Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alexander P*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Charlotte Lindenberger, Rechtsanwältin in Steyr, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Brandstetter Rechtsanwalts GmbH in Amstetten, wegen 3.329,39 EUR sA (Revisionsinteresse 2.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. April 2008, GZ 11 Ra 22/08x-22, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. Oktober 2007, GZ 27 Cga 31/06s-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 371,52 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 61,92 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger war vom 27. 6. 2005 bis 31. 7. 2006 bei der Beklagten als Konstrukteur beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Dienstnehmerkündigung.
Punkt 8. des Dienstvertrags der Streitteile hat folgenden Wortlaut:
„8. Ausbildungskosten
Für die CAD-Ausbildung der Systeme CATIA und/oder PRO/Engineer werden Ausbildungskosten bei einem Austritt durch den Arbeitnehmer wie folgt verrechnet:
Austritt innerhalb des ersten Jahres: 6 Monatsentgelte
Austritt innerhalb des zweiten Jahres: 4 Monatsentgelte
Austritt innerhalb des dritten Jahres: 2 Monatsentgelte
Austritt nach dem dritten Jahr: keine Ausbildungskosten
Die Berechnung der Monatsentgelte erfolgt analog der Berechnung der Abfertigung."
Unter dem in diesem Vertragspunkt verwendeten Wort „Austritt" verstanden die Vertragsteile jede Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger.
„Durch Aufrechnung mit einem Ausbildungskostenrückersatz wurde dem Kläger von der Endabrechnung ein Betrag von 3.329,39 EUR nicht ausbezahlt."
Der Kläger begehrte den Zuspruch dieses Betrags. Die dem Einbehalt zugrunde liegende Vereinbarung sei unwirksam, zumal sie den Kläger in seiner Kündigungsfreiheit beeinträchtige. Sie stelle eine Vertragsstrafe dar. Zudem verstoße die Vereinbarung gegen § 11 Abs 2 Z 6 AÜG. Das AÜG sei anwendbar, weil der Kläger als Leasingarbeitnehmer an ein anderes Unternehmen überlassen worden sei. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die von ihr übernommene Ausbildung habe den Wert des Klägers am Arbeitsmarkt wesentlich erhöht. Das AÜG sei nicht anzuwenden. Der vereinbarte Rückzahlungsbetrag stelle eine Entschädigung für die tatsächlich aufgewendeten Kosten dar, die wesentlich höher gewesen seien. Aufgrund der Selbstkündigung des Klägers stehe der Beklagten daher ein Rückersatz der Ausbildungskosten in Höhe von vier Monatsentgelten zu.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 829,39 EUR sA statt; das Mehrbegehren erachtete es - ohne dies allerdings im Spruch zum Ausdruck zu bringen - als nicht berechtigt. Es traf detaillierte Feststellungen über die Ausbildung des Klägers durch die Beklagte und stellte fest, dass eine derartige Ausbildung auch von externen Anbietern - etwa vom WIFI in Form von einem Grundkurs und zwei Aufbaukursen um je 998 EUR - angeboten wird. Der Kläger konnte bei der Beklagten Spezialkenntnisse erwerben, die in einem extrem kleinen Arbeitsmarkt hoch nachgefragt werden, aber auch auf andere Bereiche übertragbar sind. Sein Marktwert am Arbeitsmarkt hat sich dadurch deutlich erhöht. Ferner stelle das Erstgericht fest, dass der Kläger von der Beklagten in der Prototypenkonstruktion von Scheinwerfern bei einem Projekt für eine andere GmbH eingesetzt wurde. Das Designerkonzept war bereits erstellt. Die Aufgabe des Klägers bestand darin, die Vorgaben der Designerplaner in eine machbare und produzierbare Gestaltung zu bringen, sodass auch eine Serienproduktion möglich war. Der Kläger wurde von der Beklagten mit einem entsprechenden Computer ausgestattet und direkt in den Räumlichkeiten der GmbH eingesetzt. Ab 15. 12. 2005 wurde er vollwertig in diesem Projekt eingesetzt. Seit dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist er in einem Leasingunternehmen tätig, von dem er an die GmbH verleast wird. Seine Tätigkeit hat sich nicht geändert.
In seiner rechtlichen Beurteilung erachtete das Erstgericht die Vereinbarung der Streitteile über den Ausbildungskostenrückersatz als zulässig. Es sei ihm eine seinen Marktwert deutlich erhöhende Ausbildung und nicht nur eine Einschulung vermittelt worden. Drei Monate seines 14 Monate dauernden Arbeitsverhältnisses seien reine Ausbildungszeit gewesen. Das AÜG sei nicht anwendbar. Gemäß § 273 ZPO seien die zu ersetzenden Ausbildungskosten mit 2.500 EUR zu ermitteln; der Wert der erlangten Ausbildung übersteige den Wert einer WIFI-Ausbildung wegen des Praxisbezugs deutlich. Der Kläger habe daher noch Anspruch auf Zahlung von weiteren 829,39 EUR. Das Berufungsgericht bestätigte das in seinem stattgebenden Teil unangefochten gebliebene Urteil mit der Maßgabe, dass das Mehrbegehren (nunmehr ausdrücklich im Spruch) abgewiesen wurde. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
§ 4 AÜG stelle klar, dass auch bei Vorliegen eines gültigen Werkvertrags dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach Arbeitskräfteüberlassung gegeben sein könne. Arbeitskräfteüberlassung liege jedenfalls dann vor, wenn eine der in § 4 Abs 2 AÜG genannten Voraussetzungen erfüllt sei. Dies sei aber - wie vom Berufungsgericht ausführlich dargelegt wird - hier nicht der Fall. Das AÜG komme daher nicht zur Anwendung, sodass dahingestellt bleiben könne, ob die Vereinbarung der Streitteile über die Ausbildungkosten nach § 11 Abs 2 Z 6 AÜG unzulässig sei.
Die Regelung, dass der Arbeitnehmer je nach Dauer des bis dahin bestandenen Arbeitsverhältnisses einen nach Monatsentgelten bemessenen Betrag an Ausbildungskosten zurückzuzahlen habe, sei keine unzulässige Pauschalierung, sondern eine Begrenzung der Rückzahlungspflicht nach oben hin. Die Rückzahlungspflicht umfasse nämlich nur die vom Arbeitgeber tatsächlich für die Ausbildung aufgewendeten Kosten. Dass die Ausbildungskosten nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses rückläufig gestaffelt seien, erkläre sich mit der zunehmenden Amortisation der Kosten und entspreche im Übrigen der - hier noch nicht anwendbaren - Rechtslage nach § 2d AVRAG. Die Vereinbarung stelle keine unzulässige Konventionalstrafe dar. Die Ausmittlung des Rückzahlungsbetrags nach § 273 ZPO sei nicht zu beanstanden.
Im Übrigen liege ein Ausnahmefall des sonst zwingenden § 293 Abs 3 EO vor: Danach sei die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil der Forderung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, ua zur Einbringung einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung. Ein solcher rechtlicher Zusammenhang gemäß § 293 Abs 3 EO liege vor, wenn Forderungen aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis hergeleitet werden. Zudem müsse ein unmittelbarer enger Bezug bestehen und bei der Beurteilung dem Schutzzweck der Norm - nämlich der Verhinderung der Umgehung der Pfändungsbeschränkungen - Rechnung getragen werden. Hier sei der rechtliche Zusammenhang zu bejahen, weil die Rückzahlungsverpflichtung Bestandteil des Arbeitsvertrags der Streitteile sei. Zudem bestehe ein enger Zusammenhang zwischen der Ausbildung des Klägers und seiner späteren Tätigkeit. Da die Rückzahlungsverpflichtung der Rechtsprechung entspreche, sei auch nicht von einem Umgehungsgeschäft auszugehen. Das Berufungsgericht erachtete die ordentliche Revision als zulässig, weil zur Frage, ob eine in einem Arbeitsvertrag vereinbarte Verpflichtung zum Rückersatz von Ausbildungskosten einen rechtlichen Zusammenhang mit den Forderungen des Arbeitnehmers iSd § 293 Abs 3 EO begründet, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
Trotz dieses Ausspruchs, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO iVm § 1 ASGG nicht gebunden ist, ist die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Revision nicht zulässig.
Der Revisionswerber bestreitet nach wie vor die Zulässigkeit der im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarung über den Rückersatz von Ausbildungskosten. Er beruft sich dazu im Revisionsverfahren zum einen auf das seiner Ansicht nach auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende AÜG, andererseits auf den Inhalt der Vereinbarung. Die Frage, ob in einem konkreten Fall angesichts des Einsatzes des Arbeitnehmers bei einem bzw für einen Vertragspartner des Arbeitgebers von Arbeitskräfteüberlassung auszugehen ist, hängt primär von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Umständen ausführlich auseinandergesetzt und auf dieser Grundlage das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung verneint. Die dagegen in der Revision vorgebrachten Argumente zeigen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung und keine unvertretbare Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz auf. Im Wesentlichen bestreitet der Revisionswerber das Vorliegen eines Werkvertrags zwischen der Beklagten und der GmbH, in deren Räumlichkeiten er eingesetzt wurde. Er bleibt aber - wie schon im Verfahren vor den Vorinstanzen - ausreichendes Vorbringen schuldig, aus dem geschlossen werden könnte, dass er aufgrund einer Arbeitskräfteüberlassung bei der GmbH tätig wurde. Aus den tatsächlich getroffenen Feststellungen - es steht ja nicht einmal fest, ab wann und wie lange der Kläger bei der GmbH tätig wurde, geschweige denn, aufgrund welcher Vereinbarungen zwischen den Beteiligten - kann dies jedenfalls nicht abgeleitet werden. Über die getroffenen Feststellungen hinausgehendes Vorbringen hat er nie erstattet. Damit fehlt für die Anwendung des AÜG eine hinreichende Grundlage. Zu seiner Rechtsauffassung, dieses Gesetz stehe der hier getroffenen Vereinbarung über einen Ausbildungskostenrückersatz entgegen, ist daher nicht Stellung zu nehmen.
Unzulässig sei die Vereinbarung der Streitteile nach der Auffassung des Revisionswerbers auch deshalb, weil sie nicht den Ersatz der vom Arbeitgeber aufgewendeten Kosten vorsehe, sondern auf das Monatseinkommen des Arbeitnehmers als Berechnungsgrundlage abstelle. Das Berufungsgericht hat diesen Aspekt der Vereinbarung dahin ausgelegt, dass die Rückzahlungspflicht ohnedies nur die vom Arbeitgeber für die Ausbildung aufgewendeten Kosten umfasse und die Bezugnahme auf das Monatsentgelt des Arbeitnehmers als eine Begrenzung seiner Rückzahlungspflicht nach oben hin zu deuten sei. Diese Auffassung hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 4 Ob 120/78 (DRdA 1980/6 [Apathy]) in einem Fall vertreten, in dem ebenfalls die vom Arbeitnehmer zurückzuzahlenden Ausbildungskosten mit einem ziffernmäßig bestimmten Betrag ausgewiesen worden waren. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung, die ein Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erfordern würde, kann daher in dieser Auslegung der hier getroffenen Vereinbarung durch das Berufungsgericht nicht erblickt werden.
Auch die Einwände gegen die unter Anwendung des § 273 ZPO erfolgte Ermittlung der Höhe der hier maßgebenden Ausbildungskosten können die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen. Die Richtigkeit der Anwendung des § 273 ZPO hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und hat keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0121220; zuletzt etwa 4 Ob 189/07h). Eine krasse Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, die dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte, zeigt der Revisionswerber nicht auf.
Auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob eine in einem Arbeitsvertrag vereinbarte Verpflichtung zum Rückersatz von Ausbildungskosten einen rechtlichen Zusammenhang mit den Forderungen des Arbeitnehmers iSd § 293 Abs 3 EO begründet, ist nicht einzugehen: Der Kläger hat sich weder in erster noch in zweiter Instanz auf das Kompensationsverbot nach § 293 Abs 3 EO berufen und dazu auch keinerlei Tatsachenvorbringen erstattet. Nun sind zwar die Vorschriften über den Pfändungsschutz grundsätzlich von Amts wegen zu beachten (Oberhammer in Angst, EO² § 293 Rz 1). Voraussetzung dafür ist aber, dass der Arbeitnehmer jene Tatsachen behauptet, die für das Wirksamwerden des Aufrechnungsverbots maßgebend sind (so bereits OLG Wien, 7 Ra 57/04k = RIS-Justiz RW0000143). Hier aber hat der Kläger keinerlei Behauptungen über die in der Endabrechnung berücksichtigten Ansprüche aufgestellt, weder über die Art der Ansprüche, noch über die Zeiträume auf die sie sich beziehen, noch über die Höhe der abgerechneten Ansprüche. Vielmehr hat er in seiner Klage lediglich vorgebracht, dass die eingeklagten Ansprüche aushaften, die sich aus der Endabrechnung der Beklagten ergeben. Damit kann aber nicht einmal beurteilt werden, ob überhaupt eine Kompensation mit pfändungsfreien Bezügen erfolgte. Für die vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen über den rechtlichen Zusammenhang der Gegenforderung des Arbeitgebers mit den (weder der Art noch der Höhe nach festgestellten) Forderungen des Arbeitnehmers besteht daher weder Veranlassung noch Grundlage.
Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Anmerkung
E897029ObA96.08wSchlagworte
Kennung XPUBL - XBEITRDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inARD 5958/4/2009 = infas 2009,76/A22 - infas 2009 A22 = jusIT 2009/42S 93 (Reiff) - jusIT 2009,93 (Reiff) = DRdA 2009,426XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:009OBA00096.08W.1217.000Zuletzt aktualisiert am
27.01.2010