Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed und Mag. Michael Medwed, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Land S*****, vertreten durch Dr. Günther Schmied, Rechtsanwalt in Graz, wegen 236.588 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 8. Juli 2008, GZ 3 R 92/08h-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 5. März 2008, GZ 211 C 351/07m-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin war Mieterin, die Beklagte Vermieterin eines Gebäudetrakts in der S*****gasse in G*****. Die Klägerin stellte das Bestandobjekt am 16. 3. 2007 an die Vermieterin zurück.
Mit der am 27. 8. 2007 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Bezahlung von 236.588 EUR sA und führte dazu wörtlich aus:
„Die klagende Partei hat im Mietobjekt zahlreiche Investitionen getätigt. Sie hat die Sanierung des Mietobjekts vorgenommen und dabei zum einen Investitionen getätigt, die dem Vermieter obliegen, zum anderen Investitionen getätigt, die für die beklagte Partei nützlich sind. Das Hofgebäude wurde im Erdgeschoss umgebaut und generalsaniert. Im Erdgeschoss wurde bis auf das teilweise bestehende Mauerwerk alles neu hergestellt. Das Dach wurde abgetragen und ein ausgebautes Dachgeschoss neu errichtet. Laut Anlagenverzeichnis 2002 betrugen die Anschaffungskosten 361.526,49 EUR.
Die klagende Partei begehrt für die von ihr getätigten Investitionen von der beklagten Partei den Betrag von 236.588 EUR.
Die klagende Partei stützt ihr Klagebegehren auf jeden erdenklichen ... Rechtsgrund, insbesonders auf § 1097 ABGB iVm §§ 1036 und 1037 ABGB."
Erst mit am 29. 11. 2007 beim Erstgericht überreichtem Schriftsatz schlüsselte die Klägerin ihre Investitionen im Detail auf. Sie brachte vor, bereits in der Klage konkret behauptet zu haben, welche Arbeiten sie im Bestandobjekt getätigt habe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass das Klagebegehren nicht hinreichend konkretisiert gewesen sei, sei eine spätere Aufschlüsselung und Konkretisierung auch nach Ablauf der gesetzlichen Präklusivfrist zulässig. Der Beklagten seien die von der Klägerin getätigten Investitionen überdies aufgrund eines von der Klägerin eingeholten und der Beklagten am 6. 7. 2004 übermittelten Gutachtens im Detail bekannt gewesen.
Die Beklagte wendete (unter anderem) Präklusion des Anspruchs der Klägerin ein, weil in der Klage keine hinreichende Aufschlüsselung des Klagebegehrens vorgenommen worden und die nach Ablauf der Präklusivfrist vorgenommene Konkretisierung verspätet sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne weitere Beweisaufnahmen zur Gänze ab. Rechtlich folgerte es, dass die sechsmonatige Präklusivfrist des § 1097 ABGB die beschleunigte Klarstellung der aus dem Bestandverhältnis resultierenden Beziehungen bezwecke. Entscheidend für die Fristauslösung sei die Rückstellung des Bestandobjekts, die am 16. 3. 2007 erfolgt sei. Zwar sie die Klage am 27. 8. 2007 (und damit fristgerecht) bei Gericht eingelangt, eine Konkretisierung der einzelnen Investitionspositionen sei aber erst im November 2007 erfolgt, somit nach Ablauf der sechsmonatigen Präklusivfrist. Aus einer jüngst ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Präklusivfrist des § 1097 ABGB auch im Fall einer nicht ausreichend aufgeschlüsselten Klage durch Vorlage der Liste der Investitionen im Beweissicherungsverfahren gewahrt sei, sei letztlich der Schluss zu ziehen, dass § 1497 ABGB auf die Frist des § 1097 ABGB nicht anzuwenden sei. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, im Jahr 2004 Unterlagen (ua auch ein Sachverständigengutachten) der Beklagten zur Verfügung gestellt zu haben, sei sie darauf zu verweisen, dass die Rückstellung des Bestandobjekts erst im März 2007 erfolgt sei und erst zu diesem Zeitpunkt festgestanden habe, ob und in welchem Ausmaß Ersatzansprüche noch bestehen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, bestätigte das Ersturteil und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Es verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und verwies in rechtlicher Hinsicht auf die als zutreffend erachtete rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Ergänzend führte es zusammenfassend aus wie folgt:
Nach ständiger Rechtsprechung bedürfe es zur Wahrung der Präklusivfrist des § 1097 ABGB konkreter und detaillierter Investitionsbehauptungen und reichten bloße Hinweise auf „vorzulegende Rechnungen" oder ähnliches nicht aus (2 Ob 21/06m). In den von der Berufungswerberin zitierten Entscheidungen sei zwar ein nicht detailliertes und nicht konkretisiertes Klagsvorbringen wiedergegeben worden; in diesen Entscheidungen sei aber die Konkretisierung des Klagebegehrens nicht wesentlich gewesen, weshalb daraus für die Klägerin nichts zu gewinnen sei.
Die Entscheidung 2 Ob 21/06m betreffe keinen ähnlich gelagerten Fall, weil dort die Konkretisierung durch das im Beweissicherungsverfahren vorgelegte Gutachten innerhalb der sechsmonatigen Frist erfolgt sei. Nicht zuzustimmen sei der Berufungswerberin darin, dass die §§ 84 und 85 ZPO auch auf Klagen, die auf § 1097 ABGB gestützt würden, uneingeschränkt anzuwenden seien, weil dem der Gesetzeszweck des § 1097 ABGB entgegenstehe. Soweit sie sich auf die Entscheidung 4 Ob 285/04x und die darin zitierte Entscheidung 6 Ob 653/90 berufe, sei sie darauf zu verweisen, dass es sich dort um die Unbestimmtheit des Klagebegehrens und nicht des Inhalts gehandelt habe. Auf die außerhalb der sechsmonatigen Präklusivfrist eingelangte Konkretisierung des Klagebegehrens sei daher in Übereinstimmung mit dem Erstgericht nicht einzugehen gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im gänzlich klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen Korrekturbedürftigkeit der vorinstanzlichen rechtlichen Beurteilung zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
§ 1097 Satz 2 ABGB lautet:
„Der Bestandnehmer wird als ein Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet, wenn er auf das Bestandstück einen dem Bestandgeber obliegenden Aufwand (§ 1036) oder einen nützlichen Aufwand (§ 1037) gemacht hat; er muss aber den Ersatz längstens binnen sechs Monaten nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern, sonst ist die Klage erloschen."
Nach herrschender Ansicht stellt die Frist des § 1097 ABGB eine Präklusivfrist dar (Würth in Rummel, ABGB³ § 1097 Rz 7 mwN; Binder in Schwimann, ABGB³ § 1097 Rz 20 mwN; Iro in KBB² § 1097 Rz 8; Koziol/Welser II13 226; RIS-Justiz RS0020483; überholt: RIS-Justiz RS0020564). Nach ebenfalls nunmehr einhelliger Auffassung finden die für Verjährungsfristen geltenden Regelungen über die Hemmung und Unterbrechung im Hinblick auf den zumeist gleichen Gesetzeszweck grundsätzlich auch auf alle Präklusivfristen zumindest analog Anwendung (M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1497 Rz 1 mwN; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB³ § 1451 Rz 10 mwN; RIS-Justiz RS0034507; speziell zu den Ausschlussfristen nach §§ 1097, 1111 ABGB Mader/Janisch aaO und SZ 56/103).
Gemäß § 1497 ABGB ist ein Unterbrechungsgrund ua gegeben, wenn der Berechtigte seinen Gegner „belangt" und die Klage gehörig fortgesetzt wird. „Belangen" im Sinn des § 1497 ABGB ist die unbedingt wirksame Geltendmachung des (bei Geldschulden) bezifferten Klageanspruchs (6 Ob 286/99y; 2 Ob 107/01a mwN uva). Dabei unterbricht die Klage die Verjährung nur für jene Ansprüche, die in der Klage geltend gemacht wurden (2 Ob 107/01a; M. Bydlinski aaO § 1497 Rz 6 mwN). Für eine Unterbrechung der Verjährung ist nur das tatsächlich und eindeutig erhobene Klagebegehren zu berücksichtigen, wobei der geltend gemachte Anspruch durch den Urteilsantrag umschrieben wird, der bei Geldschulden ziffernmäßig genau bestimmt sein muss (§ 226 Abs 1 ZPO). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch schon ausgesprochen, dass die Unterbrechungswirkung bereits mit der Klage eintritt, selbst wenn diese etwa wegen eines unbestimmten, aber bezifferten Klagebegehrens (1 Ob 290/03h, wobei vorweg nicht ersichtlich war, ob unter dem Rechtsgrund des Schadenersatzes der Nichterfüllungs- oder der Vertrauensschaden begehrt wurde) oder wegen Fehlens einer näheren Aufschlüsselung (2 Ob 107/01a mwN) verbessert wird, und die Unterbrechungswirkung des § 1497 ABGB bei bloßer Vervollständigung ergänzungsbedürftigen Klagevorbringens nicht wegfällt (1 Ob 290/03h). Im vorliegenden Fall, hat die Klägerin jedenfalls - ungeachtet der in der Folge noch zu behandelnden Frage, ob die Klage überhaupt verbesserungsbedürftig war - jedenfalls vor Schluss der Verhandlung erster Instanz eine detaillierte Aufschlüsselung des Klagebegehrens vorgenommen.
Die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht beruht aber auch auf einem unrichtigen Verständnis der von ihnen zitierten Entscheidungen 2 Ob 21/06m und 2 Ob 540/90:
In der Entscheidung 2 Ob 21/06m (= immolex 2007/1 [Wolf] = wobl 2006/130 [Prader]) führte der Oberste Gerichtshof aus, dass in Ansehung der Rückstellung des Bestandobjekts am 2. 12. 2002 die am 26. 2. 2003 eingebrachte Mahnklage (gemäß § 1097 ABGB) jedenfalls fristwahrend erhoben worden sei; soweit das Klagebegehren hingegen erst am 24. 3. 2004 ausgedehnt worden sei, sei dies nicht „längstens binnen sechs Monaten nach Zurückstellung des Bestandstückes" erfolgt. Zwar habe der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 540/90 ausgesprochen, dass es zur Wahrung dieser Präklusivfrist konkreter und detaillierter Investitionsbehauptungen bedürfe und bloße Hinweise auf „vorzulegende Rechnungen" oä nicht reichten, allerdings habe die Klägerin dem über Beweissicherungsantrag der Beklagten bestellten Sachverständigen eine detaillierte Liste ihrer getätigten Investitionen zukommen lassen. So wie die Überreichung einer nachträglich verbesserten Klage die Unterbrechung der Verjährung mit dem rückwirkenden Zeitpunkt des Einlangens einer zunächst nicht prozessordnungsgemäßen Klage bewirke, müsse Selbiges auch für den vorliegenden Fall einer der nachträglichen, in casu überdies innerhalb der gesetzlichen Präklusivfrist im Zuge der Beweissicherung erfolgten Aufschlüsselung und Konkretiserung gelten.
Zu 2 Ob 21/06m bestätigte somit der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, welches einen Teil des Klagebegehrens mit der Begründung abgewiesen hatte, dass die Klägerin in ihrer Klage lediglich den Ersatz von Aufwendungen für eine Heizungsinstallation, für Elektroinstallationen, für Raumplanung als Voraussetzung für diese beiden Installationen und Kachelofenumbau begehrt, jedoch erstmals in einer rund zweieinhalb Jahre nach der Klagseinbringung stattfindenden Verhandlung zusätzlich vorgebracht hatte, noch weitere Aufwendungen, nämlich ua für die Installierung eines Badezimmers, der Küche und des WC's getätigt zu haben. Die Geltendmachung dieser Investitionen (erst in der Verhandlung) erweise sich - so der dort erkennende Senat des Höchstgerichts - als verspätet, weil eine die Präklusivfrist des § 1097 ABGB unterbrechende klageweise Geltendmachung zumindest die konkrete Bezeichnung der zu ersetzenden Aufwendungen voraussetze, und aus dem Hinweis in der Klage auf „vorzulegende Rechnungen" nichts zu gewinnen sei, weil diese erst rund eineinhalb Jahre nach Klagseinbringung zum Akt gelangt seien; hingegen wurde die pauschale Geltendmachung der Investitionen für „Heizungsinstallation" und für „Elektroinstallationen" nicht beanstandet und diesbezüglich das Begehren als rechtzeitig innerhalb der Frist des § 1097 ABGB erhoben beurteilt.
Daraus ergeben sich für den hier zur Beurteilung anstehenden Fall folgende Konsequenzen:
Die Klägerin hat vorliegend bereits in ihrer ursprünglichen Klage am 27. 8. 2007 (und damit fristwahrend im Sinne des § 1097 ABGB) die Art und das Ausmaß ihrer Investitionen im Wesentlichen dargestellt und ihr Gesamtbegehren auch entsprechend beziffert. Eine weitergehende Detaillierung(spflicht) bereits in der Klage zu verlangen, würde eine durch den Gesetzeszweck des § 1097 ABGB nicht gerechtfertigte Überspannung der Anforderungen an eine „ordnungsgemäße" Klagsführung im Sinne des § 1497 ABGB bedeuten. Die vorliegende Klage war daher bereits ausreichend, die Präklusivfrist des § 1097 ABGB zu unterbrechen, auch wenn die einzelnen betraglichen Positionen erst außerhalb dieser Frist aufgeschlüsselt wurden.
Das Erstgericht wird sich daher - ausgehend von der rechtzeitigen Geltendmachung der Klagsansprüche - mit dem Begehren unter Berücksichtigung des jeweiligen weiteren Vorbringens der Parteien über Grund und Höhe inhaltlich zu befassen haben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 51 ZPO.
Textnummer
E90009European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00129.08S.0127.000Im RIS seit
26.02.2009Zuletzt aktualisiert am
02.10.2012