Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Christa H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hannes M***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. März 2008, GZ 121 Hv 140/07f-296, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Hannes M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche der Mitangeklagten Dr. Christa H***** und Mag. Nicholas S***** und Freisprüche aller Angeklagten enthält, wurde Hannes M***** des Verbrechens der Untreue nach §§ 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall, 12 zweiter Fall StGB (III/A/1), des - so die Subsumtion des Erstgerichts - „Verbrechens des schweren Betruges als Beteiligter nach §§ 146, 147 Abs 1 und Abs 3, 12 zweiter Fall StGB" (III/B/1) und „des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 und Abs 3 StGB" (IV/B/1) sowie des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach §§ 15, 158 Abs 1, 161 Abs 1 StGB (VI) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
III. Dr. Christa H***** dazu bestimmt,
A. die ihr durch Treuhandvertrag eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch zu missbrauchen und dadurch anderen einen Vermögensnachteil zuzufügen, dass sie von 17. Oktober 2002 bis 26. November 2003 in 15 Fällen als Kaufpreiszahlung für Anteile zweier im Urteil näher genannter Liegenschaften gewidmete, zu treuen Handen an sie überwiesene Beträge entgegen der übernommenen Treuhandverpflichtung (meist in Teilbeträgen) an die jeweiligen Verkäufer oder an andere Personen auszahlte, obwohl die vereinbarten Bedingungen noch nicht vorlagen, wodurch den im Urteil namentlich genannten Liegenschaftskäufern ein Schaden von insgesamt 380.000 Euro entstand, indem er sie im Wissen um ihren zumindest vorsätzlichen Befugnismissbrauch und mit auf den Eintritt eines Schadens in dieser Höhe gerichtetem Vorsatz (US 38 f, US 43 f) zu diesem Verhalten aufforderte;
B. Angestellte der E***** AG durch die Vorgabe, redliche Treunehmerin zu sein, obwohl sie beabsichtigte, die Treuhandvaluta entgegen der übernommenen Treuhandverpflichtung frühzeitig auszuzahlen, zur Überweisung eines als Kaufpreisfinanzierung für die Liegenschaft S***** durch Ing. Walter P***** gewidmeten Betrags von 1.699.000 Euro auf ihr Treuhandkonto zu verleiten, wodurch die genannte Bank einen Schaden in dieser Höhe erlitt, indem er sie am 26. März 2003 mit auf unrechtmäßige Bereicherung und auf den Eintritt eines Schadens in dieser Höhe gerichtetem Vorsatz (US 57 f) zu diesem Verhalten aufforderte;
IV/B (zu ergänzen:/1) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zwischen März oder April 2002 und 7. Mai 2002 Angestellte der B***** AG durch Täuschung über Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit der S*****GmbH und über deren Fähigkeit und Bereitschaft, der Kreditgeberin vereinbarungsgemäß grundbücherliche Sicherheiten einzuräumen, ferner durch die wahrheitswidrige Bestätigung bereits erfolgten Erlags des geforderten Eigenmittelanteils bei der M*****GmbH (der Verkäuferin), wobei er nicht offenlegte, dass er unter anderem Namen auch als Geschäftsführer dieser Gesellschaft fungierte, sowie durch Verschweigung seiner Absicht, die Treuhänderin Dr. Christa H***** zur treuwidrigen vorzeitigen Auszahlung der Treuhandvaluta zu veranlassen, zur Einräumung eines Kredits in Höhe von 2.187.161,61 Euro an die S*****GmbH für den Ankauf der L***** „und Überweisung ... auf das Treuhandkonto der Dr. Christa H*****" verleitet, wodurch der B***** AG ein Schaden in dieser Höhe entstand; VI. am 1. März 2004 als Geschäftsführer der N***** GmbH nach Eintritt deren Zahlungsunfähigkeit einen Gläubiger zu begünstigen und andere Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen zu benachteiligen versucht, indem er eine im Urteil näher bezeichnete Liegenschaft durch Unterzeichnung eines „Kaufvertrags", der keine weitere Kaufpreiszahlung vorsah, kostenlos an den Unternehmensgläubiger Ing. Walter P***** zu übereignen versuchte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 9 lit b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Die den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Untreue nach §§ 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall, 12 zweiter Fall StGB (III/A/1) betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit ihrer Behauptung fehlenden Sachverhaltsbezugs der Urteilsannahmen zur inneren Tatseite nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus (vgl US 36 ff, 43 f), womit sie den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt verfehlt (RIS-Justiz RS0099810). Welche über die vom Erstgericht - im Übrigen zureichend (vgl dazu Kirchbacher/Presslauer in WK² [2006] § 153 Rz 44) - getroffenen Konstatierungen hinausgehenden „konkreten Feststellungen über die Wissens- und Wollenskomponente des Vorsatzes" zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich gewesen wären, lässt sie nicht erkennen.
Zum Schuldspruch VI wegen des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach §§ 15, 158 Abs 1, 161 Abs 1 StGB wird die bloße Behauptung absoluter Versuchsuntauglichkeit (Z 9 lit a) nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (eingehend 13 Os 151/03, JBl 2004, 531 [Burgstaller] = RZ 2004, 139 = SSt 2003/98; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588). Indem die Beschwerde einräumt, dass die Tauglichkeitsprüfung einer Versuchshandlung aus der ex-ante Sicht eines über den Tatplan informierten verständigen Beobachters zu erfolgen hat („Eindruckstheorie", vgl RIS-Justiz RS0098852; statt aller: Hager/Massauer in WK² § 15, 16 Rz 78, 82), ihre Rechtsauffassung aber gleichzeitig ausschließlich darauf stützt, dass drei Tage nach Abschluss eines „Kaufvertrags", mit dem dem begünstigten Unternehmensgläubiger die Eigentumsrechte an einer Liegenschaft kostenlos übertragen werden sollten, der Konkurs über das Vermögen der Verkäuferin eröffnet wurde, sodass die Verbücherung der Vormerkung des Eigentumsrechts und der Anmerkung der Rangordnung schließlich scheiterte (US 61 f), erweist sie sich zudem als unschlüssig.
Im Übrigen würde absolut untauglicher Versuch voraussetzen, dass die einem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls geradezu denkunmöglich ist, sohin unter keinen Umständen erwartet werden kann (Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 70), wovon bei bloßem Vorliegen eines Eintragungshindernisses (hier: § 94 Abs 1 Z 2 GBG) unbeschadet der Amtspflichten der mit der Intabulation befassten Beamten - schon wegen der Möglichkeit eines Fehlverhaltens - keine Rede sein kann (vgl erneut RIS-Justiz RS0098852, dort vor allem 11 Os 106/07h).
Das weitere Vorbringen, mit dem in Betreff des Schuldspruchs „III/B/1" (richtig: IV/B/1) der Sache nach Feststellungen zur Kausalität der vom Angeklagten intendierten Täuschung von Bankangestellten für deren vermögensschädigende Verfügung vermisst werden (Z 9 lit a), zielt nicht auf den vom Gesetz verlangten Vergleich von festgestellten Tatsachen und darauf angewendetem Gesetz ab (vgl nämlich US 47, 49 f, 54 iVm US 91 ff) und entzieht sich schon deshalb einer sachbezogenen Erörterung.
Gleiches gilt für den aus Z 9 lit a erhobenen Einwand, die Verurteilung wegen der Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (III/A/1) und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (III/B/1) jeweils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB sei rechtsirrig erfolgt, weil der Beschwerdeführer von der falschen Prämisse ausgeht, die „Haupttäter" wären „in diesen Punkten" unter einem (rechtskräftig) freigesprochen worden (vgl dagegen die Schuldsprüche der unmittelbaren Täterin Dr. Christa H***** zu II/A/1 und 2 und zu IV/A iZm jenen des Beschwerdeführers zu III/A/1 und III/B/1).
Mit der unsubstantiierten Behauptung eines nichtigkeitsbegründenden „Feststellungsmangels" (vgl zum Begriff: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600 f) zufolge unterbliebener Konstatierung einer angeblich in der Hauptverhandlung am 12. März 2008 geleisteten (teilweisen) Schadensgutmachung in Höhe von 88.042,43 Euro wird die - auf Z 9 lit b gestützte - Rechtsrüge nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Dass bei entsprechender Feststellung ein vom Erstgericht zu Unrecht nicht in Anschlag gebrachter Ausnahmesatz im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes zur Anwendung hätte kommen können, wird - zu Recht - gar nicht behauptet und damit bloß ein Berufungsgrund angesprochen. Im Übrigen gingen die Tatrichter mit ausführlicher Begründung gerade nicht vom gelungenen Nachweis einer teilweisen Rückzahlung aus (US 76).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Anzumerken bleibt, dass die entgegen dem Zusammenrechnungsgrundsatz nach § 29 StGB rechtlich verfehlte Annahme eines Verbrechens des schweren Betrugs (IV/B/1) neben einem Verbrechen des „schweren Betruges als Beteiligter nach §§ 146, 147 Abs 1, Abs 3, § 12 2.Fall StGB" (III/B/1) für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO keinen Anlass bietet. Die rechtsirrige Subsumtion hat nämlich den Angeklagten, der dies ungerügt ließ, über die unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinaus nicht benachteiligt, weil er daneben eines weiteren Verbrechens und eines Vergehens schuldig erkannt wurde und bei der Strafbemessung bloß das „Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und Vergehen" als erschwerend gewertet wurde. Gleiches gilt für die - von den Feststellungen nicht getragene - jeweils irrige Anführung auch des „Abs 1" des § 147 StGB im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), der zufolge gleichzeitiger Verwirklichung der Qualifikation des Abs 3 dieser Bestimmung nicht strafsatzbestimmend war und bei der Strafbemessung ebenfalls nicht in Anschlag gebracht wurde.
Im Übrigen wäre selbst einer durch den Subsumtionsfehler bewirkten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29; zum Ganzen RIS-Justiz RS0090885, RS0118870, RS0113957 [T2 und T3]). Dabei besteht nämlich keine dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts an den Ausspruch des Erstgerichtes über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0118870).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E8974513Os129.08gEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0130OS00129.08G.1217.000Zuletzt aktualisiert am
23.02.2009