Kopf
Beschluss
Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Richter Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Müller und die Richterin Dr. Ciresa als weitere Senatsmitglieder in der Schuldenregulierungssache des Arno F*****, vertreten durch die IfS-Schuldenberatung gemeinnützige GmbH, Klarenbrunnstraße 12, 6700 Bludenz, über den Rekurs der Gläubigerin B***** vertreten durch WINKLER-HEINZLE Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz vom 21. November 2008, 9 S 2/08x-26, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Schuldenregulierungssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
In dem am 08.02.2008 eröffneten Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung wurde am 06.05.2008 der vom Schuldner angebotene Zahlungsplan nicht angenommen. Daraufhin wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und die ASB Schuldnerberatungen GmbH zur Treuhänderin bestellt. In weiterer Folge wurde das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.
In zwei Schreiben vom 22.09.2008 (ON 19) und 15.10.2008 (ON 20) teilte das Finanzamt F***** mit, dass die Gutschriften aus Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2003 bis 2005 in Höhe von gesamt EUR 1.169,15 an die Treuhänderin überwiesen worden seien. Am 11.11.2008 beantragte der Schuldner die Auszahlung des ihm zustehenden unpfändbaren Betrages aus dieser Überweisung an die Treuhänderin unter Berücksichtigung zweier Unterhaltspflichten (ON 25).
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht dem Antrag des Schuldners statt und wies die Treuhänderin an, EUR 1.169,15 an den Schuldner zu überweisen. Dabei vertrat es die Auffassung, in die Abschöpfungsmasse würden nicht alle Vermögenserwerbe, sondern nur die in den §§ 199, 210 Abs 1 Z 2 KO angeführten Tatbestände fallen. Bei Deckungsgleichheit zwischen Abschöpfungs- und Konkursmasse hätte die Bestimmung des § 208 Satz 1 KO keinen Anwendungsbereich. Die aus Arbeitnehmerveranlagungen stammenden Beträge würden demgemäß nicht in die Abschöpfungsmasse fallen, zumal sie noch aus der Zeit vor der Konkurseröffnung stammen würden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der zulässige Rekurs der Gläubigerin B***** mit dem Antrag, die Nachtragsverteilung des Betrages von EUR 1.169,15 an die Konkursgläubiger anzuordnen. Der Schuldner hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Sinne der vom Abänderungsantrag umfassten Aufhebung berechtigt.
Zutreffend wird von der Rekurswerberin nicht in Frage gestellt, dass die Gutschriften aus Arbeitnehmerveranlagungen des Schuldners für die Jahre 2003 bis 2005 nicht von den Bestimmungen der §§ 199 Abs 2, 210 Abs 1 Z 2 KO erfasst sind. Für die insolvenzrechtliche Qualifikation von Abgabenforderungen bzw -gutschriften ist nicht das Entstehen der Steuerschuld bzw -gutschrift auf der Grundlage eines abgabenrechtlichen relevanten Sachverhalts, sondern die Verwirklichung dieses Sachverhalts selbst maßgeblich. Auf die Fälligkeit kommt es nicht an. Entscheidend ist der Zeitpunkt des Rechtsgrundes, durch den das - nachträglich hervorgekommene - Steuerguthaben ausgelöst wurde (RIS-Justiz RS0064620; 8 Ob 240/02f; Fischerlehner, Abgabenverrechnung im Abschöpfungsverfahren, SWK 2002, 840; Oberhammer in Angst2 § 290c EO Rz 10).
Daraus folgt für den gegenständlichen Fall, dass die die Jahre 2003 bis 2005 betreffenden Steuergutschriften jedenfalls nicht in die Abschöpfungsmasse fallen und nicht der Treuhänderin zur Verteilung an die Konkursgläubiger zu überlassen sind.
Stellt sich aber während des Abschöpfungsverfahrens heraus, dass entgegen § 193 Abs 2 KO vor der Abstimmung über den Zahlungsplan nicht das gesamte damals vorhandene (pfändbare) Vermögen des Schuldners verwertet wurde, so hat eine Nachtragsverteilung iSd § 138 KO (nicht durch den Treuhänder, sondern) durch das Konkursgericht stattzufinden (Kodek, Privatkonkurs Rz 608; ZIK 2001/49 = EvBl 2001/72).
Nach § 1 KO erfasst der Konkurs das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung gehört oder das er während des Konkurses erlangt. Aus dem Verweis auf die Exekutionsunterworfenheit ergibt sich, dass die Exekutionsbeschränkungen grundsätzlich auch im Konkurs gelten (Kodek aaO Rz 246 ff). In die Konkursmasse fallen daher auch alle Forderungen, soweit diese nach der EO pfändbar sind. Nur das pfändbare Einkommen, das der Schuldner während des Konkursverfahrens bezieht, fällt in die Konkursmasse. Wegen der grundsätzlichen Parallele von Pfändbarkeit und Konkursunterworfenheit hat das Existenzminimum des § 292a EO auch im Konkursverfahren Gültigkeit. Über den unpfändbaren Teil des Einkommens kann der Schuldner auch während des Konkurses frei verfügen (RIS-Justiz RS0063790). Die Bestimmung des § 1 Abs 1 KO, wonach das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen des Schuldners auch konkursunterworfen ist, enthält einen Generalverweis auf alle Bestimmungen der EO über die Ermittlung der Pfändbarkeit, etwa auch über die Zusammenrechnung (Kodek aaO Rz 255).
Zu prüfen ist also, ob es sich bei einer Gutschrift aus einer Arbeitnehmerveranlagung um eine beschränkt pfändbare Forderung iSd § 290a EO handelt und ob diese als Nachzahlung gemäß § 290c Abs 3 EO zu behandeln ist. Betrifft eine Gutschrift in einem Einkommenssteuerbescheid erstattungsfähige Beträge iSd § 63 Abs 8 EStG 1988 (Alleinverdienerabsetzbetrag, 10 % der Sozialversicherungsbeiträge) dann teilen diese das Schicksal jener beschränkt pfändbaren Forderungen nach § 290a Abs 1 Z 1, Z 5 und Z 7 EO, die die Bemessungsgrundlage bilden. Resultiert daraus für das jeweilige Jahr ein Gesamteinkommen, das unter dem Existenzminimum nach § 291a EO liegt, dann ist die jeweilige Steuergutschrift pfändungsfrei und dem Schuldner zu belassen.
Gemäß § 290c Abs 3 EO sind Nachzahlungen für den Zeitraum zu berücksichtigen, auf den sie sich beziehen. Wie bereits oben dargelegt worden ist, gilt dies auch dann, wenn sich im Zuge der jährlichen Arbeitnehmerveranlagung ein Rückforderungsanspruch gegen den Fiskus ergibt. Der Umstand, dass es sich dabei um einen Globalbetrag handelt, der das gesamte Kalenderjahr betrifft, ändert nichts daran, dass es sich um Nachzahungen handelt, die sich auf bestimmte Perioden beziehen, nämlich auf einen Zeitraum, in dem kein Alleinverdienerabsetzbetrag abgezogen und eine überhöhte Lohnsteuer abgeführt wurde. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, wenn durch eine unbeschränkte Pfändbarkeit solcher Rückerstattungsansprüche der unpfändbare Freibetrag insgesamt reduziert würde (Oberhammer aaO). Auch Zechner (Forderungsexekution, Rz 8 zu § 290c EO) vertritt die Ansicht, dass dann, wenn sich nach Durchführung des "Jahresausgleichs" die Lohnsteuerschuld für ein Kalenderjahr geringer als vorerst berechnet herausstellt, sich dadurch das Nettoarbeitseinkommen nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im rechtlichen Sinne erhöht, mag auch insofern ein Erstattungsanspruch gegen den Fiskus bestehen. Ein solcher Erstattungsanspruch bezieht sich nämlich auf die nach Durchführung des "Jahresausgleichs" zu refundierende Steuer vom Arbeitsentgelt. Nachzahlungen im Sinne des Gesetzes scheiden also nicht schon deshalb aus, weil sie erst auf dem Umweg eines Erstattungsanspruchs gegen den Fiskus anfallen. Ebenso sieht Resch (in Burgstaller/Deixler-Hübner, Rz 15 zu § 290c EO) die Rückzahlung von Lohnsteuer auf Grund der nachträglichen steuerlichen Veranlagung als eine Nachzahlung iSd § 290c Abs 3 EO an.
Daraus folgt, dass die hier gegenständlichen Gutschriften aus den Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2003 bis 2005 als Einkommen des Schuldners in den betreffenden Jahren zu behandeln sind und je nachdem, welche Einkommenshöhe erreicht wurde, pfändungsfrei sind (LG ZRS Wien 46 R 276/08s, VdRÖ-INS-020-2008; LG ZRS Wien 47 R 634/06t, VdRÖ-INS-035-2006). Somit fällt ein Guthaben aus der Arbeitnehmerveranlagung nicht in die Konkursmasse, wenn dieses Guthaben unter dem Existenzminimum (laut Existenzminimumtabellen) liegt.
Den gegenteiligen Aufasssungen, wonach eine Steuergutschrift nicht den vergangenen Perioden zuzuordnen ist (LG ZRS Wien 46 R 287/07g, VdRÖ-INS-012-2007) und bei einer Steuernachzahlung handle es sich nicht um Einkommen des Schuldners aus einer Erwerbstätigkeit während des aufrechten Konkursverfahrens, für das der Pfändungsschutz nicht gilt (LG Salzburg 53 R 218/07a = VdRÖ-INS-019-2007), schließt sich das erkennende Rechtsmittelgericht aus den oben angeführten Überlegungen nicht an.
Entscheidend im vorliegenden Fall ist daher, ob sich das Gesamteinkommen des Schuldners in den Jahren 2003 bis 2005 jeweils unter dem Existenzminimum nach § 291a EO bewegte. Sollte dies zutreffen, wäre auszusprechen, dass die Steuerguthaben nicht in die Konkursmasse fallen und somit an den Schuldner auszuzahlen sind. Andernfalls wäre eine Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welcher Höhe die Steuergutschriften als über dem pfändungsfreien Betrag liegend in die Konkursmasse fallen würden und einer Nachtragsverteilung zu unterziehen wären. Um dies beurteilen zu können, sind Feststellungen zum Gesamteinkommen des Schuldners in den Jahren 2003 bis 2005 erforderlich. Dabei wird es zweckmäßig sein, den Schuldner aufzufordern, die jeweiligen Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2005 vorzulegen.
Auf Grund dieser Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens und der bekämpften Entscheidung ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Schuldenregulierungssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Landesgericht Feldkirch
Anmerkung
EFE000018102r00099European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00929:2009:00200R00009.09B.0115.000Zuletzt aktualisiert am
20.02.2009