RS UVS Kärnten 2013/02/13 KUVS-2697/5/2012

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Veröffentlicht am 13.02.2013
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Rechtssatz

Ein einem Rechtsanwalt widerfahrendes Ereignis stellt für die Partei nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hierbei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Versehen eines Angestellten eines Anwaltes ist letzterem (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsvertreter die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem sonst immer zuverlässig arbeitenden Angestellten erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach der Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene oder zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass zu unterscheiden ist, ob die Fehlleistung eines Kanzleiangestellten in einer Angelegenheit unterlaufen ist, in der eine Kontrollpflicht des Rechtsanwaltes bestanden hat oder, ob diese Fehlleistung in einer Angelegenheit unterlaufen ist, in der eine solche Kontrollpflicht des Rechtsanwaltes nicht bestanden hat. Der Rechtsanwalt ist unter anderem für die Berechnung der Rechtsmittelfrist verantwortlich. Im gegenständlichen Fall ist es aber noch zu gar keiner Berechnung einer Rechtsmittelfrist gekommen, da das Schriftstück dem Anwalt überhaupt nicht vorgelegt und zur Kenntnis gebracht wurde. Der Fehler ist bei der Übernahme der Post passiert, wo das Schriftstück abhanden gekommen ist. Der Kanzleiangestellte arbeitet sonst immer zuverlässig und ist noch nie ein Schriftstück derart verschwunden. Dieses Verschwinden des Schriftstückes, obwohl der Rückschein bei der Postannahme unterzeichnet wurde, stellt ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulative Tätigkeit richtig ausführt, indem sie auch alle Schriftstücke, zu denen Rückscheine unterschrieben wurden, übernimmt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen.

Da es sich bei der Übernahme der Post durch den Postbeamten um eine reine manipulative Tätigkeit handelt, die der Rechtsanwalt einer zuverlässigen Kanzleikraft in Eigenverantwortung übertragen darf, trifft den Rechtsvertreter der Beschuldigten kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 AVG iVm § 24 VStG stattzugeben war.

Schlagworte
Fristversäumung, Wiedereinsetzungsantrag, Wiedereinsetzungsgrund, Verschulden, Minderer Grad des Versehens, Rechtsvertreter, Kontrolle, Sorgfaltspflicht, Kanzleikraft, Postannahme, Rückschein, Manipulative Tätigkeit
Zuletzt aktualisiert am
23.04.2013
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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