschaft" verlautbart, wobei auf die Liste 1: Dr. Martin Schick - ÖSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND elf Mandate, auf die Liste 2: Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (SWV) Liste 2 - Meschik zwei Mandate und auf die Liste 3: Parteifreie Wahlgemeinschaft FACHLISTE DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT - RING FREIHEITLICHER WIRTSCHAFTSTREIBENDER ein Mandat entfielen.
2. Verfahren vor den Wahlbehörden
2.1. Das am 12. März 2010 verlautbarte Ergebnis der Wahl in den Ausschuss der vorliegende Fachgruppe sowie dessen Ermittlung wurden vom Zustellungsbevollmächtigten der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand mit Einspruch gemäß §98 Wirtschaftskammergesetz (in der Folge: WKG) bekämpft. Mit Bescheid der Hauptwahlkommission der Wirtschaftskammer Wien vom 2. September 2010 wurde der Einspruch der Wählergruppe abgewiesen.
2.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand durch ihren Zustellungsbevollmächtigten Beschwerde gemäß §98 Abs4 WKG. Das Verfahren über diese Beschwerde wurde mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 6. September 2011 auf Grund bei der Staatsanwaltschaft Wien laufender Ermittlungen wegen behaupteten Wahlkartenbetruges ausgesetzt. In der Folge wurden mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 22. Juli 2012 der Aussetzungsbescheid aufgehoben, die Anträge auf Einsicht in die Wahlkartenakte sowie die Abstimmungsverzeichnisse und Stimmzettel gemäß §19 Wirtschaftskammer-Wahlordnung zurückgewiesen und die Anträge auf Aufhebung des Bescheides der Hauptwahlkommission sowie auf Ungültigerklärung der Wirtschaftskammerwahl 2010 in Wien in der vorliegenden Fachgruppe und auf Neuausschreibung dieser Wahl gemäß §98 WKG abgewiesen.
Begründend wurde im Hinblick auf die Streichung des Bewerbers Alfred L. vom Wahlvorschlag der Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand ausgeführt, dass die Durchführung eines Verfahrens gemäß §88 Abs5 WKG (Aufforderung des Bewerbers, sich zu erklären, für welche Liste er kandidieren wolle) nicht erforderlich gewesen sei, weil eine solche Erklärung bereits mit der Zustimmungs- und Unterstützungserklärung vom 7. Jänner 2010 - zugunsten des RFW - vorgelegen sei. Überdies seien nicht genügend - nämlich nur zwei (statt der geforderten sechs) - ausdrückliche Einverständnis- und Unterstützungserklärungen vorgelegen. Die in Bezug auf die Doppelkandidatur behauptete Rechtswidrigkeit habe somit keinen Einfluss auf das Wahlergebnis haben können, weil die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand (auch) mangels ausreichender Unterstützungserklärungen nicht zur Wahl zugelassen worden sei.
3. Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
3.1. Mit ihrer Wahlanfechtung ficht die Wählergruppe FPÖ pro Mittelstand als Anfechtungswerberin im verfassungsgerichtlichen Verfahren durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter gemäß Art141 B-VG der Sache nach die Urwahl in den Ausschuss der Fachgruppe 602 - Fachgruppe Hotellerie Wien der Wirtschaftskammer Wien vom 27. Februar 2010 bis 2. März 2010 an und beantragt, die Wahl für nichtig zu erklären und als rechtswidrig aufzuheben.
Begründend wird in Hinblick auf die Zulässigkeit des Wahlvorschlages lediglich vorgebracht, dass die Wahlbehörde es rechtswidrig unterlassen habe, das im Falle von Doppelkandidaturen verpflichtende Verfahren des §88 Abs5 WKG einzuhalten. Die von der Hauptwahlkommission gewählte Vorgangsweise, ihre Entscheidung über die Streichung bzw. das Belassen eines Bewerbers auf einer Liste danach zu richten, zu welchem Datum dieser Bewerber Zustimmungserklärungen bzw. Widerrufserklärungen gegenüber einer der Wählergruppen abgegeben habe, finde keine gesetzliche Deckung. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Rechtswidrigkeit nach Lage des konkreten Falles auf das Wahlergebnis zumindest von Einfluss sein konnte.
3.2. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er beantragt, "die Beschwerde als unbegründet abzuweisen". Begründend wird - in Bezug auch auf weitere beim Verfassungsgerichtshof anhängige Anfechtungen von Urwahlen in die Ausschüsse von Fachgruppen der Wirtschaftskammer Wien - u.a. ausgeführt, dass die Hauptwahlkommission davon ausgegangen sei, dass bei den in Rede stehenden Doppelkandidaturen keine Fälle des §88 Abs5 WKG vorgelegen seien, weil die Wahlwerber zwar auf mehreren Listen aufgeschienen seien, aber unmittelbar vor der Wahl schriftlich erklärt hätten, für die Liste RFW kandidieren zu wollen (und ihre Zustimmungs- und Unterstützungserklärungen für andere Listen zurückzuziehen). Diese Schreiben seien als ausdrückliche Willenserklärungen zu qualifizieren, die man gemäß §88 Abs5 WKG hätte einfordern müssen, sodass es eines solchen Verfahrens nicht mehr bedurft hätte. Das Mängelbehebungsverfahren des §88 Abs5 WKG sei nur bei unklaren Situationen durchzuführen, nicht aber dann, wenn der Wahlwerber in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang vor der Wahl bekanntgegeben habe, für welche Liste er zu kandidieren beabsichtige.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichthof hat über die - soweit sie sich gegen die Nichtveröffentlichung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin wendet zulässige (s. VfGH 1.3.2013, WI-4/12) - Anfechtung erwogen:
Die vorliegende Anfechtung entspricht inhaltlich in allen entscheidungswesentlichen Belangen der dem Erkenntnis VfGH 1.3.2013, WI-4/12, zugrunde liegenden Anfechtung, die ebenfalls eine gleichartige Rechtswidrigkeit eines Wahlverfahrens zum Ausschuss einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer Wien behauptet.
Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines Erkenntnisses VfGH 1.3.2013, WI-4/12, hinzuweisen; aus diesem ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass die in der Anfechtungsschrift behauptete Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Durchführung des für den Fall von Doppelkandidaturen vorgesehenen Verfahrens gemäß §88 Abs5 WKG - läge sie auch tatsächlich vor - keinen Einfluss auf das Wahlergebnis haben konnte, weil die Unzulässigkeit des Wahlvorschlages auch mit dem Fehlen der notwendigen Zahl von Unterstützungserklärungen begründet wurde, diesbezüglich in der Wahlanfechtung jedoch keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens behauptet wurde. Da eine Wählergruppe, deren Wahlvorschlag zu Recht nicht zugelassen wurde, nicht zur Anfechtung des weiteren Wahlverfahrens befugt ist (s. VfGH 1.3.2013, WI-4/12), ist auf die weiteren Behauptungen der Anfechtungswerberin nicht einzugehen.
III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Der Wahlanfechtung ist daher, soweit sie sich
gegen die Nichtveröffentlichung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin wendet, nicht stattzugeben.
2. Im Übrigen ist die Wahlanfechtung als unzulässig zurückzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, berufliche Vertretungen, Wirtschaftskammern, Wahlvorschlag, Wahlanfechtung administrative, Verwaltungsverfahren, Anwendbarkeit AVG, AkteneinsichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:WI8.2012Zuletzt aktualisiert am
28.03.2013