Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Leonid V***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nenad T***** und Osvaldo Marcelo B***** L***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 31. Jänner 2008, GZ 8 Hv 83/06d-741, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten Nenad T***** und Osvaldo Marcelo B***** L***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Erstangeklagten Leonid V***** enthaltenden Urteil wurden der Zweitangeklagte Nenad T***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (I./2./), des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter, fünfter, sechster Fall und Abs 4 Z 3 SMG als Bestimmungstäter gemäß § 12 zweite Alternative StGB (zu ergänzen: teilweise iVm § 15 StGB) (II./1./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter, fünfter, sechster Fall SMG als Bestimmungstäter gemäß § 12 zweite Alternative StGB (II./2./) sowie der Drittangeklagte Osvaldo Marcelo B***** L***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und 15 StGB (I./1./a./aa./ und bb./) und des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) des Suchtgifthandels nach § 15 StGB, § 28a Abs 1 fünfter, sechster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (I./3./) schuldig erkannt.
Danach haben vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar in Bezug auf Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge I./1./ teils ein- und ausgeführt, teils ein- und auszuführen versucht, und zwar
a./ Leonid V***** und Osvaldo Marcelo B***** L***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken auch mit anderen Personen, indem sie aa./ am 3. November 2004 insgesamt cirka 270,4 Kilogramm Kokain (cirka 232,5 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz) in einem Container versteckt auf dem Seeweg von Callao, Peru, aus versandten, wobei der über die Bahamas, die Vereinigten Staaten von Amerika, Belgien und Deutschland führende Transport des Suchtgifts nach Österreich lediglich aufgrund der Sicherstellung der Drogen durch Beamte der US-Behörden im Hafen von Charleston (USA) unterblieb, bb./ am 23. November 2004 insgesamt cirka 140 Kilogramm Kokain (105 +/- 6,4 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz) in einem Container versteckt auf dem Seeweg von Callao, Peru, aus über die Dominikanische Republik, die Bahamas, die Vereinigten Staaten von Amerika und Belgien nach Bremerhaven, Deutschland, sandten, wobei der weitere Transport nach Österreich per LKW von verdeckten Ermittlern des Bundesministeriums für Inneres durchgeführt wurde, 2./ einem anderen überlassen, und zwar Nenad T***** am 9. August 2004 in Unterpremstätten cirka drei Kilogramm Kokain (mit 2.400 +/- 35 Gramm Kokain in Reinsubstanz), indem er dieses Suchtgift, das zuvor Zvonimir N***** von Kroatien aus über Slowenien nach Österreich einführte, an einen verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres übergab,
3./ anderen zu überlassen und zu verschaffen versucht, und zwar Leonid V***** und Osvaldo Marcelo B***** L***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Personen, indem sie aa./ am 3. November 2004 durch die zu I./1./a./aa./ geschilderte Tathandlung cirka 270 Kilogramm Kokain (cirka 232,5 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz) und
bb./ am 23. November 2004 durch die zu I./1./a./bb./ geschilderte Tathandlung cirka 140 Kilogramm Kokain (105 +/- 6,4 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz)
an Nenad T*****, Zlatko A*****, Zoaran Ch***** und weitere, bislang unbekannte Personen lieferten, wobei die Tatvollendung lediglich auf Grund der Sicherstellung der Drogen durch Beamte der US-amerikanischen bzw österreichischen Behörden unterblieb, II./ Nenad T***** die nachgenannten Personen zu den nachangeführten strafbaren Handlungen bestimmt, und zwar
1./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten des Jahres 2003 oder 2004 Leonid V***** und Osvaldo Marcelo B***** L***** zu den oben geschilderten Tathandlungen, und zwar zur Lieferung, sohin zur Aus- und Einfuhr und Überlassung und Verschaffung von cirka 270,4 Kilogramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 232,5 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz sowie cirka 140 Kilogramm (105 +/- 6,4 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz), indem er bei den Genannten diese angeführten Mengen Suchtgift in Form von Kokain bestellte und deren Lieferung von Südamerika nach Österreich (zwecks allfälliger Weiterverbringung in den südosteuropäischen Raum oder die EU) in Auftrag gab, 2./ am 8. August 2004 in Karlovac, Kroatien, den Zvonimir N***** zu der oben angeführten Tathandlung, und zwar zur Lieferung, sohin zur Aus- und Einfuhr und Überlassung und Verschaffung von cirka drei Kilogramm Kokain mit 2.400 Gramm +/- 35 Gramm Kokain in Reinsubstanz, indem er diesen aufforderte, die angeführte Menge Kokain von Karlovac über Slowenien nach Österreich zu schmuggeln (und ihm hierorts zwecks Weitergabe an den vermeintlichen Suchtgiftkäufer zu übergeben).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Nenad T***** und Osvaldo Marcelo B***** L*****; sie schlagen fehl.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T*****:
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) haben die Tatrichter die Verantwortungen des Beschwerdeführers und des Angeklagten V***** nicht unberücksichtigt gelassen, sondern hinreichend erörtert und als unglaubwürdig verworfen (insb US 77 f, 79, 87, 94, 99). Zu einer Auseinandersetzung mit allen Details dieser Aussagen waren sie iSd § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht verpflichtet (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428). Mit der Aussage des Zeugen F***** hat sich das Schöffengericht ausführlich auseinandergesetzt (US 106 ff). Welche Relevanz der - nicht erörterten - Antwort dieses Zeugen auf die Frage, ob er mit dem Beschwerdeführer auch Gespräche über die zweite Kokainlieferung (II./1. iVm I./1./a./bb./) geführt habe (S 500/XIV), zukommen sollte, legt die Beschwerde nicht dar. Im Übrigen hatte nach den Urteilsannahmen nicht der Zeuge F***** die engsten Kontakte zum Nichtigkeitswerber, sondern der Zeuge „Wolf", durch dessen Aussage das Schöffengericht die Verantwortung des Angeklagten als widerlegt angesehen hat (US 94).
Soweit die Mängelrüge (der Sache nach jedoch Z 9 lit a) Feststellungen über Bestimmungshandlungen des Beschwerdeführers zu II./1. iVm I./1./a./aa./ und bb./ vermisst, vernachlässigt sie die Konstatierungen US 37, 59, 75, wonach der Beschwerdeführer die Aufträge zur Durchführung der Kokainlieferungen „über V***** direkt bzw über diesen auch an L*****" erteilte, sowie diese Lieferungen bei der „südamerikanischen Tätergruppierung", der auch die beiden Angeklagten L***** und V***** angehörten (US 58), „in Auftrag gegeben und bestellt", bzw ua „in die Wege geleitet und bewerkstelligt" hat, wodurch in Zusammenhang mit den ausführlich im Urteil beschriebenen mit diesen Suchtgifttransporten in Zusammenhang stehenden Aktivitäten des Beschwerdeführers seit 2003 (US 15 ff) seine Bestimmungshandlungen noch hinreichend konkretisiert sind. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet zu II./1. iVm I./1./a./aa./ in Bezug auf Belgien, Deutschland und Österreich ohne inhaltliche Argumentation und ohne Ableitung aus dem Gesetz einen absolut untauglichen Versuch iSd § 15 Abs 3 StGB, weil „die Bestrafung des Bestimmungstäters bedingt, dass die unmittelbaren Täter die Tat vollendet haben". Dabei legt der Beschwerdeführer nicht dar, warum die - hinsichtlich der kritisierten Ein- und Ausfuhr in Bezug auf die genannten Länder erfolglose - Bestimmung zur Tat (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 78) unter keinen Umständen möglich gewesen sei.
Im Übrigen kommt es für die Beurteilung eines Bestimmungsversuchs als absolut untauglich nicht darauf an, ob (nicht die Bestimmung zur Ausführung der Tat, sondern) die Ausführung der Tat selbst unter keinen Umständen möglich gewesen ist (vgl Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 181).
Soweit die Rechtsrüge erneut Feststellungen zu den Bestimmungshandlungen des Beschwerdeführers vermisst, wird sie auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Indem die Rechtsrüge unter Verweis auf die Aussage des Zeugen F***** eigenständig beweiswürdigend behauptet, der Beschwerdeführer käme für die zweite Suchtgiftlieferung (II./1. iVm I./1./a./bb./) als Bestimmungstäter nicht in Frage, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an den Urteilskonstatierungen. Inwieweit der Zeitpunkt der Verhaftung des Beschwerdeführers für die Beurteilung seiner - nach den Feststellungen jedenfalls davor liegenden - Bestimmungshandlungen von Relevanz sei, legt die Beschwerde nicht schlüssig dar.
Soweit die Rechtsrüge ihr Vorbringen ohne weitere Argumentation auch auf II./1./ iVm I./3./ bezieht, wird sie auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B***** L*****:
Vorangestellt sei, dass der Beschwerdeführer - den vorliegenden Urteilsfeststellungen zufolge - die Kokaintransporte nicht selbst durchführte (US 70) und somit die in Rede stehenden Suchtgiftmengen nicht selbst ein- und ausführte oder dies versuchte und auch nicht selbst Nenad T***** und weiteren im Urteil genannten Personen zu überlassen versuchte, sondern mit entsprechendem Vorsatz verschiedene Transporteure zur Ausführung dieser Tathandlungen bestimmte und zu bestimmen versuchte (§ 12 zweiter Fall StGB), indem er das Kokain in Südamerika „organisierte" und dessen Transport nach Europa (beinhaltend die beschriebenen durchgeführten oder auch nur intendierten Tathandlungen der Transporteure) „veranlasste" (US 37), „bewerkstelligte und ermöglichte" (US 58 f) sowie „in die Wege leitete" (US 75). Infolge Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen des § 12 StGB ist die verfehlte rechtliche Beurteilung der Taten durch das Schöffengerichts als unmittelbare Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) bedeutungslos (RIS-Justiz RS0089433).
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider blieb die Verantwortung des Beschwerdeführers nicht unerörtert, sondern wurde von den Tatrichtern unter Bezugnahme auf die ihn belastenden Verfahrensergebnisse als unglaubwürdig verworfen (insb US 77, 79 f, 134, 164). Dabei war das Erstgericht nicht verhalten, sich mit allen Details seiner Depositionen auseinanderzusetzen und darüber abzusprechen, inwieweit diese für oder wider die getroffenen Feststellungen sprechen. Soweit die Mängelrüge weiters als Unvollständigkeit rügt, dass „jene Beweisergebnisse" nicht berücksichtigt worden seien, die für die bloße Verschiffung von Zigaretten und einen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Montevideo zu den Tatzeitpunkten sprächen, nennt sie diese nicht und ist daher einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich; der Beschwerde zuwider sind derartige Konstatierungen auch US 65 nicht zu entnehmen. Im Übrigen erfordern die im Urteil angenommenen Bestimmungshandlungen des Drittangeklagten nicht dessen Anwesenheit bei der Verschiffung der Suchtgift-Container. Mit der Verantwortung des Angeklagten V***** und den Aussagen der Zeugen F*****, B***** sowie des verdeckten Ermittlers „Josef" hat sich das Erstgericht - auch die Zigarettentransporte und die Rolle des Beschwerdeführers betreffend - eingehend auseinandergesetzt (US 77 ff, 106 ff, 89 ff). Soweit die Beschwerde aus diesen Aussagen andere Schlüsse als jene des Schöffengerichts gezogen wissen will, bekämpft sie in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.
Indem die Mängelrüge (der Sache nach Z 9 lit a) das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu I./1./a./ mangels Kenntnis des Beschwerdeführers über die von den beiden Suchtgifttransporten zu passierenden Staaten behauptet, vernachlässigt sie US 58 f, wonach die Angeklagten von den Transporten wussten und diese „auftrags- und vereinbarungsgemäß" durch die im Spruch genannten Staaten erfolgten. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet zu den Schuldsprüchen I./1./a./aa./ und I./3./ das Vorliegen eines absolut untauglichen Versuchs nach § 15 Abs 3 StGB, weil das Kokain nach den getroffenen Feststellungen auf der geplanten Reise von Peru nach Österreich bereits in den USA sichergestellt worden und demnach eine Aus- und Einfuhr in Bezug auf Belgien, Deutschland und Österreich und ein Überlassen an Nenad T***** und weitere im Urteil genannte Personen unter keinen Umständen möglich gewesen sei. Dabei lässt der Beschwerdeführer aber außer Acht, dass ihm den maßgebenden Feststellungen zufolge der Sache nach nicht versuchte unmittelbare Täterschaft, sondern ein - in Bezug auf die kritisierte Ein- und Ausfuhr hinsichtlich der genannten Länder und in Bezug auf das Inverkehrsetzen erfolgloser - Bestimmungsversuch (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 78) zur Last liegt. Warum aber dieser absolut untauglich gewesen sei, legt die Beschwerde nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar. Zu I./1./a./bb./ reklamiert die Rechtsrüge das Fehlen von Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite betreffend die Ein- und Ausfuhr des von Peru nach Österreich gesandten Kokains in die Dominikanische Republik, die Bahamas, die USA und Belgien, vernachlässigt aber die Konstatierungen über den tatsächlichen Reiseweg und den Umstand, dass ua der Beschwerdeführer dessen Verschiffung und Transport „im bewussten und gewollten Zusammenwirken" mit anderen „bewerkstelligte und ermöglichte" (US 58 f) und wusste, dass sich in den Containern Kokain in „übergroßer" Menge befand, das von Peru nach Österreich verbracht werden sollte, was er „in die Wege geleitet und bewerkstelligt" hatte (US 75). Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - im Ergebnis im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu abgegebenen Äußerungen der Angeklagten - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E8996215Os161.08bEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00161.08B.0121.000Zuletzt aktualisiert am
16.03.2009