TE OGH 2009/1/15 6Ob279/08k

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Veröffentlicht am 15.01.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Albert M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei G***** OHG, *****, vertreten durch Dr. Günther Romauch und Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in Wien, wegen 7.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Juni 2008, GZ 36 R 22/08i-23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 24. September 2007, GZ 17 C 909/07g-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger brachte am 30. 1. 2007 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien einen per Telefax als „Klage und Antrag" bezeichneten Schriftsatz ein, in dem er ausführte, er sei am 30. 1. 2004 auf einem vom Schnee nicht geräumten Gehsteig ausgerutscht und habe sich eine Schulterverletzung zugezogen. Obwohl die Hausverwaltung den Vorfall der Versicherung mitgeteilt habe, habe er seitdem weder von der Hausverwaltung noch von der Versicherung eine Erledigung erfahren. Er stelle daher den Antrag auf Beigabe eines Verfahrenshelfers, um die Klage unterfertigen zu lassen. Als beklagte Parteien bezeichnete er die Hausverwaltung R***** sowie die D***** Versicherung.

Aufgrund dieses Schreibens übermittelte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien dem Kläger ein Mahnklagsformular mit der Aufforderung, dieses korrekt ausgefüllt wieder an das Gericht zu retournieren, wobei auch auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Mahnklage bei Gericht zu Protokoll zu geben. Vom Gericht wurde auch auf die dreijährige Verjährungsfrist hingewiesen.

Diese Note samt Mahnklagsformular wurde dem Kläger am 8. 2. 2007 durch Hinterlegung zugestellt, der darauf am 22. 2. 2007 eine Mahnklage wegen 7.000 EUR sA beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien einbrachte, wobei er seinen Anspruch auf sonstigen Schadenersatz, Schmerzengeld und Verdienstentgang stützte.

In der Folge wurde die Mahnklage zweimal zur weiteren Verbesserung zurückgestellt. Mit Beschluss vom 30. 4. 2007 wurde dem Kläger die Verfahrenshilfe bewilligt und mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 15. 5. 2007 Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Leitner zum Verfahrenshelfer bestellt. Diesem wurde die vom Kläger persönlich eingebrachte Mahnklage zur Unterfertigung am 23. 5. 2007 zugestellt. Die von ihm unterfertigte Mahnklage langte am 31. 5. 2007 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien ein.

Nach Rückziehung der Klage gegen die D***** Versicherung AG wurde die Klage vom Bezirksgericht Innere Stadt hinsichtlich der nunmehr allein beklagten Partei zurückgewiesen.

Aufgrund des rechtzeitig gestellten Überweisungsantrags wurde die Zurückweisung aufgehoben und die Rechtssache an das Bezirksgericht Döbling überwiesen.

Die beklagte Partei erhob den Einwand der Verjährung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Der Unfall habe sich vor der Garage jenes Objekts ereignet, in welchem der Kläger seit Jahren eine zahnärztliche Ordination betreibe. Die Wohnung, in der die Ordination betrieben werde, stehe im Eigentum der Tochter des Beklagten.

Daher sei davon auszugehen, dass dem Kläger bereits am Tag des angeblichen Unfalls nicht nur der Schaden, sondern auch der Schädiger (Wohnungseigentümergemeinschaft, Hausverwaltung) bekannt war bzw zumindest hätte bekannt sein müssen.

Das Telefax sei am 30. 1. 2007 um 17:51 Uhr abgeschickt worden und „daher" erst am 31. 1. 2007 bei Gericht eingelangt, also nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist. Auf den Inhalt von „Klage und Antrag" sei daher nicht näher einzugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Kläger habe selbst vorgebracht, dass er Kenntnis vom Schädiger bereits eine Woche nach dem Sturz erlangt und gegenüber der beklagten Partei bereits am 6. 2. 2004 seine Ansprüche geltend gemacht habe. Da dies seitens der beklagten Partei nicht bestritten worden sei, widerspreche das Vorbringen in der Berufung, der Kläger habe erst durch Zusendung des Protokolls vom 15. 3. 2004 Kenntnis vom Schädiger erlangt, gegen das Neuerungsverbot. Als Beginn der Verjährungsfrist sei spätestens der 6. 2. 2004 anzunehmen.

Allerdings unterbreche entgegen der Rechtsansicht des Klägers ein Verfahrenshilfeantrag die Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechts bloß vorbereiteten, unterbrechen die Verjährung nicht. Lediglich dann, wenn der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe bereits als verfahrenseinleitender Schriftsatz zu beurteilen sei, werde dadurch bereits der Lauf der Frist unterbrochen. Selbst wenn man aber die Eingabe an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien bereits als verbesserungsfähige Klage ansehen würde, so unterbreche jede Klage die laufende Verjährung nur soweit, als der Anspruch der Höhe nach geltend gemacht werde. Die Klage unterbreche die Verjährung daher nur hinsichtlich der Höhe des konkret geltend gemachten Anspruchs, nicht schlechthin dem Grunde nach.

Mit Beschluss vom 16. 10. 2008 ließ das Berufungsgericht nachträglich die Revision zu, weil fraglich erscheinen könnte, ob die Wertungen der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 45/05g und 1 Ob 1724/95 nicht im Widerspruch zu anderen oberstgerichtlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Verbesserungsfähigkeit unschlüssiger Klagen stünden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Vorweg ist darauf zu verweisen, dass entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts die Rechtzeitigkeit von mittels Telefax eingebrachten Eingaben sich nach dem Einlangen des Faxes am Empfangsgerät des Gerichts auch dann richtet, wenn dies außerhalb der Amtsstunden erfolgt (RIS-Justiz RS0006955; Danzl, Geo § 60 Anm 1 mwN; Mayr in Fasching/Konecny2 Vor § 230 Rz 9; Konecny in Fasching/Konecny2 § 74 Rz 37).

2.1. Gemäß § 1489 ABGB verjährt jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schaden und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde. Die Verjährungsfrist wird durch die Einbringung einer Klage gemäß § 1497 ABGB unterbrochen.

2.2. Keine Unterbrechungswirkung kommt hingegen Schritten zu, welche die Geltendmachung des Rechts bloß vorbereiten (SZ 52/78), wie etwa Mahnungen (8 Ob 55/67), der Anmeldung einer Forderung im Abhandlungsverfahren (JBl 1991, 190) oder der Antragstellung im Provisorialverfahren (vgl Swoboda, RdW 1991, 199). Auch ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für eine beabsichtigte Klagsführung hat nach überwiegender Auffassung keinen Einfluss auf die Verjährungsfrist, sofern der Antrag nicht ausnahmsweise bereits als (verbesserungsbedürftige und -fähige) Klage angesehen werden kann (SZ 52/186; Arb 9907; SZ 60/286 = JBl 1988, 527; AnwBl 1992, 237 [Mayr]; ecolex 1995, 892; Fucik in Rechberger, ZPO3 § 73 Rz 2; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1497 Rz 9a). Dann liege in der Einbringung einer formgerechten Klage durch den später bestellten Verfahrenshelfer eine Verbesserung, die auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Eingabe zurückwirke (SZ 60/286 = JBl 1988, 527).

2.3. In der Entscheidung 2 Ob 533/90 AnwBl 1992/4092 (Mayr) hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass nicht jeder Verfahrenshilfeantrag bereits in diesem Sinne als verbesserungsfähige und -bedürftige Klage angesehen werden kann. Habe der Einschreiter lediglich die Bewilligung der Verfahrenshilfe mit der Begründung begehrt, er beabsichtige in einer bestimmten Rechtssache die Klage einzubringen, und ausdrücklich nur die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, dann sei einem derartigen Antrag keinesfalls ein auf Einleitung eines Zivilprozesses und Sachentscheidung über einen Urteilsantrag gerichtetes Rechtsschutzziel zu entnehmen. Dieser Rechtsansicht hat Mayr (AnwBl 1992, 238) in seiner Entscheidungsanmerkung ausdrücklich zugestimmt.

3.1. Anders als in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hat der Kläger im vorliegenden Fall seine Eingabe ausdrücklich als „Klage und Antrag" bezeichnet. Er beantragte nicht nur die Verfahrenshilfe als solche, sondern er führte aus, er beantrage die Beigebung eines Verfahrenshelfers, um seine „Klage" (womit er sich offenbar auf die genannte Eingabe bezog) unterfertigen zu lassen.

3.2. Das Berufungsgericht hat der Eingabe des Klägers jedoch auch deshalb keine verjährungsunterbrechende Wirkung zugebilligt, weil darin der Anspruch der Höhe nach nicht konkretisiert war. Dem Berufungsgericht ist zuzubilligen, dass nach mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs die Verjährung nur soweit unterbrochen wird, als der Anspruch der Höhe nach geltend gemacht wurde, nicht jedoch schlechthin dem Grunde nach (vgl 2 Ob 271/00t zum Privatbeteiligtenanschluss). Nach ständiger Rechtsprechung sind nur solche Verfahrenshilfeanträge als Klagen zu behandeln, die den Sachverhalt und das Begehren der beabsichtigten Klage deutlich erkennen lassen (RIS-Justiz RS0034695). Andererseits reicht für die Unterbrechung der Verjährung ein ergänzungsbedürftiges Vorbringen aus, wenn die Unvollständigkeit in der Folge behoben wird (4 Ob 187/04k).

3.3. Die Verbesserung nach §§ 84, 85 ZPO soll sicherstellen, dass ein Form- oder Inhaltsmangel die sachliche Behandlung einer Eingabe nicht hindert (Konecny, JBl 1984, 15) und darüber hinaus auch nicht zur sofortigen Erfolglosigkeit (Ab- oder Zurückweisung) des entsprechenden Antrags führt (G. Kodek in Fasching/Konecny2 §§ 84, 85 ZPO Rz 1). Dadurch wird namentlich für die rechtsunkundige Partei eine mögliche „Verständigungsbarriere" und damit eine Behinderung des „Zugangs zum Recht" reduziert (Fasching, Lehrbuch2 Rz 510; G. Kodek aaO).

3.4. Jedenfalls dann, wenn der Kläger - wie im vorliegenden Fall - seine Eingabe ausdrücklich als „Klage" bezeichnet und auch aus dem Gesamtzusammenhang seines Vorbringens zu erkennen ist, dass er damit nicht bloß einen die spätere Inanspruchnahme des Beklagten vorbereitenden Schritt setzen will, sondern den Beklagten bereits unmittelbar in Anspruch nehmen möchte, besteht kein Grund, die Eingabe des Klägers anders als andere Klagen zu behandeln. Für diese ist aber anerkannt, dass auch zunächst bestehende Mängel die Unterbrechung der Verjährung nicht hindern, sofern diese fristgerecht beseitigt werden (vgl G. Kodek in Fasching/Konecny² §§ 84, 85 ZPO Rz 220 mwN). In sinngemäßer Anwendung des § 85 Abs 2 ZPO ist eine Verbesserung nach einhelliger Auffassung auch noch nach Ablauf der Verjährungsfrist möglich, wenn die ursprüngliche verbesserungsfähige Eingabe noch innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingelangt war (SZ 60/286; G. Kodek aaO mwN).

3.5. Wenngleich der Ort des Sturzes des Klägers in der Klage nicht angeführt ist, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers in seiner Eingabe doch immerhin, dass er am 30. 1. 2004 auf einem vom Schnee nicht geräumten Gehsteig ausgerutscht sei und sich eine Schulterverletzung zugezogen habe. Im Übrigen war der beklagten Partei der Unfallort bereits aufgrund des Telefaxes des Klägers vom 6. 2. 2004, wonach er vor der Garage auf einer nicht geräumten bzw gestreuten Rampe ausgerutscht sei, bekannt. Aus der Korrespondenz ergibt sich auch, dass die beklagte Partei den Sturz problemlos der betreffenden Liegenschaft und dem zuständigen Hausbesorger zuordnen konnte.

4. Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger keine Frist für die Verbesserung gesetzt. Zwar ist es nach neuerer Rechtsprechung generell zur Vermeidung von Streitfragen über die gehörige Fortsetzung im Sinne des § 1497 ABGB auch bei nicht fristgebundenen verfahrenseinleitenden Anträgen zweckmäßig, eine Frist zur Verbesserung zu setzen (G. Kodek in Fasching/Konecny2 §§ 84, 85 ZPO Rz 153 und 255; Gitschthaler in Rechberger, ZPO3 § 85 Rz 19; SZ 72/75). Unterbleibt eine Fristsetzung, dann ist die Verbesserung jedenfalls rechtzeitig, wenn diese „alsbald und ohne unnötigen Aufschub" erfolgt (2 Ob 488/59; SZ 41/18; 8 ObA 2353/96d). Eine Wiedervorlage innerhalb von 14 Tagen wurde in diesem Sinne als rechtzeitig angesehen (ArbSlg 8027; G. Kodek aaO §§ 84, 85 ZPO Rz 257).

5. Die weiteren - ebenfalls Gegenstand mehrerer Verbesserungsaufträge des Erstgerichts bildenden - Mängel wie die Nichtverwendung des Formulars für Mahnklagen, Nichtangabe des Datums des Vorfalls und der Währung sowie Beginn des Zinsenlaufes stehen der Unterbrechungswirkung nicht entgegen.

6. Auch wenn man daher davon ausgeht, dass dem Kläger bereits am Unfalltag Schaden und Schädiger im Sinne des § 1489 ABGB bekannt waren, ist nach dem Gesagten das Klagebegehren noch nicht verjährt. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher den erhobenen Anspruch inhaltlich zu prüfen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E89987

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00279.08K.0115.000

Im RIS seit

14.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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