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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AufG 1992 §6 Abs2 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der 1984 geborenen T Y in A, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Februar 1999, Zl. 115.987/12-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit am 13. September 1994 beim Landeshauptmann von Wien eingelangter Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin erstmals die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. März 1996 gemäß § 6 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.
Am 5. Dezember 1995 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, wobei als Aufenthaltszweck "Schulausbildung" angegeben wurde. Dieser Antrag wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. April 1996 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin stellte am 4. November 1996 (Einlangen beim Landeshauptmann von Wien) im Wege der österreichischen Botschaft Ankara neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, wobei sie als Aufenthaltzweck Familiengemeinschaft mit ihrem namentlich angeführten Vater sowie jenen des privaten Aufenthaltes angab.
Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. März 1998 gemäß § 8 Abs. 5 iVm § 12 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 1999 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag als Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" angegeben. Ihr Vater sei jugoslawischer Staatsangehöriger und somit im Sinn des Fremdengesetzes 1997 Drittstaatsangehöriger. Gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 sei der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. Aus dieser eindeutigen Bestimmung gehe klar hervor, dass im Fall der Beschwerdeführerin auf Grund der Vollendung des 14. Lebensjahres der Zweck der Familiengemeinschaft ausgeschlossen sei. Die Behörde habe bei der Ausübung des ihr vom Gesetz eingeräumten Ermessens - jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthaltes des Fremden ausgehend - auf seine persönlichen Verhältnisse, auf öffentliche Interessen und auf die besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes Bedacht zu nehmen. Zu den öffentlichen Interessen sei zu sagen, dass ein immenses öffentliches Interesse an einer geordneten Handhabung der fremdenrechtlichen Bestimmungen bestehe. Bei Abwägung der privaten Interessen mit den öffentlichen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK sei festgestellt worden, dass im Fall der Beschwerdeführerin die öffentlichen Interessen überwögen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 21 Abs. 3 und § 113 Abs. 10 FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 21. ...
...
(3) Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, ist auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. ...
§ 113. ...
....
(10) Bei Erlassung der Niederlassungsverordnung für die Jahre 1998 bis 2000 kann die Bundesregierung zusätzlich eine Anzahl von Niederlassungsbewilligungen festlegen, die minderjährigen unverheirateten Kindern Drittstaatsangehöriger im Rahmen des Familiennachzuges zusätzlich erteilt werden dürfen, sofern diese Drittstaatsangehörigen sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen haben, die Kinder das 14. Lebensjahr vollendet haben und erwiesen ist, dass der Nachzug bislang bloß deshalb unterblieben ist, weil eine Bewilligung gemäß der Verordnung nach § 2 des Aufenthaltsgesetzes nicht zur Verfügung stand. Für den Familiennachzug solcher Jugendlicher gilt im Übrigen § 21."
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (2. März 1999) ist für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Niederlassungsverordnung 1999, BGBl. II Nr. 424/1998, maßgebend.
§ 4 dieser Verordnung lautete (auszugsweise):
"§ 4. Im Jahr 1999 dürfen unter den Bindungen des § 113 Abs. 10 FrG höchstens 550 Niederlassungsbewilligungen für minderjährige unverheiratete Kinder von Drittstaatsangehörigen erteilt werden, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen haben; hievon entfallen auf ... Wien 170 derartige Niederlassungsbewilligungen."
Die Beschwerdeführerin verfügte weder nach der Aktenlage noch nach ihrem Vorbringen jemals über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Die belangte Behörde wertete ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung daher zutreffend in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 Fremdengesetz 1997 als solchen auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels, näherhin einer Erstniederlassungsbewilligung, für dessen Beurteilung das FrG 1997 maßgebend ist.
Die belangte Behörde stützt die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung auf § 21 Abs. 3 FrG 1997. Diese Bestimmung sieht vor, dass der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt ist. Die Beschwerdeführerin ist unbestritten am 10. Juli 1984 geboren und überschreitet sohin diese Altergrenze. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Juni 2000, G 16/00, die in § 21 Abs. 3 FrG 1997 enthaltene Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" als verfassungswidrig aufgehoben (die Aufhebung tritt erst mit Ablauf des 31. Dezember 2000 in Kraft; vgl. die Kundmachung des Bundeskanzlers, BGBl. I Nr. 66/2000), da es sich beim Fall der Beschwerdeführerin aber nicht um einen Anlassfall handelt, ist für die Beurteilung der Beschwerde die oben wiedergegebene, nicht hingegen die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigte Rechtslage heranzuziehen.
Die Beschwerdeführerin weist in ihrer Sachverhaltsdarstellung darauf hin, den verfahrensgegenständlichen Antrag (bereits) gestellt zu haben, als sie 12 Jahre alt gewesen sei. Der Landeshauptmann von Wien habe seine abweisliche Entscheidung am Tag der Vollendung ihres 14. Lebensjahres erlassen, die belangte Behörde stützte sich nunmehr darauf, dass die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung gemäß § 21 Abs. 3 FrG nach Vollendung des 14. Lebensjahres ausdrücklich ausgeschlossen sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zlen. 99/19/0052 bis 0055, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, Folgendes ausgeführt:
Wenn in dieser Bestimmung (gemeint: § 21 Abs. 3 FrG 1997) davon die Rede ist, dass der Familiennachzug auf die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt ist, so ist damit klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Bewilligung (nur darauf, nicht etwa auf den tatsächlichen Nachzug kann es ankommen) des Familiennachzuges nach dieser Bestimmung nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung unmündigen Kindern erteilt kann.
Das Abstellen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung ist demnach - so die weiteren Ausführungen des Erkenntnisses - nicht als unsachlich zu erkennen, ist doch für die Entscheidung, ob einem Fremden die Zuwanderung zu gestatten ist oder nicht, die persönliche Situation (hier: das Alter) des Fremden im Entscheidungszeitpunkt wichtiger als jene im Antragszeitpunkt. Der Umstand, dass ein vor Erreichen der Mündigkeit gestellter Antrag gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 bloß deshalb nicht bewilligt werden kann, weil sich die Entscheidung darüber bis zur Erreichung des 14. Lebensjahres des Antragstellers verzögert hat, wäre allerdings außerhalb des Anwendungsbereiches des § 113 Abs. 10 FrG 1997 bei einer im Rahmen der Quote gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 zu treffenden Ermessensentscheidung entsprechend zu berücksichtigen (vgl. für den Fall der Erreichung der Volljährigkeit während des Niederlassungsverfahrens auch das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 98/19/0236).
Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden.
Die belangte Behörde hat es - in Verkennung der Rechtslage - unterlassen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 vorliegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zlen. 98/19/0225, 0226, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt, dass ausgehend vom Zweck des § 113 Abs. 10 FrG 1997 die dort umschriebene Voraussetzung "dass der Nachzug bislang bloß deshalb unterblieben ist, weil eine Bewilligung gemäß der Verordnung nach § 2 des Aufenthaltsgesetzes nicht zur Verfügung stand" dahin zu interpretieren ist, dass sie im Fall einer Antragstellung vor Inkrafttreten des FrG 1997 nur dann fehlt, wenn der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG entgegenstand, also auch unter der Geltungsdauer des AufG (in Wahrheit) gar kein Rechtsanspruch auf Familiennachzug bestand.
Maßgebend für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 vorliegen, ist daher nicht ein bestimmtes Verhalten oder die hinter einem solchen Verhalten stehende Motivation der Aufenthaltsbehörde (für die Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung), sondern allein die Frage, ob während der Geltungsdauer des AufG dem Anspruch auf Familiennachzug (gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG) ein Versagungsgrund entgegenstand. Hiezu sind bei der Beurteilung der Frage, ob § 113 Abs. 10 FrG 1997 angewendet werden kann, von der Niederlassungsbehörde die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
Die belangte Behörde durfte folglich nicht allein auf Grund der Tatsache, dass die Behörde erster Instanz ihren Bescheid auf den Abweisungsgrund des § 8 Abs. 5 FrG 1997 stützte, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 (stillschweigend) negieren. In Verkennung der oben dargestellten Rechtslage unterließ es die belangte Behörde Feststellungen darüber zu treffen, ob im Fall der Beschwerdeführerin zwischen ihrer Antragstellung und dem 1. Jänner 1998 ein Grund für die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung vorlag.
Verneinendenfalls wäre auf sie die Übergangsbestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 anzuwenden gewesen. Die Beschwerdeführerin wäre dann berechtigt gewesen, ihren Anspruch auf Familiennachzug gemäß § 20 Abs. 1 FrG 1997 im Rahmen der gemäß § 113 Abs. 10 FrG 1997 festgelegten Quoten durchzusetzen. Ein Raum für eine Ermessensübung der belangten Behörde hinsichtlich der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung bestünde diesfalls nicht.
Schon aus dieser Erwägung leidet der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen erübrigt.
Im Übrigen wäre auch bei Verneinung der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 eine Prüfung des Antrages unter dem Gesichtspunkt des § 19 Abs. 5 FrG 1997 geboten gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 99/19/0044).
Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. November 2000
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999190153.X00Im RIS seit
02.05.2001