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19/05 Menschenrechte;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des VN in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 16. November 1999, Zl. 4/1289/Nr. 0673/99-1, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach einer von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift vom 21. Juni 1999 wurde diesem am 27. Mai 1999 eine Beschäftigung als Abwäscher beim Dienstgeber Hotel D. mit einer Entlohnung von "brutto mind. KV zuzüglich Unterkunft, Verpflegung etc." mit möglichem Arbeitsantritt am 14. Juni 1999 zugewiesen. Zur Nichtannahme bzw. zum Nichtzustandekommen dieser Beschäftigung befragt, wendete der Beschwerdeführer hinsichtlich der vom Unternehmen geforderten Arbeitszeit ein, nur Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr arbeiten zu können. Er müsse täglich bis spätestens 17.00 Uhr seine Kinder vom Kindergarten bzw. von der Schule abholen, am Samstag habe er auch niemanden für die Kinder. Der Beschwerdeführer verweigerte die Unterschrift unter diese Niederschrift.
Mit Bescheid vom 28. Juni 1999 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz aus, dass der Beschwerdeführer für die Zeit vom 14. Juni 1999 bis 25. Juli 1999 den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG verloren habe. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer die Annahme einer zumutbaren, zugewiesenen Beschäftigung bei der Firma Hotel D. vereitelt habe.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, dass im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren das rechtliche Gehör verletzt worden sei, weil er der deutschen Sprache nicht mächtig sei und es die Behörde unterlassen hätte, einen Dolmetscher beizuziehen. Eine Anstellung beim zugewiesenen Unternehmen sei deshalb unterblieben, da er zu den in Aussicht genommenen Dienstzeiten für seine beiden Kinder sorgen müsste. Diese Notwendigkeit ergebe sich daraus, dass seine Frau ganztags beschäftigt sei, als Reinigungskraft würden ihre Dienstzeiten vorwiegend in den Morgen- und Abendstunden liegen.
In einer am 25. August 1999 mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift gab dieser Folgendes bekannt:
"Ich wurde im Jänner 1999 am Darm operiert, ich kann nicht schwer heben und tragen, bis zu 10 kg, ich habe diesbezüglich eine ärztl. Bestätigung. Mir ist oft schwindelig, wenn ich schwer arbeiten muss. Ich falle dann um und muss mich hinlegen. Die ärztl. Bestätigung habe ich beim AMS Linz schon abgegeben.
Ich kann auch nicht zum Wochenende arbeiten, wegen der Kinder. Meine Frau arbeitet im eigenen Lebensmittelgeschäft, ganztags. Sonntags ist sie als Reinigungskraft bei meinem Rechtsanwalt tätig. Ich muss dann auf die Kinder aufpassen. Von Montag bis Freitag könnte ich aber arbeiten gehen."
Mit Aktenvermerk wurde gleichzeitig festgehalten, dass das Verständigungsproblem mit dem Beschwerdeführer nicht bestehe. Er verstehe und spreche ausreichend deutsch.
Mit Aktenvermerk vom 6. September 1999 wurde folgende telefonische Auskunft (Herr H./Hotel D.) festgehalten:
"Der schwerste Küchentopf hat ein Gewicht von 7 kg und der Mistsack kann fallweise ein Gewicht bis zu max. 10 kg erreichen; lt. Hrn. H. ist es aber kein Problem, wenn der Mistsack öfters geleert wird, um somit das Gewicht zu verringern."
Laut einem amtsärztlichen Gutachten vom 11. Oktober 1999 sei der Beschwerdeführer im vorgesehenen und zuletzt ausgeübten Beruf noch für ein halbes Jahr eingeschränkt arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer solle vorübergehend schweres Heben ab 10 kg und Tragen ab 5 bis 8 kg sowie Überstundenleistung und Akkordarbeiten vermeiden.
Das amtsärztliche Gutachten und der Aktenvermerk vom 6. September 1999 wurden dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. Oktober 1999 zur Kenntnis gebracht.
In einer Stellungnahme vom 3. November 1999 weist der Beschwerdeführer unter anderem darauf hin, dass sich aus dem ärztlichen Gutachten vom 11. Oktober 1999 ergeben würde, dass ihm die zugewiesene Beschäftigung nicht zumutbar im Sinne des § 10 AlVG gewesen sei.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde aus, dass im ergänzenden Ermittlungsverfahren auf Grund der mehrmaligen persönlichen Vorsprachen des Beschwerdeführers hätte festgestellt werden können, dass er über ausreichende Deutschkenntnisse verfüge, um sich ordnungsgemäß verständlich zu machen und auch den Inhalt eines Gespräches verfolgen zu können. Es habe jedoch festgestellt werden können, dass er die derzeit geltende Gesetzeslage, insbesondere § 9 Abs. 3 AlVG nicht akzeptieren wolle. Der Beschwerdeführer könne nicht nur am Wochenende nicht arbeiten, sondern habe auch Schwierigkeiten, eine Arbeit während der Woche anzunehmen, wie er dies mehrmals behauptet habe (Montag bis Freitag 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr). Er müsse die Kinder bis spätestens 17.00 Uhr täglich vom Kindergarten oder von der Schule abholen. Für die Zumutbarkeit einer Beschäftigung innerhalb des Wohnortes des Arbeitslosen seien ausschließlich die Kriterien des § 9 Abs. 2 AlVG maßgebend. Auf die Versorgung von Familienangehörigen sei gemäß § 9 Abs. 3 AlVG nur bei einer Beschäftigung außerhalb des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Arbeitslosen Bedacht zu nehmen. Aus diesem Grund wäre die Behörde erster Instanz auch nicht zu einem anderen Ergebnis gekommen, wenn ein Dolmetscher beigezogen worden wäre. Der Beschwerdeführer scheine der irrigen Ansicht zu sein, dass anstehende Betreuungspflichten überhaupt ein Grund seien, das Angebot einer Beschäftigung unzumutbar zu machen. Innerhalb des Ortsgebietes des Arbeitslosen sei jedoch die Zuweisung jeglicher gemäß Abs. 2 zumutbaren Beschäftigung zulässig, auf eine bestimmte Arbeitszeit komme es nicht an. Der zugewiesene Dienstgeber befinde sich innerhalb des Wohnortes des Beschwerdeführers. Die Betreuungspflicht für seine Kinder beeinträchtige daher die Zumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung im Sinne des Arbeitslosenversicherungsgesetzes nicht. Laut dem amtsärztlichen Gutachten vom 11. Oktober 1999 sei der Beschwerdeführer im angebotenen Beschäftigungsverhältnis für das nächste halbe Jahr auf Grund seines schlechten Ernährungszustandes nur eingeschränkt arbeitsfähig. Er solle schweres Heben ab 10 kg und auch vorübergehendes Tragen ab 5 bis 8 kg sowie Überstundenleistung und Akkordarbeiten vermeiden. Laut Angaben des zugewiesenen Dienstgebers habe der schwerste Küchentopf ein Gewicht von 7 kg, der Mistsack könne fallweise bis zu maximal 10 kg erreichen, es sei jedoch kein Problem, wenn der Mistsack öfter geleert werde, um das Gewicht zu verringern. Da somit die gesundheitlichen Einschränkungen laut Gutachten nicht überschritten würden, liege keine gesundheitliche Gefährdung durch die eventuelle Annahme der angebotenen Beschäftigung vor. Das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis sei daher in jeder Hinsicht zumutbar. Der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten sei der Auffassung, dass der Beschwerdeführer die Annahme einer vom Arbeitsmarktservice verbindlich angebotenen zumutbaren Beschäftigung verweigert habe, somit nicht arbeitswillig im Sinne der §§ 9 und 10 AlVG gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 6. März 2000, B 2073/99).
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hatte vorliegendenfalls das AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 172/1998, bzw. hinsichtlich des Zeitraumes nach dem 25. Juni 1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/1999 anzuwenden. § 9 und § 10 AlVG in dieser Fassung lauten (auszugsweise):
"§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist,
- eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder
...
(2) Zumutbar ist eine Beschäftigung, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, dass der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet.
(3) Eine Beschäftigung außerhalb des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Arbeitslosen ist zumutbar, wenn hiedurch die Versorgung seiner Familienangehörigen, zu deren Unterhalt er verpflichtet ist, nicht gefährdet wird und am Orte der Beschäftigung, wenn eine tägliche Rückkehr an den Wohnort nicht möglich ist, entsprechende Unterkunftsmöglichkeiten bestehen.
...
§ 10. (1) Wenn der Arbeitslose
- sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
...
verliert er für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. ..."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132, in Fortführung seiner seit dem Erkenntnis vom 23. Februar 1984, Slg. Nr. 11.337/A, ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, sind die genannten Bestimmungen Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, das heißt bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.
Um sich in Bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern (vgl. das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 24. November 1992).
Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen (sieht man vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen, ab) auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach der allgemeinen Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0219).
Die Beschwerdeausführungen wenden sich unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes gegen den Standpunkt der belangten Behörde, dass bei der Zuweisung einer Beschäftigung auf die Versorgung der Familienangehörigen nur dann Bedacht zu nehmen sei, wenn sich der Beschäftigungsort außerhalb des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Arbeitslosen befinde. § 9 Abs. 3 AlVG regle zwar nur den Fall der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Beschäftigung außerhalb des Wohn- und Aufenthaltsortes, daraus den Schluss zu ziehen, dass jede Beschäftigung am Wohn- und Aufenthaltsort zumutbar wäre, sei jedoch unrichtig. Eine gesetzeskonforme Auslegung des § 9 Abs. 3 AlVG gebiete in allen Fällen auf allfällige Sorgepflichten des Arbeitslosen Rücksicht zu nehmen und im Einzelfall abzuwägen, ob die Annahme einer Beschäftigung zumutbar sei. Im gegenständlichen Fall übersehe die Behörde aber, dass die Weigerung zwar durch die Sorgepflichten bedingt gewesen sei, das Zustandekommen der Beschäftigung sei aber nicht wegen der Sorgepflichten gescheitert, sondern deshalb, weil der Beschwerdeführer lediglich zur Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung bereit gewesen sei. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass § 9 Abs. 3 AlVG vorsehen würde, dass jede Beschäftigung innerhalb des Wohn- und Aufenthaltsortes zumutbar sei und aus Gesichtspunkten der Versorgung von Familienangehörigen nicht abgelehnt werden könne, so sei die Ablehnung der Beschäftigung dennoch berechtigt gewesen, da der Beschwerdeführer nur zu einer Teilzeitbeschäftigung bereit gewesen sei.
Das Beschwerdevorbringen macht mit dem Hinweis auf die Gefährdung der Versorgung der Familienangehörigen die fehlende Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung geltend. Bei der gegenständlichen Beschäftigung handelt es sich unbestritten um eine Tätigkeit am Wohnort des Beschwerdeführers. Diesbezüglich ist daher auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Beschäftigung innerhalb des Wohnortes oder Aufenthaltsortes des Arbeitslosen ausschließlich die Kriterien des § 9 Abs. 2 AlVG maßgebend sind. Demnach ist auf die Gefährdung der Versorgung der Familienangehörigen, zu deren Unterhalt der Arbeitslose verpflichtet ist, nicht Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 1995, Zlen. 94/08/0252, 95/08/0001). Die gegenteiligen Ausführungen von Dirschmied (Arbeitslosenversicherungsrecht3, S. 87f) bilden keine Grundlage, von dieser dem klaren Wortlaut des § 9 Abs. 2 und 3 AlVG entsprechenden Auffassung abzugehen. Eine Berücksichtigung von Betreuungspflichten bei Beschäftigungen am Wohn- und Aufenthaltsort des Arbeitslosen würde vielmehr eine Gesetzesänderung voraussetzen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 95/08/0212).
Ebenso wenig wie offenbar beim Verfassungsgerichtshof sind beim Verwaltungsgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken gegen die genannten Gesetzesbestimmungen oder gegen die zitierte Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK entstanden. Entschließt sich jemand aus freien Stücken am Arbeitsmarkt teilnehmen zu wollen (und dies ist nach dem Vorgesagten Voraussetzung für den Erhalt von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung), so bestehen keine Bedenken dahingehend, dass eine solche Person infolge der durch diese Teilnahme verursachten Einschränkung der ihr dann für die Ausübung ihres Familienlebens zur Verfügung stehenden Zeit in ihren Rechten nach Art. 8 MRK beeinträchtigt wäre.
Anders als der Beschwerdeführer meint, folgt aus dieser Auffassung aber nicht, dass jede Beschäftigung innerhalb des Wohn- und Aufenthaltsortes dann als zumutbar zu gelten hätte. Für die Zumutbarkeit einer Beschäftigung innerhalb des Wohn- und Aufenthaltsortes sind, wie in der zitierten Rechtsprechung wiedergegeben, die Kriterien des § 9 Abs. 2 AlVG maßgebend. Demnach ist eine Beschäftigung zumutbar, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Der Beschwerdeführer erklärte in der mit ihm anlässlich der Nichtannahme bzw. des Nichtzustandekommens der zugewiesenen Beschäftigung aufgenommenen Niederschrift vom 21. Juni 1999, dass er hinsichtlich seiner Gesundheit keine Einwendungen habe, brachte jedoch im weiteren Verwaltungsverfahren (nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides) vor, auf Grund einer Operation gesundheitlich beeinträchtigt zu sein.
Selbst wenn man davon ausginge, dass diesbezügliche Einwendungen nicht schon anlässlich der Weigerung, eine Beschäftigung anzunehmen, vorgebracht werden müssten, wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Die Ansicht der belangten Behörde, mit der Ausübung der angebotenen Beschäftigung wäre keine gesundheitliche Gefährdung des Beschwerdeführers verbunden, ist nämlich nicht zu beanstanden, zumal der Beschwerdeführer nach den auf dem Sachverständigengutachten und der Auskunft des potenziellen Dienstgebers fußenden schlüssigen Feststellungen der belangten Behörde keine Tätigkeiten zu verrichten gehabt hätte, die geeignet gewesen wären, seine Gesundheit zu gefährden.
Auch das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei arbeitswillig gewesen, weil er immerhin zur Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung bereit gewesen wäre, führt nicht zum Erfolg. Der Beschwerdeführer wendet sich damit offenbar gegen die Auffassung der belangten Behörde, er habe die Annahme einer vom Arbeitsmarktservice verbindlich angebotenen, zumutbaren Beschäftigung verweigert und sei somit nicht arbeitswillig im Sinne der §§ 9 und 10 AlVG gewesen.
Ein von den Kriterien des § 9 AlVG unabhängiges Recht des Arbeitslosen zur sanktionslosen Ablehnung einer Beschäftigung wegen ihres (zeitlichen) Ausmaßes ist dem Gesetz ebenso wenig entnehmbar wie eine Differenzierung danach, ob der Arbeitslose in der Vergangenheit Ganztagsbeschäftigungen oder Teilzeitbeschäftigungen ausgeübt hat. Ein Arbeitsloser muss daher zur Annahme einer (die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden und Arbeitslosigkeit daher ausschließenden) Teilzeitbeschäftigung bereit sein, um das Erfordernis der Arbeitswilligkeit zu erfüllen. Er muss umgekehrt auch bereit sein, Vollarbeit anzunehmen (vgl. auch dazu das in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer unrichtig wiedergegebene hg. Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 95/08/0212).
Wie der Verwaltungsgerichtshof im zuletzt genannten Erkenntnis ausgesprochen hat, sind betreuungspflichtige Mütter (wie andere Arbeitslose) nicht daran gehindert, gegenüber den Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice den Vermittlungswunsch nach einer Teilzeitarbeit zu äußern. Kommt es aber zur Vermittlung einer nach § 9 AlVG zumutbaren Ganztagsarbeit am Wohnort oder Aufenthaltsort, so führt die Verweigerung oder Vereitelung der Annahme einer solchen Beschäftigung ohne Rücksicht auf Betreuungspflichten zum befristeten Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe (§ 10 Abs. 1 und § 38 AlVG). Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Um in Ansehung der ihm zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung als arbeitswillig i.S. des § 9 AlVG gelten zu können, hätte der Beschwerdeführer daher vorliegendenfalls (auch) eine Vollarbeit annehmen müssen. Der in den Beschwerdeausführungen geltend gemachte Verfahrensfehler, dass - bedingt durch Verständigungsprobleme - die belangte Behörde möglicherweise jegliche Ermittlungen dazu unterlassen habe, ob der Beschwerdeführer nicht zu einer Teilzeitbeschäftigung bereit gewesen sei, führt daher schon deshalb nicht zum Erfolg.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird der belangten Behörde auch vorgeworfen, sie hätte im gegenständlichen Verfahren einen Dolmetscher beiziehen müssen, da der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Er sei dadurch in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden. Das zu seinen Deutschkenntnissen von der belangten Behörde vorgenommene Ermittlungsverfahren sei ohne Zuziehung des ausgewiesenen Vertreters durchgeführt worden, obwohl dieser immer wieder beantragt hätte, einen vertretungsberechtigten Mitarbeiter seiner Kanzlei als Zeugen zu den Deutschkenntnissen einzuvernehmen. Der Rechtsbeistand sei vom zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahren nicht informiert worden. Auf Grund des Vorgehens der belangten Behörde sei der Betroffene nicht in der Lage gewesen, seine Rechte effektiv zu vertreten. Das Verfahren könne nicht als "kontradiktorisch" bezeichnet werden.
Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer jedoch nicht die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels darzutun. Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage ist ohne nähere Darlegungen in der Beschwerde nicht ersichtlich, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde gekommen wäre, hätte sie einen Dolmetscher beigezogen oder den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zu dieser Frage gehört.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000190062.X00Im RIS seit
18.10.2001