Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herlinde A*****, vertreten durch Dr. Walter Sarg, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Franz A*****, vertreten durch Dr. Christian Kurz und Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 14.243,43 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 7.121,71 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Februar 2008, GZ 2 R 29/08v-51, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 28. November 2007, GZ 13 Cg 105/05m-47, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit 2.400,39 EUR (darin enthalten 302,73 EUR Umsatzsteuer und 584 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist Eigentümer einer an einem Bach gelegenen Kleinwasserkraftanlage, die Klägerin Eigentümerin einer Parterrewohnung in einem angrenzenden Haus. Schon vor dem Eigentumserwerb der Klägerin (im Jahr 1991) wurde die Dachrinne des Hauses in das damals noch nicht abgedeckte Oberwassergerinne der Kleinwasserkraftanlage eingeführt. Mit Bescheid aus dem Jahr 1985 wurde dem Beklagten die Generalsanierung der Kleinwasserkraftanlage behördlich bewilligt und das Wasserbenutzungsrecht bis zum 31. 12. 2017 unter anderem mit der Auflage, die gesamte fertiggestellte Anlage dauernd in einem einwandfreien Bau- und Betriebszustand zu erhalten, verliehen. Aufgrund von Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung der Klägerin trat diese an die Gemeinde heran, was in weiterer Folge das Einschreiten der Bezirkshauptmannschaft zur Folge hatte. Diese erteilte dem Beklagten mit Bescheid vom 5. 7. 2004 den Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands bis längstens 30. 11. 2004 durch geeignete Sanierungsmaßnahmen. Nach Durchführung der Sanierungsmaßnahmen traten in der Wohnung der Klägerin keine Feuchtigkeitsschäden mehr auf. Hauptursache für die Feuchtigkeits-/Vernässungsschäden in der Wohnung der Klägerin waren die unsachgemäß ohne seitliche Abdichtung in die Betonwand eingebundenen Rohrdurchführungen. Darüber hinaus waren weitere Ursachen für die Durchfeuchtung ein bestehender vertikaler Riss im absolut porösen und „butterweichen" Beton des Oberwassergerinnes sowie eine mangelhafte Fuge zwischen einem Deckel des Oberwassergerinnes und den Seitenwänden. Die Verhältnismäßigkeit dieser Ursachen für die Feuchtigkeitsschäden konnte nicht festgestellt werden. Zur Behebung der Feuchtigkeitsschäden bezahlte die Klägerin 15.084 EUR.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin - unter anderem gestützt auf die §§ 26, 50 WRG und die §§ 364, 364a ABGB - einen Schadensbetrag von 14.243,43 EUR sA.
Der Beklagte wendete insbesondere fehlende Kausalität der am Gerinne vorhanden gewesenen Schäden für die von der Klägerin aufgezeigten Feuchtigkeitsschäden ein. Bei der Öffnung des Gerinnedeckels im Zuge der 2004 vorgenommenen Sanierungsmaßnahmen seien vielmehr „auf Höhe des Hauses der Klägerin" zwei unerlaubt und unfachmännisch in das Gerinne eingeleitete Rohre zu Tage getreten, die ein Entweichen von Wasser zuließen. Auch Niederschlags- und „Straßen"wasser könnten die Feuchtigkeitsschäden bewirkt haben.
Das Erstgericht gab der Klage vollinhaltlich statt. In welchem Ausmaß die verschiedenen Ursachen zu den Feuchtigkeitsschäden beigetragen hätten, habe nicht festgestellt werden können. § 50 WRG sei eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB. Diese habe der Beklagte übertreten, weshalb er zu beweisen habe, dass der Schaden „ohne Schutzgesetzverletzung" auch - „zu gleicher Zeit, in gleicher Weise und in gleichem Umfang" - eingetreten wäre. Dieser Beweispflicht sei er nicht nachgekommen. Der Betreiber einer Wasserbenutzungsanlage habe sämtliche dazugehörigen Kanäle und sonstigen Vorrichtungen derart zu erhalten, dass keine Verletzung anderer Rechte stattfinde. Dem habe der Beklagte nicht entsprochen.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren zur Hälfte statt und wies das Mehrbegehren ab. Die Revision wurde nachträglich zugelassen. Könne nicht festgestellt werden, ob ein in die Risikosphäre des Geschädigten fallender Umstand oder das Fehlverhalten eines anderen für den Schaden tatsächlich kausal war, sei der Schaden zwischen dem Geschädigten und dem möglichen Schädiger zu teilen. Die im Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang vertretene (gegenteilige) Auffassung könne nicht aufrechterhalten werden. Im vorliegenden Fall stehe fest, dass für die Verursachung der Feuchtigkeitsschäden am Haus der Klägerin sowohl die unsachgemäß eingebundenen Rohrdurchführungen - Umstände, welche in die Risikosphäre der Klägerin fielen - als auch die Rissbildung im porösen und „butterweichen" Beton des Oberwassergerinnes sowie eine mangelhafte Fuge zwischen dem Deckel des Oberwassergerinnes und den Seitenwänden in Frage kämen. Der Schaden sei daher zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu teilen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den klageabweisenden Teil dieser Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Gemäß § 50 Abs 1 WRG haben die Wasserberechtigten, sofern keine rechtsgültigen Verpflichtungen anderer bestehen, ihre Wasserbenutzungsanlagen einschließlich der dazugehörigen Kanäle, künstlichen Gerinne, Wasseransammlungen sowie sonstigen Vorrichtungen in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand und, wenn dieser nicht erweislich ist, derart zu erhalten und zu bedienen, dass keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte stattfindet. Ebenso obliegt den Wasserberechtigten die Instandhaltung der Gewässerstrecken im unmittelbaren Anlagenbereich.
Der Erhaltungspflicht unterliegen auch die mit der Wasserbenutzungsanlage zusammenhängenden „Zubehörs- und Nebenanlagen" wie Wasserführungsanlagen, Wasserzuleitungsgräben zu einem Triebwerk, Uferschutzwände eines künstlichen Gerinnes zum Schutz fremder Grundstücke sowie alle sonst von der wasserrechtlichen Bewilligung erfassten Anlagen (Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht § 50 Rz 5; Oberleitner, WRG2 § 50 Rz 8).
Das Ausmaß der gesetzlichen Instandhaltungspflicht in Bezug auf den vom Wasserbenutzungsberechtigten zu gewährleistenden Zustand seiner Anlagen wird in § 50 Abs 1 WRG primär mit jenem Zustand beschrieben, welcher der Bewilligung entspricht. Steht der konsensmäßige Zustand fest, dann kann sich demnach die Erhaltungspflicht auch nur auf diesen Zustand beziehen. Mit dem Gebot der Hintanhaltung einer Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte umschreibt das Gesetz das Ausmaß der Instandhaltungspflicht für den Fall, dass der konsensgemäße Zustand der Anlage nicht mehr feststellbar ist (Kaan/Braumüller, Handbuch Wasserrecht, 372 mwN). So judizierte etwa der VwGH, dass die Frage, ob der Eigentümer einer Mühlanlage zur Erhaltung einer über ein zu dieser Anlage gehörendes künstliches Gerinne führenden Brücke verpflichtet sei, davon abhänge, ob die Brücke als Bestandteil der Anlage anzusehen sei. In diesem Zusammenhang sei wesentlich, ob der öffentliche Weg, im Zuge dessen sich die Brücke befinde, als der ältere Bestand anzusehen sei oder der Wassergraben. Denn sei die Brücke lediglich als Mittel aufzufassen, welches die Fortsetzung des Wegs über den zur Zeit des Entstehens des Wegs schon vorhandenen offenen Wassergraben ermöglichen sollte, dann gehörte sie nicht zur Anlage. Musste aber zwecks Wasserableitung ein schon bestehender Weg durch den Wasserdurchlass unterbrochen werden, dann bilde die Brücke einen Bestandteil des Durchlasses und damit der Anlage selbst (Kaan/Braumüller aaO 373).
Ähnlich judizierte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 58/110, wonach die Wasserrechtsbehörde dem Wasserberechtigten die Herstellung einer Brücke aufzutragen habe, wenn vor Errichtung einer Wasserbenutzungsanlage bereits ein Weg vorhanden war und der Wasserbau den Weg unterbrach; der Wasserberechtigte habe die Brücke dann auch zu erhalten. Werde hingegen eine Brücke erst später zum Nutzen eines Anrainers errichtet, obliege die Erhaltungspflicht allein ihm. Ein Schadenersatzanspruch gegen den Wasserberechtigten komme dann nur bei bewilligungswidriger Ausübung des Wasserbenutzungsrechts in Betracht.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass sich die Instandhaltungspflicht des Beklagten als Betreiber einer Kleinwasserkraftanlage jedenfalls dann auch auf die strittigen Rohranschlüsse, die von der Liegenschaft der Klägerin in das Oberwassergerinne einmünden, erstreckt, wenn diese Leitungen bereits vor der Bewilligung des Betriebs der Kleinwasserkraftanlage vorhanden waren.
Den Feststellungen der Tatsacheninstanzen ist zu entnehmen, dass die fraglichen Rohre schon in das Oberwassergerinne eingeleitet waren, als dieses noch nicht abgedeckt war. Die Klägerin brachte hiezu bereits in erster Instanz (ON 23 + ON 38) vor, dass die beiden Rohre im Zuge der Überdeckung des Bachs (vom Betreiber der Kraftwerksanlage) „in den 50-er Jahren" in das „Betongerinne" eingebunden worden seien und sie bzw ihre Rechtsvorgänger als „Nicht-Auftraggeber" auf die Art der Einbindung keinen Einfluss hätten nehmen können. Dieses Vorbringen wurde vom Beklagten nicht (substanziiert) bestritten und hat daher als zugestanden zu gelten (§ 267 ZPO). Der Beklagte äußerte vielmehr (auch in der Revisionsbeantwortung) die Rechtsansicht, dass die unsachgemäß eingebundenen Rohrdurchführungen - unabhängig davon, wann und in wessen Auftrag diese hergestellt worden seien - der „Risikosphäre der Klägerin" zuzuordnen seien. Dies ist aber unzutreffend, die Instandhaltungspflicht in Bezug auf die Dichtheit der Rohreinleitungen trifft vielmehr im Sinne der obigen Ausführungen den Beklagten als Wassernutzungsberechtigten.
Somit kann zusammenfassend festgehalten werden, dass der Beklagte als Betreiber der Kleinwasserkraftanlage gemäß § 50 Abs 1 WRG zur Instandhaltung der oben genannten Rohreinbindungen verpflichtet war und ist. Er haftet der Klägerin daher für die gesamten Sanierungskosten.
Ausführungen zu den in der Revision aufgeworfenen Fragen der alternativen bzw kumulativen Kausalität sowie der allfälligen Verletzung des § 499 Abs 2 ZPO und der Erörterungspflicht nach § 182a ZPO können daher unterbleiben.
Der Revision ist somit Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das zur Gänze klagestattgebende Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50 und 41 ZPO.
Anmerkung
E897901Ob109.08yEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00109.08Y.1216.000Zuletzt aktualisiert am
23.02.2009