TE OGH 2008/8/19 11Os100/08b

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Veröffentlicht am 19.08.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andrej M***** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 4 erster, zweiter und dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. November 2007, GZ 54 Hv 172/07v-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass behält sich der Oberste Gerichtshof die Ausübung der Befugnis gemäß § 290 Abs 1 StPO in Ansehung des Schuldspruchpunkts II sowie die Entscheidung über die Berufung für den öffentlichen Gerichtstag vor.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde Andrej M***** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 4 erster, zweiter und dritter Fall StGB (I./) und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (II./) schuldig erkannt.

Unter einem wurde er von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 27. Juni 2007 in Nickelsdorf eine Totalfälschung zweier deutscher Kennzeichentafeln „IN-PZ925“, sohin falsche ausländische öffentliche Urkunden, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind, zum Beweis von Tatsachen, nämlich der ordnungsgemäßen Zulassung des von ihm gelenkten PKW der Marke Porsche Cayenne in Deutschland auf Marcus A***** gebraucht, indem er diese bei der Ausreisekontrolle an der Grenzpolizeiinspektion an dem von ihm gelenkten Fahrzeug montiert gehabt habe (Punkt II./2./ des Freispruchs), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen diesen Freispruch gerichteten, auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu.

Dem im Rahmen der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) erstatteten Vorbringen zuwider liegt ein nichtigkeitsrelevanter Widerspruch zwischen der zum Schuldspruch Punkt II. getroffenen Annahme, der Angeklagte habe es ernstlich für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass es sich bei dem deutschen Fahrzeugschein um eine Fälschung gehandelt und er diesen durch das Vorweisen bei der Ausreisekontrolle im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts gebraucht habe (US 9 f), und andererseits der Feststellung zum Gebrauchsvorsatz in Ansehung der gefälschten Kennzeichentafeln (US 10) nicht vor. Wenn Urteilsfeststellungen an sich oder in Verbindung mit den dazu angestellten Erwägungen nach Denkgesetzen oder allgemeiner Lebenserfahrung nicht in Einklang zu bringen sind, einander also zwingend ausschließen, liegt ein derartiger Begründungsmangel vor (RIS-Justiz RS0117402; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 439). Wenn auch die Ziffern-Buchstaben-Kombination auf den Kennzeichen mit jener auf dem gefälschten Fahrzeugschein übereinstimmt (AS 53 f), hätte der auf Fälschung des Fahrzeugscheins bezogene Vorsatz nur dann notwendigerweise auch die Kennzeichentafeln umfasst, wenn nach den Feststellungen der Angeklagte diese Übereinstimmung tatsächlich wahrgenommen hätte. Das Erstgericht hat sich jedoch im Zweifel zur Konstatierung der den Gebrauch der gefälschten Kennzeichentafeln begleitenden subjektiven Tatseite (RIS-Justiz RS0095613) nicht in der Lage gesehen. Dass eine unterschiedliche Beurteilung in Bezug auf den Gebrauchsvorsatz selbst bei einem zu beiden Urkunden identen Wissensstand geradezu denkgesetzwidrig wäre, legt die Nichtigkeitsbeschwerde nicht dar.

Im Übrigen schließen die Urteilskonstatierungen die Möglichkeit nicht aus, dass der Angeklagte bei Übernahme des Fahrzeugs davon ausging, die Kennzeichentafeln wären mit dem Fahrzeug gestohlen worden, in welchem Fall die Fälschung des Fahrzeugsscheins lediglich der „Angleichung“ an die am Fahrzeug montierten Kennzeichen gedient und es ihm folgerichtig zu Punkt II./2. des Freispruchs zur Gänze an der subjektiven Tatseite im Sinne des § 223 StGB gemangelt hätte. Eine logische Unvereinbarkeit der kritisierten Urteilsannahmen liegt auch aus diesem Grund nicht vor.

Eine im Sinn der Z 5 zweiter Fall anzunehmende Unvollständigkeit kann nur aus der unterlassenen Erörterung von für die Beweiswürdigung erheblichen Verfahrensergebnissen resultieren (RIS-Justiz RS0099578; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421 f), nicht jedoch aus der Nichtauseinandersetzung der Tatrichter mit nach Ansicht der Rechtsmittelwerberin widersprüchlichen Urteilspassagen.

Insoweit die Staatsanwaltschaft den Satzteil herausgreift „... dass jemand, der einen Wagen bereits mit gefälschten Kennzeichentafeln übernimmt und damit die Grenze passieren will, nicht zweifelsfrei den Schluss zulässt, dass die subjektive Tatseite in Form des bedingten Vorsatzes erfüllt ist“ (US 13 f), der lediglich den Freispruch vom Vorwurf der Urkundenunterdrückung (Punkt II./1./), nicht aber die Negativfeststellung (US 10) in Ansehung der angelasteten Fälschung der Kennzeichentafeln begründe, übergeht die Rechtsmittelwerberin prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370) den vom Erstgericht ausdrücklich hergestellten Bezug zu gerade diesem Faktum („Pkt II./2./ des Urteilstenors“ - US 13) ebenso wie die im Zusammenhang zu lesenden Ausführungen, aus welchem Grund im Gegensatz dazu der Gebrauchsvorsatz beim vorgewiesenen Fahrzeugschein bejaht wurde (US 14). Eine Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO wäre dann gegeben, wenn die erstgerichtlichen Überlegungen gegen grundlegende Erfahrungssätze verstießen oder es sich bei diesen lediglich um Scheingründe handelte; dass aus dem Beweisverfahren auch andere, sogar naheliegendere Schlüsse hätten gezogen werden können, ist für das Nichtigkeitsverfahren ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0116732; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444, 446 und 449). Wenn auch objektiv der deliktische Gebrauch von Kraftfahrzeug-Kennzeichentafeln in der Regel bereits durch das Fahren mit dem Personenkraftwagen, an dem diese montiert sind, verwirklicht wird, widerspricht die auf konkrete Umstände des Einzelfalls gestützte erstgerichtliche Annahme nicht grundlegender Lebenserfahrung, zumal der Angeklagte im Bezug auf die Kennzeichentafeln keine weitere Tathandlung gesetzt hat, aus der auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite zwingend hätte geschlossen werden können.

Die im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erstatteten Ausführungen beziehen sich nur auf die objektive Seite des Urkundengebrauchs. Soweit die Staatsanwaltschaft eine Bejahung der subjektiven Tatseite im Bezug auf den Gebrauch der gefälschten Kennzeichentafeln anstrebt, lässt sie die entgegenstehende Negativfeststellung außer Acht (US 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass hatte sich der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 StPO zustehenden Befugnis sowie überdies die Erledigung der Berufung dem öffentlichen Gerichtstag vorzubehalten.

Textnummer

E97156

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0110OS00100.08B.0819.000

Im RIS seit

16.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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