TE OGH 2010/4/20 4Ob221/09t

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg. Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Ralf Vetter und Dr. Andreas Fritsch, Rechtsanwälte in Lustenau, gegen die beklagte Partei Dr. P***** Z*****, vertreten durch Mag. Gerd H. Jelenik und Mag. Antonius Falkner, Rechtsanwälte in Vaduz, wegen 230.791,95 EUR sA, über die außerordentliche Revision des Beklagten (Revisionsinteresse 20.791,95 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 20. Oktober 2009, GZ 3 R 147/09f-14, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 17. Juli 2009, GZ 4 Cg 2/09f-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das im Zuspruch von 210.000 EUR rechtskräftig geworden ist, wird im Zuspruch von 10 % Zinsen aus diesem Betrag ab 1. 1. 2009 als Teilurteil bestätigt.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen einen mit 15.237,82 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin 1.943,47 EUR Umsatzsteuer, 3.577 EUR Barauslagen) zu ersetzen.

Im Übrigen, also im Zuspruch von 20.791,95 EUR samt 11,75 % Zinsen ab 1. 1. 2009, von 1,5 % Zinsen aus 210.000 EUR ab 1. 1. 2009 sowie von Zinsen, die sich aus der vierteljährlichen Kapitalisierung der zugesprochenen Zinsen ergeben, werden die angefochtenen Entscheidungen aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin räumte dem Beklagten im Jänner 2007 einen Kontokorrentkredit mit einem Rahmen von 200.000 EUR zur Abdeckung einer bestehenden Kontoüberziehung sowie zur Bereitstellung liquider Mittel ein. Nach dem Vertrag waren Sollzinsen von 6 % p.a., Verzugszinsen von 4 % p.a. und Überziehungszinsen von 4 % p.a. geschuldet; die Laufzeit endete am 2. Jänner 2012. Dem Kreditvertrag lagen die AGB der Klägerin in der Fassung 2003 zugrunde. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„Z 16. (1) Der Kunde hat Erklärungen des Kreditinstituts, wie zB Bestätigung von ihm erteilter Aufträge, Anzeige über deren Ausführung, Kontoauszüge, Depotaufstellungen, Rechnungsabschlüsse und sonstige Abrechnungen aller Art sowie Sendungen und Zahlungen des Kreditinstituts auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben.

(2) Gehen dem Kreditinstitut innerhalb von 6 Wochen keine schriftlichen Einwendungen zu, so gelten die angeführten Erklärungen und Leistungen des Kreditinstituts als genehmigt. Das Kreditinstitut wird den Kunden jeweils bei Beginn der Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens hinweisen. Hiefür genügt auch die Information mit einem Kontoauszug. ...

Kündigung aus wichtigem Grund

Z 23. (1) Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann das Kreditinstitut ungeachtet anderweitiger Vereinbarungen die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Teile davon jederzeit mit sofortiger Wirkung kündigen.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn eine Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder eines Mitverpflichteten eintritt und dadurch die Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Kreditinstitut gefährdet ist, bei Erkundigung unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse oder sonstige wesentliche Umstände macht oder der Kunde die Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheit nicht erfüllt oder nicht erfüllen kann. ...“

Zur Besicherung des Kreditverhältnisses unterfertigte der Beklagte eine Pfandurkunde für die Einverleibung einer Höchstbetragshypothek von 250.000 EUR bei einer ihm gehörenden Liegenschaft. Diese Urkunde sollte vorerst nur bei der Klägerin hinterlegt werden; eine Einverleibung war erst für den Fall vorgesehen, dass sich die wirtschaftliche Situation des Beklagten nachteilig veränderte.

Über Aufforderung des für ihn zuständigen Kundenbetreuers zahlte der Beklagte immer wieder Mittel auf das Kreditkonto ein, um den ausgeschöpften Rahmen zu reduzieren und im Rahmen der Vereinbarungen zu halten. Seit Dezember 2007 war der eingeräumte Kreditrahmen von 200.000 EUR durchgehend überschritten. Zur Erfüllung interner Vorschriften forderte der Kundenbetreuer vom Beklagten die Vorlage von Nachweisen über vom Beklagten angegebene Geldmittel im Ausland, die der Abdeckung des offenen Kreditsaldos dienen sollten. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.

Im April 2008 reduzierte der Beklagte den Kontostand trotz Aufforderung durch den Kundenbetreuer nicht auf den vereinbarten Rahmen. Auch die vom Kundenbetreuer geforderten Unterlagen über im Ausland veranlagte Geldmittel des Beklagten, die eine Bonitätseinstufung erlaubt hätten, fehlten. Aus diesem Grund regte der Kundenbetreuer bei der Geschäftsleitung die Eintragung des Pfandrechts an. Dies erfolgte im April 2008.

Mit Schreiben vom 7. Mai 2008 forderte der Beklagte die Klägerin zur Löschung des seiner Auffassung nach vereinbarungswidrig einverleibten Pfandrechts auf. Der Vorstandsdirektor der Klägerin hielt dem entgegen, dass der Kundenbetreuer den Beklagten mehrfach vergeblich um die Regelung des Kontos gebeten habe. Der Beklagte zeigte den Vorstandsdirektor daraufhin bei der Staatsanwaltschaft an und teilte dies der Finanzmarktaufsicht beim BMF und dem für die Klägerin zuständigen Revisionsverband mit. Das Strafverfahren wurde eingestellt.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 forderte die Klägerin den Beklagten auf, eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Überziehung von 26.237,55 EUR bis längstens 14. November 2008 abzudecken. Ein Hinweis darauf, dass dieser Saldo bei Nichtäußerung binnen sechs Wochen als genehmigt gelte, war in diesem Schreiben nicht enthalten. Eine weitere Aufforderung folgte mit Schreiben vom 18. November 2008. Mit einem dem Beklagten zugegangenen Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die Klägerin den Kontokreditvertrag mit sofortiger Wirkung auf und stellte einen Gesamtsaldo von 226.237,55 EUR zuzüglich 4.086,34 EUR Zinsen, Überziehungszinsen und Abschlusskosten, insgesamt daher 230.323,89 EUR, zur Zahlung binnen 14 Tagen fällig.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 nahm der Beklagtenvertreter die Aufkündigung namens des Beklagten „zur Kenntnis“, ersuchte jedoch um Aufschlüsselung des aushaftenden Betrags, insbesondere im Punkt der verrechneten Zinsen. Weiters wies er darauf hin, dass dem Konto des Beklagten Kosten angelastet worden seien, die dieser nicht verursacht habe, insbesondere die Vergebührung der Pfandurkunde, die entgegen getroffenen Absprachen verbüchert worden sei.

Die Klägerin begehrt 230.791,95 EUR samt 11,5 % Zinsen bei vierteljährlicher Kapitalisierung ab 1. Jänner 2009. Der Beklagte habe den Kreditrahmen von 200.000 EUR spätestens seit Ende 2007 dauerhaft überzogen. Anfang 2008 habe die Klägerin versucht, mit dem Beklagten in Kontakt zu treten, und ihn zur Vorlage von fundierten Unterlagen über seine finanzielle Lage aufgefordert. Der Beklagte habe entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt. Auch die Überziehungen des Kreditrahmens seien nicht abgedeckt worden. Da der Beklagte seine Zusagen und vertraglichen Verpflichtungen nicht eingehalten und im Gegenteil weitere Überziehungen anlaufen habe lassen, habe die Klägerin zunächst das vereinbarte Pfandrecht im Grundbuch einverleiben lassen. Eine Vereinbarung, dass von der hinterlegten Pfandurkunde keinesfalls Gebrauch gemacht würde, sei nicht getroffen worden. Der eingeklagte Betrag ergebe sich aus dem Kontoabschluss. Der Beklagte habe sämtliche Unterlagen, Kontoauszüge, Pfandurkunden, Kreditverträge und sonstige Unterlagen in Kopie enthalten und die Sollstände gemäß Vereinbarung in Verbindung mit den vereinbarten AGB durch den jeweiligen Abschluss anerkannt.

Der Beklagte bestritt Grund und Höhe des Anspruchs. Die Parteien hätten vereinbart gehabt, dass die Klägerin von der Pfandurkunde so lange keinen Gebrauch mache, als Überziehungen in vernünftiger Frist abgedeckt würden. Daran habe sich der Beklagte bis zum Herbst 2008 immer gehalten. Zudem sei das Kreditverhältnis zusätzlich durch einen Blankowechsel des Beklagten besichert gewesen. Die Verbücherung sei daher vertragswidrig gewesen. Da der Beklagte davon überrascht worden sei, habe er auch keine Veranlassungen gesehen, den weiteren unberechtigten Urkundenanforderungen der Klägerin Folge zu leisten. Die Beklagte könne sich nach § 13 KSchG nicht auf Terminsverlust berufen, wenn sie selbst die Verpflichtungen aus dem Geschäft nicht erfüllt habe. Das treffe zu, weil die Beklagte das Pfandrecht vereinbarungswidrig verbüchert habe.

Die Klage sei unschlüssig, weil sich nicht nachvollziehen lasse, wie sich der begehrte Betrag zusammensetze. Am 31. März 2008 habe der Saldo 209.236,56 EUR betragen. Aus dem Vorbringen der Klägerin lasse sich nicht nachvollziehen, woraus sich der letztlich geltend gemachte Betrag von 230.791,95 EUR zusammensetze. Der Beklagte nehme an, dass dieser Betrag unzulässige Nebenforderungen und überhöhte Zinsen enthalte; daher werde die Höhe ausdrücklich bestritten. Das Zinsenbegehren widerspreche dem Vertragsinhalt. Kontoauszüge habe der Beklagte zuletzt im März 2008 erhalten.

Da die Klägerin die getroffenen Vereinbarungen verletzt habe, hafte sie aus Vertrag für den Schaden des Beklagten, der sich aus der Differenz zwischen dem eingeklagten Betrag und dem am 31. März 2008 offenen Betrag von 209.236,56 EUR ergebe. Dieser Betrag werde einer allenfalls zu Recht bestehenden Klageforderung aus dem Titel des Schadenersatzes aufrechnungsweise entgegengehalten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die „Feststellung“, dass am Kreditkonto mit 1. Jänner 2009 ein Saldo von 230.791,95 EUR ausgehaftet habe. Die Klägerin habe den Kreditvertrag zu Recht aufgekündigt, da der Beklagte den Kontokorrentrahmen seit Dezember 2007 laufend überzogen, trotz Aufforderung nicht auf den vereinbarten Rahmen zurückgeführt und der Bonitätseinstufung dienende Unterlagen nicht vorgelegt habe. § 13 KSchG sei nicht anwendbar, da der Beklagte im Rahmen des Kreditverhältnisses nicht zur Ratenzahlung verpflichtet gewesen sei. Die Pfandrechtseintragung habe nicht gegen die Vereinbarung verstoßen. Die Klägerin habe aufgrund der Weigerung des Beklagten, die Überziehungen abzudecken und Nachweise über angebliche Geldmittel im Ausland vorzulegen, von einer verschlechterten wirtschaftlichen Lage des Beklagten ausgehen müssen. Mangels Vertragsverletzung bestehe die Gegenforderung nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ein Kontokorrentkreditverhältnis könne vorzeitig aus wichtigem Grund fällig gestellt werden, und zwar ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 KSchG. Ein wichtiger Grund liege vor, wenn dem Kreditinstitut nach Abschluss der einzelnen Kreditverträge Umstände bekannt würden, die ihr Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Kreditnehmers gravierend erschütterten. Dies habe der Oberste Gerichtshof insbesondere dann angenommen, wenn ein Kontokorrentkredit trotz mehrmaliger Mahnungen nicht auf den Kreditrahmen zurückgeführt, sondern weiter überzogen wurde. Auch im vorliegenden Fall sei die Kündigung gerechtfertigt gewesen. Der Kläger habe vereinbarungswidrig den eingeräumten Kreditrahmen von 200.000 EUR ab Dezember 2007 laufend überzogen, auf wiederholte Aufforderungen den vereinbarten Debetsaldo nicht hergestellt, eingeforderte Urkunden für seine Bonitätseinstufung, insbesondere über sein von ihm behauptetes ausländisches Vermögen nicht vorgelegt und die Verwirklichung einer vereinbarten Sicherungsmaßnahme durch Verwertung der vom Beklagten begebenen Pfandurkunde als rechtswidrig bezeichnet, ihre Beseitigung verlangt, und sie durch Beiziehung Dritter (Staatsanwaltschaft Feldkirch, BMF, Raiffeisen-Landesbank Vorarlberg) zu unterlaufen versucht. Eine konkludente Ausweitung des Kreditrahmens könne aus den Feststellungen nicht abgeleitet werden.

Die Höhe des Debetsaldos habe das Erstgericht in einem mangelfreien Verfahren ermittelt; die diesbezügliche Beweisrüge sei unberechtigt. Die Klägerin habe dem Beklagten mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 eine Überziehung mit einen Saldo von 226.237,55 EUR bekanntgegeben. Damit und mit der Möglichkeit des Beklagten, Kontoauszüge über den Kontoauszugsdrucker jederzeit beizuschaffen, liege eine Saldomitteilung iSv Z 16 der AGB der Klägerin vor. Der Beklagte habe diesen Saldo erst mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 bestritten. Zu diesem Zeitpunkt sei die in den AGB vorgesehene sechswöchige Frist bereits abgelaufen gewesen. Die Saldomitteilung der Klägerin gelte daher als anerkannt und genehmigt. Hinsichtlich „anerkannter Tatsachen“ müsse das Gericht aber nicht einmal bei einem prozessualen Anerkenntnis die Schlüssigkeit des Klagebegehrens bezüglich des „anerkannten Betrags“ überprüfen. Um so weniger sei das Erstgericht verpflichtet gewesen, die Aufschlüsselung eines materiell anerkannten Betrags (hier von 226.237,55 EUR) zu überprüfen. Der Restbetrag setzte sich, wie sich aus einer Beilage ergebe, aus Zinsen, Überziehungszinsen und Abschlusskosten zusammen. Damit sei das Klagebegehren ausreichend aufgeschlüsselt gewesen. Der Beklagte habe sowohl in der vorprozessualen Korrespondenz als auch in seinem Vorbringen nur behauptet, die Klägerin habe dem Konto des Beklagten „Kosten“ angelastet, die „nicht durch den Beklagten verursacht“ worden seien. Damit habe er sich „offensichtlich“ auf die Vergebührungskosten für die Pfandurkunde bezogen, nicht auf die 4.086,34 EUR an Zinsen, Überziehungszinsen und Abschlusskosten. Auch insofern liege daher keine substantiierte Bestreitung vor.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Beklagten, die einen Zuspruch von 210.000 EUR ohne Zinsen unbekämpft lässt, ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, weil für einen Teil des Zinsenzuspruchs jegliche Tatsachengrundlage fehlt. Sie ist teilweise im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

A. Zur Vertretung des Beklagten

Als Beklagtenvertreter wird im Rubrum der Revision das „Advokaturbüro Jelenik & Partner AG“ mit Sitz in Liechtenstein genannt; darunter werden die Namen zweier Anwälte angeführt, die in Österreich die Eignungsprüfung nach den §§ 24 ff EIRAG abgelegt haben. Dazu ist Folgendes zu erwägen:

1. Nach § 27 Abs 1 ZPO müssen sich die Parteien vor höheren Gerichten durch Rechtsanwälte vertreten lassen. Eine solche Vollmacht kann nach § 21e RAO auch Rechtsanwalts-Partnerschaften (Offene oder Kommanditgesellschaften) und Rechtsanwalts-Gesellschaften in Form einer GmbH erteilt werden. Diese Gesellschaften haben die Bedingungen des § 21c RAO zu erfüllen.

2. Europäische - und damit wegen des EWR-Abkommens auch liechtensteinische - Rechtsanwälte können sich zwar nach § 21c Abs 1 Z 1 RAO an inländischen Rechtsanwaltsgesellschaften beteiligen. Weiters können niedergelassene europäische Rechtsanwälte nach § 16 Abs 2 EIRAG im Rechtsverkehr unter der Bezeichnung einer ausländischen Rechtsanwaltsgesellschaft auftreten und die Rechtsanwaltschaft im Rahmen einer Zweigniederlassung auch gemeinsam ausüben. Die Modalitäten einer gemeinsamen Ausübung der Rechtsanwaltschaft richten sich jedoch nach den §§ 21c bis g RAO. Daher kann eine ausländische Gesellschaft in Österreich die Rechtsanwaltschaft nur dann ausüben, wenn sie die Vorgaben dieser Bestimmungen erfüllt (EB zur RV des BRÄG 2008, 303 BlgNR 23. GP, zu Art V Z 3 [§ 16 EIRAG]). Insbesondere kann ihr nur in diesem Fall nach § 21e RAO Vollmacht erteilt werden. Ob die Erfordernisse des § 21c RAO eingehalten sind, hat nach § 16 Abs 3 EIRAG vor der Eintragung einer Zweigniederlassung die Kammer zu beurteilen.

3. Für die - hier zu beurteilende - Dienstleistung durch europäische Rechtsanwälte fehlt eine § 16 EIRAG entsprechende Vorschrift. Vielmehr regeln die §§ 2 ff EIRAG - ebenso wie die ihnen zugrunde liegende RL 77/249/EWG (Dienstleistungsverkehrsrichtlinie für Rechtsanwälte) - ausschließlich die Dienstleistung durch natürliche Personen. Daher konnte der Beklagte der liechtensteinischen Aktiengesellschaft nach dem Wortlaut des Gesetzes keine prozessual wirksame Vollmacht erteilen.

4. Zwar könnte in diesem Zusammenhang eine Analogie zu § 16 EIRAG iVm § 21c RAO erwogen werden. Dies scheitert allerdings daran, dass eine Aktiengesellschaft nach liechtensteinischem Recht (Art 261 ff PGR) die Voraussetzungen des § 21c RAO nicht erfüllt. Diese Einschränkung der im EWR-Abkommen vorgesehenen Dienstleistungsfreiheit ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Denn § 21c RAO soll sicherstellen, dass Rechtsanwälte ihre Leistungen auch dann unabhängig und eigenverantwortlich erbringen, wenn sie in einer Gesellschaft zusammengeschlossen sind; bei einer AG ist das schon wegen der Struktur dieser Gesellschaft nicht gewährleistet (vgl Benn-Ibler, AnwBl 2008, 389). Die damit bewirkte Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt im Allgemeininteresse; sie ist angesichts der Möglichkeit einer Dienstleistung (unmittelbar) durch die an der Gesellschaft beteiligten Rechtsanwälte auch nicht unverhältnismäßig.

5. Letztlich kann diese Frage allerdings auf sich beruhen. Denn im Rubrum der Revisionsschrift scheinen als Beklagtenvertreter unter Berufung auf die erteilte Vollmacht auch zwei (offenbar an der Gesellschaft beteiligte) Rechtsanwälte auf, die eine Eignungsprüfung nach den §§ 24 ff EIRAG abgelegt haben und daher nach § 5 Abs 3 EIRAG keines Einvernehmensanwalts bedürfen. Der Beklagte ist daher im Revisionsverfahren ordnungsgemäß vertreten. In der Bezeichnung der Rechtssache sind allerdings nur die beiden Anwälte, nicht jedoch die Aktiengesellschaft als Beklagtenvertreter anzuführen.

B. Zur Sache

1. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Fälligstellung des Kredits treffen uneingeschränkt zu (§ 510 Abs 3 ZPO). Die konstante Vertragsverletzung (Unterbleiben der Rückführung trotz mehrfacher Mahnung seit Dezember 2007) rechtfertigte nicht nur die Verbücherung des Pfandrechts, sondern auch die Kündigung des Kontokorrentkredits (3 Ob 540/84 = NZ 1985, 230). Zudem hat der Beklagte in der vorprozessualen Korrespondenz die Kündigung „zur Kenntnis genommen“ und nur die Höhe des aushaftenden Betrags bestritten. Damit war die Gesamtforderung jedenfalls ab 1. Jänner 2009 zur Rückzahlung fällig.

2. Der Beklagte hat (spätestens) in der Verhandlung vom 23. Juni 2009 den Saldo per Ende März mit 209.236,56 EUR anerkannt. Diese Höhe war daher nicht mehr strittig, sodass insofern tatsächlich kein weiteres Vorbringen erforderlich war. Für das Revisionsverfahren ist das allerdings ohne Bedeutung, da der Beklagte ohnehin nur den 210.000 EUR übersteigenden Zuspruch bekämpft.

3. Für den größeren Teil der nicht vom Anerkenntnis erfassten Forderung stützte sich das Berufungsgericht auf den unterbliebenen Widerspruch zum Schreiben der Klägerin vom 28. Oktober 2008. Darin liege nach den AGB der Klägerin ein deklaratives Anerkenntnis, sodass ein näheres Vorbringen nicht erforderlich gewesen sei. Den Restbetrag von 4.086,34 EUR habe der Beklagte nicht substantiiert bestritten.

3.1. Nach der diesbezüglichen Regelung in den AGB der Klägerin (Z 16 Abs 2) ist jedoch ein Hinweis auf die fristauslösende Wirkung der Saldobekanntgabe erforderlich. Fehlt dieser Hinweis, so tritt die Genehmigungsfiktion nicht ein (Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht2 I [2007] Rz 1/139; Apathy in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht2 I [2008] Rz 2/48). Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass das Schreiben vom 28. Oktober 2008 keinen solchen Hinweis enthielt. Dass eine Zugangsfiktion durch Bereithalten von Kontoauszügen (vgl zuletzt 6 Ob 253/07k) vereinbart gewesen wäre, hat die Klägerin nicht vorgebracht.

3.2. Damit kann sich die Klägerin nicht auf die Genehmigungsfiktion der AGB stützen. Mangels anerkannten Saldos (RIS-Justiz RS0115012) trifft sie daher die Behauptungs- und Beweislast dafür, wie sich der von ihr geltend gemachte kausale Saldo errechnet (RIS-Justiz RS0037955; zuletzt etwa 6 Ob 291/05w). Eine „Feststellung“ dieses Saldos - also der offenen Forderung - im prozessualen Sinn, die mit Verfahrens- und Beweisrüge zu bekämpfen wäre, ist schon deshalb nicht möglich, weil in den Saldo einzelne Positionen einfließen, die rechtlich zu beurteilen sind (zB die Höhe der Zinsen oder die Berechtigung von Kosten).

3.3. Richtig ist, dass bloß unsubstantiiertes Bestreiten als Zugeständnis iSv § 267 ZPO gewertet werden kann. Das setzt jedoch im Allgemeinen voraus, dass eine vom Gegner aufgestellte Behauptung offenbar leicht widerlegbar war und der formal Bestreitende dazu nicht konkret Stellung nahm (RIS-Justiz RS0039927). Im vorliegenden Fall fehlen allerdings konkrete Behauptungen, zu denen der Beklagte Stellung nehmen konnte. Der Verweis auf Urkunden kann ein Vorbringen nicht ersetzen (RIS-Justiz RS0037915).

3.4. Damit ist der von der Revision erfasste Teil der Kapitalforderung noch nicht spruchreif. Das Erstgericht wird die Klägerin aufzufordern haben, ihre Forderung durch ein Vorbringen zu den einzelnen Positionen des Kontos schlüssig zu stellen. Sollte der Beklagte dieses Vorbringen substantiiert bestreiten, werden die damit allenfalls aufgeworfenen Tat- oder Rechtsfragen zu klären sein.

4. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen decken den Zuspruch von 10 % Zinsen (6 % Sollzinsen, 4 % Verzugszinsen). Insofern ist das angefochtene Urteil als Teilurteil zu bestätigen.

Für den Zuspruch der weiteren 1,5 % Zinsen und für die Kapitalisierung der Zinsen fehlt, wie die Revision insofern zutreffend aufzeigt, sowohl ein konkretes Vorbringen als auch eine taugliche Grundlage in den Feststellungen. Eine auch dieses Begehren deckende Vereinbarung (etwa eine Zinsgleitklausel) hat die Klägerin trotz der Bestreitung nicht behauptet. Der zur Gänze angefochtene Zinsenzuspruch ist daher im 10 % übersteigenden Betrag aufzuheben. Gleiches gilt für jene Zinsen, die sich aus der Kapitalisierung der Zinsen ergeben. Der Klägerin wird im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen auch insofern schlüssig zu stellen.

C. Zur Kostenentscheidung

1. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO, für das Berufungsverfahren iVm § 50 ZPO. Selbst wenn die Klägerin in Bezug auf den noch strittigen Kapitalbetrag zur Gänze unterliegen sollte, hätte sie insgesamt zu mehr als 90 % obsiegt. Sie hat daher nach § 43 Abs 2 ZPO Anspruch auf vollen Ersatz ihrer Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz, dies jedoch vorerst nur auf einer Bemessungsgrundlage von 210.000 EUR. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ein weiteres Obsiegen ergeben, wäre der Kostenzuspruch entsprechend zu ergänzen. Eine Grundlage für die von der Klägerin begehrte „Verbindungsgebühr“ ist nicht zu erkennen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

Textnummer

E93931

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00221.09T.0420.000

Im RIS seit

19.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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