Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Lisa M*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Murad M*****, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 21. Dezember 2007, GZ 54 R 119/07g-U9, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 29. Oktober 2007, GZ 3 P 174/99i-U5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Antrag des Kindes, den Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 188 EUR zu verpflichten, wurde dem Vater am 1. 10. 2007 mit dem auf § 17 AußStrG beruhenden Auftrag, sich innerhalb von 14 Tagen zu äußern, widrigenfalls angenommen werde, dass er den Angaben im Antrag keine Einwendungen entgegenzusetzen habe, zugestellt. Schon vorher hatte das Erstgericht durch eine Sozialversicherungsanfrage erhoben, dass der Vater seit 13. 7. 2007 einer Beschäftigung als Arbeiter nachgeht. Diese stimmte mit den vom Kind vorgelegten Urkunden überein, nach denen der Vater ab dem genannten Zeitpunkt ein bestimmtes Erwerbseinkommen erzielte. Nachdem die dem Vater eingeräumte Äußerungsfrist ergebnislos verstrichen war, erkannte ihn das Erstgericht mit Beschluss vom 29. Oktober 2007 schuldig, für seine Tochter ab 1. 8. 2007 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 188 EUR zu zahlen. In seinem dagegen erhobenen Rekurs machte der Vater geltend, er sei am 23. 10. 2007 fristlos entlassen worden und seither arbeitslos; er könne daher den festgesetzten Unterhalt nicht zahlen. Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs letztlich für zulässig. Auf das erstmals im Rekurs erstattete Tatsachenvorbringen, wonach der Vater infolge Entlassung seit 23. 10. 2007 arbeitslos sei, sei nicht einzugehen. Der Rekurswerber habe auch nicht dargetan, dass er diese Tatsache dem Erstgericht vor dessen Beschlussfassung nur aufgrund einer entschuldbaren Fehlleistung nicht mitgeteilt hätte (§ 49 Abs 2 AußStrG). Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht entschieden habe, wie mit nova reperta, die nach Ablauf der vom Erstgericht gemäß § 17 AußStrG gesetzten Äußerungsfrist und noch vor Fassung der erstinstanzlichen Entscheidung entstanden sind, zu verfahren sei, insbesondere ob diese Tatsachen im Rekursverfahren gemäß § 49 AußStrG zu berücksichtigen seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters erweist sich als unzulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG erörtert wird.
Der Auffassung des Rechtsmittelwerbers, die im Rekurs enthaltenen Neuerungen hätten berücksichtigt werden müssen, weil das durch Art 6 EMRK verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Gehör nur durch eine solche Auslegung des § 49 AußStrG gewahrt würde, ist nicht beizutreten.
Zutreffend hat das Rekursgericht auf die Regelung in § 49 Abs 2 AußStrG hingewiesen. Danach können - entgegen der in § 49 Abs 1 AußStrG grundsätzlich vorgesehenen Neuerungserlaubnis im Rekursverfahren - zum Zeitpunkt des Beschlusses erster Instanz schon vorhandene Tatsachen und Beweismittel nicht berücksichtigt werden, wenn sie von der Partei schon vor der Erlassung des Beschlusses hätten vorgebracht werden können, es sei denn, die Partei kann dartun, dass es sich bei der Verspätung (Unterlassung) des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung handelt. Die vom Rekursgericht vorgenommene Bewertung, dass dem Vater eine über den Grad der entschuldbaren Fehlleistung hinausgehende Sorglosigkeit vorzuwerfen ist, wird im Revisionsrekurs gar nicht in Frage gestellt. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dem Vater angesichts der an ihn ergangenen Aufforderung bewusst sein musste, dass ein Unterhaltsverfahren anhängig ist, in dessen Rahmen unter anderem seine finanzielle Leistungsfähigkeit beurteilt wird. Schon deshalb hatte er Anlass dazu, das Gericht unverzüglich von einer maßgeblichen Änderung seiner Einkommenssituation zu informieren.
Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts kann in der Tatsache, dass der Vater im vorliegenden Fall iSd § 17 AußStrG zur Äußerung zum Unterhaltsantrag aufgefordert wurde, keine besonders zu behandelnde Fallkonstellation erblickt werden, die Anlass zur Qualifikation als erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG gäbe. Eine Aufforderung nach § 17 AußStrG stellt eine von vielen möglichen Maßnahmen zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts dar. Unabhängig davon, ob das erstgerichtliche Ermittlungsverfahren durch das Einlangen einer Stellungnahme des Antragsgegners bzw den erfolglosen Ablauf der Äußerungsfrist oder aber durch einen anderen Akt des Beweisverfahrens beendet wird, stellt sich die vom Gesetzgeber zu beantwortende Rechtsfrage regelmäßig nicht anders; auch wenn der Vater etwa am letzten Tag der Äußerungsfrist einvernommen worden wäre, hätte das Erstgericht auf die erst danach erfolgte Entlassung nicht Bedacht nehmen können. Jeweils geht es darum, welche verfahrensrechtlichen Möglichkeiten einer Partei einzuräumen sind, die sich auf eine Tatsache berufen will, die noch vor der Beschlussfassung eingetreten ist. Diese Konstellation ist nun in § 49 Abs 2 AußStrG geregelt, ohne dass eine Schutzlücke zu erkennen wäre, was insbesondere für Unterhaltsverfahren gilt, in denen bei Änderung der Verhältnisse regelmäßig ein Herabsetzungsantrag gestellt werden kann (vgl nur Fucik/Kloiber, AußStrG § 49 Rz 5; Klicka in Rechberger, AußStrG § 49 Rz 1). Einen solchen Herabsetzungsantrag hat der Vater in der Folge auch tatsächlich gestellt.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Anmerkung
E898051Ob98.08f-2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00098.08F.1125.000Zuletzt aktualisiert am
02.03.2009