Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Thomas Keppert und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Muhamed Z*****, vertreten durch Dr. Andreas Mirecki, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Leopoldine H*****, vertreten durch Dr. Heinz Künzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.624,45 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 7.598,28 EUR brutto sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. April 2008, GZ 10 Ra 5/08s-23, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 10. Oktober 2007, GZ 7 Cga 222/06a-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der Antrag der klagenden Partei auf Unterbrechung des Verfahrens und Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof wird zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war im Ergebnis vom 1. 4. 2002 bis 10. 9. 2006 bei einem Taxiunternehmen beschäftigt, dessen Inhaber am 6. 7. 2006 starb. Der Kläger, der in den letzten drei Jahren vor der Beendigung keinen Urlaub konsumiert hatte, erhielt aus Anlass der Beendigung weder eine Abfertigung noch eine Urlaubsersatzleistung. Noch vor der Beendigung erfolgte am 29. 8. 2006 eine Gläubigerkonvokation im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens. Mit Schreiben vom 30. 11. 2006 machte der Kläger seine Ansprüche, bestehend aus zwei Monatsentgelten Abfertigung in Höhe von 2.792,05 EUR brutto und die Urlaubsersatzleistung von 90 Werktagen in Höhe von 4.832,40 EUR brutto, gegenüber der Verlassenschaft geltend.
Der Wert der Aktiven der Verlassenschaft betrug entsprechend dem Inventar vom 23. 2. 2007 7.333,88 EUR, hingegen der der Verlassenschaftspassiven 29.999,06 EUR, sodass eine Verlassenschaftsüberschuldung von 22.665,18 EUR vorlag. Den Passiven lagen unter anderem Begräbniskosten (5.107 EUR), Kosten der Grabpflege (179 EUR), Kosten des Kranzes und des Sarggesteckes (210 EUR), Kosten des Trauermahls (233,30 EUR) und Kosten von Gedenkbildern (298,10 EUR) zugrunde. Weiters fielen die Gebühren des Gerichtskommissärs in Höhe von 819,40 EUR sowie der Sachverständigen in Höhe von 233,80 EUR und 171 EUR im Verlassenschaftsverfahren an.
Der Nachlass wurde am 1. 3. 2007 an die nunmehrige Beklagte als bedingt erbantrittserklärte Testamentserbin eingeantwortet. Die Aktiven wurden dabei mit 7.333,88 EUR, die Passiven mit 29.999,06 EUR festgestellt. Ein vom Kläger am 28. 2. 2007 gestellter Antrag auf Konkurseröffnung wurde wegen der rechtskräftigen Einantwortung des Nachlasses gemäß § 63 KO zurückgewiesen.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der offenen Ansprüche auf Abfertigung und Urlaubsersatzleistung in Gesamthöhe von 7.624,45 EUR brutto.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass sie eine bedingte Erbserklärung abgegeben habe und die Verlassenschaft vermögenslos sei. Im Übrigen seien sämtliche Forderungen beglichen worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Ausmaß von 26,17 brutto EUR sA (unangefochten und damit rechtskräftig) statt, wies jedoch das Mehrbegehren von 7.598,28 EUR sA ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass dem Kläger zwar die geltend gemachten Ansprüche auf Abfertigung und Urlaubsersatzleistung zugestanden seien, dass die Beklagte als bedingt erbantrittserklärte Erbin jedoch nur bis zum Wert der ihr zukommenden Verlassenschaft hafte. Die Forderungen der Gläubiger blieben als solche unberührt. Nach Befriedigung der Aussonderungs- und Absonderungsforderungen seien zunächst die Masseforderungen zu befriedigen. Erst dann komme eine Begleichung der Erblasserforderungen, die im Konkursfall Konkursforderungen wären, nach ihnen die im Konkurs ausgeschlossen Zinsen sowie Forderungen aus Schenkungen und Geldstrafen des Erblassers, sodann die mit dem Zureichen des Nachlasses begrenzten Unterhaltsschulden und schließlich die Pflichtteilsergänzungsansprüche und Vermächtnisansprüche sowie Auflagen in Betracht. Soweit die im selben Rang stehenden Forderungen keine Deckung fänden, seien sie verhältnismäßig zu kürzen. Den Forderungen des Klägers gingen nun die Kosten der einfachen Bestattung als Masseforderung nach § 46 Abs 1 Z 7 KO in Höhe von insgesamt 6.027,40 EUR vor, ebenso die Gebühren des Verlassenschaftsverfahrens in Höhe von 1.224,20 EUR. Die nachrangigen Forderungen des Klägers auf Abfertigung und Urlaubsersatzleistungen seien Beendigungsansprüche im Sinne des § 46 Abs 1 Z 3a KO, die nach dem IESG gesichert seien und daher auch erst nach den Gebühren des Verlassenschaftsverfahrens zu befriedigen seien. Ziehe man von den Nachlassaktiven von 7.333,88 EUR die Gebühren von 1.224,20 EUR und die Begräbniskosten von 6.109,68 EUR ab, so verblieben noch 82,28 EUR an restlichen Nachlassaktiven, aus denen dem Kläger ein Anspruch auf quotenmäßige Befriedigung zustehe. Die Gesamtquote errechne sich aus den Nachlasspassiven von 29.999,06 EUR abzüglich der Begräbniskosten, also 23.971,66 EUR, und den Verlassenschaftsaktiven von 82,28 EUR, was eine Quote von 0,0034 und damit einen restlichen Anspruch des Klägers auf 26,17 EUR ergebe.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass die Haftungsbeschränkung des seinen Erbantritt bloß bedingt erklärenden Erben zu Lasten aller auf den Nachlass verwiesener Gläubiger greife. Der Erbe habe nach der Einantwortung dafür zu sorgen, dass die Befriedigung der Gläubiger „nach der gesetzlichen Ordnung" vor sich gehe. Es schloss sich dann im Wesentlichen den Ausführungen des Erstgerichts über die Reihenfolge der zu befriedigenden Forderungen bzw der aliquoten Kürzung an. Der vorliegende Fall sei auch nicht mit jenen vergleichbar, in denen ein Masseverwalter geklagt worden sei, vielmehr die Beschränkung aus dem geringen Umfang des Nachlasses bereits im Titelverfahren zu berücksichtigen. Es sei auch von einer entsprechenden Absicherung im IESG-Verfahren auszugehen, da die Tatbestände des § 1 Abs 1 IESG einer „vorsichtigen Analogie" zugänglich seien. Auch § 7 IESG stehe einem Zuspruch nicht entgegen, da diese Bestimmung nur die Bindung an das Nichtvorliegen eines gesicherten Anspruchs festlege. Gerade bei abweisenden Urteilen seien aber auch die anspruchsbegründenden Feststellungen zu beachten, aus denen sich hier ergebe, dass von einem Nichtvorliegen des gesicherten Anspruchs keine Rede sei.
Die im Nachlassinventar ausgewiesenen Aktiven und Passiven seien unbekämpft geblieben, sodass insgesamt gegen die Berechnung des Erstgerichts keine Bedenken bestünden.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da die Beantwortung der materiellrechtlichen Fragen in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe und dazu eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, mit der auch eine Streitverkündung an die Republik Österreich verbunden wurde, ist zulässig, aber nicht berechtigt. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Beurteilung von Arbeitnehmeransprüchen gegen Arbeitgeber, deren nicht ausreichender Nachlass nach einer bedingten Erbserklärung eingeantwortet wurde, liegt jedenfalls nach dem Inkrafttreten des AußStrG 2005 nicht vor.
Auch mit dem neuen AußStrG sollte grundsätzlich an dem bisherigen Einantwortungsprinzip festgehalten werden (vgl Fucik/Kloiber, AußStrG Vor § 143 ErlRV, ebenso auch Rz 1; Bittner in Rechberger, AußStrG Vor § 143 Rz 1). Dabei ist auch weiter ein Absehen von der Abhandlung wegen des geringen Werts der Aktiven (4.000 EUR - § 153 AußStrG) und eine Überlassung an Zahlungs statt (§ 154 AußStrG) vorgesehen, die aber einen entsprechenden Antrag voraussetzt. Unterbleibt ein solcher Antrag, so werden die Wirkungen der dann bei einer Verlassenschaft mit Aktiven über 4.000 EUR vorgenommenen Abhandlung und Einantwortung an einen bedingt erbserklärten Erben weiter auch durch § 802 ABGB geregelt. Dessen zweiter Satz sieht vor, dass Erben, die die Erbschaft „mit Vorbehalt der rechtlichen Wohltat des Inventariums" angetreten haben, den Gläubigern nur soweit verpflichtet sind, als die Verlassenschaft für ihre und auch seine eigenen, aus dem Erbrecht ihm zustehenden Forderungen ausreicht. Die §§ 813 bis 815 ABGB enthalten darüber hinaus noch Regelungen über die Wirkungen der Gläubigerkonvokation bzw deren Unterlassung.
§ 802 ABGB ist nach herrschender Auffassung dahin zu verstehen, dass die Haftung des Erben zwar mit dem Wert der ihm zukommenden Verlassenschaft begrenzt wird, die Forderungen der Gläubiger aber „als solche" unberührt bleiben (vgl Welser in Rummel ABGB³ § 802 Rz 2; Sailer in KBB² § 802 Rz 1, jeweils mwN; ebenso Eccher in Schwimann ABGB³ § 802 Rz 1 zur Haftungsbeschränkung). Sie kann daher gegen einen anderen Mithaftenden (etwa einen weiteren Arbeitgeber) auch weiter geltend gemacht werden.
Die beschränkte persönliche Haftung des „Vorbehaltserben" ist nicht nur eine bloße Exekutionsbeschränkung, sondern eine Minderung von „dessen" materiellrechtlicher Verpflichtung, weil der Anspruch insoweit gegen den beschränkt haftenden Erben nicht geltend gemacht werden kann und ihm gegenüber untergegangen ist (vgl RIS-Justiz RS0013024 mzwN, etwa 2 Ob 563/93). Er kann daher die Unzulänglichkeit des Nachlasses auch nicht wahlweise im Titelprozess oder durch Oppositionsklage nach § 35 EO im Falle der Exekutionsführung geltend machen; vielmehr kann eine Oppositionsklage nur dann erhoben werden, wenn er die Unzulänglichkeit des Nachlasses im Titelverfahren nicht hat geltend machen können (RIS-Justiz RS0001192, zuletzt 6 Ob 108/06k; zur Einwendungspflicht der Unzulänglichkeit des Nachlasses im Titelverfahren RIS-Justiz RS0013013, zuletzt 2 Ob 150/05f, und RIS-Justiz RS0013017 jeweils mwN). Für den Umfang der Haftung des bedingt erklärten Erben ist der Wert des Nachlasses zur Zeit der Einantwortung entscheidend (RIS-Justiz RS0047846, zuletzt 3 Ob 92/06k; ebenso Welser aaO Rz 5; Eccher aaO Rz 2). An diesen Grundlagen vermögen auch die rechtshistorischen Ausführungen des Klägers unter Bezugnahme auf Fundstellen, die vor der hier maßgeblichen Rechtsprechung und herrschenden Lehre sowie Rechtslage nach dem neuen AußStrG datieren, keine Zweifel hervorzurufen, weil sie auch keine neuen wesentlichen Aspekte aufzeigen. Ein Begehren auf Zahlung „nach Zulangen der Verlassenschaft" wurde bereits mehrfach vom Obersten Gerichtshof ausdrücklich als unzulässig erachtet (RIS-Justiz RS0013011, zuletzt 6 Ob 108/06k = SZ 2006/80; früher hingegen RIS-Justiz RS0000915). Eine § 157 VersVG vergleichbare Bestimmung, wonach dann, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Konkurs eröffnet wird, der Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen kann, besteht hier nicht (insoweit anders OGH 2 Ob 200/78 = SZ 52/32). Hier steht es ohnehin dem Dienstnehmer frei, seine Ansprüche auf Insolvenzausfallgeld direkt geltend zu machen.
Die allfällige Absicherung der Ansprüche des Klägers nach dem IESG ist hier deshalb wesentlich, weil ja bei mangelndem Auslangen der übernommenen Verlassenschaft für alle Gläubiger die Berücksichtigung der verschiedenen Gläubiger nach den Vorschriften der Konkursordnung zu erfolgen hat (Welser aaO §§ 813 bis 815 Rz 9; Sailer aaO §§ 813 bis 815 Rz 4, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0013034; 8 Ob 37/05g). § 47 Abs 2 KO ordnet aber für den Fall, dass die Masseforderungen nicht voll befriedigt werden können, an, dass die Beendigungsansprüche der Arbeitnehmer nur dann im fünften Rang (Z 5) gesichert sind, wenn keine Sicherung nach dem IESG gegeben ist.
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass der hier vorliegende Fall, in dem eine Haftungsbeschränkung zufolge § 802 ABGB eintritt und die Ansprüche unter Anwendung der Bestimmungen der Konkursordnung gekürzt werden, die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Insolvenzausfallgeld vorliegen. Darauf hat im Ergebnis richtig auch bereits Liebeg (Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz³, § 1 Rz 217) hingewiesen.
§ 1 Abs 1 IESG lautet wie folgt:
„§ 1. (1) Anspruch auf Insolvenz-Entgelt haben Arbeitnehmer, Heimarbeiter und ihre Hinterbliebenen sowie ihre Rechtsnachfolger von Todes wegen (Anspruchsberechtigte) für die nach Abs. 2 gesicherten Ansprüche, wenn sie in einem Arbeitsverhältnis (Auftragsverhältnis) stehen oder gestanden sind und gemäß § 3 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. a bis d des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, als im Inland beschäftigt gelten (galten) und über das Vermögen des Arbeitgebers (Auftraggebers) im Inland der Konkurs eröffnet wird. Der Konkurseröffnung stehen gleich:
1. die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens,
2. die Anordnung der Geschäftsaufsicht,
3. die Ablehnung eines Antrages auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens,
4. die Ablehnung der Eröffnung des Konkurses gemäß § 68 der Konkursordnung (KO), RGBl. Nr. 337/1914, oder die Löschung gemäß § 40 oder § 42 des Firmenbuchgesetzes (FBG), BGBl. Nr. 10/1991, wegen Vermögenslosigkeit,
5. die Zurückweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses gemäß § 63 KO,
6. der Beschluss gemäß § 153 Abs. 1 oder § 154 Abs. 1 des Außerstreitgesetzes (AußStrG), BGBl. I Nr. 111/2003.
Hat ein ausländisches Gericht eine Entscheidung getroffen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EU-Insolvenzverordnung), ABl. Nr. L 160 vom 30.06.2000 S. 1, oder gemäß § 240 KO oder nach den §§ 243 bis 251 KO (betreffend Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen) im Inland anerkannt wird, besteht nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes gleichfalls Anspruch auf Insolvenz-Entgelt, wenn die Voraussetzungen des ersten Satzes mit Ausnahme der Konkurseröffnung im Inland erfüllt sind."
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass § 1 Abs 1 IESG hinsichtlich der Aufzählung der der Konkurseröffnung gleichzuhaltenden Tatbestände in den Z 1 bis 6 keine taxative Aufzählung enthält, sondern die einer Konkurseröffnung gleichzuhaltenden Tatbestände, wenn es die Teleologie beziehungsweise der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung gebietet, für eine „vorsichtige Analogie" offenstehen (RIS-Justiz RS0113340; 8 ObS 60/00g; im Übrigen dazu, dass auch eine taxative Aufzählung das Vorliegen einer „teleologischen" oder „unechten" Lücke nicht unter allen Umständen ausschließt, wenn der nicht besonders angeführte Fall alle motivierenden Merkmale der geregelten Fälle enthält und das Prinzip der Norm auch in einem ihrem Tatbestand ähnlichen Fall Beachtung fordert RIS-Justiz RS0008839 mwN, etwa 8 ObA 52/06i = SZ 2006/111).
Voraussetzung einer Gesetzesanalogie ist es nun, dass der nicht geregelte Fall in den wesentlichen Wertungen den gesetzlich geregelten Fällen gleicht (F. Bydlinski in Rummel ABGB³ § 7 Rz 2; RIS-Justiz RS0008864). Die Tatbestände der Z 1 bis 4 und 6 des § 1 Abs 1 IESG erfassen nun eindeutig Verfahren, in denen die „Vermögenslosigkeit" des Arbeitgebers in gewisser Weise überprüft wird. Bei § 1 Abs 1 Z 5 IESG, der auf die Zurückweisung des Antrags auf Konkurseröffnung nach § 63 KO als möglichen Tatbestand für den Anspruch auf Insolvenzausfallgeld abstellt, ist dies nun vorweg nicht offensichtlich. Allerdings wird diese Bestimmung im Hinblick auf den letzten Satz des § 1 Abs 1 IESG, der bestimmte „Konkurseröffnungen" im Ausland jenen im Inland gleichstellt, nicht dahin verstanden, dass sie die Zurückweisung von Konkursanträgen wegen mangelnder - inländischer - Gerichtsbarkeit erfassen soll. Vielmehr wird die Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 5 IESG über die Zurückweisung dahin interpretiert, dass davon Fälle erfasst sein sollen, in denen ein österreichischer Arbeitgeber nicht mehr auffindbar und kein Vermögen im Inland vorhanden ist (Liebeg aaO Rz 210; ähnlich Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 104). Damit liegt aber in allen Fällen des § 1 Abs 1 IESG doch eine bestimmte Prüfung der „Insolvenz" („Vermögenslosigkeit") in einem vorangegangenen inländischen oder ausländischen Verfahren vor. Eine Zurückweisung eines Konkursantrags - wie hier -, die sich bloß darauf stützt, dass der Nachlass mittlerweile an den bedingt erbserklärten Erben eingeantwortet wurde allein entspricht dem nicht. Wird doch bei der Einantwortung an einen bedingt erbserklärten Erben die Frage, ob der Wert der Verlassenschaft zur Befriedigung der Arbeitnehmeransprüche ausreicht, überhaupt nicht geprüft. Vielmehr wird mancher Erbe idR schon „vorsichtshalber" eine bloß bedingte Erbserklärung abgeben.
Dass aber zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Absicherung nach dem IESG nicht immer ein „Insolvenzverfahren" im engeren Sinne vorliegen muss, zeigt sich auch aus der Bestimmung des § 1a IESG, ordnet diese doch an, dass Insolvenz-Ausfallgeld auch für Abfertigungen insoweit gebührt, als der Arbeitgeber aufgrund eines Urteils, in dem die Prüfung ergab, dass sich seine Wirtschaftslage derart verschlechtert hat, dass ihm die Erfüllung der Abfertigungsansprüche nicht zugemutet werden kann (etwa § 23 Abs 2 AngG), von der Zahlung zum Teil oder zur Gänze befreit wurde.
Auch wenn bei der Einantwortung an einen bedingt erbantrittserklärten Erben das Ausreichen des Wertes der Verlassenschaft nicht geprüft wird und daher allein dieses Verlassenschaftsverfahren noch nicht geeignet ist, einen gleichgestellten Tatbestand im Sinne des § 1 Abs 1 IESG zu verwirklichen, stellt sich dies jedoch dann anders dar, wenn im nachfolgenden Streitverfahren gegen den bedingt erbantrittserklärten Erben eine Abweisung erfolgt, weil der Wert nicht ausreicht.
Im Kern entspricht dies materiell wertungsmäßig in vielen Aspekten dem § 1 Abs 1 Z 4 IESG, also der Ablehnung der Eröffnung des Konkurses gemäß § 68 KO, nach Auflösung einer juristischen Person oder einer eingetragenen Personengesellschaft bzw § 1 Abs 1 Z 5 IESG betreffend die Zurückweisung des Konkursantrags in dem hier verstandenen Sinn, also wegen der mangelnden Auffindbarkeit des Arbeitgebers und dessen Vermögens. Auch bei der bedingten Einantwortung, bei der sich herausstellt, dass der Wert des eingeantworteten Nachlasses nicht zur Befriedigung der Arbeitnehmerforderung ausreicht, entfällt durch die bedingte Einantwortung im Ergebnis partiell ein Haftungssubjekt. Verfahrenstechnisch stellt sich dies als eine konsequente Fortführung des § 1 Abs 1 Z 6 IESG, also Anknüpfung an die Beschlüsse gemäß § 153 Abs 1 oder § 154 Abs 1 AußStrG (Unterbleiben einer Abhandlung wegen geringen Werts; Überlassung an Zahlungs statt an die Gläubiger) dar, ist doch - mangels Antrags nach § 153 AußStrG - die Einantwortung an den bedingt erbantrittserklärten Erben die regelmäßige konsequente Folge bei überschuldeten Verlassenschaften. Jedoch mangelt es eben im Verlassenschaftsverfahren an einer den §§ 153 und 154 AußStrG vergleichbaren Prüfung der „Vermögenslosigkeit". Die Möglichkeit eines Konkursantrags gegen eine eingeantwortete Verlassenschaft wird zwar dann bejaht, wenn ein Separationskurator bestellt und damit weiter ein eigenes konkursfähiges Sondervermögen aufrecht erhalten wurde (RIS-Justiz RS0117472; 8 Ob 244/02v), jedoch ist dies hier nicht erfüllt, sondern bloß eine Haftungsbeschränkung mit dem Wert des Nachlasses zur Zeit der Einantwortung eingetreten (RIS-Justiz RS0047846 mwN, zuletzt 3 Ob 92/06k; ebenso Welser aaO § 802 Rz 5; Eccher aaO § 802 Rz 2 und Sailer aaO § 802 Rz 5). Die Möglichkeit der Überprüfung der „Vermögenslosigkeit" eines konkursfähigen Vermögens der Verlassenschaft in einem nachträglichen „Insolvenzverfahren" besteht daher nicht mehr (6 Ob 34/01w mwN; Welser aaO §§ 797, 798 Rz 20; Eccher aaO § 798 Rz 13).
Insgesamt ist davon auszugehen, dass dieser Fall ganz offensichtlich vom Gesetzgeber nicht bedacht wurde. Aus den Wertungen der Bestimmungen des § 1 Abs 1 IESG, insbesondere Z 4 (§ 68 KO), Z 5 (mangelnde Auffindbarkeit von Arbeitgeber und Vermögen) und Z 6 (§§ 153, 154 AußStrG) ist aber eindeutig, dass der Gesetzgeber den Fall des - „partiellen" - Untergangs eines Haftungssubjekts für Arbeitnehmeransprüche doch absichern wollte. Verfahrenstechnisch bietet es sich daher an, auf die vom Gesetzgeber in § 1a IESG auf Grundlage eines Streitverfahrens nachgewiesene „Vermögenslosigkeit" zurückzugreifen, ergibt sich doch daraus, dass die Prüfung der „Insolvenz" nicht unbedingt in einem „Insolvenzverfahren" erfolgen muss. Andernfalls müsste man davon ausgehen, dass die mangelnde rechtzeitige Stellung eines Konkursantrags oder eines Antrags nach § 154 AußStrG die Absicherung nach dem IESG ausschließt. Dies entspricht aber auch sonst nicht dem System des IESG. Stellt dieses regelmäßig doch nur darauf ab, ob die Ansprüche „aufrecht" (§ 1 Abs 2 bis 6 IESG) und von der Sicherung erfasst sind (§§ 3 ff IESG). Eine weitere Bindung etwa dahin, wann einer der Tatbestände des § 1 Abs 1 und § 1a IESG verwirklicht wurde oder dass der Arbeitnehmer dabei mitgewirkt und selbst etwa einen Konkursantrag gestellt hat, sieht das IESG nicht vor.
Es ist daher davon auszugehen, dass dann, wenn in einem Streitverfahren der bedingt erbantrittserklärte Erbe eine Abweisung der Forderungen eines Arbeitnehmers unter Bezugnahme auf die Haftungsbeschränkung des § 802 ABGB erreichen konnte, insoweit in analoger Anwendung des § 1a IESG eine Absicherung gegeben ist.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich auf die Frage einzugehen, ob nicht auch Art 2 der Insolvenzrichtlinie 80/987/EWG gebietet, dass die Mitgliedstaaten für den Fall der materiellen Insolvenz auch ein Verfahren vorsehen, das den Anforderungen des Art 2 der RL entspricht.
Soweit der Kläger befürchtet, dass die Bestimmung des § 7 Abs 1 erster Satz IESG seinen Ansprüchen entgegen stehen könnte, ist dies ebenfalls unbegründet. Nach dieser Regelung ist die Geschäftsstelle bei der Beurteilung des Vorliegens eines gesicherten Anspruchs an die hierüber rechtskräftig ergangenen gerichtlichen Entscheidungen gebunden. Dies gilt grundsätzlich auch für abweisende gerichtliche Entscheidungen, allerdings nur - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - sofern sich aus diesen das Nichtvorliegen eines gesicherten Anspruchs ergibt (vgl Liebeg aaO § 7 Rz 14; ebenso RIS-Justiz RS0077588, zuletzt etwa 8 ObS 23/07a). Genau davon kann aber nicht ausgegangen werden, weil die Abweisung nicht auf das mangelnde Bestehen des Anspruchs, sondern die mangelnde Haftung der Beklagten dafür gestützt ist.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen auf Insolvenzausfallgeld bedarf es auch keines näheren Eingehens auf die vom Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemachten europarechtlichen Bedenken. Der in der Revision hierauf gestützte Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens und Anrufung des Europäischen Gerichtshofs zur Vorabentscheidung war daher zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0058452).
Insgesamt erweist sich die Revision des Klägers gegenüber der Beklagten damit als unberechtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO. Eine Revisionsbeantwortung hat die Beklagte nicht erstattet.
Textnummer
E90013European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:008OBA00065.08D.0127.000Im RIS seit
26.02.2009Zuletzt aktualisiert am
18.11.2010