TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/24 99/19/0013

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Veröffentlicht am 24.11.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3;
MRK Art8 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des 1983 geborenen D J in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. November 1998, Zl. 303.766/4- III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte erstmals am 5. Dezember 1994 (Einlangen beim Landeshauptmann von Wien) im Wege der österreichischen Botschaft Budapest die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Oktober 1995 gemäß § 6 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen.

Ein weiterer, am 28. Mai 1996 beim Landeshauptmann von Wien eingelangter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Dezember 1996, wiederum gemäß § 6 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen.

Am 23. Mai 1997 langte beim Landeshauptmann von Wien ein neuerlicher, im Wege der österreichischen Botschaft Belgrad gestellter Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, wobei als Aufenthaltszweck die Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit, Familiengemeinschaft mit dem namentlich angeführten Vater sowie Schuldausbildung angegeben wurde. Nach der Aktenlage wurde der Antrag von der Mutter des Beschwerdeführers bei der österreichischen Botschaft Belgrad eingereicht.

Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. November 1997 gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte u.a. vor, von seinen Eltern am 17. Juni 1993 nach Wien geholt worden zu sein. Er lebe daher seit seinem 10. Lebensjahr in Wien, besuche hier die Hauptschule und sei vollständig integriert. Seine Eltern hätten mehrmals versucht, für ihn eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Die Bemühungen seien jedes Mal daran gescheitert, dass er sich schon im Inland aufgehalten habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. November 1998 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3, § 14 Abs. 2 sowie § 21 Abs. 3 FrG 1997 ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, auf Grund der nunmehr geltenden Rechtslage sei der Antrag vom 13. Mai 1997 als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten.

Der Beschwerdeführer sei jugoslawischer Staatsangehöriger und unterliege somit der Sichtvermerkspflicht. Daher benötige er für die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes einen Aufenthaltstitel. Aus der Aktenlage sowie aus dem Berufungsvorbringen gehe eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer im Juni 1993 ohne im Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu sein, somit "illegal", nach Österreich eingereist sei und sich seither unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Dies werde überdies auf Grund der dem Antrag beigeschlossenen Schulbesuchsbestätigung eindeutig nachgewiesen, ebenso wie durch den Wohnungsüberprüfungsbericht der Magistratsabteilung 62 vom 17. November 1997, worin der Beschwerdeführer selbst angebe, seit fünf Jahren in Österreich aufhältig und nie im Besitz eines Aufenthaltsrechtes gewesen zu sein. Aus einer Mitteilung des Finanzamtes für den 8., 16. und 17. Bezirk in Wien über den Bezug der Familienbeihilfe gehe klar hervor, dass der Kinderabsetzbetrag, welcher sich ständig im Ausland aufhaltenden Kindern nicht zustehe und somit die Familienbeihilfe vermindere, seit dem Juli 1993 unvermindert ausbezahlt worden sei.

Der Minderjährige sei "illegal" eingereist und unerlaubt im Bundesgebiet verblieben. Somit stehe eindeutig fest, dass die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 2 FrG 1997 umgangen worden sei, da der Antrag nicht vor der Einreise vom Ausland aus gestellt worden sei, sondern sich der Minderjährige vielmehr zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet befunden habe.

Nach Wiedergabe des maßgeblichen Gesetzesstellen führte die belangte Behörde weiters aus, dem Antrag sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bei seinen in Österreich legal aufhältigen Eltern Aufenthalt nehmen wolle, der Aufenthaltszweck somit auf "Familiengemeinschaft mit Fremden" laute. Die Eltern seien jugoslawische Staatsangehörige und als solche im Sinne des Fremdengesetzes 1997 Drittstaatsangehörige. Aus dieser eindeutigen Bestimmung gehe klar hervor, dass in diesem Fall der Zweck der Familiengemeinschaft ausgeschlossen sei, da der Minderjährige bereits das 15. Lebensjahr vollendet habe.

Es lägen sohin zwingende Sichtvermerksversagungsgründe vor, die eine positive Erledigung des Antrages unmöglich machten.

Eine Abwägung der persönlichen Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 MRK habe ergeben, dass zwar die Eltern sowie der in Österreich geborene Bruder des Beschwerdeführers legal in Österreich aufhältig seien, jedoch auf Grund der illegalen Einreise sowie auf Grund des illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet und der Nichteinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen des § 14 Abs. 2 FrG 1997 den öffentlichen Interessen an der Versagung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung der Vorrang gegeben werden müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer tritt den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, er habe sich im Zeitpunkt seiner Antragstellung im Inland aufgehalten, nicht entgegen. Er räumt vielmehr auch in der Beschwerde ausdrücklich ein, sich seit Mitte 1993 im Bundesgebiet aufzuhalten, ohne jemals in den Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gelangt zu sein.

Die belangte Behörde wertete daher den Antrag des Beschwerdeführers vom 23. Mai 1997 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zutreffend in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung, für den die Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 maßgebend ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/19/0269, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführte, ist die Norm des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 als Anordnung an die entscheidende Behörde aufzufassen, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten ist. Für die Beurteilung des Vorliegens der in Rede stehenden Erfolgsvoraussetzung ist ungeachtet des Zeitpunktes der Antragstellung die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgebend. § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ist auch auf Anträge, die vor Inkrafttreten des FrG 1997 gestellt wurden, anzuwenden.

Infolge der Anwesenheit des Beschwerdeführers im Bundesgebiet im Zeitpunkt der Antragstellung ist aber der Erfolgsvoraussetzung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 nicht Genüge getan. Dies hat die Abweisung des Antrages zur Folge. Eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 FrG 1997 unter Bedachtnahme auf die in Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien kommt auf Grund des vorliegenden, entgegen § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 gestellten Antrages nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0283).

Unter Hinweis auf den legalen Aufenthalt seiner Eltern und seines Bruders im Bundesgebiet beruft sich der Beschwerdeführer auf seine durch Art. 8 MRK geschützten Interessen in Österreich.

Diesen Ausführungen ist Nachstehendes entgegenzuhalten:

Der Gesetzgeber hat mit der Bestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 auf die privaten und familiären Interessen derjenigen Personen bereits Rücksicht genommen, die sich in Österreich rechtmäßig niedergelassen haben. Andererseits ging der Gesetzgeber offenbar bewusst davon aus, dass jene Fremden, die noch nie im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen waren, gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ihren Antrag vor einer Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen haben (vgl. auch dazu das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999).

Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde sind auch keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes dahin entstanden, dass die Umschreibung der Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 zu eng wäre und damit gegen Art. 8 MRK verstieße. Der Eingriff in ein gedachtes durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers auf Neuzuwanderung zur Wahrung seiner persönlichen Interessen im Bundesgebiet wäre gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK im Interesse der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung gerechtfertigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer ein solches Recht überhaupt zusteht.

Nach dem Vorgesagten geht daher die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe die Interessenabwägung in Ansehung der öffentlichen Interessen unzureichend begründet, ins Leere.

Soweit im Falle des Beschwerdeführers in der Nichterteilung einer Niederlassungsbewilligung eine besondere Härte zu erblicken wäre (die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer sei "Opfer" ständiger Gesetzesänderung geworden und sei sein Aufenthalt sicherlich im Sinne eines "übergesetzlichen Notstandes" gerechtfertigt), ist darauf zu verweisen, dass eine Berücksichtigung derartiger Härten im Rahmen des § 10 Abs. 4 FrG 1997 - wenn auch ohne diesbezügliches subjektives Recht des Fremden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 99/19/0097) - erfolgen kann.

Die Anwendung des Versagungsgrundes nach § 14 Abs. 2 FrG 1997 durch die belangte Behörde kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne dass auf die Frage eingegangen werden musste, ob die belangte Behörde auch die Versagungsgründe nach § 10 Abs. 2 Z. 3 sowie § 21 Abs. 3 FrG 1997 zu Recht in Anwendung gebracht hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. November 2000

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999190013.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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