TE OGH 2011/2/16 7Ob15/11y

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Veröffentlicht am 16.02.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 51.700 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2010, GZ 15 R 199/10k-24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Unstrittig ist die Anwendung österreichischen Rechts, wovon auch die Revisionswerberin ausgeht. Da § 43 Abs 1 VersVG und § 43a VersVG aufgrund ihres Zwecks zugunsten des Versicherungsnehmers zwingend sind (Fenyves in Fenyves/Kronsteiner/Schauer, Kommentar zu den Novellen zum VersVG, § 43 Rz 9, § 43a Rz 8), ist in diesem Zusammenhang für die Beurteilung des Sachverhalts österreichisches Recht anzuwenden (§ 4 des Bundesgesetzes über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl 1993/89, das gemäß Art 4 des Bundesgesetzes, BGBl I 2009/109 trotz seiner Aufhebung auf den vorliegenden Versicherungsvertrag anzuwenden ist; vgl Art 32 Abs 4 erster Satz der Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen).

Der Versicherungsmakler im Sinn der §§ 26 ff MaklerG ist zwar regelmäßig ein Doppelmakler (vgl § 27 MaklerG), wird aber trotzdem als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als „Bundesgenosse“ des Versicherten dessen Interessen zu wahren. Davon zu unterscheiden ist der Versicherungsagent im Sinn des § 43 VersVG, der vom Versicherer ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen, damit er zu der Versicherung ein Naheverhältnis hat und der Sphäre des Versicherers zugerechnet wird. Der Versicherer haftet allerdings dennoch für den Makler, wenn das wirtschaftliche Naheverhältnis zu ihm so eng ist, dass es zweifelhaft scheint, ob dieser in der Lage ist, überwiegend die Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren (vgl § 43a VersVG; RIS-Justiz RS0114041).

Die Klägerin hat sich auf ein solches wirtschaftliches Naheverhältnis gestützt, dieses aber nicht unter Beweis stellen können. Nach den Feststellungen hat sie sich wegen finanzieller Schwierigkeiten des elterlichen Unternehmens in Deutschland an den selbständig tätigen Unternehmensberater Dkfm. G***** W***** gewandt. In Finanzierungsangelegenheiten werden die Kunden von der Unternehmensgruppe W***** (kurz: U*****) - einer deutschen Gesellschaft bürgerlichen Rechts - betreut. Nach Beratung durch Dkfm. G***** W*****/die U***** wurden die Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt. In diesem Zusammenhang ist die strittige Lebensversicherung als Teil des Finanzierungskonzepts über Vermittlung der U***** abgeschlossen worden, wobei der Versicherungsantrag - nach dem Vorbringen der Klägerin - durch eine „P***** GmbH“ gestellt wurde. Ein Drittel des Gesamtumsatzes der U***** entfällt auf das Geschäft mit Lebensversicherungen, davon wurden zur Hälfte Lebensversicherungen der beklagten Partei vermittelt. Der Anteil der beklagten Partei am Gesamtumsatz liegt bei etwa 17 %.

Wohl können Abhängigkeitsverhältnisse in Form eines besonders hohen Prämienvolumens des Maklers bei einem bestimmten Versicherer Anhaltspunkte für ein bedenkliches Naheverhältnis sein (vgl 7 Ob 319/04v; Fenyves aaO § 43a Rz 2; Gruber in Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, § 43 Rz 48; Grassl-Palten, Das Bild des Maklers in der Judikatur, VR 2003/7-8, 135 [137]; kritisch zu letzterer Karollus/Koziol, Aufklärungspflichten eines Lebensversicherers gegenüber dem Kunden bei Einsatz der Lebensversicherung als Tilgungsträger für einen Kredit, ÖBA 2006, 263 [266 Fn 21]), jedoch kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Ein spezielles Naheverhältnis zwischen Dkfm. G***** W*****/der U***** und der beklagten Partei steht nicht fest. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass sich allein aufgrund des Anteils am Gesamtumsatz von knapp 17 % noch kein so intensives wirtschaftliches Naheverhältnis zur beklagten Partei ergibt, dass die U***** als Vermittlerin nicht in der Lage war, überwiegend die Interessen der Klägerin gegenüber dem beklagten Lebensversicherer zu wahren, ist in diesem Einzelfall nicht zu beanstanden.

Die Revision geht damit, soweit sie argumentiert, die beklagte Partei hafte für ihren Versicherungsagenten als ihren Erfüllungsgehilfen (RIS-Justiz RS0080420), ins Leere. Die von der Klägerin behaupteten Beratungsmängel und Fehlinformationen von Dkfm. G***** W*****/der U***** begründen keine Ansprüche gegenüber der beklagten Partei, weil der Makler der Sphäre der Versicherungsnehmerin zuzurechnen ist.

Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Schlagworte

9 Vertragsversicherungsrecht,

Textnummer

E96478

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00015.11Y.0216.000

Im RIS seit

15.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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