Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mediengruppe „Ö*****" GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. K***** Gesellschaft mbH, *****, 2. M***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, beide vertreten durch Ruggenthaler Rechtsanwalts KG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 66.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 5. August 2008, GZ 30 R 20/08v-8, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 1. April 2008, GZ 18 Cg 40/08h-3, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er wie folgt lautet:
„Einstweilige Verfügung:
Zu Sicherung des Anspruchs auf Unterlassung unlauteren Verhaltens wird den Beklagten ab sofort bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits über die Unterlassungsklage verboten, im geschäftlichen Verkehr Ausspielungen anzukündigen und/oder zu veranstalten, bei denen für eine vermögensrechtliche Leistung, insbesondere für ein für die Inanspruchnahme eines Mehrwertdienstes zu leistendes erhöhtes Telefonentgelt, eine vermögensrechtliche Gegenleistung, insbesondere die Möglichkeit bei einer TV-Starwahl tolle Preise zu gewinnen, in Aussicht gestellt wird."
Die Klägerin hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen, die Beklagten haben diese Kosten endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Parteien stehen im Wettbewerb auf dem österreichischen Markt für Tageszeitungen. Die Beklagten veranstalteten in ihrer Zeitung Anfang 2008 zusammen mit dem ORF eine Publikumswahl zur Ermittlung beliebter Fernseh- und Bühnenstars, bei der die Teilnehmer „tolle Preise" gewinnen konnten. Ihre Stimmen konnten sie im Internet, per Post oder - hier strittig - mit einer an eine Mehrwertnummer zu sendenden Textnachricht (SMS) abgeben. Eine solche Nachricht kostete 0,50 EUR, wovon 0,34 EUR an den Netzbetreiber und 0,16 EUR an die Erstbeklagte gingen. Innerhalb der ersten zwei Wochen nahmen 10.797 Personen über das Internet, 7.261 Personen im Postweg und nur 803 Personen mit einer Textnachricht an der Wahl teil. Aufgrund dieser geringen Teilnehmerzahl reichten die der Erstbeklagten zufließenden Teile des SMS-Entgelts nicht aus, um die Kosten für die Einrichtung des Mehrwertdienstes zu decken.
Die Klägerin beantragt, der Beklagten zu untersagen,
„Ausspielungen anzukündigen und/oder durchzuführen, bei denen für eine vermögensrechtliche Leistung, insbesondere für ein für die Inanspruchnahme eines Mehrwertdienstes zu leistendes erhöhtes Telefonentgelt, eine vermögensrechtliche Gegenleistung, insbesondere die Möglichkeit bei einer TV-Starwahl tolle Preise zu gewinnen, in Aussicht gestellt wird."
Das für die Inanspruchnahme der Mehrwertnummer zu leistende Entgelt sei als „vermögensrechtliche Leistung" iSv § 2 Abs 1 GSpG zu werten. Die Beklagten hätten daher ein wegen des Glücksspielmonopols unzulässiges Glücksspiel veranstaltet. Wegen der damit verbundenen Einnahmen sei dieses Verhalten geeignet, den Beklagten einen Vorsprung im Wettbewerb zu verschaffen. Daher sei auch der Tatbestand des § 1 UWG erfüllt (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).
Die Beklagten wenden ein, dass kein Teilnehmer gehalten gewesen sei, mit einer Mehrwert-Textnachricht teilzunehmen. Zudem hätten die Teilnehmer die Kosten für die Textnachricht nicht als Gegenleistung für die Teilnahme, sondern als Entgelt für die Telekommunikation gewertet. Aus Sicht der Spieler seien diese Kosten daher nicht im Synallagma mit der Spielteilnahme gestanden. Damit hätten die Beklagten nicht gegen § 2 Abs 1 GSpG verstoßen; zumindest hätten sie aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht gehandelt. Weiters sei die Durchführung des Gewinnspiels nicht geeignet gewesen, den Wettbewerb spürbar zu beeinflussen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Da nur ein kleiner Teil des Mehrwertentgelts an die Beklagten geflossen sei und überdies eine alternative Teilnahmemöglichkeit bestanden habe, hätten die Beklagten kein Glücksspiel iSv § 2 Abs 1 GSpG veranstaltet. Maßgebend sei, dass die Teilnehmer die Kosten der Textnachricht nicht als Gegenleistung für die Teilnahmemöglichkeit verstanden hätten.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Zwar habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 5/03v (= MR 2003, 117 - Mehrwertnummernglücksspiel) das Verbindungsentgelt einer Mehrwertnummer, das zum größten Teil dem Veranstalter des Gewinnspiels zufließe, als vermögenswerte Leistung iSv § 2 Abs 1 GSpG gewertet. Im vorliegenden Fall sei der überwiegende Teil des Entgelts jedoch dem Mobilnetzbetreiber zugeflossen. Zudem seien den Spielinteressenten alternative Teilnahmemöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Daher hätten sie das Entgelt für die Nutzung der Mehrwertnummer nicht als Einsatz für eine vermögensrechtliche Gegenleistung der Beklagten angesehen. Zur Abwicklung „möglichst fairer Wahlen" sei es überdies geboten gewesen, die Wahlteilnahme mit Textnachricht entgeltlich zu gestalten. Andernfalls hätte die Wahl durch massenhaftes Absenden von Gratis-Textnachrichten zugunsten einzelner Kandidaten manipuliert werden können. Zudem hätten sich ohnehin nur wenige Teilnehmer für die Wahl mit Textnachricht entschieden. Eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage liege nicht vor.
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Klägerin geltend, dass die Vorinstanzen von der Entscheidung 4 Ob 5/03v abgewichen seien. Der Gesetzesverstoß sei geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von Konkurrenten zu beeinflussen; auf eine tatsächlich eingetretene Beeinflussung komme es nicht an. Die Beklagten halten dem in der Rechtsmittelbeantwortung entgegen, dass die Einrichtung des Mehrwertdienstes in erster Linie dazu gedient habe, die Publikumswahl zu ermöglichen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung hätten die Teilnehmer das Mehrwertentgelt nicht als Gegenleistung für die Teilnahmemöglichkeit verstanden. Zudem sei keine Nachfrageverlagerung eingetreten.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung des beanstandeten Verhaltens von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Er ist aus diesem Grund auch berechtigt.
1. Die Klägerin macht als Mitbewerberin geltend, die Beklagten hätten mit der Einrichtung eines Mehrwertdienstes für die Teilnahme an einem Gewinnspiel gegen § 2 Abs 1 iVm § 3 GSpG verstoßen. Damit beruft sie sich auf die lauterkeitsrechtliche Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch". Zu deren Beurteilung nach neuem Recht hat der Senat bereits mehrfach Stellung genommen (grundlegend 4 Ob 225/07b = MR 2008, 114 [Heidinger] = ÖBl 2008, 237 [Mildner] = ecolex 2008/199 S 551 [Tonninger] - Stadtrundfahrten; seither etwa 4 Ob 34/08s, 4 Ob 48/08z und 4 Ob 27/08m; RIS-Justiz RS0123239). Danach ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.
2. Das Veranstalten von Glücksspielen ist nach § 3 GSpG grundsätzlich dem Bund vorbehalten. Als Glücksspiele gelten insbesondere die in § 2 Abs 1 GSpG genannten Ausspielungen, „bei denen der Unternehmer (Veranstalter) den Spielern für eine vermögensrechtliche Leistung eine vermögensrechtliche Gegenleistung in Aussicht stellt".
2.1. Nach der Entscheidung 4 Ob 5/03v (= MR 2003, 117 - Mehrwertnummernglücksspiel) ist die in § 2 Abs 1 GSpG angesprochene synallagmatische Verknüpfung zwischen der Leistung des Veranstalters und der Gegenleistung der Spieler objektiv zu verstehen. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Spieler ihre Leistung als Gegenleistung für die Teilnahme an einer Ausspielung verstehen. Maßgebend ist vielmehr, ob sie für die Teilnahme tatsächlich eine Leistung an den Spielveranstalter erbringen. Das trifft hier zweifellos zu, fließt doch zumindest ein Teil des Entgelts für den Mehrwertdienst an die Beklagten.
2.2. Dazu kommt, dass auch jener Teil des Mehrwertentgelts, das dem mit der Beklagten zusammenarbeitenden Netzbetreiber zukommt, als Gegenleistung im Sinn des § 2 Abs 1 GSpG zu werten ist. Denn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (86/17/0062 = VwSlg 6523 F/1990) ist es gleichgültig, an wen der Spieler in einem dreipersonalen Verhältnis seine Leistung erbringt. Strittig war im Anlassfall dieses Erkenntnisses eine „Schutzgebühr" von 5 Schilling, die nicht das veranstaltende Medienunternehmen, sondern jene Trafikanten erhielten, die Zeitungen mit einem Gewinnspiel vertrieben und bei denen „Sofortgewinne" eingelöst werden konnten. Dass diese „Schutzgebühr" als Abgeltung für die Mühewaltung der Trafikanten anzusehen war, änderte nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nichts an ihrem Charakter als Gegenleistung für die Möglichkeit zur Teilnahme am Gewinnspiel.
2.3. Diese Erwägungen gelten auch im vorliegenden Fall. Denn hier dient jener Anteil des Mehrwertentgelts, der dem Netzbetreiber des Veranstalters zufließt, ebenfalls der Abgeltung von dessen besonderer, im Interesse des Veranstalters liegender Mühewaltung. Denn nur so lässt sich der Umstand erklären, dass der Betreiberanteil am Mehrwertentgelt notorisch höher ist als jenes Entgelt, das ein Spieler nach typischen Mobilfunktarifen seinem eigenen Netzbetreiber zu zahlen hätte. Es liegt daher auch insofern eine Gegenleistung für die Teilnahme am Gewinnspiel vor.
3. Die Beklagten können sich auch nicht auf eine vertretbare Rechtsansicht berufen.
3.1. Die Rechtslage war durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs und die darauf beruhende Entscheidung 4 Ob 5/03v ausreichend geklärt. Mangels gegenteiliger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mussten daher auch die Beklagten von der Unzulässigkeit der Verknüpfung ihres Gewinnspiels mit der Inanspruchnahme eines Mehrwertdienstes ausgehen.
3.2. Dass es alternative Teilnahmemöglichkeiten gab, trifft zwar zu. Dieser Umstand wäre aber, wenn überhaupt, nur zugaberechtlich relevant. Hingegen war für jene Spieler, die sich - aus welchem Grund auch immer - für die Inanspruchnahme des Mehrwertdienstes entschieden, der Tatbestand des § 2 Abs 1 GSpG jedenfalls erfüllt. Dass sie diesen Weg, wie die Beklagten hervorheben, nicht wählen „mussten", ist unerheblich. An einem Glücksspiel „muss" ohnehin niemand teilnehmen; tut er es doch, greifen die Regelungen des Glücksspielrechts.
Zwar gibt es in der deutschen Lehre Stimmen, die die Anwendung von § 284 dStGB (unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels) bei Vorliegen einer gleichwertigen Teilnahmemöglichkeit verneinen (Eichmann/Sörup, Das Telefongewinnspiel, MMR 2002, 142, 145; auf diese verweisend Fischer, StGB55 § 284 Rz 6; zweifelnd hingegen Bahr, Glücks- und Gewinnspielrecht2 [2007] Rz 661 f). Das Erfordernis der Gleichwertigkeit wird dort allerdings nicht auf die Frage der Kosten beschränkt. So sehen Eichmann/Sörup (MMR 2002, 145) schon das Ausfüllen einer Karte und deren Versehen mit einer Briefmarke als beschwerlicher an als die Inanspruchnahme eines Mehrwertdienstes. Diese Erwägungen sind durchaus nachvollziehbar, sind doch Postkarten und Briefmarken angesichts der geänderten Gewohnheiten in der Fernkommunikation - anders als ein Mobiltelefon - nicht mehr jederzeit greifbar. Gleiches gilt für einen Internetzugang.
Auf dieser Grundlage konnten die Beklagten aus der zum deutschen Recht vertretenen Auffassung, gleichwertige Teilnahmemöglichkeiten schlössen die Anwendung des Glücksspielverbots aus, für den hier zu beurteilenden Fall nichts zu ihren Gunsten ableiten.
4. Das beanstandete Verhalten ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG).
4.1. Der Senat hat zu diesem Erfordernis bereits festgehalten (4 Ob 225/07b; 4 Ob 34/08s = MR 2008, 166 - Trennungsgebot; RIS-Justiz RS0123243), dass sich die Eignung - ausgehend vom Regelungszweck der verletzten Norm und von den typischen Auswirkungen des Rechtsbruchs - schon aus dem Wiederholungsgefahr indizierenden Normverstoß als solchen ergeben kann. Dabei ist unerheblich, welche Wirkung das konkret beanstandete Verhalten in der Vergangenheit tatsächlich gehabt hat. Vielmehr ist zu fragen, ob eine Wiederholung nach der Art des Verhaltens eine Wettbewerbsverzerrung bewirken kann (4 Ob 113/08h = MR 2008, 261 [Burgstaller] - Medium T).
4.2. Im vorliegenden Fall hatten die Teilnehmer den Mehrwertdienst zwar nur sehr zurückhaltend in Anspruch genommen, weswegen sich dessen Einrichtung für die Beklagten aus finanzieller Sicht nicht lohnte. Allerdings erschlossen sie sich damit neue Teilnehmerkreise, die sie mit traditionellen Teilnahmeformen möglicherweise nicht erreicht hätten. Die damit verbundenen Kosten sollten durch das Mehrwertentgelt abgedeckt werden. Im konkreten Fall führte das dazu, dass die speziell angesprochene Zielgruppe die auf sie zielende Werbemaßnahme zumindest teilweise selbst zahlte. Isoliert betrachtet lag darin zwar wegen der geringen Teilnehmerzahl keine spürbare Beeinflussung des Wettbewerbs. Die von den Beklagten angestrebte Wirkung kann sich aber in Zukunft aufgrund eines nicht unwahrscheinlichen Gewöhnungseffekts verstärken, und zwar zumal dann, wenn sich neue Aktionen ausdrücklich an eine für diese Form der Mobilkommunikation besonders aufgeschlossene (dh wohl junge) Zielgruppe richten sollten. Hingegen wäre diese Form der Finanzierung jenen Mitbewerbern, die die Vorschriften des Glücksspielrechts beachteten, verschlossen. An der Eignung des beanstandeten Verhaltens, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen, besteht daher kein Zweifel.
5. Aufgrund dieser Erwägungen ist die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die von der Klägerin beantragte einstweilige Verfügung erlassen wird. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E89839European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0040OB00167.08Z.1118.000Im RIS seit
18.12.2008Zuletzt aktualisiert am
14.05.2012