TE OGH 2008/12/16 8Ob133/08d

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Veröffentlicht am 16.12.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Konkurseröffnungssache des Zvonko S*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, über den „Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 25. August 2008, GZ 2 R 213/08a-10, womit über Rekurs der Gläubigerin V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 28. Juli 2008, GZ 14 S 76/08z-2, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Über Eigenantrag des Schuldners eröffnete das Erstgericht das Schuldenregulierungsverfahren und sprach aus, dass dem Schuldner die Eigenverwaltung nicht entzogen werde. Dem Antrag des Schuldners lag ein Vermögensverzeichnis bei, aus dem sich ein durchschnittliches Bruttoarbeitseinkommen des Schuldners für die Monate März bis Mai 2008 in Höhe von 2.463,70 EUR ergibt. Einzige Gläubigerin des Schuldners ist laut seinem Vermögensverzeichnis die V*****bank AG (in der Folge immer: Bank) mit einer aus einem Darlehen resultierenden Forderung in Höhe von 136.433,37 EUR. Der Schuldner bot einen Zahlungsplan an, wonach die Konkursgläubigerin 24 % ihrer Forderungen in 42 Monatsraten zu je 530 EUR monatlich und in weiteren 42 Monatsraten zu je 250 EUR monatlich erhalten sollte. Für den Fall der Nichtannahme des Zahlungsplans stellte der Schuldner den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Aus dem vom Schuldner vorgelegten Vermögensverzeichnis ergibt sich, dass ihm aufgrund einer Lohnpfändung (der Bank) nur der pfändungsfreie Teil seines Einkommens zur Verfügung steht.

In ihrem gegen die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens gerichteten Rekurs brachte die Bank vor, dass der Schuldner ihr aufgrund eines Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 7. 11. 2007 (6 Ob 192/07i) 102.393,10 EUR sA seit 2. 6. 2006 schulde. Der Oberste Gerichtshof habe hierin ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass das vom Schuldner beanspruchte richterliche Mäßigungsrecht nach § 25d KSchG nicht zum Tragen komme, weil aus seinem Nettoeinkommen von 1.690 EUR Kreditrückzahlungen von 690 EUR monatlich ohne weiteres aufzubringen seien. Zugunsten der Bank würden aus einer Gehaltsexekution gegen den Schuldner durchschnittlich monatlich 746,88 EUR erzielt. Daneben bleibe dem Schuldner das gesamte Existenzminimum. Eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners liege daher nicht vor. Er sei vielmehr langfristig durchaus in der Lage, die von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen.

Diesem Rekurs gab das Rekursgericht Folge, hob den Beschluss des Erstgerichts auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshofs zulässig sei, weil zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Umschuldungs- oder Ratenzahlungsmöglichkeit die Annahme der Zahlungsunfähigkeit hindere, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtlich ging das Rekursgericht zusammengefasst davon aus, dass bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auch auf eine realistische Möglichkeit einer Umschuldung Bedacht zu nehmen sei. Auch bei einem Eigenantrag des Schuldners sei anerkannt, dass das Gericht bei Bedenken das Vorliegen der Konkursvoraussetzungen von Amts wegen überprüfen könne. Dadurch solle einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Insolvenzverfahrens zur Erlangung einer Restschuldbefreiung vorgebeugt werden. Um den Ausnahmecharakter der Restschuldbefreiung nicht auszuhöhlen, sei in Fällen, bei welchen ein einziger Gläubiger einem Schuldner gegenüberstehe, der über ein Einkommen verfüge, das Rückzahlungsraten für einen Kredit in Höhe der ausständigen Verbindlichkeiten zulasse, mit denen das Gesamtobligo in einer für Kredite in dieser Größenordnung durchaus üblichen Frist getilgt werden könne, zu prüfen, ob eine Umschuldungsmöglichkeit gegeben sei oder ob der einzige Gläubiger entsprechenden Ratenzahlungen zustimme. Die Einräumung einer Ratenzahlungsmöglichkeit für die aushaftenden Verbindlichkeiten unter Abstandnahme von Exekutionsmaßnahmen käme einer Umschuldung im Ergebnis gleich. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren Erhebungen zu einer allfälligen Umschuldungsmöglichkeit der Verbindlichkeiten bzw zur Bereitschaft der Gläubigerin zu einer entsprechenden Ratenzahlungsvereinbarung anzustellen und darauf gestützt eine neue Entscheidung zu treffen haben.

Der dagegen vom Schuldner als „Revisionsrekurs" bezeichnete Rekurs strebt eine Abänderung des Aufhebungsbeschlusses des Rekursgerichts dahin an, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt werde. Die Bank beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs des Schuldners zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Zentrales Argument im Rekurs ist die Behauptung, dass der von der Bank fällig gestellte Kredit, für den der Schuldner eine Bürgschaft eingegangen sei, mit den dem Schuldner monatlich zur Verfügung stehenden Barmitteln von 1.690 EUR nicht zurückgezahlt werden könne. Eine Umschuldung, die die Zahlungsunfähigkeit nur dann beseitigen könnte, wenn der Schuldner dadurch in die Lage versetzt würde, einen offenen Kreditbetrag in einer Zeitspanne von 3 bis 6 Monaten zurückzuzahlen, sei dem Schuldner nicht möglich. Unter Berücksichtigung der nach Fälligstellung angefallenen Zinsen sei er nicht einmal in der Lage, die Zinsen aus dem Kreditverhältnis vollständig abzudecken.

Dazu wurde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass grundsätzlich der Schuldner, der die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen beantragt, die Zahlungsunfähigkeit nicht glaubhaft machen muss, weil im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass kein Schuldner grundlos die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen beantragen werde (5 Ob 324/85 = SZ 59/3 = JBl 1986, 90; 8 Ob 99/04y = ZIK 2005/61; Dellinger in Konecny/Schubert, KO § 69 Rz 58; Schumacher in Buchegger, InsR II/2 § 69 KO Rz 30; Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht2 [2004] Rz 324). Das Gericht ist allerdings gemäß § 173 Abs 5 KO, auch was das Vorliegen der Insolvenz des Schuldners betrifft, berechtigt und verpflichtet, seinen Zweifeln von Amts wegen nachzugehen, wenn es Anzeichen für eine missbräuchliche Konkursantragstellung durch einen solventen Schuldner gibt. Das Gericht hat daher, wenn sich - im Hinblick auf § 176 Abs 2 KO allenfalls auch erst im Rekursverfahren - Bedenken gegen das Zutreffen der Konkurseröffnungsvoraussetzungen ergeben, auch bei Vorliegen eines Schuldnerantrags gemäß § 173 Abs 5 KO alle für seine Beurteilung erheblichen Tatsachen von Amts wegen zu erheben und festzustellen (5 Ob 324/85; 8 Ob 84/03s8 Ob 99/04y; RIS-Justiz RS0064997; Dellinger aaO § 69 KO Rz 59; Schumacher aaO § 69 KO Rz 31). Diese Voraussetzungen gelten auch für das Schuldenregulierungsverfahren (§ 181 KO). Zutreffend hat daher das Rekursgericht das Vorbringen im Rekurs der Gläubigerin zum Anlass genommen, das Vorliegen der Konkursvoraussetzung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu überprüfen.

Zahlungsunfähigkeit liegt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung vor, wenn ein auch nicht überschuldeter Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel seine fälligen Verbindlichkeiten nicht zu zahlen vermag und die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald beschaffen kann (Dellinger aaO § 66 KO Rz 5; Schumacher aaO § 66 Rz 9; 8 Ob 87/02f = ZIK 2003/84; 8 Ob 624/88 = SZ 63/124 = WBl 1990, 348 [Dellinger]; RIS-Justiz RS0052198). Die auf konkreten Tatsachenfeststellungen über die wirtschaftliche Situation des Schuldners beruhende Beurteilung, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, stellt eine revisible Rechtsfrage dar (Dellinger aaO § 66 KO Rz 7; 4 Ob 547/81 = EvBl 1982/164; RIS-Justiz RS0043677).

Richtig ist nun, dass angesichts der Einkommensverhältnisse des Schuldners, soweit sie sich aus seinem Vermögensverzeichnis ergeben, die vom Schuldner behauptete und von der Bank gar nicht in Abrede gestellte Fälligstellung jenes Kredits, für den der Schuldner eine Bürgschaft übernahm, deshalb die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne der herrschenden Lehre und Rechtsprechung indiziert, weil der Schuldner mit dem ihm verbleibenden pfändungsfreien Teil seines Einkommens - der nach seinen eigenen Angaben zwischen 623,60 EUR und 684,81 EUR monatlich und nach den Angaben der Gläubigerin in ihrer Rekursbeantwortung durchschnittlich 775,36 EUR monatlich beträgt - nicht in der Lage ist, die fällige Kreditschuld - deren Höhe noch nicht feststeht, die aber nach den Behauptungen des Schuldners im Eröffnungsantrag 136.433,37 EUR beträgt - zu bezahlen. In der Regel wird eine Kreditfälligstellung bei Liquiditätsproblemen des Schuldners die Zahlungsunfähigkeit auslösen (Schumacher aaO § 66 KO Rz 45 mwN). Allerdings bedeutet aktueller Kredit im Geschäftsleben Vermögen und kann den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit verhindern oder die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit beseitigen (Schumacher aaO § 66 KO Rz 45 f; König, Anfechtung3 [2003] Rz 11/96; vgl auch 2 Ob 196/98g = SZ 71/143, wonach eine wenn auch nur vorübergehende wirtschaftliche Erholung die Zahlungsunfähigkeit beseitigt). Es ist daher bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auch auf die realistische Möglichkeit einer Umschuldung Bedacht zu nehmen (Kodek, Privatkonkurs [2002] Rz 62; Dellinger aaO § 66 KO Rz 52 ff).

Gerade im Schuldenregulierungsverfahren gewinnt dieser Umstand Bedeutung: Hier ist eine strenge Prüfung der Zahlungsunfähigkeit unerlässliches Korrektiv, wäre es doch andernfalls jedermann ermöglicht, seine Verbindlichkeiten innerhalb von 7 Jahren „los zu werden". Die Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren soll aber nur ein „letztes Auffangnetz" darstellen (Kodek aaO Rz 62; vgl auch Dellinger/Oberhammer aaO Rz 324). Der Oberste Gerichtshof hatte im Titelverfahren zu 6 Ob 192/07i eine Klage der Bank ua gegen den Schuldner aus jenem Darlehen zu beurteilen, welches Grundlage der (einzigen) Forderung gegen den Schuldner ist. Dort wurde die Berufung des Schuldners, der für seine Tochter und deren Gatten eine Bürgenhaftung übernommen hatte, auf § 25d KSchG mit dem Hinweis darauf verworfen, dass der Schuldner unter Zugrundlegung der konkret vereinbarten Darlehensrückzahlungsdauer, ausgehend von seinem Nettoeinkommen von 1.690 EUR, Kreditrückzahlungen von 690 EUR monatlich ohne weiteres aufbringen könne. Eine langfristige Belastung mit Kreditrückzahlungen werde von der Rechtsordnung nicht missbilligt. Andernfalls würde man weiten Kreisen der Bevölkerung im Ergebnis die Inanspruchnahme eines Kredits überhaupt verwehren.

Dieser Auffassung schließt sich auch der Senat an.

Das Rekursgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren die Möglichkeit einer „Umschuldung" bzw die Möglichkeit, mit der einzigen Gläubigerin eine Ratenvereinbarung zu schließen, zu überprüfen haben wird. Gewährt nämlich die Bank als einzige Gläubigerin dem Schuldner eine Ratenzahlungsmöglichkeit, die dazu führt, dass das Gesamtobligo in einer für Beträge in dieser Größenordnung durchaus üblichen Frist getilgt werden kann, liegt Zahlungsunfähigkeit nicht vor. Der auf einer richtigen rechtlichen Beurteilung beruhende Verfahrensergänzungsauftrag des Rekursgerichts ist somit nicht zu beanstanden (5 Ob 324/85).

Textnummer

E89568

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0080OB00133.08D.1216.000

Im RIS seit

15.01.2009

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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