TE OGH 2009/9/15 5Ob75/09d

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Veröffentlicht am 15.09.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Dipl.-Ing. Karl L*****, vertreten durch Mag. Walter Kraus, Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 25, gegen den Antragsgegner Mag. Walter S*****, vertreten durch Mag. Dr. Stephan Medwed Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Klagenfurt, wegen §§ 16, 25, 37 Abs 1 Z 8 und 12a MRG, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Oktober 2008, GZ 39 R 188/08y-28, mit dem über Rekurs des Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 2. Jänner 2008, GZ 8 Msch 10/06d-23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller mietete vom Antragsgegner mit Mietvertrag vom 6. 3. 2004 die Wohnung Top 16 in *****. Das Bestandverhältnis begann am 1. 4. 2004. Die Wohnung hat eine Nutzfläche von rund 54 m² und einen Balkon mit 6 m². Als monatlicher Hauptmietzins war ein Betrag von netto 331,35 EUR, dessen Wertsicherung gemäß §[§] 5 [f] RichtWG und eine monatliche Inventarmiete von netto 64,68 EUR vereinbart.

Der Antragsgegner schrieb dann dem Antragsteller infolge Indexanpassung (um 2,97 %) für die Zeit ab Oktober 2005 einen monatlichen Hauptmietzins von netto 341,20 EUR vor. In der Folge machte der Antragsgegner (als Kläger) mit Mahnklage vom 20. 6. 2006 zu AZ 8 C 523/06v des Bezirksgerichts Fünfhaus gegen den Antragsteller (als Beklagten) unter „Code 09 Miete/Pacht unbewegliche Sachen, Wertsicherungsbetrag" für die Zeit von Oktober 2005 bis einschließlich April 2006 monatlich brutto je 10,84 EUR sowie für Mai und Juni 2006 monatlich brutto je 16,69 EUR, insgesamt somit 109,26 EUR geltend. Der vom Erstgericht antragsgemäß erlassene Zahlungsbefehl erwuchs in Rechtskraft.

Der Antragsteller begehrte die Feststellung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses, der angemessenen Miete für die Einrichtungsgegenstände und der Ausstattungskategorie.

Der Antragsgegner bestritt, dass die als Hauptmietzins und für Inventarmiete vereinbarten Beträge das gesetzlich zulässige Ausmaß übersteigen würden.

Das Erstgericht stellte mit seinem Sachbeschluss fest, dass

- der gesetzlich zulässige Hauptmietzins für die Wohnung zum Stichtag 1. 4. 2004 unter Berücksichtigung eines Befristungsabschlags von 25 % monatlich netto 208,98 EUR (wertgesichert) betrage und die Hauptmietzinsvereinbarung (331,35 EUR) hinsichtlich eines Betrags von monatlich netto 122,37 EUR unwirksam sei;

- die Wohnung zum Stichtag 1. 4. 2004 der Ausstattungskategorie A zuzurechnen sei;

- die angemessene monatliche Miete für die Einrichtungsgegenstände 25 EUR betrage;

- der Antragsgegner durch seine Mietzinsvorschreibungen für die Zeit von 4/2004 bis einschließlich 4/2006 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um (jeweils näher aufgegliederte) insgesamt 3.050,98 EUR (darin ab 1. 10. 2005 [infolge Indexanpassung] durch Vorschreibung von 341,20 EUR [anstelle der bis dahin vorgeschriebenen 331,35 EUR]) hinsichtlich des Hauptmietzinses und um 992 EUR hinsichtlich der Inventarmiete überschritten habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners teilweise Folge. Es hob den Sachbeschluss des Erstgerichts in seinem über eine den Betrag von 331,35 EUR monatlich überschreitende monatliche Vorschreibung für die Zeit von 1. 10. 2005 bis 30. 4. 2006 absprechenden Umfang, somit hinsichtlich eines Betrags von (monatlich netto) 9,85 EUR samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig auf und wies den Sachantrag insoweit - wegen des zu AZ 8 C 523/06v des Erstgerichts ergangenen Zahlungsbefehls - unbekämpft zurück. Im Übrigen gab das Rekursgericht dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge.

Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige nicht 10.000 EUR und - nach Zulassungsvorstellung - der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil - soweit überblickbar - keine höchstgerichtliche Judikatur zur - vom Antragsgegner relevierten - Frage vorliege, ob ein über die Wertsicherungserhöhung ergangener rechtskräftiger Zahlungsbefehl Bindungswirkung insoweit entfalte, als Einwände gegen den Sockelbetrag in einem Mietzinsüberprüfungsverfahren vom Mieter nicht mehr erhoben werden können.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem erschließbaren Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung des Mietzinsüberprüfungsantrags. Der ebenfalls erhobene Antrag, dem Revisionsrekurs aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, geht im Hinblick auf §§ 43 f AußStrG ins Leere (7 Ob 197/07g).

Der Antragsteller erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Revisionsrekurs des Antragsgegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG) - Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) unzulässig:

1.1. Auch im außerstreitigen Verfahren ist die materielle (Teil-)Rechtskraft einer Entscheidung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (RIS-Justiz RS0007477). Selbst ein Urteil, das auf einer Parteiendisposition über den geltend gemachten Anspruch beruht und dem daher keine Sachverhaltsermittlung durch das Gericht zugrundeliegt, ist in gleicher Weise der materiellen Rechtskraft teilhaft wie ein Urteil, das nach einem kontradiktorischen Verfahren gefällt wurde; es kommt ihm daher die gleiche Bindungswirkung zu (RIS-Justiz RS0120239). Schließlich ist auch der Zahlungsbefehl im Mahnverfahren der materiellen Rechtskraft teilhaftig (RIS-Justiz RS0041463).

1.2. Beim Umfang der durch eine rechtskräftige Entscheidung ausgelösten Bindungswirkung sind allerdings Grenzen zu beachten:

1.2.1. Wird nur ein Teil einer Forderung eingeklagt, so tritt Streitanhängigkeit nur bezüglich des eingeklagten Teils ein; es tritt auch die Rechtskraftwirkung des Urteils nur betreffend diesen Teil ein, hinsichtlich des weiteren Rechtsanspruchs kann das Urteil keine Rechtskraft erzeugen (RIS-Justiz RS0039155). Aus § 411 Abs 1 Satz 1 ZPO wird nämlich abgeleitet, dass eine Teileinklagung auch tatsächlich nur den geltend gemachten Anspruchsteil erfasst und die sich in der Regel auf den Gesamtanspruch beziehende Bejahung oder Feststellung seines Bestehens in den Entscheidungsgründen einer dieser Beurteilung widersprechenden neuen Klage, mit der der Restbetrag eingeklagt wird, nicht entgegensteht (1 Ob 50/08x; 2 Ob 213/97f = ZVR 1998/48, 124; vgl auch Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² § 411 ZPO Rz 46). Der Standpunkt des Antragsgegners, der „Wertsicherungsbetrag" sei mangels Erwähnung in § 15 Abs 1 und 2 MRG kein eigener Bestandteil des Hauptmietzinses, weshalb nach Rechtskraft des Zahlungsbefehls über die Wertsicherung eine spätere Bekämpfung des Sockelbetrags unzulässig sei, ist daher - unter dem Gesichtspunkt der beschriebenen bloß eingeschränkten Rechtskraftwirkung im Fall einer Teileinklagung - unzutreffend.

1.2.2. Der gleiche Streitgegenstand liegt nur vor, wenn der in der neuen Klage (dem neuen Sachantrag) geltend gemachte prozessuale Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch des rechtserzeugenden Sachverhaltes, also des Klagsgrundes, ident ist mit jenem des Vorprozesses (RIS-Justiz RS0039347). Dies trifft vorliegend nicht zu, weil zu AZ 8 C 523/06v des Bezirksgerichts Fünfhaus (im Bestreitungsfalle) als Hauptfrage nur zu beurteilen war (gewesen wäre), ob ein Wertsicherungsbetrag vereinbart war, ob dieser der Höhe nach dem - vereinbarten - Hauptmietzins entsprach und ob er bezahlt war oder nicht. Die - demgegenüber hier zu klärende - Angemessenheit des Hauptmietzinses wäre im Verfahren über die Mahnklage allenfalls als Vorfrage zu beurteilen gewesen. Bindungswirkung kommt der Erstentscheidung aber nur dann zu, wenn der fragliche Anspruch im Vorprozess die Hauptfrage darstellte, weil nur die Haupt-, nicht aber eine Vorfragenbeurteilung des Vorprozesses bindet (zu Entscheidungen aufgrund von Parteiendisposition jüngst 2 Ob 161/06z = wobl 2009/91, 259; allgemein dazu RIS-Justiz RS0039843 [insb T4, T6, T9, T19, T23]). Die vom Antragsgegner aus der Rechtskraft des Zahlungsbefehls abgeleitete Nichtigkeit der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz liegt demnach nicht vor. Demgegenüber entspricht die Verneinung der Bindungswirkung durch das Rekursgericht den oben dargestellten, gesicherten Grundsätzen jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, deren Anwendung auf die vorliegende Fallkonstellation keine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

2. Der Antragsgegner meint, die Vorinstanzen hätten zum Richtwertmietzins hinsichtlich näher bezeichneter Positionen keine oder keine ausreichenden Zuschläge vorgenommen:

2.1. Die Frage, ob und in welcher Höhe Abschläge bzw Zuschläge vom bzw zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0116132 [T2]; 5 Ob 117/05z). § 16 Abs 2 Satz 2 MRG forderte bei Vornahme der Zuschläge oder Abstriche vom Richtwert, sich an der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu orientieren. Mit diesen Kriterien ist unvereinbar, alle Ausstattungsdetails gesondert zu bewerten und die so gewonnenen Zuschläge (und Abschläge) einfach zusammenzurechnen. Geboten ist vielmehr eine Gesamtschau, weil der Wert einer Wohnung nur insgesamt erfassbar ist. Die Auflistung und Bewertung einzelner Fakten ist nur ein Kontrollinstrument (RIS-Justiz RS01178815 Ob 101/05x; 5 Ob 117/05z mwN).

2.2. Die von den Vorinstanzen vorgenommenen Zuschläge halten sich im Rahmen der Empfehlung des Beirates zur Ermittlung des Richtwertes für das Land Wien; wenn dabei nicht an die vorgesehenen Höchstgrenzen herangegangen wurde, liegt darin im vorliegenden Einzelfall jedenfalls keine unvertretbare Ermessensübung. Zuschläge sind überdies nur dann zulässig, wenn sie nicht für die jeweilige Kategorieeinstufung notwendige Ausstattungsmerkmale betreffen. Entscheidungen des erkennenden Senats, zu denen sich die Vorinstanzen in Widerspruch gesetzt hätten, zeigt der Antragsgegner nicht auf.

3. Schließlich reklamiert der Antragsgegner betreffend das Entgelt für das mitvermietete Inventar eine nur eingeschränkte Prüfungsbefugnis der Vorinstanzen betreffend den Gewinnzuschlag. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Angemessenheitsprüfung ist jedoch umfänglich durch § 16 Abs 1 AußStrG und die dann gebotene umfassende rechtliche Beurteilung gedeckt.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen (5 Ob 15/09f; 5 Ob 88/08i).

Textnummer

E92016

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00075.09D.0915.000

Im RIS seit

15.10.2009

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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