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66 SOZIALVERSICHERUNGNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Streichung einer Arzneispezialität aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex; keine rechtliche Betroffenheit von Konkurrenten durch die Aufnahme eines Generikums in den ErstattungskodexRechtssatz
Keine Verletzung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten gemäß Art6 iVm Art13 EMRK.
Die Anforderungen für die Aufnahme des Generikums in den Erstattungskodex sind solche im öffentlichen Interesse, nicht aber im Interesse des Schutzes von Konkurrenten, sodass insoweit deren subjektiv-öffentliche Rechte nicht betroffen sind. Die nachteiligen Konsequenzen für die Marktsituation des "Originals" sind bloß wirtschaftliche Reflexwirkungen des Auftretens zugelassener Generika auf dem Markt und ihrer Aufnahme in den Erstattungskodex. Auch ist mit der Entscheidung über die Aufnahme eines Generikums in den Erstattungskodex keine Automatik der Streichung des von der beschwerdeführenden Partei vertriebenen Referenzarzneimittels aus dem Erstattungskodex verbunden; darüber ist vielmehr in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden, in dem die beschwerdeführende Partei alle Parteirechte genießt. Im Aufnahmeverfahren für ein Arzneimittel in den Erstattungskodex lässt sich daher eine Parteistellung der beschwerdeführenden Partei weder aus Art6 EMRK noch aus einer sonstigen Verfassungsvorschrift ableiten.
Das behauptete verfassungswidrige Rechtsschutzdefizit liegt daher nicht vor. Damit erweisen sich auch die von der beschwerdeführenden Partei in ihrer Beschwerde in Bezug auf die Frage der erhöhten Alkoholunverträglichkeit des Generikums erhobenen Einwände als verfehlt.
Eine unsachliche Ungleichbehandlung (mangels Berücksichtigung der unterschiedlichen Qualität der Ware) liegt schon deshalb nicht vor, weil die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Generikums in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufgrund der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.01 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel den Nachweis der Identität des Wirkstoffs und den Nachweis der Bioäquivalenz voraussetzt; die Verträglichkeit eines Arzneimittels in Bezug auf einzelne Patienten ist hingegen bei der Aufnahme in den Erstattungskodex nicht zu prüfen.
Aber auch die Behauptung eines unsachlichen "Alles- oder Nichts-Prinzips" im Streichungsverfahren trifft nicht zu.
Bei der Aufnahme eines Arzneimittels in den Erstattungskodex kann auch berücksichtigt werden, dass ein Medikament nur für bestimmte Indikationen vorteilhaft ist. Die in diesem Zusammenhang in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, es sei die Aufnahme eines Medikaments mit einer Einschränkung der Indikation nicht möglich, trifft hingegen nicht zu, wie §31 Abs3 Z12 ASVG zeigt.
Soweit die beschwerdeführende Partei eine willkürliche Benachteiligung darin erblickt, dass ihr der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger kein rechtzeitiges Anbot zur Aufnahme auch ihres Produkts in den grünen Bereich des Erstattungskodex gemacht habe, verkennt die beschwerdeführende Partei, dass der Hauptverband zur amtswegigen Einleitung eines Verfahrens gemäß §351c Abs5 ASVG zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Es stand und steht der beschwerdeführenden Partei aber jederzeit frei, einen entsprechenden Antrag mit einem Preisangebot iSd §351c Abs9 Z1 ASVG zu stellen.
Keine Verletzung der Garantien des Art6 EMRK; kein Zweifel an der Unparteilichkeit der belangten Unabhängigen Heilmittelkommission; Hinweis auf B970/09, E v 14.03.12; siehe auch B283/10, E v 04.12.12.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Sozialversicherung, Arzneimittel, Rechte subjektive öffentliche, Parteistellung, Parteiengehör, Rechtsschutz, EU-Recht Richtlinie, Preisrecht, Kollegialbehörde, Tribunal, BehördenzusammensetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2012:B822.2011Zuletzt aktualisiert am
01.02.2013