Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Veith, Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin A***** KG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Paul W*****, vertreten durch Dr. Susanne Tichy-Scherlacher, Rechtsanwältin in Wien, wegen §§ 37 Abs 1 Z 8, 46a Abs 4 und 5 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Oktober 2008, GZ 40 R 71/08z-29, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung:
Die Mietrechte am Geschäftslokal waren vormals Dr. Ludwig N***** zugestanden. Als dieser im Jahr 1959 verstarb, gingen die Mietrechte an seine beiden Erbinnen über, während Dr. Ludwig N***** die im Geschäftslokal betriebene Apotheke vier Legataren vermachte, die dann die Apotheke in Form einer offenen Handelsgesellschaft weiterführten. Das daraus resultierende gespaltene Mietverhältnis endete, als der Antragsgegner (Vermieter) mit Schreiben vom 3. 11. 2003 jene Kommanditgesellschaft als Hauptmieterin anerkannte, in welche die, die Apotheke betreibende offene Handelsgesellschaft im Jahr 1972 umgewandelt worden war.
Das Erstgericht stellte mit seinem Sachbeschluss fest, die Antragstellerin (richtig: der Antragsgegner [Vermieter]) sei gegenüber der Antragsgegnerin (richtig: Antragstellerin [Mieterin]) hinsichtlich des bezeichneten Geschäftslokals gemäß § 46a Abs 5 MRG ab dem 1. 1. 2004 zur schrittweisen Anhebung des bisherigen Nettohauptmietzinses von 189,69 EUR auf 278,04 EUR innerhalb von 15 Jahren berechtigt. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Abs 5 MRG und erkannte für die Feststellung des angemessenen Mietzinses den 1. 7. 1959 als Stichtag für maßgeblich.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Antragsgegner geltend, die Vorinstanzen seien von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, wonach der Vermieter berechtigt sei, mehrere Anhebungstatbestände kumulativ geltend zu machen. Der Antragsgegner habe sich nämlich auch auf § 46a Abs 4 MRG berufen. Tatsächlich sei es bei dem die Apotheke betreibenden Unternehmen in den Jahren 1972 (Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft), 1986 (Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters) und 1990 (Wechsel eines Kommanditisten) zu wesentlichen Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten gekommen. Damit seien die Voraussetzungen des § 46a Abs 4 MRG erfüllt gewesen, weil die von den Vorinstanzen angenommene Anerkennung der Kommanditgesellschaft als Hauptmieterin ex tunc dahin wirke, dass bereits zum Stichtag 1. 7. 1959 die damals die Apotheke betreibende Personengesellschaft als Hauptmieterin anzusehen sei. Es hätte deshalb zufolge möglicher Anwendbarkeit des § 46a Abs 4 MRG auch der jeweils angemessene Mietzins für die Stichtage 1. 1. 1972, 22. 12. 1986/1. 1. 1987 und 21. 3. 1990 (Zeitpunkte der wesentlichen Änderungen in dem die Apotheke betreibenden Unternehmen) ermittelt werden müssen. Dies hätten die Vorinstanzen in Verkennung von Gesetzeslage und Rechtsprechung abgelehnt.
Rechtliche Beurteilung
Der Antragsgegner machte keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG geltend:
1. Entstand durch die Veräußerung des in einer gemieteten Geschäftsräumlichkeit betriebenen Unternehmens ohne Übergang der Hauptmietrechte vor dem 1. 1. 1982 ein Mietverhältnis, bei dem im Innenverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Unternehmens die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis an den Erwerber übertragen wurden, so darf der Vermieter, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG ist, gemäß § 46a Abs 5 MRG die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Geschäftsräumlichkeit nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der in § 46a Abs 2 MRG angeführten Weise ab dem auf das schriftliche Anhebungsbegehren folgenden 1. 1. verlangen, wenn er mit dem Anhebungsbegehren den Erwerber des Unternehmens als neuen Hauptmieter anerkennt. Mit dieser Anerkennung erlischt das Hauptmietverhältnis zum Veräußerer.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die Vorinstanzen übereinstimmend bejaht. Dagegen bringt der Antragsgegner in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs nichts vor; vielmehr geht er selbst von der Richtigkeit dieser Ansicht aus, weil er gerade aus der Anerkennung des die Apotheke betreibenden Unternehmens als Hauptmieterin Rechtsfolgen für sich in Anspruch nimmt. Eine (nochmalige) Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 46a Abs 5 MRG durch den erkennenden Senat hat daher zu unterbleiben.
2. Der Antragsgegner vertritt - zusammengefasst - die Ansicht, mehrere Anhebungstatbestände könnten kumulativ geltend gemacht werden. Die Anerkennung des die Apotheke betreibenden Unternehmens als Hauptmieterin wirke auf den Stichtag 1. 7. 1959 zurück, weshalb die folgenden wesentlichen Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in diesem Unternehmen beachtlich seien und die Anhebungsvoraussetzungen auch des § 46a Abs 4 MRG erfüllten. Dem ist - kurz (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG) - Folgendes entgegen zu halten:
Hat eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts vor dem 1. 1. 1968 eine Geschäftsräumlichkeit als Hauptmieter gemietet und war bei Vertragsabschluss eine freie Mietzinsvereinbarung nicht möglich, darf der Vermieter nach § 46a Abs 4 MRG ab dem auf das Anhebungsbegehren folgenden 1. 1. die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für Geschäftsräumlichkeiten nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der in § 46a Abs 2 MRG angeführten Weise verlangen, wenn der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG ist und 1. eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten im Sinn des § 12a Abs 3 MRG erfolgt ist und 2. keine Mietzinsvereinbarung im Sinn des § 16 Abs 1 Z 7 MRG in der Stammfassung des Mietrechtsgesetzes oder anderer gleichartiger mietrechtlicher Regelungen erfolgte oder 3. keine Vereinbarung im Sinn der Z 2 geschlossen wurde, obwohl eine solche wegen einer Änderung des Vertrags über den Mietgegenstand möglich gewesen wäre.
Die wiedergegebene Regelung stellt also darauf ab, dass eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts Hauptmieterin war; eine analoge Anwendung des § 46a Abs 4 MRG auf Fälle der Anmietung eines Geschäftsraums durch eine natürliche Person vor dem 1. 1. 1968 kommt nicht in Frage (RIS-Justiz RS0103219). Vormals war allerdings Dr. Ludwig N***** und nach dessen Ableben waren seine beiden Erbinnen, also jeweils natürliche Personen, die Hauptmieter des Geschäftslokals.
Die vom Antragsgegner unterstellte und zur vermeintlichen (kumulativen) Anwendbarkeit des § 46a Abs 4 MRG führende ex tunc-Wirkung der Anerkennung des die Apotheke betreibenden Unternehmens nach § 46a Abs 5 MRG muss schon am klaren und ausdrücklichen Wortlaut dieser Bestimmung scheitern, erlischt doch nach § 46a Abs 5 letzter Satz MRG erst mit der Anerkennung das Hauptmietverhältnis zum Veräußerer (= ursprünglicher Hauptmieter; vgl dazu auch T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 46a MRG Rz 39). Die vom Antragsgegner angenommene ex tunc-Wirkung der Anerkennung widerspricht daher dem Gesetz. Jene Entscheidungen, welche der Antragsgegner für seinen gegenteiligen Standpunkt in Anspruch nimmt, sind nicht einschlägig, weil diese die Wahl des (hier nicht [mehr] strittigen) Stichtags nach § 45a Abs 5 MRG (5 Ob 184/01x; 5 Ob 10/97z) bzw des Stichtags für ein Anhebungsbegehren nach § 45a Abs 4 MRG bei mehreren, zeitlich aufeinander folgenden Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten im Unternehmen (5 Ob 434/97b = immolex 1998/45, 76 [Pfiel] = wobl 1998/114, 170 [Grünwald] = MietSlg 49.478 = ecolex 1998, 310 [Hausmann]) betreffen.
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners ist wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 37 Abs 3 MRG) unzulässig und zurückzuweisen.
Textnummer
E89873European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00287.08D.0127.000Im RIS seit
26.02.2009Zuletzt aktualisiert am
24.09.2012