TE OGH 2009/1/20 4Ob71/08g

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Raphael T*****, geboren am *****, vertreten durch die Kollisionskuratorin Elfriede S*****, wegen Unterhalt, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Wolfgang T*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Mag. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 11. Juli 2007, GZ 2 R 120/07g-U22, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 16. Mai 2007, GZ 2 P 26/99f-U17, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Mutter des antragstellenden Kindes hatte in einem Scheidungsvergleich mit dem Vater vereinbart, dass sie für zehn Jahre (dh bis November 2008) in dessen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind eintrete und neben Pflege und Erziehung auch sämtlichen finanziellen Unterhaltsaufwand tragen werde. Dieser Teil des Scheidungsvergleichs wurde nicht pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Im vorliegenden Verfahren begehrt das Kind, ursprünglich vertreten durch die Mutter, vom Vater monatlichen Unterhalt von 650 EUR von Dezember 2003 bis Dezember 2006 und von 720 EUR ab Jänner 2007. Der Vater wendet ein, dass er aufgrund des Scheidungsvergleichs nicht zur Zahlung verpflichtet sei. Die Verhältnisse hätten sich seit dessen Abschluss nicht geändert; der Kindesunterhalt sei insgesamt nicht gefährdet. Die Mutter sei wegen einer Interessenkollision nicht zur Vertretung des Kindes befugt.

Das Erstgericht setzte den monatlichen Unterhalt wie folgt fest: 490 EUR von Dezember 2003 bis Dezember 2004; 410 EUR für 2005; 480 EUR für 2006; 530 EUR ab Jänner 2007. Der Vater habe nach § 140 ABGB zum Unterhalt des Kindes beizutragen; die Mutter leiste ihren Beitrag durch Pflege und Erziehung. Die Höhe des Unterhalts ergebe sich nach der Prozentsatzmethode aus der Leistungsfähigkeit des Vaters. Ob er ihn aufgrund des Vergleichs von der Mutter zurückverlangen könne, sei nicht Gegenstand des Pflegschaftsverfahrens.

Das nur vom Vater angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ein Kollisionskurator sei nicht zu bestellen gewesen, da kein Widerstreit zwischen den Interessen des Kindes und dessen Mutter vorliege. Der strittige Teil des Scheidungsvergleichs sei nicht pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden; vielmehr habe sich die Genehmigung nur auf die Obsorgeregelung bezogen. Es liege daher ein bloßer „Entlastungsvertrag" vor, der nur im Innenverhältnis der Eltern wirke und die Ansprüche des Kindes nicht berühre. Gegen diesen Beschluss richtete sich zunächst ein außerordentlicher Revisionsrekurs des Vaters, der sich ausschließlich auf den Umstand stützte, dass sich die Mutter im Scheidungsvergleich verpflichtet habe, den gesamten Unterhaltsaufwand allein zu tragen. Darin liege eine auch das Kind bindende Vereinbarung, der die pflegschaftsgerichtliche Vereinbarung „nicht versagt" worden sei. Eine nachträgliche Gefährdung des Kindeswohls habe die Mutter nicht behauptet.

Der Oberste Gerichtshof stellte die ihm unmittelbar vorgelegten Akten an das Erstgericht zurück, da der Entscheidungsgegenstand 20.000 EUR nicht überstiegen habe und daher § 63 AußStrG anzuwenden sei (4 Ob 192/07z). Der Vater ergänzte daraufhin den Revisionsrekurs mit einer Zulassungsvorstellung, in der er sich wiederum auf die Vereinbarung mit der Mutter stützte.

Das Rekursgericht verneinte zwar die Stichhaltigkeit dieser Ausführungen, gab jedoch der Zulassungsvorstellung mit der Begründung Folge, dass das Kind im Verfahren möglicherweise nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei (§ 58 Abs 1 Z 2 AußStrG). Nach der Entscheidung 1 Ob 571/95 (= SZ 68/146) liege ein Kollisionsfall vor, wenn ein Elternteil, der vereinbarungsgemäß die Unterhaltspflicht des anderen Elternteils übernommen habe, namens des Kindes Unterhaltsansprüche geltend mache. Folge man dieser Entscheidung, könne das zur Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses führen.

Mit Beschluss vom 10. Juni 2008, 4 Ob 71/08g (= EF-Z 2008/105) stellte der Oberste Gerichtshof die Akten neuerlich an das Erstgericht zurück. Wegen des möglichen Interessenwiderstreits zwischen der Mutter und dem Kind sei ein Kollisionskurator zu bestellen. Dieser sei zu befragen, ob er die Verfahrensführung durch die Mutter genehmige.

Das Erstgericht bestellte daraufhin eine Kollisionskuratorin, die die Führung des Verfahrens durch die Mutter genehmigte.

Rechtliche Beurteilung

Auf dieser Grundlage erweist sich der Revisionsrekurs des Vaters als unzulässig.

1. Die Kollisionskuratorin hat die Führung des Verfahrens durch die Mutter genehmigt. Der Mangel der gehörigen Vertretung (§ 58 Abs 1 Z 2 AußStrG), mit dem das Rekursgericht die nachträgliche Zulassung des Revisionsrekurses begründet hatte, ist damit saniert.

2. Sonst zeigt der Revisionsrekurs keine erheblichen Rechtsfragen iSv § 62 Abs 1 AußStrG auf.

2.1. Eine Vereinbarung zwischen den Eltern kann sich nur dann auf den

gesetzlichen Unterhaltsanspruch eines Kindes auswirken, wenn sie

pflegschaftsgerichtlich genehmigt wurde (RIS-Justiz RS0047552,

RS0047513). Eine solche Genehmigung liegt hier nicht vor. Damit ist

der Argumentation des Revisionsrekurses, der sich auf

höchstgerichtliche Entscheidungen zu pflegschaftsgerichtlich

genehmigten Vereinbarungen zwischen den Eltern stützt, der Boden

entzogen. Denn nur bei Vorliegen einer solchen Genehmigung wäre in

einem weiteren Schritt zu prüfen, ob eine Gefährdung des Kindeswohls

ein Abgehen von der Vereinbarung rechtfertigen könnte (1 Ob 571/95 =

SZ 68/146; 4 Ob 344/98m = ÖA 1999, U 280; RIS-Justiz RS0079867,

RS0079866).

Die im Revisionsrekurs weiters genannte Entscheidung 6 Ob 37/03i (= NZ 2005/62), die die Nichtigkeit einer Vereinbarung zwischen den Eltern prüfte, betraf einen Regressanspruch zwischen den Eltern, nicht den hier strittigen Unterhaltsanspruch des Kindes. Da das Kind im vorliegenden Fall schon wegen des Fehlens der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung nicht an die Vereinbarung gebunden ist, kommt es hier auf deren allfällige Nichtigkeit nicht an.

2.2. Einen Mangel des Rekursverfahrens erblickt der Vater darin, dass ihn das Rekursgericht nicht mit der zuvor nicht erörterten Rechtsansicht konfrontiert habe, der Vereinbarung zwischen den Eltern fehle im entscheidenden Punkt die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung. Wäre ein solcher Hinweis erfolgt, hätte er die Beischaffung des Genehmigungsbeschlusses beantragt. Damit zeigt der Vater allerdings nicht auf, dass das Unterbleiben der Erörterung abstrakt geeignet gewesen wäre, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (RIS-Justiz RS0043027; zur Darlegungspflicht des Rechtsmittelwerbers 3 Ob 15/02f = Jus Extra OGH-Z 3380, zuletzt etwa 5 Ob 143/08b). Denn der Genehmigungsbeschluss war Bestandteil des Pflegschaftsakts und lag dem Rekursgericht daher ohnehin vor; seine „Beischaffung" war daher nicht erforderlich. Andere Gründe für die Relevanz des Verfahrensmangels zeigt der Vater nicht auf.

3. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher nicht (mehr) vor. Der Revisionsrekurs ist aus diesem Grund zurückzuweisen.

Anmerkung

E898474Ob71.08g-2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00071.08G.0120.000

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten