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82 GESUNDHEITSRECHTNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Keine Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich betreffend eine Kürzung der Zusatzleistung für die Altersversorgung, die Rückzahlung geleisteter Beiträge und die Einhebung eines Pensionssicherungsbeitrags; kein Verstoß gegen den Vertrauensschutz im Hinblick auf die bezweckte Behebung der kapitalmäßigen Unterdeckung der Leistungsansprüche und die verzinste Beitragsrefundierung; Funktionsfähigkeit der kammereigenen ärztlichen Altersversorgung im öffentlichen Interesse gelegen; kein Verstoß der gesetzlichen Grundlage im Ärztegesetz gegen das DeterminierungsgebotRechtssatz
§109 Abs8 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 61/2010 verstößt nicht wegen Unbestimmtheit gegen das Legalitätsprinzip (Art18 Abs1 B-VG).
Die Bestimmung knüpft an der Ausgestaltung der Wohlfahrtsfonds aller Ärztekammern an, die - wenn auch jeweils unter Bedachtnahme auf versicherungsmathematische Grundsätze (zB als Umlagesystem, Anwartschaftsdeckungssystem oder Kapitaldeckungssystem) - unterschiedlich sein kann. Hat sich aber die Ärztekammer für ein bestimmtes System der Altersversorgung entschieden (wie die Ärztekammer für Niederösterreich für das Kapitaldeckungssystem), dann sind damit jene Regeln iSd Art18 Abs1 B-VG hinreichend determiniert, nach denen in diesem System eine "versicherungsmathematisch erforderliche Deckung" zu beurteilen ist.
Aber auch die vom Beschwerdeführer angegriffenen Bestimmungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (im Folgenden: Satzung WFF), auf Grund derer seine Leistung neu berechnet und ihm die zu viel entrichteten Beiträge refundiert wurden, sind weder gesetzwidrig noch sonst verfassungswidrig.
§80c ÄrzteG 1998 idF der 7. ÄrzteG-Nov, BGBl I 156/2005 gewährt keinen über die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung des VfGH hinausgehenden Vertrauensschutz. Das zeigen die Materialien zu dieser Bestimmung (AB 1135 BlgNR 22. GP 2), aus denen hervorgeht, dass vor dem Hintergrund der Häufung von Verfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts im Bereich des ärztlichen Wohlfahrtsfondsrechts "hinkünftig im Gesetz selbst in aller Deutlichkeit vorgeschrieben werden" sollte, dass bei Änderungen der Satzungen bzw der Beitragsordnungen des Wohlfahrtsfonds "den wohlerworbenen Rechten und dem Vertrauensschutz von Anspruchsberechtigten ausdrücklich Rechnung zu tragen ist". Die Bestimmung ordnet auch nicht die Wahrung des jeweiligen Besitzstandes an, sondern verpflichtet den Satzungsgeber lediglich zur "Berücksichtigung" der genannten Rechte.
Was den Vertrauensschutz selbst betrifft, kann es auf sich beruhen, ob die erst ab 01.01.07 und danach für rund zwei Jahre in Geltung gestandene Regelung über die erhöhte Bemessungsgrundlage geeignet ist, einen Vertrauenstatbestand im Sinne der Rechtsprechung zu erzeugen: Erstens steht der Beschwerdeführer bereits seit 01.04.02 in Pensionsbezug und war daher von dieser Satzungsänderung und ihrer Rücknahme nicht betroffen und zweitens kann ohnehin kein Zweifel daran bestehen, dass die nachträgliche Kürzung eines (unstrittig) rechtskräftig zuerkannten Anspruchs auf Leistungen zur Altersversorgung einen Eingriff in Rechtspositionen des Anspruchsberechtigten darstellt, dessen Verfassungsmäßigkeit anhand der zum Vertrauensschutz bei Systemen der Altersversorgung entwickelten Rechtsprechung des VfGH zu beurteilen ist.
Die hier zu beurteilenden Eingriffe in eine bereits angefallene Pensionsleistung sind durch Besonderheiten gekennzeichnet: Sie finden in einem Pensionssystem statt, das auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruht, und sie haben den Zweck, eine kapitalmäßige Unterdeckung, die sich in diesem System eingestellt hat, innerhalb der Grenzen, die vom satzungsgebenden Organ bei den erforderlichen Eingriffen als noch zumutbar erachtet wurden, zumindest teilweise zu beheben. Dieser Eingriff geht vor allem aber mit der Rückzahlung der die Höchstbemessungsgrundlage überschreitenden (und entsprechend verzinsten) Beiträge einher.
Es ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen des ÄrzteG 1998 weder gesetz- noch verfassungswidrig, wenn die Satzung WFF zunächst die Refundierung von Beiträgen vorsieht, welche die Höchstbeitragsgrundlage für die Pensionsbemessung überschreitend entrichtet wurden, und wenn als Konsequenz aus dieser Refundierung auch die - auf der Grundlage dieser Überzahlung bemessene - Leistung entsprechend reduziert wird.
Der in der Verminderung der Leistungshöhe liegende Eingriff ist nämlich in dieser Konstellation schon deshalb nicht als intensiv zu beurteilen, weil ihm die entsprechend verzinste Beitragsrefundierung gegenübersteht, die es dem Leistungsbezieher ermöglicht, entweder diesen Kapitalbetrag zu veranlagen oder über einen Zeitraum von mehreren Jahren die Rentenkürzungen zur Gänze oder - über einen noch längeren Zeitraum - zum großen Teil auszugleichen.
Dagegen verfängt nicht der in der mündlichen Verhandlung erörterte Einwand des Beschwerdeführers, dass die Beitragsrückerstattung um die Einkommensteuer zu vermindern ist, da dies auch auf die (höhere) Rente zutrifft. Selbst wenn ein solcher Ausgleich der Pensionskürzung auf Grund der individuellen steuerlichen Verhältnisse eines Leistungsbeziehers auf der Ebene der Nettoberechnung nicht in einem solchen Ausmaß erfolgen sollte wie bei einer Berechnung ohne Berücksichtigung der steuerlichen Verhältnisse, würde dies nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung führen: Dem Gesetzgeber ist es nämlich gestattet, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen.
Das Gesetz ermächtigt - neben anderen Maßnahmen - zu dem Eingriff der Einhebung von Pensionssicherungsbeiträgen, wenn zwei Gutachten die Unterdeckung der Leistungen nach versicherungsmathematischen Gesichtspunkten feststellen. Das Gesetz bindet den Satzungsgeber aber nicht in anderer Hinsicht an die Sachverständigengutachten. Abgesehen davon, dass eine Beitragserhöhung in der Satzung WFF zum 01.04.09 vorgenommen wurde, ist darauf zu verweisen, dass für die Beiträge eine gesetzliche Obergrenze von 18 vH der jährlichen Einnahmen normiert und in §98 Abs4 ÄrzteG 1998 für den Fall der versicherungsmathematischen Unterdeckung ausdrücklich die Anpassung der Leistungen an die Beiträge vorgesehen ist. Dem Gebot des §109 Abs8 ÄrzteG 1998, die Lasten der Sanierung zwischen den Generationen so zu verteilen, dass auf die Generation der Pensionisten nicht größere Lasten entfallen als auf jene der im aktiven Berufsleben stehenden Ärzte, wurde entsprochen.
Dass sich auch bei den noch im Berufsleben stehenden Ärzten ein großer Teil der auf sie entfallenden Kürzungen erst im Pensionsbezug auswirken wird, ergibt sich aus der Natur der Sache und macht die getroffene Regelung nicht verfassungswidrig, zumal §109 Abs8 ÄrzteG 1998 in diesem Zusammenhang eine auf den Ausgleich zwischen den Generationen abzielende und nicht etwa eine rein beitragsseitige Sanierung des Wohlfahrtfonds verlangt.
Die Höhe der durch den Pensionssicherungsbeitrag eintretenden Leistungskürzung bei der Zusatzrente ist vor dem Hintergrund des vorhin dargestellten Systems der Altersversorgung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich angesichts der Begrenzung dieser Kürzung mit 20 % und ihrer Verteilung auf einen Zeitraum von 5 Jahren unbedenklich.
Kein Verletzung des Art5 StGG.
Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der kammereigenen ärztlichen Altersversorgung liegt im öffentlichen Interesse. Die Maßnahmen beruhen auf gesetzlichen Regelungen, dienen einem zulässigen Ziel, sind dafür auch geeignet und in der konkreten Ausgestaltung nicht unverhältnismäßig und auch sonst nicht unsachlich.
Keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht behauptet); Abweisung der Beschwerde.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Ärzte, Versorgung, Versorgungsrecht, Determinierungsgebot, Legalitätsprinzip, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2012:B1587.2010Zuletzt aktualisiert am
01.02.2013