TE Vfgh Beschluss 2013/4/2 B201/13

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Veröffentlicht am 02.04.2013
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Index

10 VERFASSUNGSRECHT
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof,
Asylgerichtshof

Norm

VfGG §85 Abs2 / Energierecht

Spruch

              Dem in der Beschwerdesache der E GmbH, ..., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Denk, Seilergasse 16, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Vorstands der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft vom 19. Dezember 2012, Z ..., gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 und 4 VfGG keine Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

              1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid erteilt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Genehmigung ihrer Allgemeinen Verteilernetzbedingungen unter der Auflage, einer "Versorgung in letzter Instanz gemäß §124 GWG 2011" Rechnung zu tragen.

              2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und begründet dies wie folgt:

              Der angefochtene Bescheid sei einem Vollzug

zugänglich, weil gemäß §29 des Bundesgesetzes, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Erdgaswirtschaft erlassen werden (Gaswirtschaftsgesetz 2011 - GWG 2011), BGBl. I 107/2011 idF BGBl. II 74/2012, der Netzbetreiber Änderungen genehmigter Allgemeiner Netznutzungsbedingungen binnen vier Wochen nach Vorliegen der Genehmigung den Netzbenutzern bekannt zu geben habe. Bei einer Nichtbefolgung dieser Vorgabe drohten verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen. Gemäß §29 GWG 2011 letzter Satz gälten die Allgemeinen Netznutzungsbedingungen (erst) nach Ablauf von drei Monaten nach der Mitteilung an die Netzbenutzer ab dem dann folgenden Monatsersten als vereinbart. Träten die Allgemeinen Netznutzungsbedingungen durch Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht in Geltung, blieben die derzeit geltenden Allgemeinen Netznutzungsbedingungen weiter in Kraft und eine Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Gewährleistung der Versorgung in letzter Instanz könne hintan gehalten werden.

              Zwingende öffentliche Interessen stünden der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen: Auch ohne die durch den bekämpften Bescheid angeordnete Verpflichtung zur Bereitstellung einer Versorgung in letzter Instanz bliebe der reguläre Netzzugang jedem Netzbenutzer weiterhin verpflichtend erhalten und sei eine reibungslose Versorgung der Bevölkerung mit Erdgas im territorialen Wirkungsbereich der Beschwerdeführerin gewährleistet. An einer Versorgung in letzter Instanz zu den von der Behörde "angeordneten Konditionen" bestehe kein öffentliches Interesse. Sozial benachteiligte bzw. armutsgefährdete Personen hätten nämlich wie bereits bisher weiterhin die Möglichkeit, "um Zahlungsaufschub oder Stundung anzusuchen und dadurch ihre Regelversorgung aufrecht zu erhalten". Zudem bestünden verschiedenste staatliche Sozialmaßnahmen, wie etwa die Gewährung von Heizkostenzuschüssen. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden auch keine erkennbaren sonstigen Interessen entgegen.

              Demgegenüber entstünde der Beschwerdeführerin für den Fall, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werde, ein unverhältnismäßiger Nachteil, weil eine Anwendung der "Versorgung in letzter Instanz" für die Beschwerdeführerin mit dem Risiko von erheblichen "faktisch unwiederbringlichen" Kosten und Aufwendungen verbunden sei. Das bei der Abschaltung des Netzes einzuhaltende qualifizierte Mahnverfahren führe - trotz der verpflichtenden Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe einer Teilbetragszahlung eines Monats - dazu, dass die Beschwerdeführerin mindestens für ein Monat Netzdienstleistungen und Energie bereit stellen müsse, ohne dafür bezahlt zu werden oder eine ausreichende Sicherheitsleistung verlangen zu können. Die Beschwerdeführerin leitet daraus rechnerisch einen drohenden wirtschaftlichen Nachteil in Höhe von € 12.327.907,- pro Jahr ab. Die Möglichkeit eines solchen wirtschaftlichen Nachteils sei im Hinblick auf mögliche entgegenstehende Interessen an der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls unverhältnismäßig.

              3. Die belangte Behörde bringt insbesondere vor, dass durch die Versorgung in letzter Instanz insbesondere Art3 Abs3 der RL 2009/73/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt, Abl. L 211 vom 14.8.2009, S 94, betreffend die Energieversorgung "schutzbedürftiger Kunden" umgesetzt werden solle. Diese Energieversorgung könne jedoch nur in Zusammenhang mit der Bereitstellung von Netzdienstleistungen gewährleistet werden. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden sohin zwingende öffentliche Interessen im Sinne des §85 Abs2 VfGG entgegen. Zudem könne der Netzbetreiber eine Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung verlangen, weshalb ohnehin kein Zwang zur unentgeltlichen Netzdienstleistung bestehe. Da die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung unmittelbar nachteilige Folgen für sich auf die Grundversorgung berufende Kunden habe, stünden dieser auch aus diesem Grund zwingende öffentliche Interessen im Sinne des §85 Abs2 VfGG entgegen. Zudem würden mit der Anwendung der neuen Allgemeinen Verteilernetzbedingungen umfangreiche Änderungen von erheblicher Bedeutung im Vergleich zur alten Fassung vorgenommen, die unter anderem auf die Umsetzung des neuen Marktmodells abzielten. Durch eine weiterdauernde Anwendung der derzeit geltenden Allgemeinen Verteilernetzbedingungen würde den Netzbenutzern "die geltende Rechtslage gänzlich verschleiert". Es lägen somit auch sonstige Interessen vor, die der Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Auch sei im vorliegenden Fall ein unwiederbringlicher Nachteil der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich, da der Beschwerdeführerin sämtliche Kosten im Rahmen des regulierten Kostenanerkennungsverfahrens gemäß §69 Abs1 GWG 2011 iVm §7 Abs1 des Bundesgesetzes über die Regulierungsbehörde in der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (Energie-Control-Gesetz - E-ControlG), BGBl. I 110/2010 idF BGBl. I 51/2012, ersetzt würden: mit dem GWG 2011 sei das Regulierungskonto eingeführt worden, mit dem nachträglich auftretende Änderungen der Kostenbasis bei der Kostenermittlung in den Folgejahren berücksichtigt würden. Zudem sei bei erneutem Zahlungsverzug im Rahmen der Versorgung in letzter Instanz eine Aussetzung der Netzdienstleistung bis zur Bezahlung der ausstehenden Beträge ohnehin zulässig.

              4. Gemäß §85 Abs2 VfGG hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde mit Beschluss aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

              Der Verfassungsgerichtshof kann es dahingestellt sein lassen, ob allein der Umstand, dass - wie die belangte Behörde ins Treffen führt - die Regelungen über die Versorgung in letzter Instanz der Umsetzung von Unionsrecht dienen, der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegensteht. Der Beschwerdeführerin ist es jedenfalls nicht gelungen darzutun, dass ihr durch die Geltung der (neuen) Allgemeinen Verteilernetzbedingungen, die von der belangten Behörde unter den genannten Auflagen genehmigt wurden, ein unverhältnismäßiger Nachteil entstünde, zumal - worauf die belangte Behörde hinweist - der Beschwerdeführerin durch Zahlungsausfälle entstehende Kosten im Rahmen des darauf folgenden Kostenanerkennungsverfahrens gemäß §69 GWG 2011 iVm §7 Abs1 E-ControlG grundsätzlich anerkennungsfähig sind (siehe zum Regulierungskonto gemäß §50 ElWOG VfGH 6.12.2012, G73/12, V48/12).

              Dem Antrag ist daher keine Folge zu geben.

Schlagworte

VfGH / Wirkung aufschiebende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B201.2013

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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